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Welche Wirkung hat die Nutzung von Sport und Fitnessinhalten auf Instagram auf das Körperbild der NutzerInnen? Diese Forschungsfrage im Kontext des gesellschaftlichen Sport- und Fitnesstrends wurde mithilfe einer Onlinebefragung (n=901) untersucht und statistisch ausgewertet. Denn trotz der steigenden Beliebtheit von Instagram mangelt es derzeit noch an wissenschaftlichen Forschungsergebnissen zur Nutzung und Wirkung des sozialen Netzwerks Instagram. Die Studie liefert Ergebnisse auf die Fragen, welche Rolle spielt der wahrgenommene Druck von Instagram? Welchen Einfluss hat es, wenn User bereits Diäten halten bzw. bereits sportlich aktiv sind? Wie relevant ist das Ausmaß bzw. die Nutzungsintensität von Instagram? Welchen Stellenwert hat das Selbstwertgefühl der User?
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Seitenzahl: 189
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Carolin Krämer
Instagram und Körperbild
Eine quantitative Onlinebefragung zur Nutzung und Wirkung von Sport- und Fitnessinhalten auf Instagram
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Inhaltsverzeichnis (detailliert)
Danke
Abstract
1. Relevanz der Arbeit
2. Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
3. Forschungsmodell
4. Methode
5. Auswertung
6. Diskussion und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anhang
Impressum neobooks
Inhaltsverzeichnis
Danke
Abstract
1.Relevanz der Arbeit
2.Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
2.1.Identität und Mediensozialisation
2.1.1.Identität
2.1.2.Mediensozialisation
2.1.3.Sozialisation im Internet
2.2.Soziale Netzwerke
2.3.Instagram
2.4.Der gesellschaftliche Fitnesstrend
2.5.Körperbild
2.5.1.Das gesellschaftliche Körperbild und seine Entstehung
2.5.2.Definition
2.5.3.Das Körperbild und seine Forschungstradition
2.6.Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse
2.7.Die Bedeutung des medialen Drucks
2.8.Der Bereich Sport- und Fitnessmedien
2.9.Diäthalten im Kontext des elastischen Körperbildes
2.10.Die Bedeutung des Selbstwertgefühls
2.11.Theoretischer Zugang zum Thema
3.Forschungsmodell
4.Methode
4.1.Forschungsdesign
4.2.Operationalisierung
4.2.1.Instagram-Nutzung
4.2.2.Körperbild
4.2.3.Soziale Vergleichsprozesse
4.2.4.Wahrgenommener Druck durch Instagram
4.2.5.Fitnessinhalte
4.2.6.Diäthalten
4.2.7.Selbstwertgefühl
4.2.8.Kontrollvariablen
4.2.9.Soziodemografische Merkmale
4.3.Stichprobenkonstruktion
4.4.Pretest
4.5.Untersuchungsdurchführung
4.6.Datenanalyse
5.Auswertung
5.1.Stichprobenbeschreibung
5.2.Statistische Prüfung der Forschungshypothesen
5.2.1.H1 (Instagram-Nutzungsintensität)
5.2.2.H2 (Soziale Vergleichsprozesse)
5.2.3.H3 (Wahrgenommener Druck durch Instagram)
5.2.4.H4 (Fitnessinhalte)
5.2.5.H5 (Diäthalten)
5.2.6.H6 (Selbstwertgefühl)
5.3.Weiterführende Analyse
6.Diskussion und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anhang
A Fragebogen
Mediennutzung
Instagram-Nutzung
Wahrgenommener Druck durch Instagram
Sozialer Vergleich
Selbstwertgefühl
Körperliches Selbstwertgefühl
Körperbild
Soziale Erwünschtheit
BMI
Diagnose Essstörung
Demografische Angaben
B E-Mail-Anschreiben Fitnessaccounts
C Informations-E-Mail zur Rekrutierung
Mein Dank gilt der Abteilung Empirische Kommunikations- und Medienforschung, dem Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft und den zugehörigen Personen der Universität Leipzig.
Ich danke meinen Eltern für ihre unermessliche Unterstützung. Meiner Familie und meinen Freunden danke ich für stete und unnachgiebige Motivation.
Ganz besonderer Dank für ihre Sorgfalt und wertvollen Tipps im Rahmen des Pretests und Korrekturlesens geht an Francesca Di Gregorio, Stefanie Groll, Julia Felschen, Anne-Sophie Herzet, Nele Käckenmeister, Martina Krämer, Tanja Mantel und Alina Reimer.
Martin Waschipky danke ich darüber hinaus für unsere kreativen Diskussionen.
Für ihre Inspiration und optische Bereicherung der Arbeit danke ich Stefanie Sackmann.
Herzlicher Dank für ihre Hilfsbereitschaft gilt den Instagram-Accounts mir_lar, dinkelflocke, keanaflower, _marielina und christingarcia, ohne die die Befragung keine TeilnehmerInnen gehabt hätte.
Allen Befragten gilt mein uneingeschränkter Dank für ihre Offenheit und ihr Vertrauen.
Ein herzliches Dankeschön gilt allen Lesern.
Despite its increasing popularity, studies regarding the usage and effects of the social network Instagram are rare. In the light of media socialization and adolescent identity building, the following research question with regard to the current societal fitness trend was proposed: What effect does the usage of fitness content on Instagram have on the user’s body image? Based on social comparison theory (Festinger 1954), a research model was developed and tested employing an online survey (nr = ‑.12). In this context, social comparison and perceived Instagram pressure proved as mediating processes. A multiple regression analysis revealed self-esteem (.38), dieting (‑.31), perceived Instagram pressure (-.19), social comparison (-.13) and frequency of use of fitness contents (-.07) predicting body image (R2 = .49). Recommendations on future studies such as content analytic designs or explorations of the motives of social comparison on Instagram are made.
Trotz zunehmender Beliebtheit mangelt es vor dem Hintergrund jugendlicher Identitätsbildung und Mediensozialisation an Forschungsergebnissen zur Nutzung und Wirkung des sozialen Netzwerks Instagram. Im Kontext des Sport- und Fitnesstrends wurde folgende Forschungsfrage gestellt: Welche Wirkung hat die Nutzung von Fitnessinhalten auf Instagram auf das Körperbild der NutzerInnen? Aufbauend auf der Theorie sozialer Vergleiche (Festinger 1954) wurde ein Forschungsmodell entwickelt und mittels quantitativer Onlinebefragung geprüft (nrR2 = .49). Empfehlungen für künftige Studien liegen u. a. in der Umsetzung inhaltsanalytischer Designs oder der Erforschung sozialer Vergleichsmotive auf Instagram.
Das Internet hat im Lebensalltag der Deutschen inzwischen einen festen Platz eingenommen. Knapp 80 Prozent geben laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 an, zumindest gelegentlich online zu sein, bei den 14- bis 29-Jährigen sind es sogar 99 Prozent1 (vgl. van Eimeren & Frees 2014: 378). Diese bilden die nutzungsintensivste Gruppe unter den Onlinern: Bezogen auf die gestrige Nutzung (93 Prozent2), die Verweildauer (248 Min/Tag3) sowie die Unterwegsnutzung (75 Prozent4) führen sie unverändert die ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 an (vgl. van Eimeren & Frees 2014: 380-385).
Den Medien kommt im Zeitalter einer massenmedialen Kultur ein hoher Stellenwert bei der Ausformulierung und Präsentation von Identität zu (vgl. Wegener 2010: 55). Die in der sozialen Realität und mit den Medien gemachten Erfahrungen der Jugendlichen werden immer wieder durch neue Erfahrungen mit Medien und Freunden revidiert und erweitert, sodass sich die Identitätsbildung im Sozialisationsprozess als dynamischer Prozess vollzieht (vgl. Mikos et al. 2007: 14).
Die besondere Relevanz des Internets in Bezug auf die Identitätsbildung liegt darin, dass es „neben den rezeptiven Funktionen ‚traditioneller’ Medien wie Unterhaltung, Information und Identifikation (inter)aktive Nutzungsweisen zulässt: hier können reale Interaktionen und Kommunikationen stattfinden [...] und man kann sich selbst mittels eigener Medienerzeugnisse“ öffentlich präsentieren (Misoch 2007: 165).
Zu den meistgenutzten Funktionen bzw. Anwendungen im Internet gehören seit Jahren die Suche nach Information, das Nutzen von Suchmaschinen sowie das Senden und Empfangen von E-Mails (vgl. van Eimeren & Frees 2014: 386). Die höchsten Zuwachsraten genutzter Anwendungen zeigten sich in den letzten Jahren u. a. bei Onlinecommunities, wobei deren Nutzung 2014 erstmals leicht rückläufig war (vgl. ebd.). Andere Kommunikationsdienste, bspw. Fotocommunities wie Instagram, scheinen gleichzeitig an Attraktivität zu gewinnen (vgl. ebd.). Diese konnten laut ARD/ZDF-Onlinestudie eine wöchentliche Nutzung von 19 Prozent5 der 14- bis 29-Jährigen verzeichnen (vgl. ebd.). Insgesamt stellen 85 Prozent der SmartphonenutzerInnen dieser Altersgruppe ihre Bilder in soziale Netzwerke (vgl. bitkom.org 2015: o. S.).
Laut GlobalWebIndex Social, einer vierteljährlich durchgeführten internationalen Studie zur Nutzung sozialer Netzwerke, hat Facebook zwar noch immer die meisten Mitglieder und aktiven NutzerInnen, ist zugleich aber das einzige große Netzwerk, welches im letzten Jahr Verluste in der aktiven Nutzung (minus 9 Prozent) erfahren musste (vgl. 2015: 4). Instagram zeigte diesbezüglich hingegen einen Anstieg von 46 Prozent und zählt damit neben Pinterest und Tumblr zu den drei am stärksten wachsenden sozialen Netzwerken (vgl. ebd.). Gemäß Social Media-Analytics-Anbieter quintly ist die Interaktionsrate auf Instagram bis zu zehnmal höher als auf Facebook (vgl. quintly.com 2015: o. S.). Unter Jugendlichen gilt Instagram nach YouTube als die „coolste“ Anwendung (GlobalWebIndex Social 2015: 5). Im Oktober 2015 wurde Instagram fünf Jahre alt und hat nach eigenen Angaben weltweit über 400 Mio. NutzerInnen, die pro Tag durchschnittlich 80 Mio. Bilder hochladen (vgl. blog.instagram.com 2015: o. S.).
Wenn man betrachtet, welche Bilder dabei besonders beliebt sind, stößt man schnell auf Fitness- und Sportinhalte. In den sozialen Medien ist eine Fülle von gesundheits- und fitnessbezogenen Inhalten für Jugendliche verfügbar, die sich großer Beliebtheit erfreuen und vielfältig und interaktiv genutzt werden (vgl. Carrotte et al. 2015: o. S.). Die Ergebnisse von Carrotte et al. (vgl. 2015: o. S.) belegen, dass die Nutzung dieser Inhalte in den sozialen Medien unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ganz alltäglich ist: 38 Prozent der 15- bis 29-Jährigen folgen bzw. liken gesundheits- und fitnessbezogene Inhalte auf Facebook, Instagram oder Twitter, wobei „Fitspiration“, Diät- und Fitnesspläne sowie „Detox“- bzw. Entgiftungskuren zu den beliebtesten Inhaltstypen zählen (vgl. ebd.). Welche Wirkung die Nutzung dieser Inhalte auf die Rezipienten und besonders auf deren Körperzufriedenheit und Ernährungsweisen hat, muss hingegen erst noch erforscht werden (vgl. Boepple & Thompson 2016: 100).
An dieser Stelle knüpft die vorliegende Untersuchung an. Sie wirft eine Frage auf, die bis dato mehr als einhundert Studien hervorbrachte (vgl. Grabe et al. 2008: 460), nämlich die nach der Wirkung der Medien auf das Körperbild ihrer Rezipienten. Der Forschungsfokus lag dabei bislang hauptsächlich auf Fernsehen und Zeitschriften (vgl. Bair et al. 2012: 398). Die Wirkung Neuer Medien6 auf das Körperbild bedarf hingegen noch grundlegender Klärung (vgl. López-Guimerà 2010: 409). Vor allem auf stark frequentierten Internetseiten müssen Angebote, Rezeption und Aneignung von Körperbildern laut Hoffmann (vgl. 2010: 352-355) empirisch untersucht werden. Vor dem Hintergrund der Ubiquität der Onlinemedien, besonders in der jungen Zielgruppe, erscheint es dabei umso relevanter, deren Wirkung auf das Körperbild am Beispiel des beliebten sozialen Netzwerks Instagram zu untersuchen. Denn trotz der Tatsache, dass Instagram die populärste Foto-App ist, hat sie von der Forschungsgemeinschaft bislang relativ wenig Aufmerksamkeit erhalten (vgl. Hu et al. 2014: 1). Ziel vorliegender Arbeit ist es deshalb, herauszufinden, welche Wirkung die Nutzung von Fitnessinhalten auf das Körperbild der NutzerInnen von Instagram hat. Deshalb lautet die der vorliegenden Arbeit zugrundeliegende Forschungsfrage,
Welche Wirkung hat die Nutzung von Fitnessinhalten auf Instagram auf das Körperbild der NutzerInnen?
Um zu verstehen, welche Bedeutung Anwendungen wie Instagram für junge Menschen haben und warum Medien besonders im Jugendalter eine wichtige Rolle spielen, wird im folgenden Abschnitt ein Fokus auf den Bereich Mediensozialisation und Identität gelegt (s. Abschnitt 2.1). Darauf folgen eine Charakterisierung sozialer Netzwerke (s. Abschnitt 2.2) und eine Darlegung der Funktionen, Besonderheiten und bisherigen wissenchaftlichen Befunde hinsichtlich Instagram (s. Abschnitt 2.3). Im nächsten Schritt wird der Begriff Fitness definiert (s. Abschnitt 2.4), bevor das Konstrukt Körperbild vor seinem theoretischen Hintergrund und Forschungsstand erläutert wird (s. Abschnitt 2.5). Dabei wird zunächst auf das gesellschaftliche Körperbild und eine Definition des Begriffs eingegangen. Im darauffolgenden Abschnitt wird die Theorie sozialer Vergleichsprozesse betrachtet (s. Abschnitt 2.6), bevor die Aspekte medialer Druck (s. Abschnitt 2.7), Sport- und Fitnessmedien (s. Abschnitt 2.8), Diäthalten (s. Abschnitt 2.9) und Selbstwertgefühl (s. Abschnitt 2.10) fokussiert werden. Zudem werden weitere theoretische Zugänge zum Thema erwähnt (s. Abschnitt 2.11). Auf den Kenntnissen aufbauend werden sodann die Unterforschungsfragen, Hypothesen und das Forschungsmodell erläutert (s. Abschnitt 3). Anschließend folgt die Beschreibung der angewandten Forschungsmethode (s. Abschnitt 4), bestehend aus den Abschnitten Forschungsdesign (s. Abschnitt 4.1), Operationalisierung (s. Abschnitt 4.2), Stichprobenkonstruktion (s. Abschnitt 4.3), Pretest (s. Abschnitt 4.4), Untersuchungsdurchführung (s. Abschnitt 4.5) sowie einem Abschnitt über die Datenanalyse (s. Abschnitt 4.6). Dann wird zu den statistischen Befunden (s. Abschnitt 5) übergegangen, zunächst im Rahmen einer Stichprobenbeschreibung (s. Abschnitt 5.1), dann im Zuge der Hypothesenprüfung (s. Abschnitt 5.2) und einer weiterführenden Analyse (s. Abschnitt 5.3). Abschließend werden die Ergebnisse diskutiert, Grenzen und Stärken der Studie erläutert sowie Ausblicke für die künftige Forschung gegeben (s. Abschnitt 6).
Damit die vorliegende Untersuchung auf einem soliden Fundament aufbauen kann, werden in diesem Abschnitt die wichtigsten theoretischen Überlegungen sowie die damit in Zusammenhang stehenden bisherigen empirischen Befunde dargelegt.
Grundsätzlich lässt sich diese Arbeit dem Bereich der Medienwirkungen zuordnen. Medienwirkungen auf Individuen, Gruppen, Organisationen und Gesellschaften sind laut Schweiger und Fahr (vgl. 2013: 9) die zentrale Relevanzbegründung jeglicher kommunikationswissenschaftlichen Forschung. Während in der öffentlichen Diskussion jedes neue Medium seit jeher auf seine möglichen Effekte „abgeklopft“ wird, zumeist ausgerichtet an negativ-dramatischen Einzelfällen, stehen negative Wirkungsannahmen in der Kommunikationswissenschaft seltener im Mittelpunkt, häufiger geht es um Medienfunktionen, „d. h. um intendierte, positive Medieneffekte wie beispielsweise um Informationsverbreitung, Lernen oder Identitätsbildung“ (Schweiger & Fahr 2013: 10).
Nach Mikos et al. (vgl. 2007: 14) leisten der Konsum und die Aneignung von Medien sowie die Anschlusskommunikation mit Familienmitgliedern und Freunden zusammen einen wesentlichen Beitrag zur Identität und zum Selbstverständnis von Jugendlichen. Dadurch spielen Medien neben anderen Sozialisationsinstanzen wie Familie, Schule und die Gruppe der Gleichaltrigen im Sozialisationsprozess eine besondere Rolle (vgl. ebd.).
Nach Misoch (vgl. 2007: 163) bezeichnet Identität die Übereinstimmung eines Subjekts mit sich selbst. Identität ist allerdings nicht stabil und unveränderlich (vgl. Mikos et al. 2007: 12), sondern muss vom Individuum erarbeitet und ggf. je nach Lebenskontext angepasst werden (vgl. Misoch 2007: 163). In der alltäglichen Identitätsarbeit wird versucht, „stimmige Passungen zwischen inneren und äußeren Erfahrungen zu schaffen und unterschiedliche Teilidentitäten zu verknüpfen“ (Keupp et al. 1999: 60). Es handelt sich dabei um einen selbstreflexiven Prozess, in welchem die verschiedenen Erfahrungsinhalte des Individuums von diesem synthetisiert werden (vgl. Misoch 2007: 163). Allerdings ist der Prozess nicht irgendwann abgeschlossen (vgl. Müller et al. 2007: 137), vielmehr ist es ein zirkulärer Aushandlungsprozess, bei dem das Subjekt „Selbstbilder und Selbstnarrationen produziert und Fremdbilder und Fremdzuschreibungen von anderen aneignet“ (Holzwarth 2010: 446). Eine vorläufige Identitätsbildung soll jedoch mit Abschluss der Adoleszenz stattgefunden haben (vgl. Misoch 2007: 163). Eine innere Identifizierung mit der in dieser Phase erarbeiteten Identität „kann und soll dann als Basisstruktur für den weiteren Lebenslauf und zukünftige Identitätsmodifikationen fungieren“ (ebd.).
Die Bedeutung, die der Körper in der Identität des Einzelnen trägt, hat sich im Laufe der Zeit verändert (vgl. Pöhlmann & Joraschky 2006: 192). Heute wird der Körper in seiner Bedeutung als Ausdrucksmittel für das Selbst einer Person als Element der Identität verstanden, welches gestaltet werden kann und muss (vgl. Pöhlmann & Joraschky 2006: 193). Er wird als individuelles Gestaltungsobjekt gesehen, welches ein Bedeutungsträger für die Persönlichkeit des Einzelnen ist (vgl. Pöhlmann & Joraschky 2006: 192). Insgesamt beruht Identität heute mehr als früher auf instabilen Merkmalen wie bspw. körperlichen Charakteristika oder auf selbstbezogenen Komponenten, die vom Einzelnen erarbeitet werden müssen (vgl. Pöhlmann & Joraschky 2006: 193).
Bei der Frage nach der menschlichen Identität und ihrer Ausbildung sind die Arbeiten von Mead (vgl. 1968) im wissenschaftlichen Diskurs grundlegend (vgl. Wegener 2010: 55). Basierend auf Mead (vgl. 1968) wird hervorgehoben, dass Identitäten sozial geformt werden (vgl. Mikos et al. 2007: 12). In der soziologischen Identitätsforschung lassen sich persönliche und soziale Identität unterscheiden (vgl. von Pape et al. 2007: 22). Die soziale Identität empfindet das Individuum in Abhängigkeit von den Mitmenschen als das Bild, das es für sie abzugeben meint (vgl. ebd.). Sie drückt die Zugehörigkeit zu einer Gruppe aus, konstituiert einen Raum des Gemeinsamen, dient gleichzeitig aber auch der sozialen Abgrenzung von anderen Identitäten (vgl. Mikos et al. 2007: 12-13). Da Identitätskonstruktion in sozialen Bezügen stattfindet, ist sie immer auch als soziales Handeln zu verstehen, „das ein menschliches Gegenüber und damit soziale Interaktion impliziert“ (Wegener 2010: 58). In Interaktionen muss die Identität ständig aufrechterhalten werden, damit das Individuum in „vielfältigen Interaktionskontexten und in der Auseinandersetzung mit inkongruenten, inkonsistenten, konfliktträchtigen oder undefinierten Interpretationen und Erwartungen der Interagierenden“ identisch bleibt (Müller et al. 2007: 137).
Als Ich-Identität werden nicht die unverwechselbaren und konstanten Züge eines Individuums bezeichnet, vielmehr wird Kontinuität erst dann erreicht, wenn das Individuum eine kohärente und plausible Geschichte über sich erzählen kann (vgl. Mikos et al. 2007: 13). Die Basis für das reflexive Projekt der Ich-Identität sind besonders die Medien, indem sie symbolische Ressourcen, Identifikationen und Geschichten liefern (vgl. ebd.). Aus diesem Grund entwickelt das Individuum eine Lust auf die für die Identitätsbildung essentiellen Medien (vgl. ebd.).
Gemäß Hoffmann (vgl. 2010: 349) wird Wissen über Schönheit, Körperlichkeit und Sexualität in der Gegenwartsgesellschaft u. a. über Medien transportiert, generiert und thematisch fokussiert. Hoffmann erklärt,
„mediale Darstellungen von Körpern und Sexualität verweisen in ihren Ästhetiken darauf, was zeitgemäß ist, was als schön oder hässlich, attraktiv und erotisch, üblich oder ungewöhnlich angesehen und bewertet wird. [...] Wie Menschen gehen, essen, sich bewegen und pflegen, wie sie miteinander umgehen, sich zuwenden und begehren kovariiert immer mit den gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen. Menschen beobachten sich und andere, die sie von ihrer Physis und ihrer Ausstrahlung wahrnehmen und an denen sie sich mitunter im Hinblick auf ihre eigene körperliche Präsenz [...] orientieren“ (Hoffmann 2010: 349).
Durch die Medien werden „Handlungs- und Deutungsmuster, Darstellungs- und Inszenierungsformen, Rollenvorlagen und Erscheinungsbilder“ transportiert (Wegener 2010: 58). Medien geben Identitätskonzepte vor, da u. a. den Medien eine gewisse Verantwortung bei der Frage zukommt, welche Bilder Individuen von sich selbst entwerfen, welche Identitätsprojekte sie verhandeln und welche Wünsche und Vorstellungen von Sein sie konzeptualisieren (vgl. Wegener 2010: 61). In Bezug auf die junge Altersgruppe haben Medien eine besonders hohe Bedeutung und erweisen sich neben den Peers als wichtige Elemente im Kontext adoleszenter Identitätsarbeit (vgl. Misoch 2007: 164). In Peer Groups erfolgt die Aushandlung von Normen, Werten, Einstellungen und Rollenbildern (vgl. Mikos et al. 2007: 9). Dabei geben die Medien Anregungen, deren spezifische Bedeutung erst in der Kommunikation mit anderen entsteht (vgl. ebd.). Gemäß Süss und Hipeli (vgl. 2010: 146) verwenden Jugendliche Medien, um die für die Erarbeitung der Identität zentrale Frage „Wer bin ich?“ zu klären. Mit Hilfe des symbolischen, erzählerischen Materials der Medien werden das eigene Selbstbild und ‑verständnis sowie Lebensperspektiven gebildet (vgl. Mikos et al. 2007: 12). Positionierung, Abgrenzung und Selbstfindung geschehen u. a. auf Basis der Rezeption ausgewählter Medieninhalte (vgl. Mikos et al. 2007: 14). Über die informative oder unterhaltende Funktion hinaus bieten Medien „Orientierungsbilder für die adoleszente Entwicklung und sind damit identitätsprägend bzw. identitätsorientierend“ (Misoch 2007: 164).
Die Bedeutung der Medien für die Identitätsbildung wächst besonders durch die für (post-)moderne Lebenswelten typische Vermischung medialer und sozialer Kommunikation (vgl. Mikos et al. 2007: 10). Häufig tritt das individuelle Miteinander in den Hintergrund, wodurch die Medien für die Bildung einer individuellen Vorstellung von Sein an Relevanz gewinnen (vgl. Wegener 2010: 58). Laut von Pape et al. (vgl. 2007: 34) sind vorgefertigte Rollenmuster für Heranwachsende heute rar und klassische Sozialisationsinstanzen wie die Familie geschwächt. Jugendliche müssen deshalb den gemeinsamen Sinnbezug selbst herstellen, was im Kern das Aushandeln von Normen und Regeln beinhaltet (vgl. ebd.). Von Pape et al. (vgl. ebd.) erklären, dass Jugendliche mit diesem Aushandeln gleichzeitig ihre Identität gestalten. Die Selbstsozialisation, bzw. die „Sozialisierung in eigener Regie“ führt zu einer „Zerfaserung des Selbst angesichts konturloser Rollen und unübersehbarer Alternativen“ (Tenbruck 1962: 98). Basierend auf Gergen (vgl. 1991) ist es dem Einzelnen als Folge neuer Technologien möglich, Beziehungen mit einer immer größeren Anzahl von Personen einzugehen und aufrecht zu erhalten, v. a. über die neuen Kommunikationsmedien (vgl. Wegener 2010: 57). Laut Keupp et al. (1999: 87) haben selbst die „Kernbestände unserer Identitätskonstruktionen – nationale und ethnische Identität, Geschlechts- und Körperidentität – quasi ihre natürliche Quelle als Identitätsgaranten verloren“.
Aufgrund der allgemeinen Relevanz von Medien für die jugendliche Identitätsbildung kann davon ausgegangen werden, dass sich adoleszente Identitätsarbeit nicht nur mittels traditioneller, sondern auch mittels aktiver Medienaneignung und -nutzung der Neuen Medien vollzieht (vgl. Misoch 2007: 165). Jugendliche finden im Internet zahlreiche Möglichkeiten zur Orientierung, Inszenierung und Positionierung, auch über ihren Körper, welcher der zentrale Austragungsort bei der Suche nach Identität ist (vgl. Tillmann 2010: 263). Im virtuellen Raum haben Jugendliche die Möglichkeit „verschiedene Rollen und Identitäten anzunehmen und auszuprobieren. Sie können online einen gewissen Lifestyle leben“ und sich zugehörig fühlen (Süss & Hipeli 2010: 148). Das Social Web7 bietet zahlreiche Möglichkeiten der Präsentation, „in denen neue Formen des Selbstausdrucks formiert und verhandelt werden“ (Wegener 2010: 60). Im realen Leben sind diese Möglichkeiten nur bedingt gegeben, weshalb der Cyberspace die Neugier der Heranwachsenden stillt und ihnen Selbstsicherheit gibt (vgl. Süss & Hipeli 2010: 148).
Laut Holzwarth (vgl. 2010: 447) ist es durch das Web 2.08 möglich, Anerkennung und Kritik auch von fremden oder räumlich entfernten Menschen zu erhalten. Es generieren sich völlig neue Formen der Anerkennung, die nicht zwangsläufig sozialer Interaktion bedürfen, sondern allein der Dokumentation des Interaktionspotenzials (bspw. das Bestreben nach wachsender Anzahl der Kontakte in Onlinecommunities, vgl. Wegener 2010: 60). Laut Wegener (ebd.) stellt sich damit nicht allein die Frage nach der Konstruktion von Identität, sondern nach deren „strategischer Selbstinterpretation und -darstellung in vielfältigen und mitunter widersprüchlichen Kontexten“. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Medien dazu beitragen, „Entwürfe personaler Identität ebenso wie Bilder kollektiver Identität zu zeichnen und so Vorlagen geben, die unsere Weltbilder ebenso wie unsere Selbstbilder mitbestimmen“ (Wegener 2010: 61).
Auf der Relevanz der Medien, Vorlagen für das Selbstbild und die Identität zu liefern, gründet das Forschungsinteresse vorliegender Untersuchung. Sofern soziale Netzwerke wie Instagram in der Lage sind das Selbstbild und die Identität der jungen Generation zu prägen, ist es von hohem wissenschaftlichen Interesse, die Wirkung von Instagram auf das Körperbild zu erforschen. Da Instagram im Zentrum der Untersuchung steht, werden im folgenden Abschnitt, nach einer einleitenden begrifflichen Abgrenzung, die Funktionen von Instagram sowie der einschlägige Forschungsstand dargelegt.
Als soziale Netzwerke (Social Networks) werden diejenigen Social Web-Anwendungen bezeichnet, die dem Aufbau und der Pflege von Beziehungsnetzwerken dienen (vgl. Ebersbach et al. 2011: 37). Charakteristisch für soziale Netzwerke sind u. a. eine erforderliche Registrierung, Profilseiten mit Interesse und Tätigkeiten, das Vorliegen der Daten in strukturierter Form, die Darstellung von Beziehungen zu anderen Menschen sowie ein starker Bezug zu realen Sozialbindungen (vgl. Ebersbach et al. 2011: 96).
Soziale Netzwerke wie Facebook zählen allgemein zu den sozialen Medien (Social Media), die für den Austausch von Informationen, Erfahrungen und Meinungen mithilfe von Community-Websites stehen (vgl. Weinberg et al. 2012: 1). Soziale Medien wiederum sind Teil des Social Web, welches ein Teil des Webs 2.0 ist. Obwohl die Begriffe Web 2.0 und Social Web häufig synonym verwendet werden, ist das Web 2.0 viel umfassender, da je nach Blickwinkel technische, ökonomische und rechtliche Aspekte mit einbezogen werden (vgl. Ebersbach et al. 2011: 27). Eine veränderte Wahrnehmung des Internets sowie erweiterte Möglichkeiten der Beteiligung begründen laut Tim O’Reilly (2005) einen technischen und sozialen Medienwandel (vgl. Tillmann 2010: 261). „Durch die veränderte Nutzung und Wahrnehmung wird das bisherige Internet zum Web 2.0, einem sozialen Mitmachmedium“ (ebd.). Der Begriff Social Web fokussiert diejenigen Bereiche des Web 2.0, bei denen es um die Unterstützung sozialer Strukturen und Interaktion über das Netz geht (vgl. Ebersbach et al. 2011: 32-33). Es besteht nach Ebersbach und Kollegen aus
„webbasierten Anwendungen, die für Menschen den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und die kollaborative Zusammenarbeit in einem gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Kontext unterstützen, sowie den Daten die dabei entstehen und den Beziehungen zwischen Menschen, die diese Anwendungen nutzen“ (Ebersbach et al. 2011: 35).
Instagram ist aktuell das viertgrößte soziale Netzwerk (vgl. wearesocial.net 2015: o. S.) und damit gerade erst dabei „erwachsen zu werden“ (Loeffler 2015: o. S.). Ein deutliches Wachstum der NutzerInnen ist nach dem Vorbild der USA auch in Europa wahrscheinlich (vgl. ebd.). Die Plattform wurde im April 2012 von Facebook für 1 Mrd. $ US aufgekauft (vgl. quintly.com 2015: o. S.). Unter den NutzerInnen sind 64 Prozent weiblich und 73 Prozent zwischen 15 und 35 Jahren alt, 48 Prozent sind Fachkräfte und 46 Prozent haben einen „höheren Bildungsabschluss“ (wearesocial.de 2015: o. S.). Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 21 Minuten pro Tag und die Hauptinteraktionszeit zwischen 20 und 21 Uhr (vgl. ebd.).
Instagram ermöglicht es den NutzerInnen, Fotos und maximal 15-sekündige Videos auf ihrer eigenen Instagram-Seite sowie auf verschiedenen sozialen Netzwerken zu teilen, bspw. Facebook, Twitter und Tumbr (vgl. Kobilke 2015: 2.1). Die mobile App bietet 40 Foto- und Video-Filter (s. Abbildung 1), Bildbearbeitungsoptionen (Helligkeit, Kontrast, Sättigung, etc.) und Interaktionselemente, wie „Gefällt mir“-Angaben und Kommentare (vgl. ebd.). Die Bilder können zudem mit Hashtags, einem Beschreibungstext und Markierunen anderer NutzerInnen versehen werden (s. Abbildung 1, vgl. Hu et al. 2014: 2).
Das intuitive Liken der quadratischen Bilder durch „double tap“ scheint den NutzerInnen zu gefallen und sie zur Interaktion zu animieren, worauf 2.5 Mrd. Likes pro Tag hinweisen (vgl. quintly.com 2015: o. S.). Über die mobile App-Nutzung hinaus gibt es sogenannte Webprofile, auf denen NutzerInnen sich und ihre Fotos präsentieren können (vgl. Kobilke 2015: 2.2). Dadurch können auch Nicht-NutzerInnen der App im Web auf Fotos und Videos der Community zugreifen9