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Die Tagesschau ist die wichtigste Nachrichtenmarke des Landes. Millionen Menschen informieren sich täglich bei ihr. Doch immer mehr Zuschauer beklagen eine einseitige Berichterstattung: Über die Flüchtlingskrise, die Coronazeit, den Klimawandel oder die Kriege in Gaza und der Ukraine. Alexander Teske hat sechs Jahre bei der Tagesschau die Themen der Sendungen geplant. In seinem Blick hinter die Kulissen zeigt er wie Karrieristen, Machtkämpfe und politische Überzeugungen die Sendung prägen. Teske hinterfragt die Nähe zur Politik, die Rolle der Experten und den Umgang mit der AfD. Er zeigt, womit die Tagesschau in den sozialen Medien erfolgreich ist, warum dem Sport, Unwettern und den Royals der rote Teppich ausgerollt wird und immer öfter Kurzatmigkeit zu Fehlern führt.
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Seitenzahl: 345
Veröffentlichungsjahr: 2025
Alexander Teske
inside
tagesschau
Zwischen Nachrichten
und Meinungsmache
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Innengestaltung und Satz: Ralf Paucke
E-Book Konvertierung: Satzwerk Huber, Germering
ISBN: 978-3-7844-8516-4
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Inhalt
Prolog: Wer ist der Chef?
Vorspann: Guten Abend, meine Damen und Herren!
I. Wer ist die Tagesschau – und wenn ja, wie viele?
Die heimlichen Chefs der Tagesschau
Chefredakteurskonferenz in der »Anstalt«
Die Redaktion – abgehoben und elitär
Klima der Angst im Großraumbüro
Von Ehrgeiz, Einfluss und Eitelkeit
Von den Medien in die Politik – und zurück
Das Experten-Unwesen
Ungleich verteilt: Die Auslandsberichterstattung
Auslaufmodell: Die Sprecher
II. Von Themen, Meinungen und Haltungen
Von wegen Staatsfunk ...
Hau den Lukas: Tagesschau-Bashing
Aber bitte mit Haltung
Die Hetzjagd von Chemnitz
Das Desinteresse am Osten
Der Meinungskorridor wird enger
Wie umgehen mit der AfD?
Gendern: Mutter aller Diskussionen
Migration: Blinde Flecken
III. Journalismus als Formel-Eins-Rennen
Kult der Kurzfristigkeit
Alles für die Quote
Laschet lacht – nicht in der Tagesschau
Und nun zum Sport
Hurra, hurra, die Insel brennt
Hofberichterstattung: Adel verpflichtet?
Die Tagesschau bei TikTok & Co.
Abspann: Ich bin abends immer müde
Epilog: Was machen Journalisten?
Danksagung
Anmerkungen
Prolog: Wer ist der Chef?
Auf dem Weg aus dem Konferenzzimmer wollte ich vom Chef vom Dienst wissen, ob ich als Planer das Thema für die Abendausgabe bestellen soll.
Seine Antwort: „Nö!“
„Aber der Chefredakteur hat es sich doch gewünscht?“
„Das ist mir scheißegal.“
Wir haben das Thema ignoriert.
Vorspann: Guten Abend, meine Damen und Herren!
Der Empfang ist grau, nass und windig. Hamburger Schietwetter bei fünf Grad. Am Morgen des 2. Januar 2018 biege ich in den Hugh-Greene-Weg ein und nähere mich zu Fuß dem NDR-Gelände in Hamburg-Lokstedt. Hinter dem Pförtnerhaus kann ich schon Haus 18a erkennen. Hier werde ich arbeiten. ARD leuchtet weithin sichtbar in hellblauen Versalien auf der Fassade.
„Einen schönen guten Morgen“, lächle ich den Wachmann an.
„Moin!“, kommt es knapp und kühl zurück. An Wetter und Begrüßung werde ich mich noch gewöhnen müssen. Aber vom MDR weiß ich ja: Für die Kollegen beim Wachschutz ist die Arbeit kein Zuckerschlecken. Oft sind sie bei einem Subunternehmer angestellt und verdienen gerade einmal den Mindestlohn.
Ich erhalte einen provisorischen Hausausweis, öffne damit die Drehtür und laufe Chefsprecher Jan Hofer in die Arme. Ich wundere mich, wie klein er in Wirklichkeit ist. Dann frage ich mich zu meinem Schulungsraum durch. Dort sollen mir zwei Tage die Redaktionssysteme erläutert werden.
Ich bin voller Vorfreude. Hier wollte ich schon immer hin. Die Tagesschau ist mein Sehnsuchtsziel. In meiner Jugend musste ich im Fernsehraum des Internats zensierte Nachrichten ansehen: Die AktuelleKamera um 19.30 Uhr auf DDR1 war eine halbstündige Pflichtveranstaltung. Nie hätte ich mir träumen lassen, als Redakteur die Tagesschau mitplanen zu können.
Der Chefredakteur empfängt mich. „Wir haben hier ein ganz tolles Team“, sagt er gleich zu Beginn des Gesprächs. Das wird er am Ende noch einmal wiederholen. Denn „leider, leider“ gibt es nicht mehr Geld als beim MDR. Dann bestellt er mir ein Taxi zum Rothenbaum. Die Strecke ist nur drei Kilometer lang. Die Nobelvillen fliegen am Autofenster vorbei. In der Verwaltung unterschreibe ich meinen Vertrag auf absurd dickem Papier. Fehlt nur der Goldrandfüller. Es sei „wirklich eine Ehre, für die Tagesschau arbeiten zu dürfen“, sagt auch die Herrin der Akten. Dann bestellt sie mir ein Taxi zurück nach Lokstedt.
Stück für Stück desillusionierter
„Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau“. Mit diesen Worten beginnt seit 1952 ein allabendliches Ritual für viele Deutsche. Und wenn ich Ihnen die aktuelle Begrüßungsmelodie vorsingen würde, gäbe es wohl kaum einen, der nicht einstimmen könnte. Damals hatte die Tagesschau 1000 Zuschauer. 2023 ist sie das Lagerfeuer, um das sich im Schnitt neuneinhalb Millionen Menschen versammeln. Die Tagesschau gilt als Flaggschiff der ARD. 193 Millionen Visits verzeichnete die Homepage im August 2024. Die Tagesschau ist die führende deutsche Nachrichtenmarke. Genau deswegen arbeiten sich viele an ihr ab. Politiker, Zuschauer und Medienwissenschaftler. Und dann schauen sie doch alle wieder zu. 39 Prozent Marktanteil hat die Hauptausgabe – zur allerbesten Sendezeit.
Ich werde der Planung zugeteilt. Eine vertraute Arbeit. Schon beim MDR habe ich für die Nachrichten die Themen ausgewählt, Gesprächspartner gesucht, Redakteure eingeteilt, Stücke abgenommen und Sendungen vorbereitet. Allerdings bekam ich manchmal zu hören: „Wir sind hier nicht bei der Tagesschau!“ Das bedeutete: Wir wollen hier nicht nur „trockenes Schwarzbrot“ senden, sondern auch unterhalten. Damit habe ich gefremdelt. Deshalb freute ich mich über die Anfrage, ob ich zur Tagesschau kommen wollte. Ich dachte: Hier bin ich richtig.
Doch die Freude an der Arbeit wird mir vergehen. Stück für Stück werde ich desillusionierter. Seriös, ausgewogen und neutral – so ist das Image der Tagesschau. Beim Blick hinter die Kulissen der „Macht um Acht“ fällt auf: Auch bei der Tagesschau geht es um Quote und Unterhaltung, wird gelegentlich einseitig und unausgewogen berichtet. Die gezeigten Nachrichten sind nicht immer die wichtigsten des Tages, die Auswahl manchmal zufällig. Ihrer Aufgabe, eine kritische Distanz zu den Herrschenden zu halten, wird die Tagesschau nicht gerecht. Denn sie wird von einem elitären Kreis verantwortet. Sie haben ähnliche politische Ansichten und kommen fast ausschließlich aus dem Westen.
In den folgenden sechs Jahren werde ich mit allen Tricks konfrontiert, mit denen Korrespondenten versuchen, häufig auf den Bildschirm zu kommen. Ich werde bei überflüssigen Grabenkämpfen der ARD-Anstalten vermitteln und Zeuge erbitterter Streitigkeiten innerhalb der Redaktion. Oft frage ich mich, was falsch läuft in der Berichterstattung und warum die Tagesschau von Zuschauern und Kollegen angefeindet wird. Ich versuche, die Folgen aufzuzeigen, wenn über manche Regionen der Welt nie berichtet wird, andere im Dauerfokus stehen. Ich thematisiere zudem die zunehmende Boulevardisierung.
Es waren spannende Jahre für Nachrichten. Proteste gegen Zuwanderung, Corona-Einschränkungen, der Angriff Russlands auf die Ukraine und der Gazakrieg. Jedes Mal stieg das Interesse an verlässlichen Informationen, aber auch die Kritik an der Berichterstattung der Tagesschau.
Einseitige Berichterstattung
In diesem Buch frage ich: Warum berichtete die Tagesschau nicht, als sich der Kampf um das Kanzleramt entschied? Warum ignoriert die Redaktion häufig islamistische Anschläge? Wonach werden Experten für Interviews ausgewählt? Gibt es politische Einflussnahme? Wie behandelt die Tagesschau die AfD? Und was ist dran am Vorwurf des Aktivismus?
Allein aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Mittel stellt die Tagesschau ein professionelles Produkt auf die Beine. Keine deutsche Redaktion kann sich annähernd mit ihren Ressourcen messen. Hunderte Redakteure stehen ihr zwischen Flensburg und Freiburg, zwischen Tokio und Rio zur Verfügung. Geld spielt eine untergeordnete Rolle. Eine Aufstockung der Redaktion für Online-Auftritt und Social Media war genauso möglich wie ein neues Studio für zwei Millionen Euro oder ein Neubau für 20 Millionen Euro mit Pflanzen an den Wänden, Designerlampenringen und Trinkwasserspender. Der Etat der Redaktion beträgt über 55 Millionen Euro im Jahr. 1
Doch die Berichterstattung ist politisch einseitig. Würde eine geheime Wahl bei ARD-aktuell und den Zulieferer-Redaktionen stattfinden, wären SPD und Grüne deutlich überrepräsentiert. Was nicht bedeutet, dass es andere Meinungen nicht gibt. Einseitig meint auch: Es wird viel über Bundespolitik oder Urteile höchster Gerichte berichtet. Dem Fußball wird breiter Raum gegeben und auch für Royals haben die Macher ein Herz. Eine kritische Begleitung der Politik der EU oder eine vorurteilsfreie Berichterstattung über den Osten der Republik ist dagegen selten. Der Blick ins Ausland geht vor allem in die USA, nach Westeuropa und Israel. Andere Regionen der Welt kommen so gut wie nie vor.
Die Tagesschau ist ein Leitmedium, und gerade deshalb ist es wichtig, welche Themen sie auswählt. Politiker reagieren auch auf den Ton der Berichte der Tagesschau. Viele Wähler bilden sich dabei ihre politische Meinung. Andere Redaktionen orientieren sich an ihr. Deswegen ist es relevant, wenn die Tagesschau Themen des Tages nicht behandelt.
Denn nur über etwas, was man wichtig und schützenswert findet, kann man sich erregen. Alles andere ist der Mühe nicht wert. Daher kritisiere ich, um Veränderungen anzuregen und damit zum Erhalt beizutragen. Ich verzichte darauf, Kollegen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, namentlich zu nennen, die verwendeten Vornamen habe ich geändert. Wenn ich aus Gesprächen zitiere, geschieht dies aus meinen Erinnerungen und Aufzeichnungen.
I. Wer ist die Tagesschau – und wenn ja, wie viele?
Die heimlichen Chefs der Tagesschau
Wen meine ich, wenn ich von der Tagesschau spreche? Wer trifft die Entscheidungen? Wer sind die Menschen dahinter? Im ersten Kapitel gehe ich diesen Fragen nach – wie auch dem viel diskutierten Punkt: Was ist dran am Verdacht eines »Linksdralls«?
Arbeiten wir uns von außen nach innen. Den Erdmantel bilden die Außenstudios der ARD. Sie liefern die Beiträge. Bei der Tagesschau entstehen keine »Stücke«, wie es im Sender-Jargon heißt. Gelegentlich selbst produzierte Grafikbeiträge bilden die Ausnahmen. Jede Anstalt hat mindestens eine Zulieferredaktion – den MDR in Leipzig, den RBB in Berlin oder den SWR in Mainz und Stuttgart. Die Kollegen aus diesen Studios sind in den Sendungen sichtbar, nicht die Redakteure der Tagesschau. Sie sind am Ort des Geschehens und zeigen live ihr Gesicht. Hier wird recherchiert, gedreht, geschnitten und vertont.
In unterschiedlicher Qualität: Kleine Redaktionen in Saarbrücken, Schwerin und Bremen bekommen selten Aufträge. Dementsprechend vergibt die Planung Aufträge lieber an Redaktionen, die häufig im Programm sind. Durch diese Routine sind der WDR in Köln, der HR in Frankfurt oder der BR in München professioneller aufgestellt. Gut ist die Kleinteiligkeit nicht. Denn passiert etwas im Saarland, Mecklenburg-Vorpommern oder Bremen, muss die Tagesschau ihre Berichte dort bestellen. Die kleinen Studios sind von dem Ansturm aber überfordert. Neben den Sendungen der Tagesschau von 9 Uhr bis zur Nachtausgabe müssen sie zeitgleich auch die Anfragen der Kollegen der Tagesthemen, des Morgen- oder Mittagsmagazins, von tagesschau24, Phoenix und Brisant sowie ihrer Sendungen im eigenen Haus für das Dritte Programm befriedigen.
Obwohl die Arbeit in den Außenstudios passiert, liegt die Macht bei ARD-aktuell in Hamburg-Lokstedt. Hier sitzt der Erdmantel. Die Studios machen Vorschläge, doch die Entscheidung, welche Angebote angenommen werden, fällen die Planer. Sie bestellen auch von sich aus Themen, äußern Wünsche.
In Hamburg sitzen zudem die Redakteure, die die Sendung befüllen. Für die späte Schicht, die für die Tagesschau um 16, 17 und 20 Uhr verantwortlich ist, sind es sechs Redakteure – in Wort und Bild unterteilt. Die einen schreiben Anmoderationen und Wortmeldungen. Die anderen betreuen die Beiträge. Sie besprechen mit den Autoren Länge, Aufbau und Gesprächspartner. Sie schreiben die Schrifteinblendungen wie Namen, Bildquellen oder »Archiv«, nehmen die Beiträge ab und ordnen Änderungen an.
Äußerer und innerer Erdkern
Alle sind abhängig von den Chefs vom Dienst. Damit kommen wir zum äußeren Erdkern – einem kleinen Kreis von zehn Redakteuren. Diese sind der Öffentlichkeit unbekannt, besitzen aber Einfluss auf die Meinungsbildung im Land. Sie entscheiden abschließend über die Themenauswahl, die Reihenfolge der Beiträge und jedes Wort der Schlagzeilen oder der Beitragstexte. Jeder Chefredakteur einer Zeitung, und sei sie noch so klein, ist der Öffentlichkeit bekannt. Über die Entscheider der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes finden sich aber keine Informationen. In der Rubrik »Wir über uns« auf tagesschau.de wird niemand aus diesem Verantwortungskreis vorgestellt.
Bei den Chefs vom Dienst handelt es sich zu zwei Dritteln um Männer. Alle Chefs vom Dienst sind über 45, die meisten sogar über 55 Jahre. Fast alle haben einen Studienabschluss. Keiner hat einen Migrationshintergrund. Kein Chef vom Dienst ist Ostdeutscher, fast alle sind Norddeutsche. Meines Wissens hat keiner den Status als Schwerbeschädigter. Zwei Chefs vom Dienst waren einige Jahre Leiter von tagesschau.de. Ansonsten haben sie kaum Berührungspunkte mit Online. Auch ein Austausch mit den Tagesthemen ist selten. Kein Chef vom Dienst hat zuvor für Social Media gearbeitet – und umgekehrt.
Einige Chefs vom Dienst arbeiten zeitweise in der Grafik oder in der Planung. Ansonsten findet kein Austausch zwischen den Abteilungen statt. An jedem Abend sind zwei Chefs vom Dienst in der Redaktion. Einer von ihnen hat dabei den Hut auf. Gekennzeichnet durch einen Punkt im Dienstplan ist sie oder er an diesem Tag »primus inter pares«. Wobei der Punkt rotiert, jeder gleich oft das Sagen hat.
Kommen wir zum inneren Erdkern: der Chefredaktion. Hier wird Macht weniger im täglichen Klein-Klein ausgehandelt. Hier wird entschieden, zu welchen Themen es Sondersendungen gibt, wer neuer Chef vom Dienst wird oder wer die Sendungen moderieren darf. Es geht um strategische Entscheidungen: Wie soll das neue Studio aussehen? Bleiben wir auf TikTok und gründen wir einen WhatsApp-Kanal? Schaffen wir das Nachtmagazin ab? In Einzelfällen wünscht sich die Chefredaktion auch Themen oder eine andere Reihenfolge der Themen in der Sendung.
Auf die Inhalte der Tagesschau haben sie aber weniger Einfluss als die Chefs vom Dienst. Sie vertiefen sich nicht in die Feinheiten der Formulierungen und Überschriften oder wählen einzelne Interviewpartner aus – also die Dinge, die oft in der Öffentlichkeit kritisiert werden. Hier haben die Chefs vom Dienst das Sagen – und zu 90 Prozent auch bei der Themenauswahl. Natürlich ist das tagesformabhängig. Manchmal mischt sich der Chefredakteur in kritische Details ein, und dann gibt es wieder mehrere Tage, an denen man ihn überhaupt nicht sieht, obwohl er im Dienst ist.
Der lange Weg nach oben
Alle Chefs vom Dienst sind seit mindestens zehn Jahren beim NDR fest angestellt, die meisten deutlich länger, manche sogar seit 30 Jahren. Meist haben sie bei einer Lokalzeitung oder einem Radiosender volontiert und sind jung zum NDR gestoßen. Hier haben sie sich langsam hochgearbeitet – vom Redakteur zum Dienstleiter bei tagesschau24 oder zum Berlintisch, wo alle Berichte aus dem ARD-Hauptstadtstudio koordiniert werden. Später durften sie sich bei den frühen Tagesschau-Sendungen von 9 bis 15 Uhr als Chef vom Dienst bewähren. Der lange Weg nach oben hat Nachteile.
Der erste: Da in Hamburg keine Beiträge produziert werden, waren die Chefs vom Dienst selbst nur kurz als Autor tätig. Die meisten haben nie vor der Kamera gestanden oder Beiträge realisiert. Sie kennen die Bedingungen, unter denen diese vor Ort entstehen, nicht oder nicht mehr. Sie haben dadurch wenig Gespür für die Realität in einem Studio. Sie vertrauen primär dem Text und zu wenig dem Bild. So wurden bei der Tagesschau bis Ende 2023 immer zuerst die Texte abgenommen – ohne die Bilder zu kennen. Das erklärt die häufigen Bild-Text-Scheren, also Texte, die nicht zu den Bildern passen. Im schlimmsten Fall lenkt das Bild vom Text ab und stört die Verarbeitung der Informationen. Für wie verzichtbar die Tagesschau ihre Bilder hält, zeigt, dass die 20-Uhr-Ausgabe – redaktionsintern gern »die Twenty« oder auch einfach 20 Uhr genannt – sich live im Hörfunksender NDRinfo verfolgen lässt – ohne nennenswerte Informationsverluste.
Der zweite Nachteil: Die Tagesschau schmort im eigenen Saft. Es gibt kaum Rotation oder Fluktuation bei den Chefs vom Dienst. Ist es sonst in der Medienbranche üblich, seinen Job nach wenigen Jahren zu wechseln, eine neue Redaktion oder eine neue Stadt kennenzulernen, sitzt der typische Tagesschau-Chef vom Dienst seit 20 Jahren auf seinem Stuhl. Es gibt keine Chefs vom Dienst, die von ZDF, RTL oder ORF nach Hamburg gekommen sind. Dadurch fehlen Vergleiche – wie lösen andere Redaktionen Probleme, unter welchen Bedingungen arbeiten die, welche Entscheidungswege haben sich dort bewährt? Dies verhindert erfolgreiche Evaluationen. Und führt zu großer Unzufriedenheit unter Mitarbeitenden. Veränderungen finden durch die fehlenden Einflüsse nur in Trippelschritten statt. Deswegen ist auch die Themenauswahl von gestern.
»Wieso, das ist doch politisch ...«
»Das haben wir immer schon so gemacht«, habe ich oft zu hören bekommen. So habe ich erfolglos hinterfragt, warum wir den Vorbericht zu den Landtagswahlen immer schon am Freitag senden, wo es andere gute politische Themen gibt, und nicht erst am Samstag, wo oft Themennot herrscht. Die Wahl ist erst am Sonntag, ein Vorbericht am Vortag also zuschauerfreundlicher.
Auch meine Versuche, nicht mehr in zwei Beiträgen aus Köln und Mainz über die Rosenmontagsumzüge in der 20 Uhr berichten zu müssen, schlugen fehl. »Dat is Kölle. Dat is min Welt. Jenau dat isses. Kölle Alaaf!«, ruft eine rot-weiß bemalte Kostümträgerin im Beitrag vom 14. Februar 2024 in die Kamera. Zuvor haben wir erfahren, dass Vater Friedrich, der im Dreigestirn die Jungfrau spielen sollte, leider krankheitsbedingt passen musste.
Wenn ich die Chefs vom Dienst frage, warum sie drei Minuten ausgeben, um über dieses eigenwillige Brauchtum zu berichten, sagen sie: »Wieso, das ist doch politisch, mit den Mottowagen und so.« Ihr eigener Beitrag führt die Schutzbehauptung ad absurdum: »Kapellen machen Stimmung, eine halbe Million Zuschauer feiern Fastnacht und sich selbst … So mancher Fastnachter kommt zum Zug, weil er gerade mal nicht über Politik nachdenken will.« Und Teilnehmende sagen: »Ich wollte es (die Politik) mal vergessen ’n paar Tage, ganz ehrlich.« Oder »Ich denke, es geht heute einfach mal darum die Sorgen zu vergessen und ’n bisschen Spaß zu haben und dann kann man sich morgen immer noch sorgen.«
Natürlich soll die Tagesschau über das gesellschaftliche Ereignis der Rosenmontagsumzüge berichten. Die Frage ist nur, wie ausführlich sie sich dem Ereignis widmet. Der Aufmacher erhielt zum Beispiel weniger Sendezeit. Es war ein Bericht über die zahlreichen Reaktionen auf die Äußerungen Trumps, im Falle eines Wahlsieges zahlungssäumige NATO-Mitglieder nicht mehr gegen Russland verteidigen zu wollen.
Geadeltes Stammtischgerede
Eine offene Frage war für mich auch stets, wieso die bayerische Tradition des politischen Aschermittwochs ein bundesweites Thema für die 20-Uhr-Tagesschau sein soll. Sie meinen, die Veranstaltung sei eine Pflichtveranstaltung für Nachrichten, weil er Neuigkeitswert habe? Dann verraten Sie mir doch bitte das Jahr zu folgenden Zitaten aus den Beiträgen der Tagesschau um 20 Uhr:
»Inhaltlich teilt der CSU-Vorsitzende gegen die Grünen aus, genauso wie gegen die AfD.«
»Der Defiliermarsch erklingt wie immer. Und Markus Söder sagt wie immer, nur die CSU könne wirklich Aschermittwoch.«
»Die Political Correctness hat heute Pause, erklärt der CSU-Chef zu Beginn und teilt zugleich kräftig aus: ›Die Grünen sind heute die größten Spielverderber und Stimmungskiller unserer Nation ...‹ Das kommt bei der Parteibasis gut an.«
»Ein bisschen mehr darfs beim Politischen Aschermittwoch sein, die CSU sieht sich hier als Taktgeber. Parteichef Söder legt vor mehreren tausend Anhängern sofort deftig los: ›Wir als CSU, wir wollen keine Grünen in der nächsten Bundesregierung …‹ Das kommt bei der CSU-Basis an.«
Hier die Auflösung: Die Zitate wurden 2019, 2021, 2023 und 2024 gesendet. Es gibt den Spruch: »Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.« Heute könnte es heißen: »Nichts ist so aktuell wie die Tagesschau vom letzten Jahr.«
Die Tagesschau adelt mit dem eisernen Festhalten am Berichten über diese aus der Zeit gefallene Tradition ein Stammtischgerede, welches den politischen Diskurs in Deutschland vergiftet, etwas, was man sonst gern mit der AfD in Verbindung bringt. So ätzte Söder am 15. Februar 2024 in Passau: Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke sei ein Musterbeispiel, wie die Grünen mit immer neuen Auflagen die Freiheit der Fleißigen einschränken wollten. Lemke sei eine »grüne Margot Honecker.« Ossi-Bashing geht immer nach dem dritten Weizenbier.
Allerdings war Lemke in der DDR eine Oppositionelle. Also das Gegenteil der kommunistischen Ministerin für Volksbildung. Damit nicht genug. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Ricarda Lang, werden von Söder bedacht. Im Gegensatz zu denen habe sein Hund »Molly« eine Ausbildung, nämlich zum Schutzhund. Man muss das an dieser Stelle wiedergeben, um sich klarzumachen, über was für eine Veranstaltung wir hier reden, mit der die Tagesschau ihre Sendungen aufmacht.
Doppelte Union
Warum wird die CSU wie jede andere bundesweite Partei behandelt? Von ihren Parteitagen wird genauso ausführlich berichtet wie von denen der CDU oder der SPD. Ihr Generalsekretär sitzt gleichberechtigt in der Berliner Runde, um nach den Wahlen in der ARD das Ergebnis zu kommentieren. Den Klausuren der Christsozialen im Kloster Seeon wird so viel Sendezeit gewidmet wie den Klausuren anderer Parteien. Auch über die Wahlkampfabschlüsse der CSU wird vor Wahlen in der Tagesschau in einem eigenen Beitrag berichtet. Dabei ist die CSU eine Regionalpartei, die in den restlichen 15 Bundesländern gar nicht zur Wahl steht. Was zu der Situation führt, dass die Union immer doppelt im Programm ist.
Zwei Gründe könnten dafür sorgen: Das haben wir doch immer schon so gemacht. Und: Der BayerischeRundfunk ist oft prominent in der Chefredaktion vertreten. Gerhard Fuchs führte die Tagesschau von 1991 bis 1993, Bernhard Wabnitz war von 1995 bis 2005 erst Vize, dann Chef, Christian Nitsche war zwischen 2014 und 2017 in Hamburg und aktuell ist Marcus Bornheim seit 2017 Vize und seit 2019 Erster Chefredakteur der Tagesschau. Alle fahren auf dem Ticket des BR.
Und so verwundert es mich nicht, dass tagesschau24 – wo die Chefredakteure mehr Einfluss haben als in der 20-Uhr-Ausgabe – im Wahljahr 2021 bevorzugt den CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Laschet zeigt. Live werden seine Pressekonferenzen zur Vorstellung des Wahlkampfteams, dem 100-Tage-Sofortprogramm und dem außen- und sicherheitspolitischen Programm übertragen. Auch Söder ist fast täglich mit einer Pressekonferenz auf dem Sender. Ab und zu ist auch Scholz live auf dem Schirm. Grüne, FDP, Linke und AfD und andere Ministerpräsidenten schauen dagegen in die Röhre.
Eher links der Mitte
Zurück zu den heimlichen Chefs der Tagesschau und dem Einfluss, den sie haben: Der typische Chef vom Dienst ist ein Einser. Das bedeutet: Er ist unbefristet festangestellt und in der höchsten Vergütungsgruppe 1, Stufe 6 eingruppiert. Dies entspricht einem Monatsgehalt von 11 434 Euro brutto (Stand 1.12.22). Werden sie außertariflich bezahlt, sind auch höhere Gehälter möglich. Ein Einser zu sein, bedeutet nicht nur gut entlohnt zu werden und eine Machtposition zu bekleiden, es verleiht Unabhängigkeit. Denn de facto sind sie unkündbar. Das macht Einser selbstbewusst. In einer der 10.30-Uhr-Sitzungen wünschte sich der damalige Chefredakteur Gniffke einmal ein Thema. Auf dem Weg aus dem Konferenzzimmer wollte ich vom Chef vom Dienst wissen, ob ich als Planer das Thema für die Abendausgabe bestellen sollte. Seine Antwort: »Nö!«
»Aber der Chefredakteur hat es sich doch gewünscht?«
»Das ist mir scheißegal.« Wir haben das Thema ignoriert.
Auch nutzen Einser ihre Position, der Chefredaktion in Konferenzen offen zu widersprechen (»Ich sehe das anders«). Und die Gruppe der Einser ist intern einflussreich. Sind sie mit Entscheidungen der Chefredaktion oder des Informationsdirektors nicht einverstanden, schreiben sie einen offenen Brief, den alle Einser unterzeichnen. Zum Beispiel gegen Umstrukturierungen, einen neuen Dienstplan oder für ein besseres Betriebsklima.
Die Chefs vom Dienst eint: Sie sind meinungsstark und haben ihre persönlichen Vorlieben. Dies widerspricht dem Selbstbild der Tagesschau vom neutralen, objektiven Beobachter der Nachrichtenwelt. Sehe ich die Sendung abends als Zuschauer auf dem Sofa, kann ich oft sehen, wer gerade den Hut aufhat. So benutzt ein Chef vom Dienst mit Vorliebe ähnliche Schlagzeilen: »Diskussion über Strafen bei Fahrerflucht«. Einen Tag danach: »Diskussion über Taurus-Lieferungen.« Einige Tage später gibt es die »Diskussion über Schwarz-Grün im Bund«. Dann heißt es in der Tagesschau: »Diskussion über Cannabis-Grenzwert« oder »Diskussion über AfD-Politiker Bystron« und es gibt eine »Diskussion über Reform der Schuldenbremse«. Dann, leicht abgewandelt: »Diskussion um Islamisten-Kundgebung« und »Diskussion nach Angriff auf Politiker«. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Die Chefs vom Dienst verorten sich wie viele Journalisten politisch eher links der Mitte. Im Gegensatz zur Mehrheit der Bevölkerung. Ein Chef vom Dienst studiert täglich in der 14-Uhr-Konferenz ausführlich die taz. Ein anderer hat früher Artikel für die taz geschrieben. Sein Hintergrundbild in Onlinebesprechungen: Ein Plakat, auf dem groß »Seid bereit!« steht. Drei gemalte chinesische Kommunisten sind zu sehen. Einer hält ein Buch hoch: »Blockadefibel, Band 2. Beton, Stahl, Holz«. Unterzeile: »Vorwärts zum VI. Castor-Transport nach Gorleben.« Wer bei Demonstrationen der autonomen Szene auf der Hamburger Schanze unterwegs ist, trifft dort auch Redakteure der Tagesschau – als Teilnehmer.
Der unter Tagesschau-Redakteuren beliebteste Fußballverein ist nicht der größte Hamburger Club, der HSV, sondern St. Pauli. Hier haben sie Dauerkarten, dessen Spiele werden am Arbeitsplatz im Livestream verfolgt, zu diesem Verein wechselte ein führender Redakteur als Pressesprecher. Der FC St. Pauli ist ein dezidiert politischer Verein, dessen Fanszene sich auch aus Hausbesetzern und Autonomen rekrutiert. Das Logo und Flaggenmotiv des Vereins ist der Totenkopf.
Im Stil eines Querdenkers
Ein Chef vom Dienst, seit Kurzem im Ruhestand, gibt Einblicke in seine Gedankenwelt auf dem Blog seiner Website. Ich habe ihn von 2018 bis 2023 bei der Tagesschau erlebt. Stets in schwarzem T-Shirt mit schwarzem Jackett, dunkelblauer Jeans und Wanderschuhen, hat er andere selten ausreden lassen und oft für blöd erklärt. 2
Jetzt schreibt er Artikel mit Überschriften wie »Skandal auf Skandal«. Darin wird Robert Habeck der »Verlust menschlicher und politisch halbwegs links-liberaler Richtschnüre« attestiert. »Mit ihm im Boden versinken sollten auch zumindest die SPD-Vertreter in der Bundesregierung. Die FDP hat eh längst den Anstand verloren.« Ihre »Flüchtlingspolitik« schlage »dem Fass an Empathie-Feindlichkeit und AfD-Unterwürfigkeit einmal mehr den Boden aus.« Er prangert »das Rausschmeißen von Geld für die Militarisierung der Politik« an und meint: »Die Halbwertzeit früher mit Zähnen und Klauen verteidigter grüner und sozialdemokratischer Werte – ob Klima-, Flüchtlings-, Friedens- oder Sozialpolitik – schwindet im Tagesrhythmus.«
Hier schreibt kein durchgeknallter Wutbürger einen Leserbrief. Sondern ein Mann, der jahrzehntelang die Geschicke Deutschlands führender Nachrichtensendung maßgeblich geprägt hat. Man darf annehmen, dass er seine politischen Ansichten nicht in Rekordzeit ausgetauscht hat.
Im Stil eines Querdenkers wettert er auf seinem Blog weiter: »Dabei wird die Politik allein von Kalkül gesteuert. Geld und Machterhalt. Und zwar vom eigenen Geld, auf dass es sich vermehre. Und vom Erhalt der eigenen Macht, auf dass sie niemals breche. Die Verlogenheiten sich selbst und anderen gegenüber sind kaum mehr zu überbieten. Wenn dann die Luft ausgeht, werden die Schuldballons aufgepumpt. Da nimmt es nicht wunder, dass Habeck, wenn man genauer hinguckt, fast ausschaut wie Söder. Denn überall wird die gleiche heiße Luft zum Aufpumpen verwendet.«
In einem anderen Eintrag macht der Tagesschau-Privatier sich über einen Imagefilm der CDU lustig, in dem statt der Berliner Reichstagskuppel versehentlich die Kuppel des ehemaligen georgischen Präsidentenpalastes in Tiflis gezeigt wurde. »Zertifikat Integrationskurs? Das wäre, liebe CDU, ganz schön in die Hose gegangen. Strengste Maßstäbe, die Christdemokraten immer wieder von Flüchtlingen in Deutschland fordern, hätten womöglich zu einer flotten Abschiebung ins Herkunftsland geführt. Das Land der Ahnungslosen. Merz & Co in Handschellen auf dem Weg nach Dummatien. Irgendwie herrlich.«
Die AfD ist für den Tagesschau-Chef vom Dienst a.D. »ein widerlicher Blut-und-Boden-Verein«. Auch sein ehemaliger Arbeitgeber ist Thema: »Muss man sich also ernsthaft Gedanken darüber machen, ob die Tagesschau-Macher an diesem Ruhetag noch alle Tassen im Schrank hatten? Wer will gerade Mord an der Tagesschau begehen?«
Nicht ins Weltbild passend
Nachrichten, die nicht in ihr Weltbild passen, werden von den Chefs vom Dienst klein geredet und schaffen es nicht in die Sendung. Zum Beispiel der Anstieg der Kindergeldzahlungen aus Deutschland an im Ausland lebende Kinder – um 300 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Uninteressant sind für die Tagesschau auch die neuen offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, nach denen mittlerweile fast elf Millionen Menschen in Deutschland ohne deutschen Pass leben. Zudem hat jeder Vierte Deutsche einen Migrationshintergrund.
Kommen dagegen Zahlen, die in ihr Weltbild passen, werden sie gern bis in die Hauptausgabe gesendet. So werden am 22. April 2018 die Zahlen der Kriminalitätsstatistik vorab bekannt. Außer der Welt am Sonntag hat keiner die Zahlen, sie werden offiziell nicht bestätigt und es will sich auch keiner im Ministerium dazu äußern. Eigentlich Ausschlusskriterien für die Tagesschau, zu berichten. Doch der Chef vom Dienst setzt ein Stück durch. Denn die Zahlen informieren über einen starken Rückgang der Kriminalität. Das soll uns sagen: alles sicher.
Ende April 2024 veröffentlicht das Magazin Cicero eine Recherche. Demnach sollen »Strippenzieher« im Wirtschafts- und Umweltministerium mit nicht objektiven Fakten die Entscheidung zum Atomausstieg Deutschlands maßgeblich »manipuliert« und die Öffentlichkeit »getäuscht« haben. Auf die Herausgabe der entsprechenden Akten musste Cicero 18 Monate vor Gericht klagen. Praktisch alle wichtigen deutschen Medien berichten über den »Skandal«. Nur die Tagesschau um 20 Uhr hat an diesem Tag keine Sekunde Zeit dafür.
Anschließend gibt es eine wochenlange politische Diskussion: Hat die Regierung tatsächlich »ergebnisoffen« eine Laufzeitverlängerung geprüft? Die Union hat derartige Zweifel daran, dass sie auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag dazu drängt. Es ist erst der zweite U-Ausschuss im Bundestag in der Legislaturperiode. Zwar berichtet tagesschau.de. Aber schon die Überschrift ist Programm: »Wirtschaftsministerium weist Vorwürfe zu Atom-Aus zurück«.
Ich erinnere mich an eine Konferenz bei der Tagesschau Ende März 2023. Gerade ist in der Ausgabe um 17 Uhr ein Beitrag zum Atomausstieg Deutschlands gelaufen. Es ist eine Kurzform einer längeren Dokumentation am Abend. Deren Tenor: Die halbe Welt setzt weiter auf Atomkraft, nur Deutschland steigt überhastet aus. Ein Chef vom Dienst kritisiert den Beitrag als zu atomlobbyfreundlich, das könne man so nicht noch einmal in der 20Uhr senden. Viele in der Redaktion nicken mit den Köpfen.
Wiederkehrendes Muster
Es ist ein wiederkehrendes Muster. Wenn den Chefs vom Dienst eine Meldung missfällt, wird sie nicht gesendet. Mitte Juni 2018 diskutiert Deutschland über Integration. Anlass sind Sympathiebekundungen der deutschen Fußball-Nationalspieler Özil und Gündoğan für den türkischen Präsidenten Erdoğan. Nur der Chef vom Dienst der 20 Uhr möchte das Thema nicht in seiner Sendung haben.
Nachdem in der 17 Uhr ein Bericht über die Nationalmannschaft mit Tönen des Teammanagers Oliver Bierhoff zu Özil und Gündoğan lief, kommt der Chef vom Dienst zum Sportplaner und blafft ihn an: »Wenn der Bierhoff wieder drin ist, fliegt der Beitrag raus!« Also wird der Beitrag umgeschnitten. Der Zuschauer der 20 Uhr wird nicht über die gesellschaftlich brisante Debatte informiert. Stattdessen handelt der Beitrag vom Trainingslager und den Vorbereitungen auf das unbedeutende Testspiel gegen Saudi-Arabien.
Manchmal ist dagegen spürbar, dass die Chefs vom Dienst eine Meldung unbedingt machen wollen. Es gibt Mitte Juni 2018 einen Skandal um die Chefin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bremen. Tausende Asylanträge sollen unberechtigt genehmigt worden sein. Die Chefin wurde suspendiert, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Es entsteht ein Beitrag, der allein auf die Anwälte der Hauptbeschuldigten zurückgeht. Das Stück schafft es bis in die 20 Uhr. Die Rechercheredaktion legt nach. Angekündigt wird die Geschichte mit »Die Vorwürfe gegen die Bremer-BAMF-Chefin fallen in sich zusammen und sind wahrscheinlich nicht haltbar.« Der Planungschef meint in der Sitzung: Man sollte vorsichtig sein und sich nicht instrumentalisieren lassen, die Ermittlungen liefen ja noch. Der Artikel mit der tendenziösen Botschaft erscheint dennoch am selben Tag auf tagesschau.de.
Ganz lange Zähne
Wie wird man eigentlich Chef vom Dienst bei der Tagesschau?Das weiß niemand so genau, es ist ein undurchsichtiges Verfahren, da die Posten nicht öffentlich ausgeschrieben werden. Zwar trifft die endgültige Entscheidung die Chefredaktion. Doch da sie mit dem Redaktionsalltag wenig zu tun hat, kennt sie die Vorzüge und Nachteile Einzelner nur in Ausschnitten. Kein Wunder bei über 300 Mitarbeitenden.3 Deswegen erfolgen die Vorschläge für neue Chefs vom Dienst aus dem Kreis der aktiven Chefs vom Dienst selbst. Das sorgt für Kontinuität.
Wie schlagen sich die vermuteten Einstellungen im Programm nieder? 2021, Bundestagswahlkampf. Bündnis 90/Die Grünen liegen in den Umfragen hinter der Union auf Platz 2 und stellen eine eigene Kanzlerkandidatin auf. Doch Annalena Baerbock fällt immer weiter zurück. Auch durch eigene Patzer. Diese werden in der Tagesschau gar nicht oder nur knapp vermeldet. So wird am 19. Mai bekannt, dass Baerbock dem Bundestag Nebeneinkünfte in Höhe von 25 000 Euro verspätet nachgemeldet hat. Spiegel, Zeit, FAZ, WirtschaftsWoche und Stern melden es. Die Tagesschau nicht.
Zwei Tage später gibt Baerbock den Fehler öffentlich zu. Ich schlage das Thema morgens als Planer vor. Erfolglos. »Ich habe da ganz lange Zähne«, sagt der Chef vom Dienst. In der 12.30 Uhr-Konferenz werbe ich erneut dafür. Ein Redakteur meint: »Das wird ihr Armin Laschet ohnehin bei jeder Wahlkampfveranstaltung unter die Nase halten.« Nicken in der Runde. Die Tagesschau meldet Baerbock in keiner ihrer Ausgaben am Tag. Bis kurz vor der 20 Uhr ein weiterer Redakteur interveniert: »Wollt ihr das nicht melden?« Inzwischen haben ZDF, Welt, ntv und Deutschlandfunk berichtet. Jetzt erst kommt es doch zu einer 20 Sekunden langen Nachricht.
Interessant, wie tagesschau.de damit umgeht. Am 19. Mai werden die User über den eigentlichen Vorfall nicht informiert. Einen Tag später gibt es einen »Hintergrund« zu »Nebeneinkünften von Abgeordneten«, Überschrift »Wann muss was offengelegt werden?«. Am 21. Mai erscheint schließlich ein Artikel mit der kleinen Dachzeile »Baerbock zu Nebeneinkünften«. Die große Schlagzeile lautet dann: »Das war ein blödes Versäumnis«.
Zum Vergleich andere Schlagzeilen: »Zehntausende Euro: Grünen-Chefin meldet Nebeneinkünfte nach« (Focus), »Baerbocks umstrittener Corona-Bonus« (taz) oder »Baerbock muss Einkünfte nachmelden« (SüddeutscheZeitung).
Drei Wochen später muss Baerbock mehrmals ihren offiziell veröffentlichten Lebenslauf korrigieren. Ungenauigkeiten zu Mitgliedschaften in Organisationen, ihrem Studium und ihren Tätigkeiten werden präzisiert. Wieder berichten praktisch sämtliche deutsche Medien darüber. Nur die Tagesschau nicht. Lediglich auf tagesschau.de erscheint zwei Tage nach einem Bericht des Spiegel ein Artikel in der Rubrik Faktenfinder. Unter der kleinen Dachzeile »Baerbocks Lebenslauf« heißt es in kryptisch: »Das Netz vergisst nicht«. Andere Medien werden da deutlicher: »Lebenslauf von Annalena Baerbock – hochgradig unprofessionell« (taz).
Man muss Prioritäten setzen!
Schauen wir noch kurz auf das dritte Kapitel im Drama um den Absturz der grünen Kanzlerkandidatin. Am 29. Juni 2021 erhebt ein Plagiatsjäger aus Österreich in der Zeit und im Spiegel den Vorwurf, Baerbock habe Passagen ihres neuen Buches »Jetzt« abgeschrieben, ohne die Quellen zu kennzeichnen. Hierzu erscheint wieder eine kurze Wortmeldung in der Hauptausgabe der Tagesschau, die sich sehr ausführlich der Zurückweisung der Anschuldigung widmet.
Für ein einordnendes Stück mit Pro- und Contra-Stimmen oder einem Experten-OT fehlt der Tagesschau der Platz. Denn sie muss in der Sendung bereits zwei ausführliche Beiträge zur Fußball-EM und eines zum Unwetter in Süddeutschland senden. Dass in den Folgetagen neue Plagiatsvorwürfe auftauchen, sich Baerbock dazu äußert und der Verlag schließlich das Buch nicht mehr druckt, erfährt der Tagesschau-Rezipient nicht.
Dieser Linie bleibt die Tagesschau auch treu, als Baerbock Außenministerin wird. Am 13. Mai 2022 erscheint auf tagesschau.de eine Lobeshymne: »Annalena Baerbock hat sich national und international Respekt verschafft. In diesen Kriegszeiten trifft sie den richtigen Ton.« Am 11. Dezember 2022 legt tagesschau.de in einer »Analyse« nach: Darin wird seziert »wie Baerbock einen neuen Ton setzt«. Weiter heißt es: »Sie hat das erste Jahr genutzt, …« und sie »versteckt sich nicht hinter diplomatischen Floskeln.«
Wie das konkret aussieht, kann man am 26. Januar 2023 im Europarat hören. Die Aufregung nach ihrer Antwort auf eine Nachfrage eines britischen Abgeordneten ist enorm: »Außenministerin Annalena Baerbock: Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland«, schreibt die BerlinerZeitung. Die taz stellt fest: »Annalena Baerbock und der Ukrainekrieg: Ein Satz schlägt Wellen.« Und das ZDF fragt: »Verrutschtes Statement: Hat Baerbock Russland den Krieg erklärt?« Auch an den folgenden beiden Tagen ist die politische Aufregung groß. Stellvertretend sei hier ntv zitiert: »Russland fordert Erklärung: Baerbock fliegt Kriegs-Aussage um die Ohren.«
Alle Medien berichten an prominenter Stelle. Alle? Na ja, fast. Die führende deutsche Nachrichtenmarke schweigt. Sie hat wichtigere Themen an diesen Tagen zu senden: Regenfälle in Neuseeland zum Beispiel. Und, zwei Tage in Folge, die Rodel-WM. Herren-Einer und Herren-Doppel rauschen im Schlitten die Bahn herab, danach die Damen im Einer und Doppel mit jeweils eigenen Beiträgen. Man muss Prioritäten setzen!
Größere Vielfalt?
Wer also an den bestehenden Verhältnissen etwas ändern möchte, müsste die aktuelle Praxis abschaffen. Chef vom Dienst-Stellen bei ARD-aktuell in Hamburg müssten in einem transparenten Auswahlverfahren vergeben werden. Es müsste sichergestellt werden, dass Interessenten sich bundesweit und mit genügend Zeit bewerben könnten. Die Entscheidung über Neueinstellungen müsste von einer breit aufgestellten Jury gleichberechtigter Mitglieder getroffen werden.
Alternativ ist denkbar, dass jede ARD-Anstalt im Wechsel einen Chef vom Dienst nach Hamburg entsenden darf. Dies würde für eine größere regionale Vielfalt der Tagesschau sorgen, die den Anspruch hat, für das gesamte Bundesgebiet zu sprechen.
Würde man die Amtszeit eines Chefs vom Dienst zusätzlich begrenzen, würde man für eine höhere Fluktuation sorgen. Dies würde die Machtfülle begrenzen und der Überalterung vorbeugen. Eine Begrenzung auf fünf Jahre ist zum Beispiel bei den Korrespondenten im Auslandsstudio oder dem Hauptstadtstudio gängige Praxis.
Zudem müssten die Chefs vom Dienst auf der Website der Tagesschau vorgestellt werden und ein Chef vom Dienst sollte einmal im Monat mit den Zuschauern in den Dialog treten, zum Beispiel mit einem einstündigen Social live, einem Online-Format, in dem man Fragen der Nutzer live beantwortet. Die Chefs vom Dienst müssten mit den anderen Gewerken wie Tagesthemen, Planung, Social Media und tagesschau.de rotieren, um eine bessere Verzahnung der Gewerke zu erreichen.
Schon 2018 formulierte der Chefredakteur Gniffke das Ziel: In acht Jahren sollten 80 Prozent der Belegschaft 80 Prozent der Jobs erledigen können. Davon ist man 2024 meilenweit entfernt.
Chefredakteurskonferenz in der »Anstalt«
Neues aus der Anstalt heißt eine Satiresendung im ZDF. Der Titel spielt auf die öffentlich-rechtliche »Anstalt« an. Und darauf, dass »Anstalt« umgangssprachlich auch für eine geschlossene psychiatrische Klinik benutzt wird. In Gesprächen zwischen Redakteuren ist diese Doppeldeutigkeit schon lange präsent. Denn häufig fühlen sie sich in ihren Sendern an eine Anstalt erinnert. Natürlich im Scherz. Aber in jedem Scherz steckt ein wahrer Kern.
König ohne Königreich
»Einen wunderschönen guten Tag in die Runde, es ist 14 Uhr«, begrüßt Oliver Köhr zur Chefredakteurskonferenz. So beginnt jeden Werktag ein angestaubtes Ritual der ARD. Hier werden die Themen der Informationssendungen vorgestellt und kritisiert – vom Morgenmagazin über die Tagesschau bis zu Hart, aber fair. Der Chefredakteur leitet die Konferenz höchstpersönlich.
»Ich beginne mit der Abfrage: Ist der BayerischeRundfunk bei uns?«
Der bayerische Vertreter antwortet stets mit einem »Grüß Gott!«
Nun geht es alphabetisch über den HessischenRundfunk bis zum WestdeutschenRundfunk. Auch ARD-aktuell und das Hauptstadtbüro sind dabei.
»Bevor wir zum Programm kommen, noch kurz zum Angebot des HR, ein Corona-extra zu produzieren, vielen Dank dafür. Das Angebot ist an alle vorab gesendet worden und es ist auf große Zustimmung gestoßen. Ich habe mit der Programmdirektorin gesprochen und sie schätzt die Lage derzeit als nicht so dramatisch ein, weswegen sie sich heute gegen ein extra ausgesprochen hat. Gibt es dazu noch Diskussionsbedarf? Ah, der WDR, bitte, Rita.«
Der Chefredakteur der ARD ist ein König ohne Königreich. Denn die ARD existiert nur auf dem Papier. Jede ihre Sendungen wird von einer der neun selbstständigen Sendeanstalten zugeliefert. So verantwortet der WDR beispielsweise das Morgenmagazin oder der MDRBrisant. Auch die Gemeinschaftseinrichtungen sind verteilt: Der RBB kümmert sich um das Hauptstadtstudio und der NDR um ARD-aktuell. Und die Chefredaktion der ARD ist im Haus des BR angesiedelt und beschäftigt nur eine Handvoll Mitarbeiter.
»Also, die Lage scheint ja wirklich immer noch dramatisch und ich finde das Angebot der geschätzten Kolleginnen und Kollegen vom HR hervorragend, wie offenbar auch alle anderen hier in der Runde, und ich plädiere deswegen dafür, einen Beschluss zu fassen und dann noch einmal bei der Programmdirektorin nachzuhaken.«
»Ja, danke, Rita, gibt es weitere Stimmen? Steffi!«
Das Sagen hat nicht der fähige Köhr, sondern seine Chefin, die Programmdirektorin der ARD. Wenn Christine Strobl ein extra oder einen Brennpunkt ablehnt, können sich die Chefredakteure auf den Kopf stellen und mit den Beinen wackeln – dann wird es kein extra und keinen Brennpunkt geben. Es könnte der »Audience Flow« und damit die heilige Quote gefährdet werden.
»Ich kann das nur unterstützen und sehe das für den MDR ganz genauso.«
»Vielen Dank, Steffi, ich nehme an, das sehen alle hier in der Runde so?«
Allgemeines Nicken in den Microsoft-Teams-Kacheln.
»Wir Ihr wisst, ändert das aber nichts an dem zuvor schon erläuterten Beschluss. Aber ich nehme das gern mit und fasse dann noch einmal bei Christine Strobl nach. So, jetzt das Programm der Tagesschau bitte für heute in den Ausgaben um drei, vier, fünf und acht.«
Ein Ritual
Nun ist der frühe Inlandsplaner der Tagesschau am Zug. Heute bin ich das. Unsere Themen sind bereits um 9.30 Uhr mit den Chefs vom Dienst besprochen worden und um 10.30 Uhr noch einmal in der ARD-aktuell-Runde mit dem Chefredakteur, sie wurden um 12.30 Uhr an das Sendeteam übergeben und um 13.40 Uhr den Leitern der Zulieferredaktionen vorgestellt. Sie sind also schon seit Stunden in den jeweiligen Studios in Auftrag gegeben worden und allen bekannt. Aber ich lese sie gern noch einmal vor:
»Wir bekommen die Corona-Lage allgemein für alle Ausgaben vom RBB, die Corona-Lage in Bayern macht uns der BR, der Bundesrat billigt das Infektionsschutzgesetz – Stück kommt aus dem Hauptstadtstudio, das Studio Wien zeigt uns die Corona-Lage in Österreich und wir beleuchten die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze.«
»Danke schön. Gibt es dazu Anmerkungen? Dann die Tagesthemen bitte!«
Die Kollegin liest ihre Themen vor. Es sind fast die gleichen, nur anders verpackt. Plus ein langes Interview mit Markus Söder und eine Mittendrin-Reportage über den Corona-Alltag in einer psychiatrischen Klinik in Rheinland-Pfalz.
Die TT-Kollegin sehe ich heute zum ersten Mal. Vor kurzem sind wir alle in einen mehrere Millionen teuren Neubau gezogen. Damit wir enger zusammensitzen und besser zusammenarbeiten können. Aber die Planungen von Tagesschau und Tagesthemen sitzen maximal weit voneinander entfernt in getrennten Räumen. Und so plant jeder allein vor sich hin. Oft dieselben Themen. Die Korrespondenten beschweren sich manchmal bei mir: »Das habe ich doch gerade deiner Kollegin erzählt. Redet ihr nicht miteinander?« Sie sitzen Tausende Kilometer entfernt und ahnen nicht, dass sich zwanzig Meter für uns genauso weit anfühlen.
»Gibt es Anmerkungen zu den Tagesthemen? Ja, Hannah.«