Indigo Ridge - Devney Perry - E-Book

Indigo Ridge E-Book

Devney Perry

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Beschreibung

Als Winslow in die Kleinstadt Quincy in Montana kommt, hat sie nur ein Ziel: Die Vergangenheit hinter sich lassen und allen beweisen, dass sie den Job als neue Polizeichefin verdient hat. Dumm nur, dass sie gleich am ersten Abend ihren Ruf aufs Spiel setzt. Der One-Night-Stand mit Griffin Eden war ein Fehler. Ein attraktiver Fehler … Aber das ändert nichts an dem Problem. Denn die Edens haben in Quincy das Sagen und damit auch Winslows Karriere in der Hand. Daher versucht sie, die Nacht zu vergessen und sich auf ihren Job zu konzentrieren. Doch als auf dem Grundstück der Edens eine Frau tot aufgefunden wird, können die beiden einander nicht mehr ignorieren. Und Griffin merkt, dass er Winslow unterschätzt hat. Sie ist eigenwillig, clever, und sie ist unwiderstehlich. Für Griffin – und den Killer. Der Auftaktband der internationalen Erfolgsreihe »Die Edens«; als Printausgabe und Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich sowie als eBook bei dotbooks.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 432

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch:

Als Winslow in die Kleinstadt Quincy in Montana kommt, hat sie nur ein Ziel: Die Vergangenheit hinter sich lassen und allen beweisen, dass sie den Job als neue Polizeichefin verdient hat. Dumm nur, dass sie gleich am ersten Abend ihren Ruf aufs Spiel setzt.

Der One-Night-Stand mit Griffin Eden war ein Fehler. Ein attraktiver Fehler … Aber das ändert nichts an dem Problem. Denn die Edens haben in Quincy das Sagen und damit auch Winslows Karriere in der Hand. Daher versucht sie, die Nacht zu vergessen und sich auf ihren Job zu konzentrieren.

Doch als auf dem Grundstück der Edens eine Frau tot aufgefunden wird, können die beiden einander nicht mehr ignorieren. Und Griffin merkt, dass er Winslow unterschätzt hat. Sie ist eigenwillig, clever, und sie ist unwiderstehlich. Für Griffin – und den Killer.

»Indigo Ridge« erscheint außerdem als Hörbuch und Printausgabe bei Saga Egmont, www.sagaegmont.com/germany.

Über die Autorin:

Devney Perry ist USA-TODAY-Bestsellerautorin, und ihre Romane stürmen regelmäßig die Bestsellerlisten. Ihr weltweiter BookTok-Erfolg, die Edens-Serie, erscheint nun erstmals auch auf Deutsch bei Saga Egmont.

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Edens-Reihe, die bei Saga Egmont als Hörbuch- und Printausgabe erhältlich ist.

Die Website der Autorin: devneyperry.com/

Die Autorin auf Instagram: devneyperry/

Die Autorin auf TikTok: @devneyperrybooks

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eBook-Ausgabe Mai 2025

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2021 unter dem Originaltitel »Indigo Ridge« bei Devney Perry LLC.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2021 by Devney Perry

Published by Arrangement with Devney Perry LLC

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2025 by Saga Egmont

Copyright © der eBook-Ausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fe)

ISBN 978-3-98952-413-2

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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blog.dotbooks.de/

Devney Perry

Indigo Ridge

Roman – Die Edens 1

Aus dem Amerikanischen von Ivonne Senn

dotbooks.

WIDMUNG

PROLOG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

EPILOG

BONUS-EPILOG

WIDMUNG

Für Elizabeth Nover.

Für alle vorangegangenen Bücher.

Und für alle Bücher, die noch kommen.

PROLOG

»Meinst du, du wirst fliegen, mein Vögelchen?«

Eine Stimme, ein Albtraum, flüsterte über den Wind.

Die Felsen am Fuß dieser Klippen glühten silbern im Mondschein. Eine schwarze und unendliche Dunkelheit begann, an mir zu ziehen, ihre Leine an meinem Fußgelenk, als ich einen Schritt auf den Abgrund zumachte.

Würde es wehtun, zu fliegen?

»Finden wir es heraus.«

KAPITEL 1

WINSLOW

»Könnte ich noch einen …«

Der Barkeeper ging einfach an mir vorbei.

»Drink bekommen«, murmelte ich und sackte in mich zusammen.

Pops hatte mir gesagt, dass in dieser Bar die Einheimischen abhingen. Sie lag nicht nur in der Nähe meines neuen Hauses – für den Fall, dass ich beschloss, nicht zu fahren –, sondern ich gehörte jetzt auch zu den Einheimischen. Denn seit heute lebte ich in Quincy, Montana.

Das hatte ich dem Barkeeper erzählt, als ich ihn um die Weinkarte bat. Er hatte eine weiße, buschige Augenbraue über seinen leicht zusammengekniffenen Augen hochgezogen, und ich hatte meinen Durst auf ein Glas Cabernet abgeschüttelt und stattdessen einen Wodka Tonic bestellt. Es hat mich all meine Willenskraft gekostet, nicht eine Scheibe Zitrone zu verlangen.

Die Eiswürfel klimperten, als ich mit dem pinken Plastikstrohhalm in meinem Glas herumrührte. Das hatte der Barkeeper auch ignoriert.

Auf der Main Street gab es zwei Bars – laut Pops waren die um diese Zeit im Jahr die reinsten Touristenfallen. Aber ich bereute, mich nicht für eine von ihnen entschieden zu haben, um meinen ersten Abend in Quincy zu feiern. Seiner Haltung nach zu urteilen, bereute der Barkeeper, der mich wahrscheinlich für eine Touristin hielt, die sich verlaufen hatte, meine Entscheidung auch.

Willie’s war eine Spelunke und nicht wirklich meine Szene. Die Barkeeper im Zentrum würden vermutlich auf ihre Gäste achten, und die Preise wären auf der Getränkekarte ausgezeichnet und wurden nicht mit drei Fingern einer runzeligen Hand angezeigt.

Der Typ sah genauso aus wie dieses dunkle, heruntergekommene Gebäude. Wie die meisten Bars in den Kleinstädten von Montana hingen auch hier Bierschilder und Neonreklamen an den Wänden. Regale voller Flaschen säumten die verspiegelte Wand mir gegenüber. Der Raum war mit Tischen vollgestellt, aber alle Stühle waren unbesetzt.

Willie’s war an diesem Sonntagabend um neun Uhr quasi komplett leer. Die Einheimischen schienen einen besseren Ort zum Runterkommen zu kennen.

Der einzige weitere Gast war ein Mann, der am anderen Ende der Bar saß, auf dem letzten Hocker in der Reihe. Er war zehn Minuten nach mir gekommen und hatte sich entschieden, sich so weit wie möglich von mir wegzusetzen. Er und der Barkeeper waren beinahe identisch – die gleichen weißen Haare und zerzausten Bärte.

Zwillinge? Sie sahen alt genug aus, um diese Bar gegründet zu haben. Vielleicht war einer von ihnen Willie.

Der Barkeeper ertappte mich beim Starren. Ich lächelte und klimperte mit dem Eis in meinem Glas. Er verzog den Mund zu einer schmalen Linie, machte mir aber noch einen Drink. Und wie beim ersten Mal servierte er ihn mir ohne ein Wort und hielt dieselben drei Finger hoch.

Ich drehte mich zu meiner Handtasche um und fischte nach einem weiteren Fünf-Dollar-Schein, denn eindeutig bestand hier nicht die Möglichkeit, erst am Ende des Abends zu bezahlen. Doch bevor ich das Geld aus meinem Portemonnaie ziehen konnte, füllte eine tiefe, raue Stimme den Raum.

»Hey Willie.«

»Griffin.« Der Barkeeper nickte.

Er war also Willie. Und er konnte sprechen.

»Das Übliche?«, fragte Willie.

»Jupp.« Der Mann mit der unglaublichen Stimme – Griffin – zog sich einen Hocker zwei Plätze neben mir raus.

Als er seine große, breite Gestalt auf den Hocker niederließ, wehte sein Duft zu mir herüber. Leder, Wind und Gewürze stiegen mir in die Nase und verdrängten den muffigen Geruch der Bar. Es war berauschend und verführerisch.

Er war der Typ Mann, bei dem eine Frau zweimal hinschaute. Ein Blick auf sein Profil, und der Drink vor mir war nicht mehr nötig. Stattdessen saugte ich diesen Mann förmlich mit meinen Augen auf.

Die Ärmel seines schwarzen T-Shirts spannten sich um seine ausgebildeten Bizepse und schmiegten sich an seine Schultern, als er sich mit den Ellbogen auf dem Tresen abstützte. Sein braunes Haar sah aus, als hätte er es nur mit den Fingern durchgekämmt, und wellte sich in seinem Nacken. Die gebräunten Unterarme waren leicht behaart, und eine Ader verlief über die gerippten Muskeln darunter.

Selbst im Sitzen sah ich, dass er lange Beine hatte, mit Oberschenkeln so dick wie die Baumstämme im Wald vor dem Ort. Die ausgefransten Säume seiner Jeans fielen über schwarze Cowboystiefel. Und als er sein Gewicht verlagerte, erhaschte ich einen Blick auf eine silber-goldene Gürtelschnalle.

Wenn seine Stimme, sein Duft und der wie gemeißelte Kiefer nicht schon gereicht hätten, um meinen Mund trocken werden zu lassen, dann tat es die Gürtelschnalle.

Einer der Lieblingsfilme meiner Mutter war Legenden der Leidenschaft gewesen. Sie hatte mir mit sechzehn das erste Mal erlaubt, ihn zu sehen, und wir hatten beide geweint. Wann immer sie mir fehlte, schaute ich ihn mir an. Die DVD war zerkratzt und der Verschluss an der Hülle gebrochen, da ich den Film so oft gesehen hatte, einfach nur, weil es ihr Film gewesen war. Brad Pitt als sexy Cowboy hatte sie immer zum Schwärmen gebracht.

Wenn sie Griffin sehen könnte, würde ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Auch wenn ihm der Hut und das Pferd fehlten, war dieser Kerl die zum Leben erwachte Cowboyfantasie.

Schnell hob ich mein Glas an den Mund, trank einen Schluck von dem kühlen Drink und riss meinen Blick von dem attraktiven Fremden los. Der Wodka brannte in meiner Kehle, und der Alkohol stieg mir zu Kopf. Der alte Willie schenkte starke Mischungen aus.

Ich hatte schamlos gestarrt. Was offensichtlich und unhöflich war. Und doch, als ich das Glas abstellte, kehrte mein Blick sofort zu Griffin zurück.

Seine durchdringenden blauen Augen warteten schon.

Mir stockte der Atem.

Willie stellte einen Tumbler mit Eis und einer karamellfarbenen Flüssigkeit vor Griffin hin und ging, ohne ihm die Finger zu zeigen.

Griffin trank einen Schluck, und sein Adamsapfel hüpfte. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich.

Die Intensität seines Blickes war so berauschend wie mein Drink. Er starrte, ohne zu zögern. Er starrte mit offenem Verlangen. Sein Blick glitt über mein schwarzes Tanktop zu den zerrissenen Jeans, die ich heute früh vor dem Verlassen des Hotels in Bozeman angezogen hatte.

Ich hatte viereinhalb Stunden gebraucht, um mit einem Anhänger an meinem Dodge Durango nach Quincy zu fahren. Bei meiner Ankunft hatte ich mich sofort ans Auspacken gemacht und das nur unterbrochen, um mich mit Pops zum Abendessen zu treffen.

Nach einem Tag Kartons schleppen war ich ein Wrack. Meine Haare hatte ich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und das Make-up vom Morgen hatte sich vermutlich inzwischen aufgelöst. Doch die Anerkennung in Griffins Blick ließ eine Welle der Lust in mir aufsteigen.

»Hi«, platzte es aus mir heraus. Sehr elegant, Winn.

Seine Augen funkelten wie zwei perfekte Saphire hinter langen, schwarzen Wimpern. »Hi.«

»Ich bin Winn.« Ich streckte ihm die Hand hin.

»Griffin.« In dem Moment, in dem seine warme, schwielige Handfläche meine streifte, lief ein Kribbeln wie ein Feuerwerk über meine Haut, und mir rollte ein Schauer über den Rücken.

Meine Güte. Zwischen uns herrschte ausreichend Energie, um die Jukebox in der Ecke mit Strom zu versorgen.

Ich konzentrierte mich auf meinen Drink und nahm einen großen Schluck. Das Eis half nicht, mich abzukühlen. Wann hatte ich mich das letzte Mal so von einem Mann angezogen gefühlt? Das war Jahre her. Und selbst das verblasste im Vergleich mit den fünf Minuten neben Griffin.

»Woher kommst du?«, fragte er. Wie Willie schien er anzunehmen, dass ich eine Touristin war.

»Aus Bozeman.«

Er nickte. »Ich bin auf die Montana State gegangen.«

»Go Bobcats.« Ich prostete ihm mit meinem Drink zu.

Griffin erwiderte die Geste und führte das Glas dann an seine volle Unterlippe.

Wieder starrte ich ihn schamlos an. Vielleicht machten die kantigen Wangenknochen sein Gesicht so besonders. Vielleicht war es die gerade Nase mit dem kleinen Höcker. Oder seine dunklen, dichten Augenbrauen. Er war kein durchschnittlich attraktiver Mann. Nein, Griffin war zum Sterben schön.

Und wenn er im Willie’s war … war er ein Einheimischer.

Einheimische waren tabu. Verdammt.

Ich spülte meine Enttäuschung mit einem weiteren Schluck Wodka hinunter.

Das Schaben von Hockerbeinen auf dem Boden hallte durch den Raum, als er aufstand und sich auf den Platz neben mir setzte. Seine Ellbogen kehrten zum Tresen zurück, rahmten sein Glas ein, und er lehnte sich vor. Er saß so nah und war so groß, dass die Hitze seiner Haut in meine sickerte.

»Winn. Der Name gefällt mir.«

»Danke.« Mein vollständiger Name war Winslow, aber die meisten Leute nannten mich Winn oder Winnie.

Willie kam vorbei und schaute aus verengten Augen auf den schmalen Spalt zwischen Griffin und mir. Dann gesellte er sich zu seinem Doppelgänger.

»Sind die beiden verwandt?«, fragte ich leise.

»Willie senior ist auf unserer Seite der Bar. Sein Sohn macht die Getränke.«

»Vater und Sohn. Ha. Ich hatte sie für Zwillinge gehalten. Hat Willie senior dieselbe sprühende Persönlichkeit wie Willie junior?«

»Schlimmer.« Griffin lachte leise. »Jedes Mal, wenn ich in die Stadt komme, ist er missmutiger.«

Warte mal. Bedeutete das … »Du wohnst nicht hier?«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf und nahm sein Glas in die Hand.

Ich tat es ihm gleich und lächelte in meinen Drink. Also war er kein Einheimischer. Was bedeutete, zu flirten war harmlos. Gott segne dich, Quincy.

Hunderte von persönlichen Fragen ratterten durch meinen Kopf, aber ich verwarf sie alle. Skyler hatte immer kritisiert, dass ich innerhalb von zehn Minuten nach dem Kennenlernen in den Verhörmodus schaltete. Das war nur einer von vielen Kritikpunkten. Er hatte seinen Beruf als Lifecoach als Entschuldigung benutzt, um mir alles zu sagen, was ich in unserer Beziehung falsch machte. Und im Leben generell.

Derweil hatte er mich betrogen, also hörte ich nicht mehr auf Skylers Stimme.

Dennoch würde ich diesen Mann nicht mit Fragen bombardieren. Er wohnte nicht hier, und ich würde mir die Fragen für die Leute aufbewahren, die es taten: meine Schutzbefohlenen.

Griffin schaute zu dem leeren Shuffleboard am anderen Ende des Raumes. »Willst du eine Runde spielen?«

»Äh … klar? Ich habe das allerdings noch nie gemacht.«

»Es ist ganz leicht.« Er glitt mit einer Anmut von seinem Hocker, die Männer seiner Größe normalerweise nicht besaßen.

Ich folgte ihm, den Blick auf den besten Hintern geheftet, den ich je gesehen hatte. Und er wohnte nicht hier. Ein imaginärer Chor, der in den staubigen Balken der Bar hockte, stieß ein kollektives »Yeehaw« aus.

Griffin ging zu einem Ende des Tisches und ich zum anderen. »Okay, Winn. Der Verlierer bezahlt die nächste Runde.«

Gut, dass ich Bargeld dabeihatte. »Okay.«

In den nächsten zehn Minuten erklärte mir Griffin die Regeln und zeigte mir, wie man die Pucks über die mit Sand bestreute Platte zu den Punktlinien gleiten ließ. Dann spielten wir ein Spiel nach dem anderen. Nach einer weiteren Runde legten wir eine Pause ein, um etwas zu trinken, aber keiner von uns machte Anstalten, zu gehen.

Ich gewann ein paar Spiele. Ich verlor die meisten. Und als Willie schließlich verkündete, dass er um ein Uhr schließen würde, gingen wir beide hinaus zu dem im Dunkeln liegenden Parkplatz. Ein staubiger schwarzer Truck parkte neben meinem Durango.

»Das hat Spaß gemacht.«

»Das hat es.« Ich schaute lächelnd zu Griffin hoch. So offen hatte ich nicht mehr mit einem Mann geflirtet, seit … Äh, ehrlich gesagt noch nie. Ich verlangsamte meine Schritte, weil das Letzte, was ich wollte, war, allein nach Hause zu gehen.

Ihm schien es genauso zu gehen, denn er blieb auf dem Asphalt stehen und kam ein Stück näher.

Winslow Covington hatte keine One-Night-Stands. Ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, Jahre meines Lebens auf den falschen Mann zu verschwenden. Griffin war auch nicht der richtige Mann, aber in meiner Zeit als Cop hatte ich gelernt, dass es manchmal nicht darum ging, Richtig von Falsch zu unterscheiden, sondern das richtige Falsch zu wählen.

Griffin. Heute Nacht wählte ich Griffin.

Und so ging ich auf ihn zu, stellte mich auf Zehenspitzen und ließ meine Hände über seinen harten, flachen Bauch nach oben gleiten.

Er war groß, beinahe eins neunzig. Mit meinen knapp eins achtzig war es erfrischend, mit einem Mann zusammen zu sein, der mich überragte. Ich hob eine Hand an seinen Nacken und zog seinen Kopf zu mir heran, bis sein Mund über meinem schwebte.

»Ist das dein Truck?«

***

»Mist«, fluchte ich mit einem Blick auf die Uhr und warf die Decke von meinem nackten Körper, um ins Bad zu laufen.

Es hatte nicht auf meinem Plan gestanden, am ersten Tag in meinem neuen Job zu spät zu kommen.

Ich schaltete die Dusche an und stellte mich mit pochendem Kopf darunter. Das kalte Wasser entlockte mir einen Schrei. Ich hatte keine Zeit für heißes Wasser, also wusch ich mir die Haare und massierte etwas Conditioner ein, während ich mir Griffins Duft von der Haut schrubbte. Den Verlust würde ich später betrauern.

Zwischen meinen Beinen war ein Schmerz, an den ich auch später denken würde. Die letzte Nacht war … Umwerfend. Paradiesisch. Die beste Nacht, die ich je mit einem Mann gehabt hatte. Griffin hatte genau gewusst, wie er seinen starken Körper einzusetzen hatte, und ich war die glückliche Empfängerin von drei – oder waren es vier? – Orgasmen gewesen.

Ich erschauderte und merkte, dass das Wasser heiß geworden war. »Verdammt.«

Alle Gedanken an Griffin aus meinem Kopf verdrängend, eilte ich aus der Dusche, schminkte mich hektisch und flehte den Föhn innerlich an, schneller zu machen. Ohne Zeit, mir die Haare zu locken oder zu glätten, fasste ich sie in einem strengen Dutt im Nacken zusammen und raste dann ins Schlafzimmer, um mich anzuziehen.

Die Matratze lag auf dem Boden, Laken und Decke zerknüllt darauf. Bevor ich gestern Abend in die Bar gegangen war, hatte ich zum Glück die Bettwäsche aus einem der Kartons geholt und das Bett bezogen. Als ich nach Stunden auf dem Rücksitz von Griffins Truck zurückkam, war ich quasi kopfüber auf die Matratze gefallen und hatte vergessen, den Wecker zu stellen.

Ich weigerte mich, Griffin zu bereuen. Mein neues Leben in Quincy mit einer heißen und wilden Nacht zu beginnen, kam mir ein wenig wie Schicksal vor.

Ein Glücksfall.

Vielleicht würden wir uns bei seinem nächsten Stopp in der Stadt erneut über den Weg laufen. Aber wenn nicht … Tja, ich hatte sowieso keine Zeit, mich von einem Mann ablenken zu lassen.

Vor allem nicht heute.

»Oh Gott, lass mich bitte nicht zu spät sein.« Ich wühlte in einem meiner Koffer und fand eine dunkle Jeans.

Pops hatte mir ausdrücklich gesagt, dass ich nicht zu zurechtgemacht auf dem Revier auftauchen sollte.

Die Jeans war leicht zerknittert, aber ich hatte keine Zeit, um den Karton zu suchen, in dem sich mein Bügeleisen befand. Außerdem wäre zu bügeln quasi wie sich zurechtzumachen. Das schlichte weiße T-Shirt, das ich als Nächstes fand, war auch zerknittert, also wühlte ich weiter, bis ich meinen schwarzen Lieblingsblazer fand, um das Schlimmste zu verbergen. Dann zog ich meine schwarzen Lieblingsstiefel mit den breiten Absätzen an und joggte zur Tür, wobei ich mir auf dem Weg meine Handtasche schnappte, die ich auf den Boden im Wohnzimmer hatte fallen lassen.

Die Sonne schien. Die Luft war klar. Der Himmel blau. Und ich hatte keine Zeit, auch nur eine Minute von meinem ersten Morgen in Quincy, Montana, zu genießen, während ich auf meinen auf der Einfahrt stehenden Durango zulief.

Ich setzte mich hinters Lenkrad, startete den Motor und fluchte erneut, als ich die Uhr im Armaturenbrett sah. Zwei Minuten nach acht. »Ich bin zu spät.«

Zum Glück war Quincy nicht Bozeman, und die Fahrt von einer Seite der Stadt zum Polizeirevier auf der anderen Seite dauerte genau sechs Minuten. Ich bog auf den Parkplatz ein, hielt neben einem vertrauten blauen Bronco und atmete einmal tief durch.

Ich kann diesen Job.

Dann stieg ich aus und ging zur Eingangstür, wobei ich bei jedem Schritt hoffte, in Ordnung auszusehen.

Ein missbilligender Blick von dem Officer, der hinter der Glastrennwand am Empfang stand, und ich wusste, dass ich es falsch gemacht hatte. Mist.

Seine grauen Haare waren militärisch kurz geschnitten. Er musterte mich von Kopf bis Fuß, und die Falten in seinem Gesicht vertieften sich. Sein Blick hatte jedoch vermutlich nichts mit meinem Outfit zu tun.

Sondern mit meinem Nachnamen.

»Guten Morgen.« Ich setzte ein strahlendes Lächeln auf und ging durch den Eingangsbereich auf ihn zu. »Ich bin Winslow Covington.«

»Der neue Chef. Ich weiß«, murmelte er.

Ich behielt mein Lächeln bei.

Ich würde sie für mich geWinnen. Also irgendwann. Das hatte ich Pops gestern Abend erzählt, als wir, nachdem ich den Anhänger zurückgegeben hatte, beim Dinner zusammensaßen. Ich würde sie alle für mich geWinnen. Einen nach dem anderen.

Die meisten Leute würden glauben, dass ich den Job als Polizeichefin von Quincy nur bekommen hatte, weil mein Großvater der Bürgermeister war. Ja, er wäre mein Chef. Aber für Stadtangestellte gab es keine Klausel gegen Vetternwirtschaft. Vermutlich, weil in einer Stadt dieser Größe jeder auf irgendeine Weise mit jedem verwandt war. Wenn man zu viele Regeln aufstellte, würde niemand einen Job bekommen.

Außerdem hatte Pops mich nicht eingestellt. Das hätte er tun können, aber er hatte stattdessen ein Komitee zusammengestellt, damit es mehr als nur eine Stimme bei der Entscheidung gab. Walter Covington war der fairste, ehrbarste Mann, den ich kannte.

Und Großvater oder nicht, was zählte, war meine Leistung. Er würde die Hinweise aus der Gemeinde aufnehmen, und obwohl mein Großvater mich über alles liebte, würde er nicht zögern, mich zu feuern, wenn ich das hier vermasselte.

Das hatte er mir bei meiner Einstellung deutlich gesagt. Und gestern Abend hatte er mich noch mal daran erinnert.

»Der Bürgermeister wartet in Ihrem Büro«, sagte der Officer und drückte auf einen Knopf, damit ich durch die Tür neben seinem Glaskasten eintreten konnte.

»Es war schön, Sie kennenzulernen …« Ich schaute auf das silberne Namensschild an seiner schwarzen Uniform. »Officer Smith.«

Seine Reaktion war, mich komplett zu ignorieren und seine Aufmerksamkeit auf den Computer zu richten. Hm, wie es aussah, würde ich ihn an einem anderen Tag für mich geWinnen müssen. Oder vielleicht stünde er einem vorzeitigen Ruhestand offen gegenüber.

Ich ging durch die Tür, die in das Herz des Reviers führte. Ich war schon zweimal hier gewesen, beide Male während des Bewerbungsprozesses. Aber jetzt war es anders, weil ich nicht mehr als Gast durch den Raum ging. Das hier war mein Revier. Die Polizisten, die von ihren Schreibtischen aufschauten, standen unter meinem Kommando.

Mein Magen zog sich zusammen.

Die ganze Nacht aufzubleiben und Sex mit einem Fremden zu haben, war vermutlich nicht die beste Art gewesen, mich auf meinen ersten Tag vorzubereiten.

»Winslow.« Pops kam aus dem Raum, der mein Büro sein würde, und streckte mir die Hand hin. Er wirkte heute größer, vermutlich, weil er eine schicke Jeans und ein gestärktes Hemd anhatte statt des ausgeleierten T-Shirts, der weiten Jeans und der Hosenträger, in denen ich ihn gestern gesehen hatte.

Für seine einundsiebzig Jahre war Pops noch sehr fit. Seine Haare hatten einen dunklen Silberton, und mit seinen eins zweiundneunzig war er immer noch stark wie ein Ochse. Er war in besserer Form als die meisten Männer meines Alters, ganz zu schweigen von denen seines.

Ich schüttelte seine Hand und war froh, dass er nicht versucht hatte, mich zu umarmen. »Guten Morgen. Tut mir leid, dass ich zu spät bin.«

»Ich bin selbst gerade erst gekommen.« Er beugte sich vor und senkte die Stimme. »Geht es dir gut?«

»Ich bin nervös«, flüsterte ich.

Er schenkte mir ein kleines Lächeln. »Du wirst das großartig machen.«

Ich konnte diesen Job.

Ich war dreißig Jahre alt. Zwei Jahrzehnte unter dem mittleren Alter für diese Position. Vier Jahrzehnte jünger, als mein Vorgänger bei seiner Pensionierung gewesen war.

Der ehemalige Polizeichef hatte sein ganzes Berufsleben lang in Quincy gearbeitet, war in den Rängen aufgestiegen und hatte, solange ich lebte, als Polizeichef gedient. Aber deshalb wollte Pops mich auf dieser Position. Er meinte, Quincy benötigte frische Augen und jüngeres Blut. Die Stadt war im Wachstum begriffen, und mit ihr wuchsen die Probleme. Die alten Lösungswege griffen nicht mehr.

Das Revier musste neue Technologien und Prozesse einführen. Als der alte Polizeichef seinen Ruhestand verkündet hatte, hatte Pops mich ermutigt, meinen Namen in den Ring zu werfen. Und durch irgendein Wunder hatte das Bewerbungskomitee mich gewählt.

Ja, ich war jung, aber ich erfüllte alle Anforderungen. Zehn Jahre lang hatte ich für das Bozeman Police Department gearbeitet. Während dieser Zeit hatte ich meinen Bachelor gemacht und einen Posten als Detective erreicht. Meine Vorgeschichte war tadellos, und ich hatte nie einen Fall ungelöst gelassen.

Vielleicht hätte ich ein wärmeres Willkommen erhalten, wenn ich ein Mann gewesen wäre, aber das hatte mir noch nie Angst gemacht, und das würde es heute definitiv auch nicht tun.

Ich kann diesen Job.

Ich würde diesen Job meistern.

»Lass mich dir Janice vorstellen.« Pops nickte mir zu, ihm in mein Büro zu folgen, wo wir den Vormittag mit Janice, meiner neuen Assistentin, verbrachten.

Sie hatte fünfzehn Jahre für den ehemaligen Chief gearbeitet, und je länger sie redete, desto mehr verliebte ich mich in sie. Janice hatte stachlig abstehende graue Haare und die süßeste rot gerahmte Brille, die ich je gesehen hatte. Sie kannte das Revier, die Einsatzpläne und die Fehler und Macken aus dem Effeff.

Nach dem Ende unseres ersten Meetings machte ich mir eine mentale Notiz, Janice Blumen mitzubringen, denn ohne sie würde ich vermutlich auf die Nase fallen. Wir verließen mein Büro, um eine Runde zu drehen, damit ich alle Officer kennenlernen konnte, die nicht gerade auf Streife waren.

Officer Smith, der nicht oft rausgeschickt wurde, weil er die Arbeit am Schreibtisch vorzog, war einer der Bewerber für die Position des Polizeichefs gewesen, und Janice erzählte mir, dass er seit dem Tag seiner Ablehnung ein grummeliges Arschloch war.

Alle anderen Officer waren höflich und professionell, allerdings auch etwas reserviert. Ohne Zweifel waren sie nicht sicher, was sie von mir halten sollten. Aber heute hatte ich Janice für mich gewonnen – oder sie vielleicht mich für sich. Egal wie, ich zählte das als Sieg.

»Die meisten Mitarbeiter des Reviers wirst du heute Nachmittag beim Schichtwechsel kennenlernen«, sagte sie mir, als wir uns wieder in die Sicherheit meines Büros zurückzogen.

»Ich hatte vor, diese Woche an einem Abend länger zu bleiben, mich auch der Nachtschicht vorzustellen.«

Es war kein großes Revier, weil Quincy keine große Stadt war. Aber alles in allem hatte ich fünfzehn Officer, vier Disponenten, zwei Mitarbeiter in der Verwaltung und Janice unter mir.

»Morgen kommt der County Sheriff, um dich kennenzulernen«, las Janice von dem Block ab, den sie den ganzen Morgen bei sich gehabt hatte. »Um zehn Uhr. Er hat doppelt so viele Mitarbeiter wie wir, muss sich aber auch um einen größeren Bezirk kümmern. Meistens hält sein Team sich aus unseren Angelegenheiten raus, aber er ist immer gewillt, zu helfen, wenn es nötig ist.«

»Gut zu wissen.« Es wäre auch nicht schlecht, jemanden zu haben, mit dem ich Ideen besprechen könnte.

»Was macht dein Kopf?«, fragte Pops.

Ich legte die Hände an die Ohren und machte das Geräusch einer explodierenden Bombe.

Er lachte. »Es wird leichter.«

»Das wird es«, bestätigte Janice.

»Ich danke dir für alles«, sagte ich zu ihr. »Ich freue mich wirklich darauf, mit dir zusammenzuarbeiten.«

Sie setzte sich ein wenig aufrechter hin. »Geht mir genauso.«

»Okay, Winnie.« Pops schlug sich auf die Oberschenkel. »Lass uns was zu Mittag essen. Danach muss ich in mein Büro, und du kommst hierher und richtest dich ein.«

»Ich bin da, wenn du zurückkommst.« Janice drückte meinen Arm, als wir mein Büro verließen.

Pops nickte nur und blieb auf Distanz. Heute Abend, wenn ich nicht Chief Covington und er nicht Bürgermeister Covington wäre, würde ich zu ihm nach Hause fahren und mir eine seiner festen Umarmungen abholen.

»Wie wäre es, wenn wir zu The Eloise gehen?«, schlug er auf dem Weg nach draußen vor.

»Das Hotel?«

Er nickte. »Es wäre gut für dich, dort ein wenig Zeit zu verbringen und die Edens kennenzulernen.«

Die Edens. Quincys Gründerfamilie.

Pops hatte versprochen, dass die Edens für mich zu geWinnen der schnellste Weg wäre, sich in der Gemeinde beliebt zu machen. Einer ihrer Vorfahren hatte die Stadt gegründet, und seitdem war die Familie eine tragende Säule der Gemeinde.

»Du weißt noch, dass ihnen das Hotel gehört, oder?«, fragte er.

»Ja, ich erinnere mich. Mir war nur nicht klar, dass es dort inzwischen auch ein Restaurant gibt.« Vermutlich, weil ich in den letzten Jahren nicht viel Zeit in Quincy verbracht hatte.

Die sechs Reisen, die ich für die Bewerbungsgespräche hierher gemacht hatte, waren meine ersten seit fünf Jahren gewesen.

Aber als das mit Skyler und mir in die Brüche ging und Pops mir den Job als Polizeichefin vorgeschlagen hatte, hatte ich beschlossen, dass es Zeit für eine Veränderung wäre. Und Quincy … nun ja, der Ort hatte immer einen besonderen Platz in meinem Herzen gehabt.

»Die Edens haben das Restaurant vor ungefähr vier Jahren eröffnet«, erklärte Pops. »Es ist meiner Meinung nach das beste Restaurant der Stadt.«

»Dann los«, sagte ich und schloss meinen Wagen auf. »Wir treffen uns dort.«

Ich folgte seinem Bronco vom Revier zur Main Street, wobei mir eine Unmenge an Autos mit fremden Kennzeichen auffiel. Die Touristensaison war in vollem Gang, und beinahe jeder Parkplatz war belegt.

Pops und ich stellten unsere Wagen zwei Blocks entfernt von der Main Street in einer Seitenstraße ab, und gemeinsam schlenderten wir zum The Eloise Inn.

Das ikonische Hotel war das höchste Gebäude der Stadt und erhob sich stolz vor den Bergen in der Ferne. Ich hatte immer mal eine Nacht im The Eloise verbringen wollen. Vielleicht würde ich mir eines Tages nur zum Spaß ein Zimmer buchen.

In der Lobby roch es nach Zitronen und Rosmarin. Die Rezeption war wie eine Insel in dem großen, offenen Raum, und eine junge Frau mit einem Puppengesicht stand hinter dem Tresen und checkte einen Gast ein. Als sie Pops erblickte, zwinkerte sie ihm zu.

»Wer ist das?«, fragte ich.

»Eloise Eden. Sie hat im letzten Winter den Posten als Managerin übernommen.«

Pops winkte ihr zu und ging an der Rezeption vorbei zu einer offenen Tür. Das Geklapper von Gabeln auf Tellern und das dumpfe Murmeln von Unterhaltungen begrüßten uns, als wir das Hotelrestaurant betraten.

Der Speisesaal war großzügig und die Decken so hoch wie in der Lobby. Es war der perfekte Ort, um Gäste zu unterhalten. Beinahe so groß wie ein Ballsaal, aber mit Tischen in verschiedenen Größen gefüllt, sodass es auch als Restaurant gut funktionierte.

»Die Fenster haben sie gerade erst eingebaut.« Pops zeigte auf die gegenüberliegende Wand, wo schwarz gerahmte Fenster in die rote Backsteinmauer eingelassen worden waren. »Als ich das letzte Mal mit Harrison gesprochen habe, meinte er, dass sie im Herbst den ganzen Raum renovieren.«

Harrison Eden. Der Patriarch der Familie. Er war Mitglied im Bewerbungskomitee gewesen, und ich glaubte, dass ich einen guten Eindruck hinterlassen hatte. Laut Pops hätte ich den Job sonst niemals bekommen.

Eine Empfangsdame begrüßte uns mit einem strahlenden Lächeln und führte uns an einen Tisch in der Mitte des Raumes.

»Welcher Eden leitet das Restaurant?«, fragte ich, während wir uns die Speisekarte anschauten.

»Knox. Er ist der zweitälteste Sohn von Harrison und Anne. Eloise ist ihre jüngste Tochter.«

Harrison und Anne die Eltern. Knox ein Sohn. Eloise eine Tochter. Vermutlich gab es noch mehr Edens, die ich kennenlernen musste.

Auf der Main Street stand der Name Eden an mehreren Ladenfronten, darunter an einem Coffeeshop, von dem ich wünschte, dass ich heute früh Zeit gehabt hätte, hineinzuspringen. Meine Eskapaden der letzten Nacht holten mich langsam ein, und ich verbarg ein Gähnen hinter der Speisekarte.

»Sie sind gute Leute«, sagte Pops. »Harrison kennst du bereits. Anne ist eine ganz Liebe. Ihre Meinung hat hier in der Gegend viel Gewicht. Genau wie die von Griffin.«

Griffin. Hat er gerade Griffin gesagt?

Der Magen sackte mir in die Kniekehlen.

Nein. Das konnte nicht sein. Es musste sich um einen Fehler handeln. Es gab einen anderen Griffin, einen, der nicht in Quincy lebte. Ich hatte ihn gestern Abend extra gefragt, ob er in der Stadt wohnte, und er hatte verneint. Oder?

»Hey Covie.«

Ich war so damit beschäftigt, innerlich auszuflippen, weil ich nicht nur mit einem Einheimischen geschlafen hatte, sondern auch noch mit einem, der mich als professionell und nicht als schnelle Nummer auf dem Rücksitz ansehen sollte, dass mir die beiden Männer an unserem Tisch erst auffielen, als es zu spät war.

Harrison Eden lächelte.

Griffin, der noch genauso attraktiv war wie letzte Nacht, tat es nicht.

Hatte er gestern schon gewusst, wer ich war? War das ein Trick oder Test gewesen? Das bezweifelte ich. Er sah genauso überrascht aus, mich zu sehen, wie ich, ihn zu sehen.

»Hey Harrison.« Pops stand auf, um ihm die Hand zu schütteln, dann deutete er auf mich. »Du erinnerst dich an meine Enkelin Winslow?«

»Natürlich.« Er nahm meine Hand, als ich aufstand, und schüttelte sie mit festem Griff. »Willkommen. Wir freuen uns, dich als neue Polizeichefin hier zu haben.«

»Danke.« Meine Stimme war erstaunlich ruhig, angesichts dessen, dass mein Herz versuchte, aus meiner Brust zu springen und sich unter dem Tisch zu verstecken. »Ich freue mich auch, hier zu sein.«

»Möchtet ihr uns Gesellschaft leisten?«, bot Pops an und nickte in Richtung der leeren Stühle an unserem Tisch.

»Nein«, meinte Griffin im selben Moment, in dem sein Vater: »Gern«, sagte.

Weder Pops noch Harrison schien die Anspannung aufzufallen, die in Wellen von Griffin abstrahlte, als sie sich setzten und es Griffin und mir überließen, uns einander vorzustellen.

Ich schluckte schwer und streckte dann die Hand aus. »Hallo.«

Der scharfe Kiefer, den ich gestern Nacht mit meiner Zunge nachgefahren war, war so angespannt, dass ich das Knirschen von Griffins Backenzähnen hörte. Er funkelte meine Hand an, bevor er sie ergriff. »Griffin.«

Griffin Eden.

Mein One-Night-Stand.

So viel zum Thema glücklicher Zufall.

KAPITEL 2

GRIFFIN

Winn. Sie hatte mir gesagt, ihr Name wäre Winn.

Winn, die sexy Frau mit den seidigen dunklen Haaren, tiefblauen Augen und endlos langen Beinen. Winn, die Lady mit dem Nummernschild aus Bozeman. Winn, die Touristin mit den Sommersprossen auf der Nase.

Es kommt manchmal vor, dass Touristen auf der Suche nach einem Drink über das Willie’s stolpern. Was Willie wahnsinnig nervt – Junior und Senior –, weil keiner von ihnen Außenseiter in ihrer Bar mochte. Ich hatte gedacht, was für ein Glückspilz ich doch war, dass ich mich in letzter Minute entschieden hatte, für einen Drink einzukehren und einen Platz neben Winn zu bekommen.

Nur war sie nicht Winn.

Sie war Winslow Covington. Ein Name, den ich verdammt noch mal erkannt hätte. Dad sprach schon seit Wochen von ihr; seitdem das Komitee sie als die neue Polizeichefin gewählt hatte.

Keine Touristin. Definitiv keine Touristin.

Aber sie hatte eine gottverdammte Touristin sein sollen.

»Fuck«, murmelte ich, als der Truck über die Schotterstraße zum Haus meiner Eltern rumpelte.

»Alles in Ordnung, Griffin?«, fragte Conor vom Beifahrersitz.

Ich grummelte.

»Okay.« Er wandte seine Aufmerksamkeit den grünen Weiden vor der Seitenscheibe zu.

Was für ein Chaos. Der Lunch im The Eloise war zwei Tage her, und ich war immer noch wütend auf mich.

Winslow Covington.

Sie ist niemand, den ich auf dem Rücksitz meines Trucks hätte vögeln sollen.

Vielleicht hätte ich es mir zusammenreimen können. Vielleicht hätte ich Winn mit Winslow in Verbindung bringen sollen. Aber Dad hatte in den höchsten Tönen von ihr und ihren Erfahrungen gesprochen, sodass ich mir eine ganz andere Frau vorgestellt hatte. Jemanden, der älter war. Jemanden, der härter war. Jemanden, der rauer war.

Winn war hingegen nur weiche Kurven und unvergleichliches Verlangen.

Zwei Tage, und ich hatte immer noch Probleme, Winn und Winslow in Einklang zu bringen. Meine Vorurteile waren schwer auszuradieren.

Dad hatte seinen Job im Bewerbungskomitee genauso ernst genommen wie jeden anderen Job, in dem ich ihn je gesehen hatte, darunter das Managen der Eden-Ranch. Er war ein Mann, der sich seine Verantwortungen zu Herzen nahm, egal, wie groß oder klein sie waren. Das war ein Charakterzug, den er mir vererbt hatte.

Obwohl die Art, wie er sich in die Suche nach einem neuen Polizeichef begeben hatte, beinahe übereifrig gewesen war. Mom hatte Langeweile für seinen Enthusiasmus verantwortlich gemacht. Seitdem Dad vor drei Jahren in den Ruhestand gegangen war und mir die Leitung der Ranch übergeben hatte, drehte er Däumchen.

Es gab noch andere Familienunternehmen, die seiner Aufmerksamkeit bedurften, wie das Hotel. Aber die meisten von ihnen liefen inzwischen von selbst und nahmen lange nicht so viel seiner Zeit in Anspruch wie die Ranch früher. Das Land war jahrzehntelang seine Priorität gewesen, gleich nach seiner Familie. Die Kinder waren jetzt groß. Die Ranch gehörte mir.

Er hatte den unbezahlten Job in dem Komitee beinahe so sehr gebraucht, wie das Komitee ihn gebraucht hatte.

Eines musste ich meinem Vater lassen: Viele Farmer und Rancher hatten Schwierigkeiten, das Zepter an die nächste Generation zu übergeben. Ich hatte Freunde vom College, die den Familienbetrieb verlassen hatten, um einen Schreibtischjob anzunehmen, nur weil ihre Eltern sich weigerten, zurückzutreten.

Aber nicht mein Dad. Seit seinem Rückzug hatte er mir nicht einen ungefragten Ratschlag gegeben. Wenn einer der Arbeiter ihn etwas fragte, schickte Dad ihn zu mir. Er sprang immer ein, wenn ich ihn darum bat, aber abgesehen von ein paar Ausrutschern im ersten Jahr hatte er aufgehört, Anweisungen zu geben. Es gab keine Kritik, wenn ich eine neue Idee einführte. Keine gemurmelten Vorwürfe, wenn ich einen Fehler machte. Keine Schuldgefühle, wenn ich aufhörte, etwas auf seine Weise zu machen.

Ich liebte meinen Vater. Ich respektierte ihn mehr als jeden anderen Mann auf der Welt. Aber um Himmels willen, hätte er nicht wenigstens einmal erwähnen können, dass Winslow Covington eine wunderschöne, lebhafte Frau war, die verdammt viel mehr Köpfe verdrehen würde als nur meinen?

Stattdessen hatte er ihre Zielstrebigkeit gelobt. Zweimal hatte er gesagt, dass sie die anderen Kandidaten überstrahlt hätte. Sie war clever. Sie hatte die Beharrlichkeit, die Polizei von Quincy in die Zukunft zu führen.

Daraufhin hatte ich mir eine bullige Frau mit Männerhaarschnitt und einer schmalen Nase, die der ihres Großvaters glich, vorgestellt. Aber ganz sicher nicht die Sexbombe, die bei Willie’s gesessen hatte.

Ich war von Winns Aussehen geblendet gewesen. Von diesem Lächeln und ihrem scharfen Verstand. Ich war für einen Drink gekommen und hatte gedacht: »Was soll’s?« Wann hatte ich zuletzt so eine umwerfende Frau gesehen?

Ich zog es vor, etwas mit Touristinnen anzufangen, weil ihre Zeit in Quincy begrenzt war. Wenn Winn mich abgewiesen oder kein Interesse gezeigt hätte, wäre ich gegangen. Aber das Verlangen in ihrem Blick hatte mein eigenes gespiegelt, und ich hatte … sie einfach haben müssen.

Das war die heißeste Nacht, die ich seit Jahren gehabt hatte. Vielleicht sogar überhaupt.

Ich biss die Zähne zusammen und verstärkte den Griff ums Lenkrad, um mich davon abzuhalten, einen Blick zur Rückbank zu werfen. Winns Duft war fort, aber es hatte den ganzen gestrigen Tag gebraucht, damit der süße Zitrusduft sich verflüchtigte.

Jetzt roch es hier nach Conor.

Gelobt seien dieser Junge und seine Schweißdrüsen.

Er hatte bereits auf der Highschool angefangen, für uns zu arbeiten – Heuballen stapeln und kleine Arbeiten auf der Ranch erledigen. Ein Jahr hatte er es auf dem College in Missoula probiert, aber nachdem er durch die Prüfung gefallen war, war er nach Quincy zurückgekehrt. Conor war der jüngste Vollzeitangestellte der Ranch, und dieser Junge war ständig in Bewegung.

Es gab nicht viele Männer, die mit meinem Tempo mithalten konnten. Mit einunddreißig fühlte ich mich noch genauso fit wie mit Anfang zwanzig. Aber die zehn Jahre zwischen Conor und mir, gepaart mit seiner Arbeitsmoral, bedeuteten, dass er mich ganz schön auf Trab hielt.

Den Morgen hatte er damit zugebracht, die Scheune an meinem Haus auszuräumen, und was mich normalerweise drei Stunden kostete, hatte er in der Hälfte der Zeit geschafft. Schweißringe zeichneten sich auf seinem Karohemd und am Rand seiner Baseballkappe ab. Die Kappe war genauso ausgebleicht von der Sonne wie meine; der schwarze Stoff zu einem dunklen Braunton verblasst. Das Logo der Eden-Ranch – ein E mit einem Schwung in Form eines Webläufers darunter – war einst weiß gewesen und nun ein schmutziges Grau.

Conor war ein guter Junge. Aber verdammt, er stank.

Ich hasste es, dass ich Winnies Parfüm vermisste.

»Schöner Tag«, sagte Conor.

»Das ist er.« Ich nickte.

Pures Sonnenlicht fiel vom wolkenlosen blauen Himmel. Die Hitze hatte den morgendlichen Nebel bereits verdunsten lassen, und während wir fuhren, konnte ich förmlich sehen, wie das Gras wuchs. Es waren Sommertage wie dieser, an denen ich mir als Teenager eine Wiese gesucht hatte, um mich hinzulegen und ein kurzes Nickerchen zu halten.

So eines könnte ich jetzt gebrauchen, nachdem ich heute um vier Uhr aufgewacht war, hart und voller Sehnsucht nach der Frau, die sich in meine Träume geschlichen hatte. Weiterzuschlafen war riskant gewesen, also hatte ich mich mit einer kalten Dusche und meiner Faust begnügt, bevor ich mich in das Büro in meinem Haus zurückgezogen hatte. Der ganze Papierkram war eine gute Ablenkung gewesen. Genau wie die Arbeit in der Scheune. Aber in Momenten wie diesem, wenn die Welt ruhiger war, stiegen die Erinnerungen wieder in mir auf.

Egal, was ich versuchte, ich konnte die Gedanken an Winn einfach nicht abschütteln.

Ihr fester Körper. Ihre süßen Lippen. Die langen, dunklen Haare, die über meine nackte Brust gestreift hatten, als sie auf meinem Schoß gesessen und mich tief in sich aufgenommen hatte.

Verdammt. Ich wurde schon wieder hart.

Eine Beziehung mit ihr oder überhaupt irgendeiner Frau stand völlig außer Frage. Daher meine One-Night-Stands im letzten Jahr. Mein Fokus lag auf meiner Familie und der Ranch. An den meisten Tagen hatte ich abends kaum Zeit, zu duschen, bevor mein Kopf aufs Kissen fiel. Das Leben als Junggeselle passte mir gut. Ich musste mich niemandem gegenüber verantworten, nur dem Land. Wenn ich Gesellschaft brauchte, hatte ich fünf Geschwister, die ich anrufen konnte. Eine Frau würde Energie fordern, die ich im Moment einfach nicht übrig hatte.

Touristinnen fragten nicht nach Verbindlichkeit.

Nur war sie keine Touristin.

Hatte sie im Willie’s gewusst, wer ich war? Nein, auf keinen Fall. Sie hatte bei dem Lunch vor zwei Tagen genauso geschockt gewirkt wie ich. Egal. Nichts davon war wichtig. Ich hatte keine Absichten, die Nacht zu wiederholen.

Winslow war eine Zugezogene, und auch wenn ich verlockt war, würde ich Abstand halten.

Ich hatte Arbeit zu erledigen.

»Ich lasse dich an der Werkstatt raus«, sagte ich zu Conor. »Du kannst den Truck nehmen und zur Weide am Indigo Ridge fahren. In den nächsten Wochen werden wir die Rinder auf diese Weide treiben, und als ich vor Kurzem da vorbeigefahren bin, sind mir im Zaun ein paar Stellen aufgefallen, die repariert werden müssen.«

»Kein Problem.« Conor nickte, den Ellbogen auf das offene Fenster gestützt. »Wie weit soll ich gehen?«

»So weit du kannst. Bis Freitag will ich den ganzen Zaun erledigt haben.«

Das Hauptquartier der Ranch befand sich weiterhin im Blockhaus meiner Eltern. Obwohl es jedes Jahr mehr Aktivitäten gab, würden die Hauptwerkstatt und die Ställe vermutlich immer dort bleiben, wo Dad sie gebaut hatte.

»Ruf mich an, wenn du was brauchst«, sagte ich und parkte neben dem Cadillac meiner Mom.

»Mache ich.« Conor stieg aus und lief über den weiten, offenen Platz, der das Haus meiner Kindheit von den Ranchgebäuden trennte.

Meine Mutter kam in dem Moment aus der Haustür, als meine Stiefel auf den Kies trafen. »Hi Conor.«

Er wurde langsamer und drehte sich um, um sich an die Kappe zu tippen. »Ma’am.«

»Der Junge ist bezaubernd. Das ist er schon, seit er noch in den Windeln lag.« Sie lächelte mir zu, als ich die Treppen zu der umlaufenden Veranda hochstieg.

»Hi Mom.«

»Hallo, mein Sohn. Hast du Zeit für einen Kaffee, oder musst du gleich wieder los?«

»Ich muss los, aber zu einem Kaffee zum Mitnehmen würde ich nicht Nein sagen.«

»Ich habe gerade eine frische Kanne gebrüht.« Sie winkte mich herein und ging direkt in die Küche.

Dad saß an der Kücheninsel, die Zeitung vor sich auf der Granitplatte ausgebreitet.

Die Quincy Gazettekam jeden Mittwoch heraus. Als ich noch ein Kind gewesen war, war sie meistens ungelesen geblieben, weil weder meine Mutter noch mein Vater Zeit gehabt hatten, sie zu lesen. Meistens hatten wir sie zum Anzünden des Holzofens benutzt. Aber jetzt, wo Dad im Ruhestand war, verbrachte er Stunden damit, jedes Wort zu studieren.

»Hi Dad.«

»Hey du.« Er richtete sich auf und nahm die Brille ab. »Was liegt heute an?«

In seiner Stimme lag ein Eifer, als wartete er darauf, dass ich ihn zu einem Projekt einlud. Sosehr ich die Zusammenarbeit mit meinem Vater genoss, heute brauchte ich ein wenig Zeit für mich. Zeit, um meinen Kopf zu klären und eine bestimmte Frau daraus zu vertreiben.

Aber vielleicht könnte er mir einen Trip in die Stadt ersparen. Denn auch nur in die Nähe von Quincy zu kommen, schien mir zu riskant.

»Ich hatte gehofft, du hättest Zeit, in die Stadt zu fahren und ein paar Stahlpfosten für die Zäune abzuholen«, sagte ich.

»Na klar.« Er nickte. »Das mache ich, sobald ich mit der Zeitung durch bin.«

»Er hat sie heute erst zweimal gelesen.« Mom rollte die Augen und nahm die Kaffeekanne in die Hand.

»Nur den Artikel über Winslow«, entgegnete er. »Den haben die Nelsens schön verbockt.«

Ich trat an die Kücheninsel und beugte mich vor, um über seine Schulter zu schauen. Mein Blick landete auf ihrem hübschen Gesicht. Das Foto nahm die Hälfte der Titelseite ein. Winn trug ein schwarzes Uniformhemd, dessen enger Kragen ihren schlanken Hals zuzuschnüren schien. Die Haare hatte sie zu einem strengen Knoten zurückgebunden. Ihre Miene war die Definition von neutral.

Das Foto musste gute zehn Jahre alt sein. Vielleicht war es noch an der Akademie aufgenommen worden.

»Sie hätten sie genauso gut ein Kind nennen können«, schnaubte mein Vater und schob die Zeitung von sich.

Das Foto war an sich schon ungünstig genug. Aber der Artikel machte es auch nicht besser. Unter der Überschrift – Quincys Polizeichefin – stand ein Text, der sich mehr wie ein Essay über Kleinstadtpolitik und Vetternwirtschaft las.

Was keine Überraschung war, denn der Artikel war von Emily Nelsen geschrieben worden. Sie liebte es, Dramen heraufzubeschwören. Und was die Frauen in der Stadt anging, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, mich zu jagen, war Emily die Anführerin. Gut, dass sie nichts von meiner Nacht mit Winn wusste. Der Artikel war so schon schlimm genug.

Die Zeitung gehörte Emilys Eltern, und ihre Verachtung für Walter Covington war genauso klar wie die schwarze Tinte auf dem weißen Papier.

»Überrascht dich das wirklich?«, fragte ich meinen Dad. »Du weißt, dass die Nelsens Covie schon immer gehasst haben. Das geht so seit dem Streit beim Basketballspiel wegen der Lufttröten.«

»Das war vor sieben Jahren.«

»Na und? Es könnte siebzig Jahre her sein, und sie würden immer noch einen Groll gegen ihn hegen.«

Die Nelsens hatten zu einem Basketballspiel der Highschool zwei laute Tröten mitgebracht. Mein jüngerer Bruder Mateo hatte zusammen mit dem Sohn der Nelsens gespielt. Eine ganze Stunde lang hatten sie mit den Dingern getrötet. Schließlich hatte Walter sie gebeten, ein wenig leiser zu sein.

Unser Bürgermeister hat an jenem Tag den Schlag für alle auf der Tribüne eingesteckt. Die Artikel, die seitdem erschienen, waren nicht nett zu ihm. Ich schätzte, die Nelsens hatten auch nicht vor, Winn gegenüber nett zu sein.

Der Artikel ließ den Großteil ihrer Erfahrungen aus, erwähnte aber dreimal ihr Alter. Dazu das Wort begünstigt.

Dreißig war jung für eine Chefstelle bei der Polizei. Wäre Dad nicht im Auswahlkomitee gewesen, hätte ich es auch Vetternwirtschaft genannt.

Über welche Erfahrungen konnte Winn in diesem Alter schon verfügen? Wenn eine Katastrophe passierte, durfte der Chief das Ruder nicht einfach loslassen. In einer solchen Situation brauchten wir einen ruhigen, erfahrenen Kapitän am Steuer. Vielleicht hatte Emily Nelsen trotz der miesen Umsetzung einen Punkt.

Aber da ich nicht in der Stimmung war, mich mit meinem Vater zu streiten, nahm ich den Kaffeebecher von meiner Mom und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Danke.«

»Gern geschehen.« Sie drückte meine Hand. »Dinner heute Abend? Knox muss nicht im Restaurant arbeiten, und Mateo hat keine Schicht im Hotel. Lyla und Talia haben gesagt, dass sie gegen sechs rumkommen könnten.«

»Was ist mit Eloise?«

»Sie kommt, sobald der Nachtportier da ist, also so gegen sieben.«

Es wurde immer schwerer, uns alle unter einem Dach und an einem Tisch zu versammeln. Mom lebte für die seltenen Gelegenheiten, zu denen sie alle ihre sechs Kinder um sich hatte.

»Ich bemühe mich.« Zu dieser Jahreszeit herrschte Hochbetrieb auf der Ranch, und allein der Gedanke an ein Familiendinner machte mich müde. Aber ich wollte meine Mutter nicht enttäuschen. »Wir sehen uns später. Danke noch mal, dass du die Pfosten abholst, Dad.«

Er hob seinen Kaffeebecher, während er mit grimmiger Miene wieder auf die Zeitung schaute.

Als ich nach draußen trat, huschte eine Katze über die Veranda. Sie duckte sich unter die unterste Stufe, und ich beugte mich vor, um sie zu sehen. Sie hockte in einer Ecke und kümmerte sich um einen Wurf kleiner Kätzchen.

Hm, ich würde ein paar von ihnen zu meiner Scheune mitnehmen, sobald sie entwöhnt waren. Mom hatte bereits mindestens zehn Katzen. Aber da sie die Mäuse fernhielten, machte es keinem von uns etwas aus, ab und zu einen Sack Trockenfutter zu kaufen.

Ich ging über den Schotterplatz in Richtung Werkstatt. Das riesige Gebäude aus Stahl war das größte auf der Ranch und lag an einer Ecke des dreieckigen Platzes – an einer anderen befanden sich die Ställe und Scheunen, an der letzten das Haus meiner Eltern.

Hier meldeten sich unsere Arbeiter zu ihren Schichten an und ab. Mein Office Manager und der Buchhalter hatten je einen Schreibtisch hier, wobei sie es beide vorzogen, in dem Büro in der Stadt zu arbeiten.

Meine Schritte hallten über den Betonboden, als ich den höhlenartigen Raum betrat. Einer der Schwadmäher parkte direkt hinter dem Rolltor.

»Hey Griff.« Mein Cousin, der für uns als Mechaniker arbeitete, steckte den Kopf unter der Maschine heraus.

»Hey. Wie läuft’s?«

»Oh, ich krieg den wieder repariert.«

»Das sind gute Neuigkeiten.« Ich hatte dieses Frühjahr bereits zwei neue Traktoren gekauft, und es wäre mir lieber, wenn ich eine weitere teure Ausgabe auf den Winter schieben könnte.

Ich ging weiter, während er sich wieder seiner Arbeit widmete. Heute hatte ich einen kleinen Berg Büroarbeit vor mir, was ich entweder hier oder zu Hause tun könnte. Für die Sommersaison fehlte uns noch ein Mann, und ich war eine Woche zu spät damit dran, eine Anzeige in die Zeitung zu setzen. Ein Grund dafür war, dass ich Emily aus dem Weg gehen wollte, aber ich konnte es nicht länger aufschieben. Nach einem Blick auf mein dunkles Büro drehte ich mich wieder zur Tür um.

Alles in allem hatte die Ranch etwas über dreieinhalbtausend Hektar. An den meisten Tagen war ich eher Businessmanager als Rancher. Ich trug zwar meine Stiefel und die Gürtelschnalle, die ich bei einem Highschool-Rodeo gewonnen hatte, aber der Uniabschluss in BWL wurde mehr gebraucht als meine Fähigkeiten als Pfostensetzer.

Aber nicht heute.

Der Juni war ein wunderschöner Monat in Montana, und der blaue Himmel lockte mich. Von den Bergen kam eine kühle Brise, die den Duft nach Pinien und geschmolzenem Schnee ins Tal trug.

Sonnenschein und Schweiß würden meinem Kopf guttun. Ich brauchte einen Tag mit harter, körperlicher Arbeit. Wenn ich bis zur Erschöpfung arbeiten würde, könnte ich heute Nacht vielleicht schlafen, ohne von Winn zu träumen.

Gerade hatte ich die Werkzeugbank erreicht, bereit, eine Rolle Stacheldraht und galvanisierte Zaunpfosten aufzuladen, als das Handy in der Tasche meiner Jeans klingelte.

»Hey Conor«, antwortete ich.

»Griffin.«

Mein Herz stockte bei der Panik in seiner Stimme, aber meine Füße liefen bereits in Richtung des Werkstatttors. »Was ist los? Bist du verletzt?«

»Es ist …«

»Was? Sprich mit mir.«

»Ich habe am Indigo Ridge angefangen. Mit dem Eckpfosten.«

»Ja.« Als ich den Kiesplatz erreichte, lief ich los. Conor mochte noch jung sein, aber er war nicht so leicht zu erschrecken. »Conor, sag mir, was passiert ist.«

Ein Schluchzer hallte durch die Leitung.