In meinen Träumen finde ich dich - Roland Kachler - E-Book

In meinen Träumen finde ich dich E-Book

Roland Kachler

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Beschreibung

Roland Kachler zu einem neuen Aspekt der Trauer - zum Träumen in der Trauer. Mit einer Traumkunde für Trauernde Wie sind Träume in der Trauer zu verstehen? Was teilen uns die Träume über uns und den Verstorbenen mit? Ausgehend von einer Traumkunde für Trauernde und anhand zahlreicher Beispiele zeigt Roland Kachler, wie Träume zu einer neuen Beziehung zu dem Verstorbenen führen können: Träume als Wegweiser in ein wieder gelingendes Leben. Auch zum Umgang mit Alpträumen gibt er konkrete Hilfestellung sowie zur Traum- und Imaginationsarbeit in der Trauerbegleitung.

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Seitenzahl: 201

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Roland Kachler

In meinen Träumen finde ich dich

Wie Träume in der Trauer helfen

Impressum

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.kreuz-verlag.de

Umschlaggestaltung: Vogelsang Design

Umschlagmotiv: © shutterstock.com – samarttiw,

© Artenauta – Fotolia.com

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (Buch) 978-3-451-61296-1

ISBN (E-Book) 978-3-451-80216-4

Inhalt

Vorwort Wie Trauerträume heilsam wirken

1 »Warum träume ich überhaupt?« Eine kleine Schlaf- und Traumkunde für Trauernde

2 »Was will mir dieser Traum sagen?« Wie wir mit unseren Träumen arbeiten können

3 »Meine Träume sind wie Wegweiser in dunklem Land« Wie Träume uns in unserem Verlust helfen wollen

4 »Im Traum finde ich dich« Wie uns der geliebte Mensch im Traum begegnet

5 »Ich bin dort und dort geht es mir gut« Träume von der anderen Welt des Verstorbenen

6 »Ich bleibe in der Liebe zu dir« Träume vom Verstorbenen als Liebeserklärung

7 »Du bist tatsächlich gestorben« Träume als schmerzliche Konfrontation mit der Realität

8 »Wie ein dunkler Schatten« Träume von unserer Trauer und der Trauersituation

9 »Ein ganz schrecklicher Traum« Die Lösung von Alpträumen in der Trauerarbeit

10 »Es ist noch etwas offen zwischen uns« Träume als Klärungshilfe für offene Konflikte

11 »Darf ich wieder leben?« Träume als Wegweiser in ein Leben nach dem Verlust

12 »Und wieder habe ich nicht von dir geträumt« Hilfen zum Träumen in der Trauer

Anmerkungen und Literatur

VorwortWie Trauerträume heilsam wirken

Die Sehnsucht nach Träumen in der Trauer

Wie sehr wünschen sich Trauernde einen Traum vom geliebten verstorbenen Menschen. Wie schön wäre es, heute Nacht meinem geliebten Menschen im Traum zu begegnen. Wie sehr hoffe ich auf eine Botschaft von ihm im Traum. Wie gut wäre es, zu wissen, wie es ihm dort in seiner anderen Welt geht. Wie sehr sehne ich mich nach einem Traum in der Trauer. Wie anrührend, tröstlich und traurig zugleich ist es, wenn ich von meinem geliebten verstorbenen Menschen träume.

Solche Träume sind für Trauernde sehr wichtig. Leider können nicht alle Trauernden so von ihrem geliebten Menschen träumen. In diesem Buch will ich konkrete Impulse zum Träumen in der Trauer geben. Und ich bin mir sicher, dass Sie mit diesem Buch lernen werden, von Ihrem geliebten Menschen zu träumen. Sie werden entdecken, dass Ihre Träume die Liebe und Ihre innere Beziehung zu Ihrem verstorbenen lieben Menschen stärken werden.

Trauerträume verstehen lernen

Manche der Trauerträume sind schwer zu verstehen. Was bedeutet diese Botschaft meines geliebten Menschen? Wie soll ich es verstehen, dass er im Traum vielleicht wütend oder selbst traurig ist? Wie soll ich es deuten, wenn mein geliebter Mensch mir im Traum von seiner so anderen Welt berichtet?

Hier will ich Sie mit vielen Beispielträumen anleiten, Ihre eigenen Träume in der Trauer zu verstehen. Dabei greife ich – soweit für Trauernde hilfreich – die allerneuesten Erkenntnisse der aktuellen Traumforschung auf. Hierzu gehört auch, dass wir inzwischen in der Hirnforschung unserem Gehirn beim Schlafen und Träumen zuschauen können. Wenn Sie sich für weiterführende wissenschaftliche Erkenntnisse interessieren, finden Sie dies in den grau unterlegten Infokästen, für noch weitergehende Informationen schlagen Sie bitte in den Anmerkungen nach.

Aber auch die klassischen Ansätze der tiefenpsychologischen und psychoanalytischen Traumdeutung und deren Weiterentwicklung in der Gestalttherapie oder Hypnotherapie kommen hier zum Tragen. Sie werden in diesem Buch lernen, Ihre eigenen Trauerträume zu befragen, auf deren Antworten zu hören und sie dann zunehmend intuitiv zu verstehen.

Mit schweren Trauerträumen leben lernen

Neben den meist nahen und tröstlichen Träumen von einer Begegnung mit dem Verstorbenen gibt es auch belastende Träume in der Trauer. In ihnen werden Trauernde häufig mit dem Sterben und Tod des geliebten Menschen und der harten Realität des Verlustes konfrontiert. Immer wieder weinen Trauernde im Traum oder wachen nach einem traurigen Traum weinend auf. Ebenso werden die eigene schwierige Lebenssituation nach dem Verlust und die Trauergefühle im Traum symbolisiert. Dies wirkt häufig bedrückend oder lähmend. Noch massiver ist dies bei Alpträumen, die bei schweren Verlustsituationen gehäuft vorkommen.

Doch auch diese schweren Träume haben ihren Sinn und ihre Aufgabe im Trauerprozess. Ich möchte Sie begleiten und Ihnen helfen, diese Träume zu verstehen und die in ihnen steckende Energie freizulegen. So werden die schweren Träume dann doch zu hilfreichen Trauerbegleitern.

Träume als Beziehungshelfer

Die schönsten Trauerträume sind Liebesträume. Mein geliebter Mensch erklärt mir im Traum, dass er mich immer lieben wird. Manchmal ist er mir im Traum ganz nahe, manchmal berührt oder umarmt er mich zärtlich. Ich wünsche allen Trauernden, dass sie solch einen ganz besonderen Traum geschenkt bekommen. Hat man solche Träume nicht, dann gilt es oft, mit dem Verstorbenen noch etwas Ungelöstes oder einen Konflikt zu klären. Auch das erfahre ich durch meine Träume und oft liegt dabei die Lösung schon im Traum auf der Hand. Ich will Sie unterstützen, bei einer schwierigen Beziehung mit Ihrem geliebten Menschen ins Reine zu kommen. Dann kann die Liebe wieder fließen.

Die Beziehungsträume in der Trauer zeigen auf schönste Weise, dass die Trauerarbeit eine Beziehungs- und Liebesarbeit ist. Sie bestätigen deshalb auch meinen neuen Traueransatz, den ich in meinen Trauerbüchern, insbesondere in »Meine Trauer wird dich finden« dargelegt habe. Das hier vorliegende Buch ist eine Bestätigung und Vertiefung: Der Tod beendet das Leben meines geliebten Menschen, aber nicht die Liebe zwischen uns. In den Liebesträumen in der Trauer ist dies konkret zu erfahren.

Träume als Wegbegleiter auf den Trauerweg mitnehmen

Träume können also zu wichtigen Wegbegleitern im Trauerprozess werden, nicht zuletzt weil in ihnen auch der oder die Verstorbene zu einem hilfreichen Wegbegleiter wird. Darin liegt das tiefere Geheimnis der Träume in der Trauer. Noch gibt es dazu kaum wissenschaftliche Literatur, die das belegt. Doch soweit Trauerträume untersucht sind, wird deutlich, dass sie für einen gelingenden Trauerprozess sehr wichtig sind1.

In meiner eigenen Arbeit in der Trauerbegleitung und Trauertherapie arbeite ich praktisch immer mit den Träumen der Trauernden. Sie sagen den Trauernden und mir als Therapeuten, was die wichtigen Themen und nächsten Schritte auf dem Trauerweg sind.

Die Trauerträume anderer als Spiegel für eigene Träume

Dieses Buch lebt von den Trauerträumen, die ich von vielen Trauernden geschenkt bekommen habe. Viele der Träume stammen aus meinen Trauerbegleitungen und -therapien, viele Träume habe ich über verschiedene Aufrufe zugesandt bekommen, einige Trauerträume kommen von befreundeten verwaisten Eltern und schließlich finden Sie auch Träume von mir und meiner Frau.

Zunächst gilt mein tief empfundener Dank all denen, die mir ihre Trauerträume zur Verfügung gestellt haben. Ich habe versucht, sie in diesem Buch behutsam und angemessen darzustellen und zu deuten. Ich habe zur Illustration besonders die Träume aufgenommen, die prägnant, klar und gut verständlich sind; natürlich gibt es auch kompliziertere, schwerer verständliche Trauerträume, die man in der Regel nur mit professioneller Unterstützung deuten kann.

Zu jedem Traum und dessen Deutung gehört eine lange Beziehungsgeschichte zum Verstorbenen, die besondere Situation seines Sterbens und Todes, die träumende Person und ihre Biografie. Das fließt in meine Deutungen selbstverständlich intensiv mit ein. Wegen der Lesbarkeit sind die Kontexte der Träume im Buch nur angedeutet. Natürlich habe ich dabei die Anonymität gewahrt und die Namen der Betroffenen und Verstorbenen verändert.

Nun hoffe ich, dass die in diesem Buch dargestellten und gedeuteten Trauerträume Ihnen als trauernde Leserinnen und Leser helfen werden, Ihre eigenen Träume in der Trauer zu träumen. Ich bin sicher, dass Sie sich im Spiegel dieser Träume in Ihrer Trauer besser verstehen werden. Ganz sicher werden Sie über die hier gedeuteten Träume und über Ihre eigenen Träume Ihre Liebe zu Ihrem verstorbenen geliebten Menschen intensiver und näher leben können. Diese Liebe und der Verstorbene selbst dürfen weiter Teil Ihres Lebens bleiben. Und dieses Leben darf wieder gelingen und glücken – dorthin werden Sie nicht zuletzt von den Träumen in der Trauer begleitet.

Roland Kachler

1. »Warum träume ich überhaupt?« Eine kleine Schlaf- und Traumkunde für Trauernde

In diesem ersten Kapitel möchte ich Sie ganz knapp in den aktuellen Stand der Schlaf- und Traumforschung einführen, soweit das für die Trauerträume wichtig und hilfreich ist. Wenn Sie mehr über das Schlafen, die Bedeutung und den Sinn des Träumens und von Träumen erfahren wollen, finden Sie im Anhang die wichtigsten Bücher über den aktuellsten Forschungsstand der Schlaf- und Traumforschung1.

Was sind Träume?

Seit Urzeiten werden Träume verstanden als Botschaften aus einer anderen Welt, aus der Welt der Nacht und des Schlafes. Bis zur wissenschaftlichen Erforschung durch Sigmund Freud waren Träume religiöse Botschaften. In manchen Kulturen werden bis heute Träume als Botschaften der Ahnen aus deren anderer Welt verstanden. Diese Sicht ist gerade für Trauernde auch heute noch wichtig und hilfreich für den Trauerprozess.

Seit Sigmund Freud gelten Träume als Botschaften aus dem Bereich der Seele, der unserem bewussten Nachdenken nicht zugänglich ist, also aus unserem Unbewussten. Träume kommen aus Schichten unserer Seele, die wir oft übersehen, verdrängen oder die wir nicht kennen. Inzwischen hat auch die moderne Hirnforschung belegt, dass vieles, was in unserem Gehirn passiert, unbewusst geschieht. So bestätigt die Hirnforschung durch ihre wissenschaftlich überprüfbaren Ergebnisse nicht nur die Existenz des Unbewussten, sondern auch die besondere Bedeutung des Träumens. Die Träume und die Traumdeutung können so, wie Sigmund Freud behauptete, der Königsweg zu diesem Nachtbereich des Unbewussten sein. Wenn dieser Bereich nicht nur zu uns gehört, sondern uns mehr bestimmt, als wir wollen, dann ist es für unsere eigene Entwicklung als Person wichtig, diesen Bereich kennenzulernen. Über das Verstehen unserer Träume können wir einen Blick in unsere eigenen unbewussten Tiefen werfen. Carl Gustav Jung, neben Freud der zweite entscheidende Pionier der Traumforschung, hat gezeigt, dass Träume uns in unserer Persönlichkeitsentwicklung helfen können.

Schauen wir uns einen Trauertraum an, um ganz konkret zu verstehen, was Träume sein können: Eine Mutter, 40 Jahre alt, deren Tochter nach einer Krebserkrankung und längerer Pflege mit 16 Jahren verstarb, träumte etwa sechs Monate nach dem Tod ihrer Tochter Folgendes:

Ich sehe ein Baumhaus in einem großen Baum. Ich fahre mit dem Aufzug nach oben. In einem großen Zimmer sitzt Marlene in ihrem Bett, ganz lebendig. Sie sagt: »Mama, mir geht es gut und ich habe Hunger.«

Dann zeigt Marlene zum Fenster. Dort sieht man die Berge. Sie sagt: »Mama, schau, wie schön es hier ist. Ich bin so glücklich hier.«

Dann bin ich mit großem Frieden aufgewacht.

Wir können diesen Traum als unmittelbare Botschaft der verstorbenen Tochter verstehen. Viele Trauernde erleben und deuten diese Erfahrung so, weil die Begegnung mit dem Verstorbenen im Traum so überwältigend real ist. Trauernde haben durch ihre Verlusterfahrung ein erweitertes Realitätsverständnis, sodass eine solche Deutung für sie stimmig ist.

Man könnte den Traum aber auch als psychisches Geschehen deuten, in dem das Unbewusste der trauernden Mutter eine tröstliche und tröstende Botschaft sendet. Dann wäre dieser Traum als ein sinnvoller Heilungsversuch der Seele zu verstehen, der die Trauernde in ihrem Trauerprozess unterstützt und voranbringt.

Hier also noch einmal die Frage: Was sind Träume? Welche Wirklichkeit bilden sie ab? Wie wollen wir Träume, besonders auch Trauerträume, verstehen?

Für die Traumarbeit mit Trauernden ist es wichtig, dass sie ihr eigenes Verständnis solcher Träume finden. Ich selbst ermutige Trauernde, sich dabei ganz auf ihre innere Stimme zu verlassen. Die zentrale Frage ist für mich nicht, was »real« ist, sondern was den Trauernden heilsam helfen kann.

Impulse für Ihr eigenes Traumverständnis

Prüfen Sie anhand der folgenden Bilder, wie Sie Ihre Träume verstehen wollen. Vielleicht helfen Ihnen diese Bilder auch, Ihr Verständnis für Ihre Träume zu erweitern oder zu vertiefen:

Träume sind Spiegel der SeeleIn diesem Spiegel schauen wir in unbewusste Bereiche unserer Seele und zugleich uns selbst in die Augen. Im Spiegel der Träume begegnen wir unseren verborgenen Seiten.Träume sind ungeöffnete Briefe Träume sind Nachrichten unserer Seele oder unseres Unbewussten an uns selbst. Wenn wir die Träume verstehen, dann werden daraus hilfreiche Briefe mit wichtigen Botschaften.Träume sind SchäumeTräume sind nichts weiter als nächtliche Phänomene, die unser Gehirn produziert. Sie sind also Seifenblasen, die zerplatzen, wenn wir nach ihnen greifen.Träume sind SternschnuppenSie blitzen vor dem Hintergrund der dunklen Nacht des Schlafes auf und verschwinden dann rasch wieder aus unserem Bewusstsein.Träume sind TheaterstückeIn diesen Stücken oder Filmen spielen wir meist die Hauptrolle, doch ein anderer führt die Regie.Träume sind Fenster in eine andere WeltDurch unsere Träume schauen wir in eine bunte, oft verrückte Welt, in der ganz andere Regeln gelten.

Was im Schlaf geschieht: Die Schlafphasen und der REM-Schlaf

In einer Nacht gehen wir in unserem Schlaf durch vier Schlafphasen, beginnend vom Leichtschlaf bis zum Tiefschlaf2. Am Ende jeder der vier Schlafphasen kommen wir in die sogenannte REM-Phase des Schlafs. Dieser besondere Schlafzustand zeichnet sich dadurch aus, dass sich unsere geschlossenen Augen sehr schnell bewegen. Diese Augenbewegungen werden als Rapid Eye Movements bezeichnet. Nach ihnen ist diese besondere Schlafphase, der REM-Schlaf, benannt. Man spricht beim REM-Schlaf auch vom »paradoxen Schlaf«, weil er im EEG (Elektroenzephalogramm) dem Wachen ähnlicher erscheint als dem Schlafen.

Werden Schläfer in dieser Phase geweckt, berichten 80 bis 95 Prozent von intensiven und lebhaften Träumen. Damit wir die Bewegungen beispielsweise eines Fluchttraumes nicht in Handlungen umsetzen, ist im REM-Schlaf unsere gesamte Muskulatur blockiert und gänzlich entspannt.

Die REM-Phasen dauern zwischen 10 und 50 Minuten, wobei die Dauer morgens zunimmt, wir also dann vermehrt emotionale Träume haben und diese auch besser erinnern. Wir durchschreiten die REM-Phase in einer Nacht vier bis sechs Mal.

Werden Schlafende in den anderen vier Schlafphasen, dem sogenannten Non-REM-Schlaf geweckt, berichten nur etwa 5 bis 10 Prozent der Geweckten von Träumen, die zudem weniger emotional und fantastisch erscheinen als die Träume des REM-Schlafs. Die Geweckten erinnern sich eher an Gedanken und Sätze als an ganze Traumszenen. Wir träumen also auch außerhalb der REM-Phase, vermutlich die ganze Nacht. Die intensivsten Traumerlebnisse sind aber in der REM-Phase zu finden.

Es ist zu vermuten, dass Trauerträume, die in der Regel emotional sehr berührend sind, in der REM-Phase stattfinden, also gegen Morgen mit den länger werdenden REM-Phasen häufiger werden und wir sie auch besser erinnern können.

Träumen – ein anderer Bewusstseinszustand?

Im Träumen sind wir in einem anderen Bewusstseinszustand, in dem wir zwar Themen und Gefühle des Wachseins aufgreifen, aber doch nicht wach sind. Unser Gehirn schläft in gewisser Weise, weil es den Kontakt zur äußeren Welt unterbrochen hat. Andererseits ist das Gehirn im Schlaf auch hoch aktiv und beschäftigt sich intensiv und in vielen Prozessen mit sich selbst.

In dem anderen Bewusstseinszustand des Träumens gelten andere Regeln als in unserer Wachwelt. Genaue Auswertungen von Träumen ergaben, dass fast alle Träume bizarre, also in der Realität unmögliche Ereignisse und Elemente enthalten3. Die Schwerkraft ist beispielsweise im Fliegen des Träumenden aufgehoben. Auch die Zeit kann im Zeitraffer- oder Zeitlupentempo vergehen. Die Traumwirklichkeit wird zwar als ganz real erlebt, dennoch ist sie nicht an die Gesetze der äußeren Wirklichkeit gebunden. Das wird in den Trauerträumen besonders deutlich und ist für Trauernde auch sehr wichtig, weil hier die schmerzliche Realität des Verlustes gewissermaßen umkehrbar wird, zum Beispiel wenn uns der Verstorbene in den Begegnungsträumen erscheint.

Für das realistische Erleben der besonderen Traumwirklichkeit ist wichtig, dass wir selbst mit unserem sogenannten Traum-Ich am Geschehen beteiligt sind. Wir sehen den Traum nicht als einen Film, der vor uns wie im Kino auf einer Leinwand abläuft, sondern wir sind mittendrin. Dabei wird uns nicht bewusst, dass es nur ein Traum ist. Nur in sogenannten luciden Träumen, etwa in 1 Prozent aller Träume, wird uns bewusst, dass wir träumen.

In der Regel empfindet, denkt und fühlt unser Traum-Ich ganz ähnlich wie unser waches Ich. Manchmal allerdings sind auch hier die Regeln unserer eigenen Psychologie außer Kraft gesetzt, so haben wir beispielsweise im Traum vor einem Tiger keine Angst.

In den Trauerträumen erleben wir zum Beispiel in der Begegnung mit dem Verstorbenen ein Erschrecken, obwohl wir uns so sehr nach einer Begegnung im Traum gesehnt haben.

Was in unserem Gehirn geschieht, wenn wir träumen

Seit einiger Zeit kann man mit den neuen wissenschaftlichen Methoden der Hirnforschung, den sogenannten bildgebenden Verfahren, unserem Gehirn beim Träumen zuschauen4.

Beim Träumen sind vor allem die Gehirnregionen aktiv, die mit unseren Gefühlen zu tun haben. Diese Gefühlszentren im limbischen System, dort besonders die sogenannte Amygdala, spiegeln im Wachzustand und in Träumen der REM-Phase Gefühle wie Angst, Wut und Trauer wider.

Andere Gehirnzentren wie der vordere Cortex, die für das rationale Verarbeiten, Denken und Planen zuständig sind, bleiben beim Träumen ruhig. Sie können also die emotionalen und fantastischen Träume nicht kontrollieren. Träume sind deshalb in besonderer Weise Ausdruck unserer emotionalen Befindlichkeiten und Gefühlskonflikte.

Eine weitere wichtige Gehirnregion, der Hippocampus, ist während der REM-Phase sehr aktiv. Er ist für die langfristige Speicherung von Erinnerungen zuständig. Im Schlafen, insbesondere im REM-Schlaf, überführt der Hippocampus neue Erfahrungen und neues Wissen vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis. Wird zum Beispiel tagsüber ein neuer Bewegungsablauf wie die Schrittfolge eines Tanzes gelernt, nimmt in der folgenden Nacht der REM-Anteil am Schlaf deutlich zu; wird der REM-Schlaf gezielt gestört, wird das erfolgreiche Abspeichern des neu Erlernten behindert. Der REM-Schlaf und vermutlich auch das Träumen helfen also, Erlerntes abzuspeichern und langfristig zu sichern.

Wozu sind Träume gut?

Träumen wurde schon immer nicht nur eine Bedeutung, sondern auch eine Funktion für den Träumer zugeschrieben. Erinnert sei hier nur an den Heilschlaf im griechischen Heiligtum Epidauros, in dem Träume als Orakel genutzt wurden. Im Alten Testament deutet Joseph für den ägyptischen Pharao dessen Träume, in denen Hungersnöte und andere Plagen vorhergesagt wurden.

In den letzten 20 Jahren war die Bedeutung und Funktion von Träumen heftig umstritten. Das ging so weit, dass ihnen jegliche Funktion abgesprochen wurde5. Doch nun zeigen neueste wissenschaftliche, also empirisch überprüfbare Ergebnisse, dass Träume durchaus verschiedene Aufgaben erfüllen. In der psychotherapeutischen Arbeit steht dies schon lange außer Frage. Träume haben hier je nach therapeutischem Ansatz eine wichtige entwicklungsfördernde Aufgabe für die Therapie und die Patienten. Das zeigt sich besonders deutlich in der Traumarbeit mit Trauernden, wie wir noch genauer sehen und verstehen werden.

Ich greife also die aktuellsten empirisch-wissenschaftlichen Ergebnisse und die Einsichten aus der Traumarbeit in der Psychotherapie, insbesondere in der Trauerbegleitung auf, wenn ich Ihnen nun die wichtigsten Funktionen des Träumens darstelle:

Aktuelles verarbeiten

In vielen Träumen werden konkrete Situationen aus den letzten Tagen aufgegriffen, meist sind dies alltägliche Konfliktsituationen. Haben wir uns zum Beispiel über unseren Nachbarn geärgert, dann sagen wir ihm im Traum die Meinung. In der Traumforschung wird das als – inzwischen sehr gut belegte – Kontinuitätshypothese bezeichnet. Was am Tag erlebt wird, zeichnet sich auch in den Träumen wieder ab. In den Trauerträumen kommen die aktuellen Ereignisse aus der Verlustsituation zur Sprache. So träumen Trauernde immer wieder vom Krankenhaus, in dem ihr geliebter Mensch starb, oder von seiner Beerdigung.

Gelerntes im Traum festigen

Zwar können wir im Schlaf nichts Neues aufnehmen und deshalb auch nichts Neues lernen, dennoch spielen der Schlaf und vermutlich auch das Träumen eine wichtige Rolle beim Lernen. Lernen wir in einem Kurs zum Beispiel neue Vokabeln oder nehmen Informationen über ein Wissensgebiet auf, dann ordnet sich im Tiefschlaf das Wissen neu und wird im Gehirn gut verankert, sodass es besser erinnert werden kann. Lernen wie zum Beispiel neue Tanzschritte, so prägen sich diese im REM-Schlaf besser ein

6

. Gerade die schmerzlichen Trauerträume konfrontieren uns mit der Realität des Verlustes, die wir lernen müssen anzuerkennen. Im Traum können wir dem Verlustschmerz nicht ausweichen, vielmehr erleben wir ihn hier ganz unmittelbar.

Bedrohungssituationen erkennen und erproben

Traumforscher haben sich immer wieder gefragt, welche Funktion Angst- und Alpträume haben könnten. Sie scheinen uns mögliche gefährliche Situationen zu zeigen, die wir im Traum durchspielen. Wenn die geträumte Bedrohung dann in der Realität auftaucht, sind wir im Traum schon darauf vorbereitet worden und haben schnell funktionierende Strategien wie die Flucht gelernt. Sicherlich kann man damit nicht alle Träume erklären, aber ein wichtiger Aspekt ist hier richtig gesehen

7

. Immer wieder berichten Trauernde, dass sie in der Zeit, als ihr naher Mensch schwer krank war, in Angstträumen von dessen Tod oder Abschied träumten, obwohl sie noch auf Heilung hofften. Das Unbewusste wusste schon mehr und hat die Träumenden auf den Tod des geliebten Menschen vorbereitet.

Kreative Lösung von Problemen und Konflikten

Es gibt viele Beispiele, wie später berühmt gewordene Forscher für ein rational unlösbares Problem die Lösung im Traum fanden. Der Chemiker Kekulé berichtet, dass er auf die ringförmige Struktur des Benzols durch das Traumbild einer sich in den Schwanz beißenden Schlange stieß. Das Gehirn arbeitet nachts an ungelösten Problemen und Themen weiter. Weil das Gehirn im Träumen nicht an die üblichen Regeln der Kausalität gebunden ist, sondern viel freier assoziieren und mit dem Problem spielen kann, werden neue Wege und Einsichten im Traum deutlich

8

. Auch scheinbar unlösbare zwischenmenschliche und innerseelische Konflikte finden in unseren Träumen oft eine Lösung. So träumen Trauernde oft von ungelösten Konflikten mit dem Verstorbenen oder von Schuldgefühlen, die sie ihm gegenüber noch haben. In diesen Konflikt- und Klärungsträumen werden dann häufig auch Lösungen angedeutet oder angestoßen.

Verarbeitung von intensiven Gefühlen

Träume sind Gefühle in bewegten Bildern und umgekehrt bewegen Gefühle die Bilder des Traumes. Dabei ordnen und mildern sich im Träumen unsere Gefühle. Die Traumforscher sprechen hier von der Affektregulation im Träumen

9

. In der REM-Phase, also in der Phase, in der wir emotional träumen, werden die Gefühle bearbeitet und neue Gefühlsreaktionen erprobt und eingeübt. In vielen Trauerträumen durchleben wir intensiv unsere Trauergefühle. Dabei findet unser Unbewusstes Bilder für diese Gefühle, die uns helfen, sie besser zu verstehen und mit ihnen anders umgehen zu können

10

.

Heilung von seelischen Wunden

In der wissenschaftlichen Traumforschung wurde lange verneint, dass Träume eine heilsame Wirkung haben, vielmehr würden im Traum negative Erfahrungen stärker eingeprägt und so verstärkt. Nun zeigen neuere Untersuchungen, dass in der REM-Phase eine heilsame Verarbeitung möglich ist

11

. Noch ist nicht ganz klar, welche Rolle dabei die Träume spielen. Doch ist empirisch nachgewiesen, dass die REM-Phase und vermutlich auch die hier vorkommenden emotionalen Träume als Heilungsversuche des Unbewussten verstanden werden können. In der Psychotherapie ist dies schon lange bekannt, sodass Träume und die Arbeit an und mit ihnen als wichtiges Heilmittel für die Seele eingesetzt werden. Auch bei Trauernden geschieht Heilung über die Träume, insbesondere dann, wenn sie gedeutet und verstanden werden. So helfen Träume, den Schmerz und die Trauer zu lindern oder eine gestörte Beziehung zum Verstorbenen zu klären.

Kompensation von Einseitigkeiten des Bewusstseins

Wir haben in unserem Leben bestimmte Werte, Haltungen und Ziele entwickelt, mit denen wir unseren Alltag gestalten. Dabei entstehen häufig Einseitigkeiten wie eine Leistungsorientierung oder die Betonung des Rationalen. Das Unbewusste dagegen achtet auch auf die anderen, im Schatten liegenden Seiten der Persönlichkeit wie ausgeblendete Gefühle oder ungelebte Sehnsüchte. Das Unbewusste steuert nun gegen unsere Einseitigkeiten und gleicht diese aus, indem wir zum Beispiel heftige emotionale Träume haben, die uns unsere Sehnsüchte vor Augen führen. Wir sprechen hier von der Kompensationsfunktion des Träumens

12

, die auch für unseren Trauerprozess wichtig werden kann. So träumen Trauernde, die versuchen, ihre Trauer zu kontrollieren, intensiv von ihrer Trauer zum Beispiel als reißendem Fluss, der einen Staudamm überflutet.

Anstöße zur Entwicklung und Reifung

Träume geben den Träumern in den bisher beschriebenen Funktionen Impulse für deren persönliche Entwicklung. Häufig zeigen Träume die nächsten Schritte auf oder bilden diese symbolisch schon im Voraus ab. Wir sprechen hier von einer prospektiven, vorwegnehmenden und vorausschauenden Funktion

13

. Trauernde träumen längere Zeit nach dem Verlust nicht selten von Neugeborenen oder Tierkindern und werden so auf das Entstehen von neuer Lebendigkeit vorbereitet.

Träume als heilsame Trauerbegleiter

Wir haben gesehen, dass Träume in verschiedensten Facetten hilfreiche Begleiter sind, denen wir die Türen zu unserem Bewusstsein öffnen sollten. Dies gilt umso mehr in Krisen- und Umbruchzeiten, und dies noch mehr in einer schweren Trauer- und Verlustkrise. Untersuchungen zeigen, dass wir in solchen Zeiten vermehrt träumen oder unsere Träume besser erinnern14. Die im vorigen Abschnitt beschriebenen hilfreichen Facetten von Träumen sind gerade auch in den Trauerträumen in besonders intensiver Weise zu finden, so als wüsste unser Unbewusstes sehr genau, was wir in dieser schlimmen Situation brauchen. Natürlich können unsere Träume in solchen Zeiten aus verschiedensten Gründen auch blockiert sein. Dabei ist nicht ganz klar, ob wir weniger träumen oder ob wir die Träume schlechter erinnern15.

Schauen wir uns noch einmal einen Trauertraum an, um zu sehen, welche Aufgaben dieser Traum für die Trauernde hat. Ihr 58-jähriger Mann starb nach einer langen und glücklichen Ehe vor drei Monaten: