Implizierte Gottesvorstellung und seelsorgerliche Praxis. Ein Vergleich der Seelsorge-Handbücher von Engemann und Klessmann - Peter Schmidt - E-Book

Implizierte Gottesvorstellung und seelsorgerliche Praxis. Ein Vergleich der Seelsorge-Handbücher von Engemann und Klessmann E-Book

Peter Schmidt

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Theologie - Praktische Theologie, Note: 3,0, , Sprache: Deutsch, Abstract: Beide Herausgeber der Seelsorge-Handbücher, Engemann und Klessmann, vertreten eine lutherische Gottesvorstellung. Trotz dessen lösen sie diese in ihrer seelsorgerlichen Praxis unterschiedlich auf, was ich auf ihre Biographie zurückführe. Engemann konzipiert Seelsorge als Gespräch mit Lehrdimension. Christlichen Ratsuchenden soll "Lebenskunst" also Hilfe zur Selbsthilfe beigebracht werden, insbesondere um sich selbst aus den gesellschaftlichen Zwängen der Erlebnisgesellschaft befreien zu können und insoweit die Heilung des "erschöpften Selbst" zu erfahren. Der "Clou" von Engemanns Theologie ist dabei die Trennung der Heilssphären Soteriologie und "Lebenskunst". Das poimenische Konzept "Lebenskunst" ist einerseits dogmatischer "Lückenfüller"; andererseits kann des-sen Grundlage, die Autonomie des Menschen, theologisch von der Gottesebenbildlichkeit ableitet und gegenüber dem Determinismus der physikalistischen Identitätstheorie mit dem Leib-Seele-Dualismus auch philosophisch verteidigt werden. Die "Freiheit zu etwas", nämlich zu einer gelungenen Lebensführung des "werdenen Selbst", unterscheidet Engemann von der "Freiheit von etwas", nämlich der Freiheit von z.B. Erbsünde oder Neurosen. Engemann grenzt sich also gegenüber beiden dominanten Paradigmen von Seelsorge des 20. Jahrhunderts, der kerygmatischen wie auch der therapeutischen Seelsorge, ab. Klessmann hingegen übernimmt beide Paradigmen in seine poimenische Konzeption als "Begegnung" und "Begleitung" (therapeutisch) sowie "Lebensdeutung" im Horizont christlichen Glaubens (kerygmatisch). Der "Clou" von Klessmanns Poimenik ist also die Verbindung therapeutischer und kerygmatischer Elemente. Die Engemann'sche Trennung der Heilssphären kann Klessmann nicht nachvollziehen. Seine Poimenik hat durchgehend enge Bezüge zur Soteriologie, was sich inbesondere im Konzept der "Lebensdeutung" zeigt, bei der der christliche Glaube "ins Spiel" gebracht werden kann. Dass sich Klessmann gegenüber der therapeutisch üblichen Methode der affektiven Neutralität abgrenzt, ist mit der biographischen Erfahrung des "gerechten Ärger" begründbar; der "gerechte Ärger" Klessmanns findet sich wesentlich stärker im kerygmatischen Anteil von Klessmanns Poimenik in Form des Seelsorgers als "Prophet", der mit "widerständiger Haltung" das inhumane "System Krankenhaus" sowie die gesellschaftliche Überhöhung von Gesundheit als "höchstes Gut" im Gespräch mit den Mitarbeitenden des Krankenhauses sowie den Patienten kritisiert.

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Inhaltsverzeichnis
I. EINLEITUNG
1. Hermeneutisches Vorverständnis
2. Exegese der Themenstellung und Methodik
II. HAUPTTEIL
1. Das Seelsorge-Handbuch von Engemann
1.1 Engemanns Biographie
1.2 Die seelsorgerliche Praxis
1.2.1 Das Verständnis von Praktischer Theologie und der Aufbau des Handbuches
1.2.2 Die Problemstellung in der Seelsorge
1.2.3 Das Ziel der Seelsorge
1.2.4 Die Mittel des Seelsorgenden
1.3 Die Gottesvorstellung und ihre Rolle für die seelsorgerliche Praxis
1.3.1 Die Prolegomena
1.3.2 Von Gott
1.3.3 Vom Mensch
1.3.4 Vom Heil zwischen Gott und Mensch
2. Das Seelsorge-Handbuch von Klessmann
2.1 Klessmanns Biographie
2.2 Die seelsorgerliche Praxis
2.2.2 Die Problemstellung in der Seelsorge
2.2.3 Das Ziel der Seelsorge
2.2.4 Die Mittel des Seelsorgenden
2.3 Die Gottesvorstellung und ihre Rolle für die seelsorgerliche Praxis
2.3.1 Die Prolegomena
2.3.2 Von Gott
2.3.3 Vom Mensch
2.3.4 Vom Heil zwischen Gott und Mensch
3. Der Vergleich hinsichtlich der Rolle der Gottesvorstellung
3.1 Die Prolegomena und ihre Rolle für die Poimenik
3.2 Von Gott und seine Rolle für die Poimenik
3.3 Vom Mensch und seine Rolle für die Poimenik
3.4 Vom Heil zwischen Gott und Mensch und seine Rolle für die Poimenik
III. SCHLUSS
1. Kritische Anfragen an die Seelsorgelehren der Herausgeber
2. Resümee und hermeneutische Reflexion

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I. EINLEITUNG

1. Hermeneutisches Vorverständnis

Das Thema dieser wissenschaftlichen Hausarbeit wurde aus dem Themenbereich "Neuere poimenische Konzeptionen im Vergleich" gestellt, welchen ich hinsichtlich eines Vikariates zur Vertiefung von anwendbaren Fachwissen gewählt hatte. Dies zeigt, dass ich bei der Wahl des Themenbereiches eher die Perspektive1von Praktischer Theologie als Anwendungswissenschaft eingenommen hatte. Ich möchte mich aber in dieser Arbeit - durch Engemann und Klessmann angeregt - der Perspektive der hermeneutischen Wahrnehmungswissenschaft anschließen. Aus diesem Grund werde ich im Hauptteil die Biographie von Engemann und Klessmann in den Blick nehmen, sowie im Schlussteil mein eigenes Vorverständnis2reflektieren: Ich erwarte, dass ein Vergleich der beiden Handbücher überwiegend Kongruenzen statt Differenzen zu Tage fördern wird.3Dieses Vorverständnis leite ich aus meinen Vorkenntnissen über Engemann bzw. Klessmann ab. Beide Autoren habe ich bisher in Form der "Einführung in die Homiletik" bzw. in Form des "Lehrbuch Pastoralpsychologie" als stark von den Humanwissenschaften geprägt kennengelernt. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass eher wenige Gottesvorstellungen zu finden sein werden.

2. Exegese der Themenstellung und Methodik

Die Themenstellung lässt Freiheit zur Auslegung: Für zwei Begriffe im Thema existiert keine Definition in der Fachliteratur4, zwei weitere ergeben nur aus dem Kontext heraus Sinn. Deswegen werde ich die Termini der Themenstellung konkretisieren und dabei die Methodik plausibilisieren.

1Als wesentliche Perspektiven von Praktischer Theologie gelten einerseits das Verständnis als Anwendungswissenschaft v.a. von Dogmatik und Ethik, anderseits das Verständnis als hermeneutische Wahrnehmungswissenschaft mit Unterformen wie z.B. der Semiotik (vgl. Schroer, Artikel Praktische Theologie, S. 210 sowie Nicol, Grundwissen, S. 246).

2In der Hermeneutik ist die Erkenntnis validiert, dass jedes Verstehen von einem Vorverständnis konstruiert ist (vgl. Schreiter, Artikel Hermeneutik, S. 546), welches auch durch die Biographie bedingt ist (vgl. Schweitzer, Artikel Biographie praktisch-theologisch, S. 1604).

3Es zeichnet sich zudem formal eine gewisse Nähe der Autoren ab: Klessmanns Lehrbuch der Seel-sorge, welches ich zur Ergänzung der Untersuchung seines Handbuches heranziehen werde, behandelt die Konzeption von Engemann (Klessmann, Lehrbuch, S. 112-114). Im Handbuch von Engemann ist ein Artikel von Klessmann zu finden (Engemann, Handbuch, S. 390-410).

4Ich habe keine allgemein anerkannten Definitionen dieser Begriffe in Form von Lexikonartikeln z.B. in der TRE, RGG oder auch im Brockhaus gefunden.

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Der Singular "Gottesvorstellung" kann den Eindruck erwecken, dass es sich bei den Seelsorge-Handbüchern von Engemann5und Klessmann um Monographien handelt. Allerdings fungieren beide als Herausgeber. Dass in der Themenstellung nicht der Zusatz "(Hrsg.)" enthalten ist, lege ich so aus, dass die Theologie (Gottesvorstellung und seelsorgerliche Praxis) der Herausgeber und nicht der einzelnen Autoren in den Handbüchern verglichen werden soll. Methodisch äußert sich dies darin, dass ich die nur Theologie der beiden Herausgeber untersuchen werde, was die biographischen Einflüsse und die Analyse der Konzeption der Handbücher einschließt.6

Der Begriff "Gottesvorstellung" ist in der Fachliteratur nicht definiert. Ich lege diesen Sachverhalt so aus, dass die Themenstellung hier auf eine weite Auslegung abzielt, und es also nicht nur um die jeweilige Gotteslehre7der Herausgeber, sondern ganz allgemein um die Dogmatik8der Herausgeber gehen soll. Dass nicht der Begriff "Systematische Theologie" verwendet wurde, deute ich so, dass das Problem des Verhältnisses von Dogmatik und Ethik sowie von Ethik und Poimenik außen vor bleiben soll. Deshalb werde ich insbesondere das Problem des usus legis politicus im Zusammenhang mit der Zwei-Reiche-Lehre außen vorlassen.9Dass nicht der Begriff "Dogmatik" in der Themenstellung gewählt wurde, interpretiere ich so, dass zwar ein interdisziplinärer Charakter durch die Verhältnisbestimmung von Poimenik und Dogmatik gewünscht ist, der Schwerpunkt aber auf der Seelsorgelehre liegen soll. Meine methodische Konsequenz ist, dass ich Dogmatik-interne Streitfragen außen vorlasse. Stattdessen wähle ich - auch hinsichtlich des Rahmens der Kirchlichen Aufnahmeprüfung - die lutherische10Theologie als fixen Bezugspunkt für die Untersuchung der Gottesvorstellung. Zur besseren Übersicht werde ich

5Bei Engemann stellt sich das Problem, dass eine neuere Auflage (2.Aufl. 2009) existiert, die allerdings keine Angabe darüber enthält, ob es eine unveränderte Neuauflage ist oder nicht. Mir wurde per Mail vom 25.03.2011 von der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH Leipzig versichert, dass es sich um eine unveränderte Neuauflage handelt. Eigene Untersuchungen haben ergeben, dass es doch eine Veränderung gibt: Es wurde ein Autorenverzeichnis hinzugefügt. Dies hat aber keine Auswirkungen auf den Inhalt, so dass alternativ auch die neuere Auflage verwendet werden konnte.

6Herausgeber kreieren mit der Auswahl der Autoren und der Anordnung der Beiträge eine eigene geistige Schöpfung (vgl. N.N., Artikel Herausgeber, S. 323). Auf die weiteren Autoren der beiden Handbüchern werde ich folglich nur am Rande und nur dort eingehen, wenn sie gegenüber den Herausgebern entweder besonders abweichen oder besondere Übereinstimmung suchen. Damit lassen sich die Konturen der Theologie von Engemann und Klessmann noch etwas schärfer zeichnen.

7Den Umfang einer Gotteslehre beschreibt z.B. Leonhardt, Grundinformation, S. 121-170.

8Vgl. Joest, Dogmatik, S. 13.

9Das Problem würde ich so beschreiben: Ist Engemanns "Auflehnung" gegen die Erlebnisgesellschaft sowie Klessmanns "Auflehnung" gegen die Institution Krankenhaus wegen der Würde des Menschen mit Luthers Zwei-Reiche-Lehre (die v.a. auf Röm 13,1-7 mit u.a. "Jedermann sei untertan der Obrigkeit" basiert) evtl. unvereinbar? Kann die Gesellschaftsform (Erlebnisgesellschaft) als Ausfluss der Politik (Obrigkeit) gewertet werden?

10Unter lutherischer Theologie verstehe ich die Theologie Martin Luthers, die ich mit Verweis auf die einschlägigen Werke von Joest und Leonhardt abstecken werde. Vgl. insbesondere Leonhardt, Grund-information, S. 40-43.