Interpersonelle Psychotherapie - Elisabeth Schramm - E-Book

Interpersonelle Psychotherapie E-Book

Elisabeth Schramm

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Beschreibung

- Neu in der 4. Auflage: Aktuelle Studien, Optimierung durch übersichtliche Merkkästen und Zusammenfassungen - Expertise: Das Autorenteam leitet international zahlreiche IPT-Kurse und Workshops Die "Interpersonelle Psychotherapie" (IPT), ursprünglich von Klerman und Weissman für die Behandlung von unipolaren Depressionen entwickelt, wird heute in modifizierter Form auch bei anderen affektiven Störungen sowie Essstörungen und Posttraumatischen Belastungsstörungen erfolgreich eingesetzt. Nach vielen positiven Forschungsergebnissen mit dieser Methode ist die IPT inzwischen auch durch den Wissenschaftlichen Beirat anerkannt, und der wachsende Bedarf im Gesundheitswesen gab Anlass, das Modell zu erweitern: Wie gelingt mittels IPT die Behandlung depressiver Störungen über die gesamte Lebensspanne hinweg – vom Jugendlichen bis zur Patientin im hohen Alter? Auch die Settings der IPT haben sich erweitert: Sie findet inzwischen Anwendung als Gruppentherapie, als stationäres Programm und sogar online. Das Autorenteam um Elisabeth Schramm stellt mit diesem einzigen deutschsprachigen Manual allen Therapeutinnen und Therapeuten ein exzellentes Arbeitsmittel zur Verfügung: Erlernen Sie Schritt für Schritt dieses bewährte Verfahren oder vertiefen Sie Ihre Kenntnisse, um die im Rahmen der IPT erwünschte Expertenrolle einzunehmen. Auch auf herausfordernde Therapiesituationen geht das Buch ein: Wie kann in der IPT zum Beispiel mit komorbiden Störungen und drohender Suizidalität umgegangen werden? Dieses Buch richtet sich an - Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten - Ausbildungskandidaten - Fachpflegepersonal

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Seitenzahl: 713

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Elisabeth Schramm

Interpersonelle Psychotherapie

Mit dem Original-Therapiemanual von Klerman, Weissman, Rounsaville und Chevron

4. aktualisierte Auflage

Unter Mitarbeit von

Mathias Berger

Martin Bohus

Eva-Lotta Brakemeier

Petra Dykierek

S. Hedlund

Ute Nowotny-Behrens

Rolf Stieglitz

Nicola Thiel

Ingo Zobel

Impressum

Prof. Dr. phil. Elisabeth Schramm

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinikum Freiburg

Medizinische Fakultät

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hauptstraße 5

D-79104 Freiburg

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Besonderer Hinweis

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Schattauer

www.schattauer.de

© 2019 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Bettina Herrmann, Stuttgart

unter Verwendung eines Gemäldes von Edvard Munch: The Dance of Life © The Munch Museum/The Munch Ellingsen Group/VG Bild-Kunst, Bonn 2010

GmbH & Co. KG, Regensburg

Lektorat: Dr. Katharina Ruppert

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Printausgabe: ISBN 978-3-608-43258-9

E-Book: ISBN 978-3-608-11525-3

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20418-6

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Geleitwort

Geleitwort zur 1. Auflage

Anschriften der Autoren

I. 

Einführung in die Interpersonelle Psychotherapie

1 Der interpersonelle Ansatz bei depressiven Störungen

Elisabeth Schramm

1.1 Sind depressive Störungen Beziehungsstörungen?

1.2 Kurze Charakterisierung der IPT

2 Die Entwicklung und Verbreitung der IPT

Elisabeth Schramm und Mathias Berger

2.1 Die Entstehung der IPT in den USA

2.2 Die IPT im deutschsprachigen Raum und in anderen Ländern

2.3 Ausblick

3 Fakten über depressive Erkrankungen – diagnostische und psychoedukative Phase der IPT

Eva-Lotta Brakemeier, Rolf Stieglitz und Elisabeth Schramm

3.1 Begriffsklärung Depression

3.2 Klassifikatorische Diagnostik nach DSM-5 und ICD-10

Unipolare episodische Depression

Persistierend depressive Störung bzw. chronische Depression

Bipolare Störung

3.3 Diagnostische Instrumente

Klassifikatorische Diagnostik

Therapiebegleitende Diagnostik

3.4 Epidemiologie

3.5 Verlauf, Prognose, Komorbidität und Risikofaktoren

3.6 Behandlungsstrategien

Stellenwert der Psychotherapie in der Depressionsbehandlung

Psychotherapeutische Verfahren

Pharmakotherapeutische Strategien

Biologische Strategien

3.7 Fazit und Implikationen

4 Die IPT im Überblick

Elisabeth Schramm und Ingo Zobel

4.1 Theoretischer Hintergrund

Adolf Meyer

Harry Stack Sullivan

Mabel Blake Cohen

John Bowlby

Donald Kiesler

4.2 Empirischer Hintergrund

Schlüsselrolle interpersoneller Faktoren

Entwicklungspsychologische Arbeiten

Forschung zur sozialen Unterstützung

Lebensereignis- und Expressed-Emotion-Forschung

Zusammenfassung

4.3 Durchführung der IPT

Depressionsentstehung

Therapiephasen

Initiale Therapiephase

Mittlere Therapiephase

Beendigungsphase

Erhaltungstherapiephase

Kernelemente und Techniken der IPT

Fallbeispiel

Besonderheiten der IPT-Phasen

4.4 Indikation und Kontraindikation

Behandlungssetting, Schwere und Art der Probleme

Störungsbild und Komorbidität

Kontraindikationen

4.5 Andere Anwendungsbereiche

4.6 Wirksamkeit der IPT bei verschiedenen Krankheitsbildern

IPT zur Akutbehandlung der Major Depression

IPT als rezidivprophylaktische Behandlung

Pittsburgh-Studien zur Erhaltungstherapie

IPT bei anderen affektiven Störungsformen

IPT bei Depression und körperlichen Erkrankungen

IPT bei nicht affektiven Störungsformen

Spezielle Settings: IPT in Entwicklungsländern und anderen Kulturen

4.7 Wirkmechanismen, Prädiktoren und Mediatoren effektiver IPT

Veränderungsprozesse während der Therapiesitzung

Patientenbezogene Veränderungsmechanismen

Andere Verfahren – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Erste Forschungsschritte auf der Suche nach Mediatoren

Zusammenfassung

4.8 Fazit

5 Vergleich mit anderen Psychotherapieverfahren – Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Petra Dykierek, Eva-Lotta Brakemeier und Elisabeth Schramm

5.1 Annahmen zur Ätiopathogenese

KVT

PP

IPT

Zusammenfassung

5.2 Struktur, Therapiephasen und Inhalte

KVT

PP

IPT

Zusammenfassung

5.3 Therapieziele und Techniken

KVT

PP

IPT

Zusammenfassung

5.4 Therapeutische Beziehung

KVT

PP

IPT

Zusammenfassung

5.5 Wirksamkeit

KVT

PP

IPT

Zusammenfassung

5.6 Fazit

II. 

Manual zur Durchführung der Interpersonellen Psychotherapie

6 Ziele und Aufgaben

7 Diagnose von Depression und interpersonellen Problemen

7.1 Die Anfangssitzungen – Auseinandersetzung mit der Depression

Erhebung der Symptome

Benennung der Symptome

Erläuterung von Depressionen und deren Behandlung

Zuteilung der Krankenrolle

Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung

7.2 Die Depression im interpersonellen Kontext

Beziehungsanalyse (Interpersonal Inventory)

Identifikation der Hauptproblembereiche

IPT-Konzepte und Behandlungsvertrag

7.3 Beginn der mittleren Sitzungen

Thematischer Fokus

8 Trauer

8.1 Normale Trauer

8.2 Abnorme Trauer

Diagnose einer abnormen Trauerreaktion

Ziele und Strategien der Behandlung

8.3 Abnorme Trauer – das Beispiel von Frau T.

Anfangsphase (Sitzungen 1 bis 3)

Mittlere Phase (Sitzungen 4 bis 9)

Beendigungsphase (Sitzungen 10 bis 12)

9 Interpersonelle Konflikte und Auseinandersetzungen

9.1 Diagnose interpersoneller Konflikte

9.2 Ziele und Strategien der Behandlung

9.3 Ein interpersoneller Rollenkonflikt – das Beispiel von Frau E.

Anfangsphase (Sitzungen 1 bis 4)

Mittlere Phase (Sitzungen 5 bis 8)

Beendigungsphase (Sitzungen 9 bis 12)

9.4 Ein interpersoneller Rollenkonflikt – das Beispiel von Herrn D.

Anfangsphase (Sitzungen 1 bis 4)

Mittlere Phase (Sitzungen 5 bis 8)

Beendigungsphase (Sitzungen 9 bis 12)

9.5 Ein interpersoneller Rollenkonflikt – das Beispiel von Frau M.

Anfangsphase (Sitzungen 1 bis 4)

Mittlere Phase (Sitzungen 5 bis 10)

Beendigungsphase (Sitzungen 11 und 12)

10 Rollenwechsel und Rollenübergänge

10.1 Diagnose problematischer Rollenwechsel und -übergänge

10.2 Behandlungsplanung bei Rollenwechseln und -übergängen

Bewertung der alten Rolle

Ermutigung zum Ausdruck von Gefühlen

Aufbau neuer sozialer Fertigkeiten

Aufbau sozialer Unterstützung

10.3 Rollenwechsel – das Beispiel von Frau F.

Anfangsphase (Sitzungen 1 bis 3)

Mittlere Phase (Sitzungen 4 bis 10)

Beendigungsphase (Sitzungen 11 bis 13)

11 Einsamkeit und Isolation

11.1 Diagnose von Einsamkeit und Isolation

11.2 Ziele und Strategien der Behandlung

11.3 Einsamkeit und Isolation – das Beispiel von Herrn R.

Anfangsphase (Sitzungen 1 bis 4)

Mittlere Phase (Sitzungen 5 bis 8)

Beendigungsphase (Sitzungen 9 bis 11)

12 Beenden der Behandlung

12.1 Mögliche Schwierigkeiten

12.2 Indikationen für eine Langzeitbehandlung

13 Spezifische Techniken

13.1 Explorative Techniken

Nondirektive Exploration

Direktes Erfragen

13.2 Ermunterung zum Gefühlsausdruck

Akzeptanz schmerzlicher Gefühle

Umgang mit Gefühlen in zwischenmenschlichen Beziehungen

Zulassen unterdrückter Affekte

13.3 Klärung

13.4 Kommunikationsanalyse

13.5 Einsetzen der therapeutischen Beziehung

13.6 Techniken zur Verhaltensänderung

Direktive Techniken

Entscheidungsanalyse

Rollenspiel

13.7 Sonstige Techniken

14 Ein integratives Fallbeispiel

14.1 Strategien und Abfolge der Interventionen

Anfangsphase (Sitzungen 1 und 2)

Mittlere Phase (Sitzungen 3 bis 8)

Beendigungsphase (Sitzungen 9 bis 12)

Zusammenfassung

14.2 Die IPT im Vergleich mit anderen Ansätzen

Überschneidung mit anderen Therapieformen

IPT versus Verhaltenstherapien und kognitiven Therapien

14.3 Interventionsebenen

14.4 Techniken

Explorative Techniken

Umgang mit Gefühlen und Ermuntern zum Affekt

Klärung

Techniken zur Verhaltensänderung

Kommunikationsanalyse

Einsetzen der therapeutischen Beziehung

15 Die IPT im stationären Bereich – Entwicklung, Anwendung und Evaluation eines Konzepts

Nicola Thiel und Elisabeth Schramm

15.1 Rational für die Entwicklung eines stationären IPT-Konzepts

15.2 Evaluation

Phase I

Phase II

Phase III

15.3 Neuere Entwicklungen des stationären IPT-Konzepts

Initiale Phase

Mittlere Phase

Beendigungsphase

Ältere Patienten

15.4 Zusammenfassung

16 Fünfter Fokus Arbeitsstress

Elisabeth Schramm und Nicola Thiel

16.1 Arbeit im interpersonellen Kontext

16.2 Fokus Arbeitsstress

Initiale Phase

Mittlere Phase

Beendigungsphase

16.3 Fallbeispiel

Initiale Phase

Mittlere Phase

Beendigungsphase

16.4 Zusammenfassung

III. 

Spezielle Fragestellungen aus der Praxis

17 Kombination von IPT und Psychopharmaka an einem Fallbeispiel

Ute Nowotny-Behrens und Elisabeth Schramm

18 Umgang mit schwierigen Therapiesituationen

Elisabeth Schramm

18.1 Schwierigkeiten beim Identifizieren des Problembereichs

Suche nach dem relevanten Problembereich

Hypothesengeleitetes Fragen

Mehrere Problembereiche

Einigungsschwierigkeiten zwischen Therapeut und Patient

18.2 Vermeidungsverhalten des Patienten

Passivität

Häufiges Zuspätkommen oder Versäumen von Terminen

Schweigen

Behandlungsabbruch

Andere Formen von Vermeidungsverhalten

18.3 Komorbidität

Komorbidität mit psychischen Erkrankungen

Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen

Behandlung komorbider Störungen

Prognose

18.4 Stagnation oder Verschlechterung des Zustands

18.5 Suizidalität

Exploration

Risikofaktoren

Protektive Faktoren

Haltung und Verhalten des Therapeuten

Maßnahmen bei Suizidgefahr

18.6 Schwierigkeiten beim Beenden der Therapie

Erneutes Auftreten depressiver Symptome

Spätes Ansprechen des Kernproblems

Ignoranz des Therapieendes

Ärgergefühle

Abhängiges Verhalten

Frühere traumatische Trennungserfahrung

19 Einbeziehen von Angehörigen

Elisabeth Schramm

19.1 Einbezug in der Anfangsphase

Durchbrechen interpersoneller Teufelskreise

Weitere Vorteile

19.2 Einbezug bei interpersonellen Konflikten

Durchführung eines IPT-Paargesprächs

Änderungsfördernde Strategien und Interventionen

19.3 Einbezug in Krisensituationen

20 Persönlichkeit und Übertragung im therapeutischen Prozess

Martin Bohus und Elisabeth Schramm

20.1 Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Depression

Persönlichkeit und Übertragung in der interpersonellen Theorie

Zentrale Hypothesen der interpersonellen Schule

20.2 Auswirkungen auf den therapeutischen Prozess

Übertragung und Gegenübertragung

20.3 Bedeutung für die IPT

Fallbeispiel

IV. 

Training in der Interpersonellen Psychotherapie

21 Voraussetzungen, Aufgaben und Training von IPT-Therapeuten

Elisabeth Schramm

21.1 Anforderungen an den IPT-Therapeuten

21.2 Rolle des IPT-Therapeuten

Erforderliche Voraussetzungen und Kompetenzen des IPT-Therapeuten

21.3 Training in IPT

Trainingsziele

Didaktisches Seminar

Anforderungen an Therapeuten verschiedener Therapierichtungen

Lernziele

Supervision

Hinweise aus der Prozessforschung

Sachverzeichnis

Vorwort

Die Interpersonelle Psychotherapie (IPT) gehört zu den am besten untersuchten evidenzbasierten Therapieverfahren und ist entsprechend in wissenschaftlich fundierten Behandlungsleitlinien (z. B. zur Depression, Bulimie, Bipolarer Störung) als Behandlungsempfehlung aufgenommen. Die IPT stellt einen wirksamen Therapieansatz dar, der insbesondere auf Patientinnen und Patienten1 zugeschnitten ist, deren Depression sich im Kontext zwischenmenschlicher oder psychosozialer Belastungen entwickelt hat. Viele Kollegen haben schon von der IPT und etwas über sie gelesen, wissen aber nicht, wie diese Methode angewendet werden kann. Dieses Buch wendet sich an sie sowie an Therapeuten, die IPT bereits kennengelernt haben und sich im vorliegenden Manual bei der Durchführung orientieren wollen.

Mit der 1996 erschienenen 1. Auflage des vorliegenden Buches wurde das Original-Therapiemanual zur »Interpersonellen Depressionstherapie« nach Klerman und Weissman zum ersten Mal in deutscher Sprache herausgegeben. Das Buch ist in unserer Arbeitsgruppe entstanden, die seit über 20 Jahren die IPT intensiv praktisch eingesetzt, beforscht, weiterentwickelt und an Kollegen vermittelt hat. Dank vieler Rückmeldungen unserer Leser wissen wir, dass sich unser Manual in der Praxis bewährt hat. 9 Jahre nach der 3. Auflage des Buches wurde der Inhalt nun grundlegend überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. So werden hier die zahlreichen Modifikationen des Ansatzes für andere Störungsformen, Settings und Zeitrahmen beschrieben, die in den letzten Jahren untersucht und angewendet wurden. Auch ein fünfter Fokus »Arbeitsstress« wird eingeführt. Neben der praktischen Anleitung zur IPT stellt unser Buch die zentralen Grundlagen und das nötige Hintergrundwissen bereit. Kliniker mit Interesse an der Anwendung der IPT im Forschungskontext können gleichermaßen von der Lektüre profitieren wie Psychotherapeuten, welche die IPT in ihren klinischen Alltag integrieren wollen. Darüber hinaus findet der Therapeut hier natürlich auch Antworten auf die wichtigsten Fragen, die ihm beim Einsatz der IPT in der Praxis begegnen. Für eine umfassende Anwendung dieses Verfahrens wird im Anschluss an die Lektüre des Manuals die Teilnahme an einem Trainingsprogramm empfohlen.

Da ein Psychotherapieverfahren sowohl im Ausbildungsprozess als auch in seiner Anwendung den lokalen sprachlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten Rechnung tragen muss, war es ein besonderes Anliegen, dass dieses Buch bis auf die Übersetzung des Original-Manualteils (Teil II des Buches) eine eigenständige Monografie darstellt. Aus diesem Grund ist in den folgenden Kapiteln nicht nur die ursprüngliche, ambulante Form der IPT beschrieben, sondern auch der im deutschsprachigen Raum gebräuchliche und evaluierte Einsatz im stationären Behandlungsrahmen. Das Hauptanliegen unseres IPT-Manuals ist eine möglichst weite Verbreitung dieses effektiven, in der Praxis enorm nützlichen Therapieansatzes. Denn trotz der guten Wirksamkeitsnachweise und der Empfehlung in Behandlungsleitlinien hat sich die IPT im deutschsprachigen Bereich bisher nur im stationären Setting gut verbreitet, während sie in der ambulanten Praxis noch wenig Anwendung findet. Dies liegt allerdings weder an mangelndem Interesse der Kliniker oder Patienten, noch an der Anwendbarkeit im ambulanten Rahmen, sondern an strukturellen Grundproblemen, wie in Deutschland Behandlungsmethoden zum Beispiel über Regelungen zu Richtlinienverfahren erstattungsfähig werden. Bereits im Jahr 2006 hat der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie auf der Grundlage der Wirksamkeitsnachweise die Relevanz der Methode für die Depressionsbehandlung in einem Gutachten anerkannt. Ein Antrag zur Überprüfung der IPT auf Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit für die vertragsärztliche Versorgung wird von den Antragsberechtigten beim Gemeinsamen Bundesausschuss jedoch aufgrund anderer Prioritäten bei der Methodenprüfung bisher erst für Herbst 2019 erwartet. Als evidenzbasierte Methode ist die IPT jedoch in Direktverträgen mit den größten Krankenkassen bereits erstattungsfähig.

In dem Buch werden die wichtigsten Fragen zu depressiven Erkrankungen und deren Behandlung beantwortet. Woran erkennt man eine klinische Depression? Welche Menschen sind dafür anfällig? Wie lange dauert eine depressive Episode? Was ist bei der Anwendung der IPT zu beachten? Ist dieses störungsorientierte Verfahren wirksamer als andere? Worin bestehen die Unterschiede zu anderen Therapieformen? Auf diese und viele weitere Fragen möchte das vorliegende Buch in vier Hauptteilen Antworten geben.

Der erste Teil gibt eine Einführung in die IPT und liefert gleichzeitig einen theoretischen und empirischen Rahmen für die Anwendung in der Praxis. Aktuelles Wissen über das Erkrankungsbild der Depression und die zur Verfügung stehenden Behandlungsverfahren helfen dem Therapeuten bei der Psychoedukation des Patienten.

Beim zweiten Teil handelt es sich um die deutsche Übersetzung eines Abschnitts des Original-Therapiemanuals von Klerman und Weissman, in dem die praktische Durchführung der IPT unter ambulanten Bedingungen beschrieben wird. Dabei wird die therapeutische Vorgehensweise in allen Problembereichen erläutert und an einem Fallbeispiel veranschaulicht. Daran schließt sich die Beschreibung eines stationären Behandlungsprogramms mit der IPT an.

Der dritte Teil beschäftigt sich mit speziellen Fragestellungen, die sich aus der praktischen Anwendung der IPT ergeben. Anhand eines Falles wird beschrieben, wie sich die IPT mit pharmakologischen Maßnahmen kombinieren lässt. In diesem Teil werden zudem Hilfestellungen zur Bewältigung schwieriger Therapiesituationen gegeben. Was ist beispielsweise zu tun, wenn sich der Zustand des Patienten verschlechtert, er suizidal wird, die Therapie abbrechen möchte, komorbide Störungen aufweist oder den Therapieprozess blockiert? Was ist zu beachten, wenn Angehörige in die Therapie einbezogen werden? Ein weiteres Kapitel dieses dritten Teils widmet sich der Rolle der Therapeut-Patient-Beziehung und der Persönlichkeit des Patienten in der IPT.

Im vierten Teil werden abschließend die Ausbildung und Aufgaben eines IPT-Therapeuten dargestellt.

Unser Anspruch an eine Neuauflage war es, neben der Aktualisierung des Wissensstandes die Anwendung dieser Therapieform in ihrer bestechenden Einfachheit möglichst praxisnah zu beschreiben. Die Einführung der IPT in den deutschsprachigen Raum beruht auf den Ideen von Mathias Berger, ohne dessen tatkräftige Unterstützung und Initiative dieses umfangreiche Vorhaben nicht möglich gewesen wäre. Hierfür gilt ihm mein besonderer Dank. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Ellen Frank, David Kupfer und Cleon Cornes, von denen ich während meiner Zeit in den USA das meiste über diese Therapieform lernen durfte. Nicht zuletzt gebührt Katharina Ruppert Dank für die äußerst engagierte und kompetente Lektorierung des vorliegenden Buches. Abschließend bedanke ich mich auch bei meiner Arbeitsgruppe, den Co-Autorinnen und -autoren und allen Patienten, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben.

Freiburg, im Februar 2019Elisabeth Schramm

Geleitwort

Vor über 40 Jahren wurde die Interpersonelle Psychotherapie (IPT) in den Vereinigten Staaten von Gerald Klerman und seiner Frau Myrna Weissman zur Behandlung unipolar depressiver Episoden entwickelt. Zwischenzeitlich wurde die Wirksamkeit dieser plausiblen und einfach zu erlernenden Methode nicht nur für diese Erkrankung, sondern auch für andere Störungsformen in zahlreichen Studien nachgewiesen. Entsprechend wird das Verfahren in nationalen und internationalen Leitlinien zur Behandlung depressiver Erkrankungen offiziell empfohlen. Trotz der überzeugenden wissenschaftlichen Belege für die Effektivität dieser Therapieform und dem großen Interesse der internationalen Fachwelt daran, ist das Verfahren in der klinischen Praxis noch wenig verbreitet. Die ungenügende Verbreitung ist ein Phänomen, das international jedoch nicht nur bei der IPT, sondern auch bei anderen evidenzbasierten Psychotherapieansätzen zu beobachten ist. Im vorliegenden Fall kommt möglicherweise noch erschwerend hinzu, dass die IPT keiner der im deutschsprachigen Raum anerkannten psychotherapeutischen Hauptrichtungen – d. h. der psychodynamischen Therapie, der kognitiven Verhaltenstherapie oder der systemischen Therapie – zuzurechnen ist. Gleichzeitig ist gerade die Unabhängigkeit dieses Ansatzes von traditionellen Schulen ein überzeugender und zukunftsweisender Vorzug der IPT. Die Methode orientiert sich an den Merkmalen eines bestimmten Störungsbildes und unterstreicht damit den heutigen Trend zur Ablösung von rigiden schulen-orientierten Vorgehensweisen.

Mit ihrem Fokus auf den zwischenmenschlichen Prozessen schließt die IPT eine Lücke innerhalb der gebräuchlichsten psychologischen Ansätze zur Behandlung der Depression, nämlich der kognitiven Verhaltenstherapie und den psychodynamischen Verfahren. Was das Ausmaß an Strukturiertheit betrifft, so liegt die IPT zwischen diesen beiden anderen Interventionen, ist jedoch durch die praxisnahe und pragmatische Vorgehensweise wesentlich leichter zu erlernen. Dieses Charakteristikum sollte die IPT eigentlich zur Topkandidatin nicht nur im deutschsprachigen Raum und anderen »westlichen« Ländern machen, sondern insbesondere auch in Ländern, deren Gesundheitswesen nicht so hoch entwickelt und mit weniger finanziellen Ressourcen ausgestattet ist. Weltweit betrachtet ist die Depression eines der ganz großen Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Ein wissenschaftlich fundiertes, gut strukturiertes und mit vertretbarem Aufwand vermittelbares Therapieverfahren wie die IPT kann das Leiden wirklich sehr vieler Menschen lindern und unnötige Suizide verhindern. Darüber hinaus hat die IPT aber auch das Potenzial, einen enormen positiven volkswirtschaftlichen Effekt zu erzielen!

Das Buch von Elisabeth Schramm ist mehr als die Beschreibung eines Psychotherapieverfahrens. Vielmehr erhält die Leserin, der Leser hiermit ein State-of-the-art-Werk der Depressionsforschung im Hinblick auf Epidemiologie, Ätiopathogenese, Verlauf und unterschiedliche Therapiemöglichkeiten an die Hand. Die Synthese aus neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu neurobiologischen, psychologischen und interpersonellen Aspekten einerseits und Vermittlung konkreter Kompetenzen für den therapeutischen Alltag andererseits befähigt den IPT-Therapeuten, seine Patienten nach aktuellem Kenntnisstand zu informieren, zu beraten und zu behandeln. Entsprechend dem biopsychosozialen Krankheitsmodell, von dem die IPT ausgeht, gehört dazu selbstverständlich auch fundiertes Wissen über die biologischen Aspekte bezüglich Entstehung und Aufrechterhaltung der Erkrankung sowie über die aktuellen somatischen Therapiemöglichkeiten.

Dass sich die Depression im zwischenmenschlichen Feld abspielt und deshalb auch dort behandelt werden sollte, ist für Menschen auch unterschiedlichster Kulturen augenscheinlich. Deshalb scheint mir die IPT besonders geeignet, auch in »nicht-westlichen« Kulturen Verbreitung zu finden, aber natürlich auch in unserer Gesellschaft, die ja eine immer stärkere Durchmischung der Kulturen erlebt. Daraus ergeben sich übrigens auch neue und spannende Aufgaben für die Forschung, wie beispielsweise: Wie wirksam ist IPT bei depressiven Menschen, deren Beziehungspartner anderen Kulturen angehören?

In diesem Sinne wünsche ich dem Buch eine lebendige Rezeption in der Fachwelt und die Verbreitung und Nachhaltigkeit, die es verdient!

Zürich, im Juni 2010Prof. Dr. Ulrich Schnyder

President, International Federation for Psychotherapy (IFP)

President, International Society for Traumatic Stress Studies (ISTSS)

Geleitwort zur 1. Auflage

Mit dieser ersten deutschsprachigen Einführung in die Interpersonelle Psychotherapie trägt Frau Schramm zu einer Entwicklung der Psychotherapie bei, die ich für sehr wünschenswert halte. Das Buch von Frau Schramm ist geeignet, zu einer Entideologisierung der Psychotherapie beizutragen. Die Interpersonelle Therapie läßt sich keiner der bestehenden Therapieschulen zuordnen, und das ist gut so. Sie hat zwar gewisse psychodynamische Wurzeln, aber das Vorgehen ist in vieler Hinsicht gerade das Gegenteil von dem, was von einer psychodynamischen Therapie üblicherweise erwartet wird. Im tatsächlichen Vorgehen bestehen eher Ähnlichkeiten mit dem problemlösungsbezogenen Vorgehen der Verhaltenstherapie, nicht aber in den inhaltlichen Erklärungsansätzen und Schwerpunktsetzungen. In der Schwerpunktsetzung auf den zwischenmenschlichen Beziehungen läßt sich eine Überschneidung mit systemorientierten Ansätzen erkennen, aber eine Zuordnung zu diesen Ansätzen würde weder der Interpersonellen Therapie noch den systemorientierten Ansätzen gerecht. Die Interpersonelle Therapie entzieht sich somit Versuchen zur Einordnung in eine der Schubladen der bestehenden Therapieformen. Sie will erklärtermaßen auch selbst keine neue Therapieform im Sinne der bestehenden Therapieschulen sein. Der ganze Ansatz ist vom Pragmatismus gekennzeichnet.

Der ausdrückliche Verzicht auf einen ideologischen Oberbau könnte für viele Psychotherapeuten den Zugang zur Interpersonellen Therapie erleichtern. Das Vorgehen ist relativ leicht erlernbar. Ein Manual erleichtert die Aneigung des Vorgehens. Man muss sich nicht mit einem bestimmten Überzeugungssystem verheiraten, wenn man die Interpersonelle Therapie erlernen und anwenden will. Dies alles sind in der gegenwärtigen Psychotherapielandschaft große Vorteile. Angesichts dieser Vorzüge darf man der Interpersonellen Therapie auch im deutschen Sprachraum eine zügige Verbreitung wünschen. Dazu wird dieses Buch beitragen. Angesichts dessen, dass die Interpersonelle Psychotherapie international erst an relativ wenigen Zentren systematisch angewendet wird, ist es erstaunlich, wie gut die Wirksamkeit dieses therapeutischen Vorgehens bereits abgesichert ist. Wir wissen zwar noch wenig über die Wirkungsweise dieser Therapieform, aber wir haben Belege dafür, dass ihre Wirkung derjenigen anderer Therapieformen, mit denen sie verglichen wurde, nicht nachsteht. Das kann man wahrlich nicht für jede Therapieform sagen.

Natürlich stellt das Vorliegen eines Behandlungsmanuals an sich noch keinen wissenschaftlichen Güteausweis dar. Die Existenz eines solchen Manuals kann aber Grundlage dafür sein, dass ein gut definiertes Behandlungsvorgehen im Hinblick auf seine tatsächlichen Wirkkomponenten analysiert werden kann. Was für die Interpersonelle Psychotherapie in Zukunft Not tut, sind Prozeßanalysen des Therapiegeschehens. Diese setzen aber voraus, dass das Vorgehen zunächst einmal breiter angewendet wird, als es heute geschieht. Erst wenn uns Prozeß-analysen mehr Aufschluß über die wirklich entscheidenden Wirkkomponenten des Vorgehens gegeben haben werden, kann ein nochmals verbessertes Vorgehen entwickelt werden, in dem die tatsächlichen Wirkkomponenten noch stärker betont und Nebensächliches beiseite gelassen wird. Es wird der Interpersonellen Therapie wahrscheinlich leichter als anderen Therapieformen fallen, Konsequenzen aus solchen Forschungsergebnissen zu ziehen, weil die Therapie von Anfang an nicht an einem Überzeugungssystem, sondern an dem pragmatischen Ziel einer möglichst wirksamen und ökonomischen Therapie für bestimmte Patientengruppen orientiert war. Es ist zu hoffen, dass die Vertreter der Interpersonellen Therapie an dieser pragmatischen Ausrichtung auch in Zukunft festhalten und nicht der Gefahr erliegen werden, das Vorgehen zu katechetisieren. Als unideologische Therapie kann die Interpersonelle Therapie ein Modell für die Weiterentwicklung der Psychotherapie überhaupt sein. Natürlich wird sie nicht für sich alleine stehenbleiben können, sondern sollte in Zukunft eingebettet werden und aufgehen in einem noch breiter angelegten Verständnis der Psychotherapie, das zunehmend auf Wissen statt auf Überzeugungen beruht. In diesem Sinne wünsche ich diesem Buch eine möglichst große Verbreitung. Möge es seinen Beitrag leisten auf dem langen Weg zu einer »Psychotherapie der Vernunft«.

Bern, im Mai 1996Prof. Dr. Klaus Grawe

Inhaber des Lehrstuhls für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Bern

Anschriften der Autoren

Prof. Dr. med. Mathias Berger

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinikum Freiburg

Medizinische Fakultät

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hauptstraße 5

D-79104 Freiburg

Prof. Dr. med. Martin Bohus

Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI)

J 5

D-68159 Mannheim

Prof. Dr. rer. nat. Eva-Lotta Brakemeier

Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität Marburg

Gutenbergstr. 18

D-35037 Marburg

Dr. phil. Petra Dykierek

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinikum Freiburg

Medizinische Fakultät

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hauptstraße 5

D-79104 Freiburg

Dr. Susanne Hedlund

Am Roseneck 6

83209 Prien am Chiemsee

Dr. med. Ute Nowotny-Behrens

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinikum Freiburg

Medizinische Fakultät

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hauptstraße 5

D-79104 Freiburg

Prof. Dr. phil. Elisabeth Schramm

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinikum Freiburg

Medizinische Fakultät

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hauptstraße 5

D-79104 Freiburg

Prof. Dr. rer. nat. Rolf-Dieter Stieglitz

Obere Dorfstr. 10A

CH-4126 Bettingen

Dr. phil. Nicola Thiel

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinikum Freiburg

Medizinische Fakultät

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hauptstraße 5

D-79104 Freiburg

Prof. Dr. Dipl.-Psych. Ingo Zobel

Hochschule Fresenius

Fachbereich Wirtschaft & Medien

Jägerstraße 32

D-10117 Berlin

I.

Einführung in die Interpersonelle Psychotherapie

1 Der interpersonelle Ansatz bei depressiven Störungen

Elisabeth Schramm

1.1 Sind depressive Störungen Beziehungsstörungen?

»Regardless of what other factors(1) may be involved, the interpersonal context affects greatly whether a person becomes depressed, the person’s subjective experience while depressed, and the behavioral manifestations and resolution of the disorder.« (Joiner et al. 1999, S. 3)

»Relationships matter – in health, disease, coping with stress, and recovering from illness. This is the rationale for interpersonal psychotherapy!« (Ravitz und Watson 2014, S. 275)

Frau N. liegt schon seit fünf Uhr wach. Jetzt ist es schon kurz vor Acht, und sie kann sich einfach nicht überwinden aufzustehen. Sie müsste sich krankmelden, so wie letzte Woche, aber sie schafft es nicht. Man wird sich fragen, was mit ihr los ist. Ihr Mann hat das Haus bereits verlassen und die Kinder zur Schule gebracht. Er wird ärgerlich sein, wenn er hört, dass sie weder bei der Arbeit noch beim Arzt war. Es wird Streit geben, denn er war dagegen, dass sie wieder in den Beruf einsteigt, solange die Kinder klein sind. Ihre Söhne werden um 13 Uhr nach Hause kommen und enttäuscht sein, dass nichts gekocht ist. Frau N. hat keine Energie, um ihre Arbeit und den Haushalt zu bewältigen. Sie fühlt sich niedergeschlagen, unzulänglich und wertlos. Manchmal ist ihr aber alles einfach egal, dann fühlt sie gar nichts. Vielleicht sollte sie heute doch zum Arzt gehen. Sie glaubt kaum, dass irgendjemand sie verstehen kann. Sie versteht sich ja selbst nicht mehr.

Frau N. ist an einer Depression erkrankt. Depressive Störungen müssen in ihrem interpersonellen Kontext verstanden werden, denn sie sind damit untrennbar verknüpft. Wie das Beispiel deutlich macht, beeinträchtigt die Depression zwangsläufig die zwischenmenschlichen Beziehungen (1)und sozialen Rollen(1)des Betroffenen. Der Depressive leidet also nicht alleine, sondern sein Umfeld ist ebenso von der Depression betroffen. Umgekehrt haben Beziehungskonflikte(1) und Schwierigkeiten, Rollenerwartungen(1) zu entsprechen, einen entscheidenden Einfluss auf den psychischen Zustand eines Menschen. So entstehen negative Rückkopplungen zwischen depressivem Verhalten(1) und sozialen Interaktionen (▶ Abb. 1-1). Insofern ist diese Sichtweise nicht nur als interpersonell, sondern als interaktionell zu bezeichnen. Dabei wird von einem fundamentalen, psychobiologisch basierten Grundbedürfnis nach Bindung(1) ausgegangen (Bowlby 1969), ebenso wie von einer zugrunde liegenden Vulnerabilität des Betroffenen für depressive Störungen.

Abb. 1-1 Wechselwirkung zwischen interpersonellen Belastungen und Depressionen.

Eines der typischsten Kennzeichen einer Depression(1) ist der interpersonelle Rückzug. Depressive Menschen meiden den Kontakt mit anderen und bleiben auf diese Weise in ihren depressiven Wahrnehmungen(1) und in ihrer eigenen negativ gefärbten Welt gefangen. Während ein intrapsychisches Behandlungsmodell den Fokus eben dort (in der eigenen Wahrnehmung und den inneren Prozessen eines Individuums) ansiedelt, wird bei interpersonellen(1) Verfahren gezielt versucht, die Verbindung zwischen dem Individuum und der Umwelt wiederherzustellen bzw. den Patienten »aus seinem Kopf«, seiner »abgeschotteten depressiven Welt«, herauszubekommen. Der Fokus liegt dabei auf den zwischenmenschlichen Interaktionen(1) des Patienten.

Abgrenzung und Besonderheiten: »Welche Psychotherapie ist eigentlich nicht interpersonell?«, ist eine Frage, die auf das Besondere der Interpersonellen Psychotherapie (IPT)(1) gegenüber anderen Therapieverfahren abzielt. Die Frage ist durchaus berechtigt, denn die Bedeutung der Beziehungsperspektive für (1)die Entstehung und Behandlung psychischer und insbesondere depressiver Störungen wurde schon vor langer Zeit erkannt (Überblick bei Hames et al. 2013; Hammen und Smith 2014; Santini et al. 2015) und auch bei anderen Therapieverfahren in besonderem Maße berücksichtigt, z. B. in der Systemischen Therapie oder in paartherapeutischen Ansätzen. Auch das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP; McCullough 2000), ein speziell für chronisch depressive(1) Patienten entwickeltes Verfahren, konzeptualisiert die depressive Störung unter der »Person × Umwelt«-Perspektive (▶ Abschn. 3.6), es wird jedoch zu den verhaltenstherapeutischen Ansätzen gezählt.

Die Frage, was an einem psychotherapeutischen Verfahren spezifisch ist, lässt sich ebenso im Hinblick auf andere kognitive oder verhaltenstherapeutische Ansätze stellen. In welcher Psychotherapie wird nicht auch auf die Gedanken, Einstellungen oder Verhaltensweisen des Klienten eingegangen? Selbst innerhalb der kognitiv-verhaltenstherapeutischen(1) Verfahren stehen bei der Behandlung verschiedener Störungen mal kognitive Aspekte (z. B. kognitive Umstrukturierung(1)(1) bei depressiven Störungen), mal verhaltensbezogene Aspekte (z. B. Exposition bei Zwangsstörungen(1)) im Vordergrund.

Merke

Die IPT legt ihren Schwerpunkt des Verstehens und Behandelns psychischer Erkrankungen vor allem auf die Beziehungen des Patienten mit anderen Menschen und nicht primär auf innerpsychische Vorgänge oder Kognitionen, weil Depressionen immer in einem zwischenmenschlichen Kontext stattfinden. Sie betreffen nicht nur den Einzelnen, sondern sein gesamtes Bezugssystem. Auch zahlreiche andere Variablen (z. B. Haltungen) werden berücksichtigt.

Es werden vier Wirkmechanismen bei der IPT(1) angenommen (Lipsitz und Markowitz 2013):

soziale Unterstützung(1) zugänglich zu machen,

interpersonellen Stress(1) zu vermindern,

emotionales Verarbeiten(1) zu begünstigen,

interpersonelle Fertigkeiten(1) zu verbessern.

Das Spezifische an der IPT liegt darin, dass all diese Wirkmechanismen innerhalb eines pragmatischen und affektiv besetzten Fokus auf einen interpersonellen Hauptproblembereich im Kontext der Depression aktiviert werden. Diese Zusammenhänge sind in (▶ Abb. 1-2) dargestellt.

Abb. 1-2 Wirkmechanismen bei der IPT (modifiziert nach Lipsitz und Markowitz 2013).

Selbst als störungsorientierter Ansatz(1) erwies sich die IPT als »transdiagnostisch« anwendbar, insofern als die Kernelemente der Methode (z. B. medizinisches Modell/Krankenrolle, Beziehungsanalyse [Interpersonal Inventory](1); ▶ Abschn. 4.3) zwar zur Behandlung depressiver Patienten entwickelt wurden, sich aber auch diagnoseübergreifend bei sozialen Angststörungen(1), Bulimie(1), bipolarer Störung(1) oder posttraumatischer Belasungsstörung als wirksam erwiesen, wenn auch in geringerem Ausmaß als bei einer Depression (Weissman et al. 2018).

Theoretische Vorläufer: Wie entstand die interpersonelle(1) Sichtweise? Sie geht auf Harry Stack Sullivan (1953) zurück, (1)der sie bereits in den 30er-Jahren als neuen klinischen Blickwinkel in die Psychiatrie einbrachte. Diese neue Sichtweise führte in den USA zur Gründung der »interpersonellen Schule«. (1)Die Ursprünge dieser Denkweise sind bei dem Psychiater Adolf Meyer zu (1)finden. Ihm gelang es mithilfe seines Konzepts der Psychobiologie(1)(Meyer 1957), das psychosoziale und interpersonelle Umfeld des Patienten ins Blickfeld des psychiatrischen Interesses zu rücken, nachdem die Psychiatrie bis zu diesem Zeitpunkt entweder von biologischen Gesichtspunkten oder psychoanalytischen Konzeptionen bestimmt worden war. Zu den entscheidenden Beiträgen zur theoretischen Basis der IPT zählen auch die Arbeiten John Bowlbys(1)über die Bindungstheorie(1)(z. B. 1969, 1988). Die IPT, die vor über 40 Jahren von Klerman und Weissman begründet und seither stetig unter Berücksichtigung neuer Forschungsbefunde weiterentwickelt wurde, beruht zum großen Teil auf den Ideen der interpersonellen Schule. Der theoretische Hintergrund der IPT(1) ist in Abbildung 1-3 grafisch dargestellt und wird in Abschnitt 4.1 ausführlicher beschrieben.

Abb. 1-3 Theoretischer Hintergrund der IPT.

Aktueller Stand: Es(1) ist kritisch anzumerken, dass sich die theoretische Basis der IPT auf die o. g. Betrachtungen von Meyer, Sullivan und Bowlby beschränkt, während Arbeiten zu komplexeren Modellen der interaktionellen Natur depressiver Störungen (z. B. Hames et al. 2013; Hammen und Smith 2014) im IPT-Manual (Klerman et al. 1984; Weissman et al. 2018) wenig Beachtung finden. Von Hames et al. (2013) wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die IPT zwar kompatibel ist mit der modernen interpersonellen Perspektive der Depressionsentstehung, jedoch eine Diskontinuität zwischen der Grundlagenforschung zu interaktionellen Aspekten der Depression einerseits und der Weiterentwicklung und Anwendung der IPT andererseits besteht.

1.2 Kurze Charakterisierung der IPT

Wissenschaftliche Fundierung: Klerman et al. (1984; vgl. auch Weissman et al. 2018) betonen den wissenschaftlichen Charakter(1)der Methode, denn die IPT wurde in einem Forschungskontext konzipiert. Sie entspricht dem Prototyp einer modernen evidenzbasierten Psychotherapie, da nicht nur die Effektivität des Ansatzes von Anfang an evaluiert wurde und dementsprechende Weiterentwicklungen erfuhr, sondern bereits die theoretischen und praktischen Grundlagen stringent aus empirischen Evidenzen verschiedener Forschungsbereiche abgeleitet wurden (Abb. 1-4; ▶ Abschn. 4.2).

Theoretische Ausrichtung: Dass (1)sich die IPT in ihrer gesamten Konzeption nicht einer der traditionellen Therapieschulen verschrieben hat, sondern Elemente verschiedener Therapierichtungen und auch selbst entwickelte spezifische Elemente aufgenommen und integriert hat, geht mit dem allgemeinen Trend zur Ablösung von rigiden, schulorientierten Vorgehensweisen hin zu evidenzbasierten, störungsorientierten Vorgehensweisen, aber auch mit neueren modularen Ansätzen einher. Es soll an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass das Verfahren sowohl in der Entwicklung als auch in der Durchführung pragmatisch an empirischen Evidenzen ausgerichtet ist und nicht etwa induktiv aus einer spezifizierten Ursprungstheorie heraus entwickelt wurde.(1)

Behandlungskonzept: Das(1)(1) Behandlungskonzept war ursprünglich speziell auf die ambulante Individualtherapie akuter unipolar depressiver Episoden zugeschnitten, wobei das häufige Bestehen komorbider Störungen berücksichtigt wurde. Neben den wesentlichen Erkenntnissen der Depressionsforschung wurden auch neue Konzepte der Depressionsdiagnostik sowie klinische Erfahrungen bei der Behandlung depressiver Patienten mit einbezogen. Dabei wird von einer entscheidenden Wechselwirkung zwischen dem ineffektiven Umgang mit interpersonellen Belastungen(1)(1), etwa im Rahmen eines Paarkonflikts oder einer neuen sozialen Rolle, und dem Auftreten einer depressiven Episode ausgegangen (▶ Abb. 1-1). Hat sich die depressive Störung einmal manifestiert, kann sie sekundär zu interpersonellem Stress beitragen, indem sich der Betroffene zurückzieht, seine sozialen Rollen nicht erfüllt und sein soziales Netzwerk – falls vorhanden – nicht zur Unterstützung und Bewältigung der Erkrankung nutzt. Die Bearbeitung dieses Zusammenhangs steht im Fokus der Therapie (▶ Abb. 1-4). Intrapsychische oder kognitive Aspekte der Depression(1)(1) spielen dabei – wie bereits erwähnt – eine untergeordnete Rolle. Allerdings wird die Bedeutung von genetischen, biochemischen, entwicklungsbezogenen oder persönlichkeitsbestimmenden Vulnerabilitätsfaktoren(1) oder anderen Auslösern anerkannt. »The authors believe that progress will be furthered by a pluralistic, undoctrinaire, and empirical approach that builds upon clinical experience and research evidence« (Klerman et al. 1984, S. 5). Somit vertreten Klerman et al. (1984) hinsichtlich der Depressionsverursachung einen multifaktoriellen Standpunkt.

Abb. 1-4 Empirischer Hintergrund der IPT.

Therapiedauer: Die Begründer der(1)(1) IPT waren nicht nur hinsichtlich eines multifaktoriellen Ätiologiemodells, sondern auch im Hinblick auf die Therapiedauer ihrer Zeit voraus, denn IPT-Therapien waren von Anfang an explizit zeitlich begrenzt und wurden später durch ebenfalls zeitlich beschränkte Erhaltungstherapien ergänzt. Kurzzeittherapien kamen vor 40 Jahren in der Regel (außer bei der Verhaltenstherapie) eher selten zur Anwendung. Heute tendieren Psychotherapien allgemein mit meist weniger als 25 Sitzungen zu einer deutlichen Verkürzung der Dauer im Vergleich zu früher. Diese Umstellung wurde vorwiegend aus ökonomischen Gründen vorgenommen, resultiert jedoch auch aus der Erkenntnis, dass ein großer Teil der Veränderungen bei der akuten Behandlung unkomplizierter psychischer Störungen(1) in kürzerer Zeit erreicht werden kann, als man früher annahm. Denn die Hälfte aller Patienten, die sich in Psychotherapie begeben, zeigt bereits zum Zeitpunkt der achten Sitzung eine signifikante Verbesserung, 75 % nach 14 Sitzungen (Lambert 2013). Optimale Behandlungsergebnisse zeigen sich in den meisten Fällen schon nach 25 Sitzungen. Einschränkend gilt, dass bei chronischen und komplexen Störungsbildern in der Regel längere Behandlungsdauern benötigt werden.

Wirksamkeit: Wie kaum eine (1)andere Psychotherapieform kann die IPT auf eine jahrzehntelange Forschung zur Wirksamkeit als Depressionstherapie verweisen. Die Methode gehört zu den am intensivsten untersuchten Depressionsbehandlungen. Metaanalysen zur IPT (Cuijpers et al. 2011, 2016; Barth et al. 2013; Zhou et al. 2015; Pu et al. 2017) belegen, dass der Ansatz nicht nur in der Akutbehandlung, sondern auch als Rezidivprophylaxe unipolarer episodischer Depression wirksam ist. Die IPT erwies sich als effektiver im Vergleich zu Kontrollbedingungen und gleich wirksam wie eine Pharmakotherapie und wie die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT).(2) Eine Kombination mit Antidepressiva hat sich im Vergleich zu alleiniger IPT oder alleiniger Pharmakotherapie als effizienter gezeigt, vor allem was die Nachhaltigkeit des Behandlungserfolges und die Verbesserung der sozialen Funktionsfähigkeit anbelangt. Die Studienlage ist in Abschnitt 4.5 zusammengefasst. Auf der Grundlage der Forschungsergebnisse wird die Methode in internationalen (USA, Kanada, Australien, UK, WHO) und nationalen Leitlinien empfohlen (▶ Abschn. 2.1).(1)

Flexible Anwendungen: Die offene(1) Einstellung der IPT-Begründer zeigt sich weiterhin in der flexiblen, halbstrukturierten Form des Verfahrens,(1) die es dem erfahrenen Psychotherapeuten erlaubt, sich sowohl an den individuellen Bedürfnisse(1)n und Eigenschaften des Patienten und seiner Bereitschaft zur Veränderung zu orientieren als auch den eigenen therapeutischen Stil umzusetzen. Der IPT-Therapeut muss sich somit nicht den z. T. dogmatisch vorgeschriebenen Richtlinien einer Therapieschule unterwerfen. Die (1)Flexibilität der Methode hat u. a. dazu geführt, dass zwischenzeitlich zahlreiche Modifikationen der ursprünglichen Version für andere Störungen und Settings entwickelt wurden (Weissman et al. 2018; ▶ Abschn. 4.5). In den letzten Jahren ist eine zunehmende Spezifizierung des Ansatzes anhand immer feiner definierter Störungsbilder erfolgt (z. B. IPT als Gruppenansatz für weibliche Inhaftierte mit komorbider Depression (1)und Substanzmissbrauch(1), (1)IPT-Kurzprogramm für depressive Mütter psychisch kranker Kinder).(1) Die IPT ist insgesamt relativ wenig an bestimmten Techniken, sondern vielmehr an spezifischen und systematisch aufeinander abgestimmten Interventionsschritten orientiert. Sie beansprucht jedoch nicht den Status einer eigenen, in sich geschlossenen Therapieschule. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Merkmale der IPT findet sich in Tabelle 1-1.

Tab. 1-1 Die wichtigsten Merkmale (1)der IPT für die Akutbehandlung(1)(1) depressiver Episoden.

Dauer und Frequenz

fokussierte, zeitlich begrenzte Kurztherapie

12 – 20 wöchentliche, ca. 50-minütige Einzelsitzungen

Indikation

ambulante Patienten mit akuter unipolarer Major Depression

Keine Indikation

Patienten mit psychotischen Merkmalen und/oder komorbider Substanzabhängigkeit

Patienten mit einer Vorgeschichte von schwerer, komplexer Traumatisierung und/oder ausgeprägter Persönlichkeitsstörung

reine Dysthymie

Anwendung

allein oder in Kombination mit antidepressiver Medikation

an einem Therapiemanual ausgerichtet

Behandlungsfokus

aktuelle zwischenmenschliche/psychosoziale Probleme oder Lebensveränderungen, die mit der depressiven Episode im Zusammenhang stehen

Behandlungsziele

Remission der depressiven Symptome

Reduktion der interpersonellen Probleme

Aufbau bzw. Nutzen eines sozialen Netzwerks

Hintergrund

hauptsächlich auf empirischen Befunden zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Depressionen beruhend

wechselseitiger Zusammenhang zwischen Depression und interpersonellem Geschehen

Zuordnung

keiner bestimmten Therapieschule zugeordnet

Sichtweise der Depressionsverursachung

multifaktorielle Verursachungs- und Vulnerabilitätsfaktoren

Therapeutenrolle

aktiv, unterstützend, sich auf die Seite des Patienten stellend (Advokat)

Wirksamkeit

empirisch als wirksam belegt

Literatur

Barth, J, Munder, T, Gerger, H et al. (2013): Comparative efficacy of seven psychotherapeutic interventions for patients with depression: a network meta-analysis. PLoS Med 10(5):e1001454

Bowlby, J (1969): Attachment and loss. Vol 1: Attachment. Hogarth Press, London

Bowlby, J (1988): A secure base: Clinical applications of attachment theory. Routledge, London (dt.: Elternbindung und Persönlichkeitsentwicklung. Therapeutische Aspekte der Bindungstheorie [1995]. Dexter, Heidelberg)

Cuijpers, P, Geraedts, AS, van Oppen, P et al. (2011): Interpersonal psychotherapy for depression: a meta-analysis. Am J Psychiatry 168: 581–592

Cuijpers, P, Donker, T, Weissman, MM et al. (2016): Interpersonal psychotherapy for mental health problems: a comprehensive meta-analysis. Am J Psychiatry 173: 680–687

Hames, JL, Hagan, CR & Joiner, TE (2013): Interpersonal processes in depression. Annu Rev Clin Psychol 9: 355–377

Hammen, CL & Smith, J (2014): Depression and interpersonal processes. In: Gotlib, IH & Hammen, CL (eds). Handbook of depression, 3rd ed. Guilford Press, New York

Joiner, TE, Coyne, JC & Blalock, J (1999): On the interpersonal nature of depression: Overview and synthesesis. In: Joiner, T & Coyne, JC (eds). The interactional nature of depression. APA, Washington

Klerman, GL, Weissman, MM, Rounsaville, BJ et al. (1984): Interpersonal psychotherapy of depression. Basic Books, New York

Lambert, MJ (2013): The effectiveness of psychotherapy. In: Lambert MJ (ed). Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior change, 6th ed. Wiley, New York

Lipsitz, JD & Makowitz, JC (2013): Mechanisms of change in interpersonal therapy (IPT). Clin Psychol Rev 33(8): 1134–1147

McCullough, JP (2000): Treatment for chronic depression. Cognitive behavioral analysis system of psychotherapy. Guilford Press, New York

Meyer, A (1957): Psychobiology: A science of man. Thomas, Springfield

Pu, J, Zhou, X, Liu, L et al. (2017): Efficacy and acceptability of interpersonal psychotherapy for depression in adolescents: a meta-analysis of randomized controlled trials. Psychiatry Res 253: 226–232

Ravitz, P & Watson, P (2014): Interpersonal psychotherapy: Healing with a relational focus. Focus 12(3): 275–284

Santini, ZI, Koyanagi, A, Tyrovolas, S et al. (2015): The association between social relationships and depression: a systematic review. J Affect Disord 175: 53–65

Sullivan, HS (1953): The interpersonal theory of psychiatry. Norton, New York

Weissman, MM, Markowitz, JC & Klerman, G (2018): The guide to interpersonal psychotherapy: Updated and expanded. Oxford Press, New York

Zhou, X, Hetrick, SE, Cuijpers, P et al. (2015): Comparative efficacy and acceptability of psycho-therapies for depression in children and adolescents: a systematic review and network meta-analysis. World Psychiatry 14: 207–222

2 Die Entwicklung und Verbreitung der IPT

Elisabeth Schramm und Mathias Berger

2.1 Die Entstehung der IPT in den USA

Vor 44 Jahren wurde (1)(1)(1)von der Arbeitsgruppe um Klerman die erste randomisiert kontrollierte IPT-Studie publiziert (Klerman et al. 1974). Zu dieser Zeit galt Psychotherapie noch weitgehend als »unüberprüfbar«. Kliniker hatten eine starke Präferenz für entweder Pharmakotherapie oder Psychotherapie, beide Ansätze zu kombinieren, war umstritten. Welche der beiden Interventionsmethoden überlegen ist und ob bei einer Kombination positive oder negative Interaktionen auftreten, war noch unbekannt. Was als Experiment im Forschungskontext der ersten klinischen (1)Wirksamkeitsstudie von Pharmako- und Psychotherapie begann, zunächst noch als »high contact« und später als Interpersonelle Psychotherapie (IPT) bezeichnet wurde, entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten Psychotherapiemodelle in der Depressionsbehandlung. IPT war zu dieser Zeit – und ist es bis heute – als interpersoneller, supportiver und betont lebensnaher Ansatz eine willkommene Alternative zur – laut Klerman – »sophistizierten« Vorgehensweise der Kognitiven Therapie nach Beck (1967; Beck et al. 1979), aber auch zur weniger an Alltagsproblemen orientierten psychodynamischen Therapie.

Zwischenzeitlich wurde das schulenübergreifende Modell auf der Grundlage fortgesetzter Forschung, aber auch eines wachsenden Bedarfs im Gesundheitswesen erweitert zur Behandlung depressiver Störungen über die gesamte Lebensspanne (von Jugendlichen bis zu Patienten im hohem Lebensalter) und in verschiedene Formate (z. B. als Gruppentherapie, stationäres Programm, via Internet) eingeteilt. IPT wurde außerdem erfolgreich modifiziert für verschiedene andere psychische Erkrankungen wie bipolare Störungen(2), Essstörungen(1) und Posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD)(1) sowie für verschiedene Kulturen (▶ Tab. 2-1; Überblick bei Ravitz und Watson 2014; ▶ Abschn. 4.5).

Tab. 2-1 Modifikationen der Interpersonellen Psychotherapie (IPT) und deren Evidenzen.(1)(1)(1)(1)(1)(3)(2)(2)(2)(1)(1)

Altersbereich

IPT für ältere Patienten (IPT-Late Life) ****

IPT für Adoleszente (IPT-A) ****

Setting und Zeitdauer

IPT als Paartherapie *

IPT im stationären Kontext ***

IPT in Gruppen ****

IPT via Internet und Telefon ***

IPT als Erhaltungstherapie ****

IPT als Kurzberatung (IPC; Interpersonal Counseling) ****

IPT in Entwicklungsländern und anderen Kulturen ****

Störungsform (affektiv und nicht affektiv)

IPT bei postpartaler Depression ****

IPT bei Depression in der Schwangerschaft ****

IPT bei Depression und körperlicher Erkrankung ****

IPT bei Dysthymie (kein *)

IPT bei bipolarer Störung ****

IPT bei Substanzabhängigkeit (kein *)

IPT bei Essstörungen (außer Anorexie) ****

IPT bei Postraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) ***

IPT bei Angststörungen ***

IPT bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen **

4 Sterne = Überlegenheit über eine Kontrollbedingung wurde durch mindestens zwei randomisiert kontrollierte Studien (RCT) belegt. 3 Sterne = Überlegenheit über eine Kontrollbedingung wurde durch mindestens eine RCT belegt. 2 Sterne = ermutigende Ergebnisse in mindestens einer offenen Studie oder Pilotstudie. 1 Stern = befindet sich in Überprüfung oder nicht überprüft. Kein Stern = negativer Befund (nicht wirksamer als eine Kontrollbedingung).

Während die Methode im Forschungsbereich hohe Anwendung und Anerkennung fand, blieb die entsprechende klinische Verbreitung im gleichen Ausmaße aus. Wie diese Entwicklung zu begründen ist und wie die Zukunft für die IPT aussehen könnte, wird im Folgenden ausgeführt. Zunächst wird auf die Gründungsgeschichte und Verbreitung der IPT in den USA und dann im deutschsprachigen Raum und anderen Ländern eingegangen.

Entstehung im Forschungskontext: (1)Die Entwicklung der Methode begann im Jahr 1968 in der Region Washington-Baltimore im Rahmen einer multizentrischen Studie zur Rückfallprophylaxe depressiver Erkrankungen(1) nach erfolgreicher pharmakologischer Akutbehandlung. Die Wirksamkeit trizyklischer Antidepressiva(1) zur Behandlung akuter Depressionen(1) war bereits unumstritten. Allerdings waren die optimale Dauer medikamentöser Therapie und die Rolle der Psychotherapie bei der prophylaktischen Behandlung noch unklar und Gegenstand heftiger Kontroversen, obwohl die meisten Patienten bereits damals zusätzlich irgendeine Form supportiver Psychotherapie(1)(2) erhielten. Gerald Klerman war zu jener Zeit einer der einflussreichsten Psychiater Amerikas und sowohl ausgewiesener Psychopharmakologe als auch Psychotherapeut. Er gehörte zu der Generation von Psychiatern, die der Psychotherapie eine entscheidende Rolle innerhalb der Psychiatrie beimaßen. Für die oben erwähnte Studie suchte er nach einer spezifischen Vergleichsbedingung für die medikamentöse Behandlung. Er gab seiner Arbeitsgruppe das Manual von Becks Kognitiver Therapie(1) (Beck 1967; Beck et al. 1979) mit den Worten: »Do something specified as this for supportive psychotherapy« (Beck 1968, zit. n. Weissman et al. 2007, S. 693). Daraus entstand die später als »Interpersonelle Psychotherapie« bezeichnete Methode, die eigens für diese Multicenterstudie entwickelt wurde. Diese Untersuchung blieb für lange Zeit die einzige kontrollierte Arbeit, die sich mit der prophylaktischen Wirkung von Psychotherapie beschäftigte (Klerman et al. 1974). Es ging den Autoren bei der Entwicklung der IPT also nicht darum, eine neuartige oder besonders originelle Psychotherapieform zu entwerfen, sondern vielmehr darum, ein strukturiertes psychologisches Therapieverfahren zu schaffen, (1)das sich mit einer standardisierten medikamentösen Behandlungsbedingung vergleichen ließ: »Our intent was not to develop a new psychotherapy but to describe what we believed was reasonable and current practice with depressed patients (. . .)« (Klerman und Weissman 1993, S. 4).

Entwicklung des Behandlungsmanuals:(1)Trotz(1) positiver Ergebnisse der ersten Studien von der Arbeitsgruppe um Klerman wartete man eine Replikation der Resultate durch andere Arbeitsgruppen ab, bevor schließlich das IPT-Manual im Jahre 1984 (Klerman et al. 1984; Update: Weissman et al. 2018) publiziert wurde. Mit dem Ziel, das Verfahren zur weiteren Wirksamkeitsüberprüfung zu standardisieren, wurden darin die Konzepte, Strategien und Methoden genau beschrieben. Die Behandlungsdauer war mit der Behandlungsdauer einer Pharmakotherapie vergleichbar. Das so entstandene Behandlungsmanual(1) (vgl. Teil II in diesem Buch) liefert eine systematische Aufstellung von Vorgehensweisen, die sich bei der Depressionsbehandlung als effektiv erwiesen haben (z. B. die Psychoedukation) und von denen man aus der Psychotherapieforschung weiß, dass sie für den Behandlungserfolg von Bedeutung sind (z. B. einen Behandlungsvertrag abzuschließen). Die pragmatische Auffassung der Begründer der IPT zeigt sich auch in ihrer Orientierung an der weitgehend atheoretischen diagnostischen bzw. nosologischen Einordnung der Depression(1) nach DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders; amerikanisches Klassifikationssystem; ▶ Abschn. 3.2). Das IPT-Manual wurde bislang in 12 Sprachen übersetzt.

Erste Wirksamkeitsnachweise in den USA: Die Autoren der (1)IPT bemühten sich von Anfang an, das Verfahren in vergleichenden klinischen Untersuchungen auf dessen Wirksamkeit zu überprüfen, dies auch in Abgrenzung zu den zu dieser Zeit vorherrschenden psychoanalytischen Therapien. Die ersten wissenschaftlichen Überprüfungen durch die Arbeitsgruppe von Klerman (Klerman et al. 1974; Weissman et al. 1979) bestätigten, dass diese Therapieform depressive Symptomatik reduziert, die soziale Funktionsfähigkeit verbessert und additive Effekte zur Pharmakotherapie aufweist. Nach dem gelungenen Nachweis der Effizienz (1)der IPT bei der akuten Depressionsbehandlung wurde der Ansatz von den Autoren selbst sowie von weiteren Forschungsgruppen für andere Arten psychischer Störungen weiter spezifiziert und untersucht.

Merke

Seit der ersten empirischen Evaluation des IPT-Modells im Jahre 1974 in den USA wurden weltweit über 600 wissenschaftliche Artikel publiziert und über 150 randomisiert kontrollierte Studien zur IPT durchgeführt, die in Metaanalysen zusammengefasst sind (Cuijpers et al. 2011, 2016; Barth et al. 2013; Zhou et al. 2015).

Thematisch befasste sich die Mehrzahl der Publikationen mit depressiven Störungen bei Erwachsenen gefolgt von Essstörungen und Depressionen im Kindes- und Jugendalter. Über die Jahre hinweg vollzog sich eine Entwicklung von der Beforschung der Wirksamkeit der IPT bei spezifischen Störungen (»efficacy«) zur Versorgungsforschung(1) (»effectiveness«) bis hin zur Anwendungs- und Verbreitungsforschung. Hier lag der Fokus auf der Identifikation von Moderatoren und Prädiktoren (Bei wem wirkt IPT?) und auf der Prozessforschung (Wie wirkt IPT?). Die Studien und Veröffentlichungen stammen aus zahlreichen Ländern und Kulturen und boten immer wieder innovative Entwicklungen. So wurde die IPT beispielsweise im Rahmen der allerersten Psychotherapiestudie in Afrika eingesetzt (Bolton et al. 2003).

Transfer in die Praxis: Trotz der (1)überzeugenden Wirksamkeitsnachweise und trotz der Empfehlung in nationalen und internationalen Leitlinien (▶ Tab. 2-2) hat sich die IPT in den USA im Vergleich zu anderen Methoden bisher nur relativ wenig verbreitet. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

Klerman und Weissman praktizierten eher im Forschungs- als im klinischen Setting. Darüber hinaus bremste Klermans früher Tod im Jahre 1992 eine weitere Popularisierung, Institutionalisierung und Ausweitung der praktischen Anwendung der IPT. Die IPT wurde auch nicht als vorgeschriebener Bestandteil in die amerikanischen (1)Weiterbildungsprogramme(1) zum psychiatrischen Facharzt(1) (Psychiatry Residency Training Program)(1) aufgenommen. Dahingegen wurde die Kognitive Verhaltenstherapie von Anfang an mit Nachdruck institutionalisiert sowie gefördert, und auch psychodynamische Therapien hatten in den USA bereits eine lange Tradition, sodass sich diese beiden Methoden in den USA am weitesten verbreitet haben.

Tab. 2-2 Behandlungsleitlinien, die Interpersonelle Psychotherapie (IPT)(1)(1)(3)(4) empfehlen (modifiziert nach Ravitz und Watson 2014).(1)(1)(1)(1)(1)(1)

Diagnose

Leitlinie

Depression

National Institute of Clinical Excellence (NICE)

American Psychiatric Association (APA)

American Psychological Association

Canadian Network for Mood and Anxiety Treatments (CANMAT)

World Health Organization (WHO)

Royal Australian and New Zealand Clinical Practice Guidelines (RANZCP)

Nationale Versorgungsleitlinie zur unipolaren Depression (S3-Leitlinie)

Essstörungen

APA

Bipolare Störungen

APA

CANMAT

RANZCP

2.2 Die IPT im deutschsprachigen Raum und in anderen Ländern

Die praktische Anwendung sowie die Verbreitung der (1)IPT haben in den letzten Jahren in anderen Ländern schneller zugenommen als in den USA. Besonders fortgeschritten ist die Etablierung der Methode in Großbritannien, Kanada, den Niederlanden, Australien und im stationären Bereich in Deutschland. Aber auch in Italien, Spanien, Brasilien, Japan, Frankreich, Norwegen, Schweiz, Schweden und der Türkei wird die IPT beforscht und praktisch eingesetzt. Auch in Entwicklungsländern und anderen Kulturen (z. B. Afrika, Indien, Puerto Rico) hat der Einsatz der IPT vorwiegend als Gruppenprogramm in den letzten Jahren eine vergleichsweise rasante Entwicklung genommen.

Vorgeschichte/Rahmen in Deutschland: Die Einführung der IPT in den deutschsprachigen Ländern in den frühen 90er-Jahren stand wie in den USA im Zusammenhang mit der geplanten Durchführung eines umfassenden Forschungsprojektes zur Rezidivprophylaxe(1)(1) depressiver Erkrankungen. Die von der pharmazeutischen Industrie finanzierte Vorbereitung auf diese Studie, die allerdings aus firmeninternen Gründen letztendlich nicht realisiert wurde, beinhaltete ein mehrtägiges Training von IPT-Therapeuten an zehn Universitätskliniken.

Die erste Publikation des (1)deutschsprachigen Manuals(1) (Schramm 1996) und die Gründung der Arbeitsgemeinschaft IPT im Jahre 1996, aus der später die Deutsche Gesellschaft für IPT (DGIPT) (1)entstand, lösten ein breites Interesse an der IPT in den deutschsprachigen Ländern aus. Dementsprechend ließen sich zahlreiche ärztliche und psychologische Psychotherapeuten sowie stationär arbeitende Behandlungsteams in IPT trainieren(1) (nähere Angaben zum IPT-Training ▶ Kap. 21), wobei die Anzahl an Kollegen aus dem Bereich der stationären Patientenversorgung die Zahl der niedergelassenen Kollegen übertraf. Dies hängt damit zusammen, dass in den 90er-Jahren zunehmend »Depressionsstationen«(1)etabliert wurden, für die das IPT-Konzept äußerst geeignet schien. Eine solche »Schwerpunktstation IPT« wurde modellhaft zunächst an der Freiburger Universitätsklinik implementiert und systematisch evaluiert (▶ Kap. 15).

Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft Interpersonelle Psychotherapie seit 1996

Gründung der Arbeitsgemeinschaft IPT im Jahre 1996 in Freiburg(1)

Publikation des ersten deutschsprachigen Manuals (1996)

Verbreitung der IPT (Vorträge, Kurse, wissenschaftliche Publikationen, Übersichtsartikel, Buchbeiträge und Bücher)

Entwicklung eines Weiterbildungs-Curriculums(1) (Zertifizierung) für deutschsprachige Länder

Aufbau von Depressionsstationen mit IPT-Konzepten

Etablierung eines German Chapter bei der International Society of IPT (ISIPT)(1)

Durchführung empirischer Studien

Anerkennung durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (2006)

Leitung der Arbeitsgruppe IPT im Rahmen des Fachreferats Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)(1)

Empfehlung in nationalen Leitlinien, Aufnahme in Integrierte Versorgungsverträge einzelner Krankenversicherungen

Gründung der Deutschen Gesellschaft für IPT (DGIPT; 2015 Antrag beim Gemeinsamen Bundesausschuss (GB-A) auf Anerkennung der IPT als Methode

Erste Wirksamkeitsnachweise in Deutschland:(1)(1)Stationäre IPT-Konzepte wurden in Deutschland parallel zu ihrer Entwicklung systematisch evaluiert (Schramm et al. 2004, 2007; zusammengefasst in Kapitel 15). Weitere deutschsprachige Studien zur externen Qualitätssicherung in der Depressionstherapie zeigten, dass die IPT zu den am häufigsten in der stationären Behandlung eingesetzten psychotherapeutischen Verfahren gehört (Härter und Bermejo 2006). Einige sog. Effectiveness-Studien (z. B. Schramm et al. 2004; Bodenmann et al. 2008; Peeters et al. 2013; Lemmens et al. 2015, 2018; Ekeblad et al. 2016; Saloheimo et al. 2016), aber auch die klinische Erfahrung weisen auf den kurz- und langfristigen Nutzen der IPT auch für mit Depression komorbide Störungsbilder hin.

Training in IPT: Inzwischen liegt (2)in Deutschland und in anderen Ländern ein (2)Curriculum für eine Zertifizierung in IPT vor (s. u.). Die Zertifizierungskriterien können allerdings je nach landesüblichen Standards unterschiedlich sein. Das Trainingsprogramm ist angelehnt an das im Rahmen des National Institute of Mental Health Treatment of Depression Collaborative Research Program (NIMH-TDCRP) (1)entwickelte Konzept (detailliertere Angaben zum Training ▶ Kap. 21). Ein deutlicher Vorteil der IPT im Vergleich zu anderen Methoden (z. B. Kognitive Verhaltenstherapie [KVT]) (3)besteht darin, dass die IPT relativ leicht zu erlernen und die erfolgreiche Durchführung bei entsprechendem Training auch durch weniger erfahrene Therapeuten möglich ist (s. auch Schramm et al. 2004, 2007).

Curriculum der Deutschen Gesellschaft für IPT (DGIPT)

Voraussetzungen für eine Zertifizierung in(1) IPT (basierend auf den Vorgaben der International Society of Interpersonal Psychotherapy [ISIPT]):

abgeschlossene (oder nahezu abgeschlossene) Psychotherapieausbildung

Grundkenntnisse in der Behandlung depressiver Erkrankungen

24 Unterrichtseinheiten didaktische Einführung, Demonstrationen und Übungen in dem Verfahren der IPT

mindestens 10 Unterrichtseinheiten video- oder audiogestützte Supervision von mindestens zwei depressiven Patienten durch einen IPT-Supervisor. Die Fälle sollten aus zwei verschiedenen Problembereichen stammen

Erfüllen der formalen Adhärenz-Kriterien bei einer Fallsupervision

Wissenschaftliche Anerkennung und Kostenerstattung:(1)(1)Trotz der zahlreichen Vorzüge konnte sich die IPT im deutschsprachigen Bereich nur (2)im stationären Setting gut verbreiten, während sie in der ambulanten Praxis bisher noch wenig Anwendung findet. Dies liegt weder an mangelndem Interesse der Kliniker oder Patienten noch an der Brauchbarkeit und Wirksamkeit im (1)ambulanten Rahmen (Cuijpers et al. 2011, 2016), sondern an der bisher berufspolitisch bedingten Verhinderung des Ansatzes als anerkannte und erstattungsfähige Methode im Richtlinienverfahren.

Bereits im Jahr 2006 hat der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie auf der Grundlage zahlreicher Wirksamkeitsnachweise (1)die Relevanz der Methode für die Depressionsbehandlung in einem Gutachten anerkannt. Im Jahr 2010 hat sich vor diesem Hintergrund eine Arbeitsgruppe der im Gemeinsamen Bundesausschuss (GB-A) mit der ambulanten Psychotherapie befassten Unterausschüsse mit der Frage beschäftigt, ob die Grundlagen für eine Methodenprüfung der IPT gegeben sind. Ein Antrag zur Überprüfung der IPT auf Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit für die vertragsärztliche Versorgung wurde von den Antragsberechtigten beim GB-A jedoch aufgrund anderer Prioritäten bei der Methodenprüfung bisher noch nicht gestellt. Als evidenzbasierte Methode ist die IPT jedoch in Direktverträgen mit den größten Krankenkassen erstattungsfähig.

2.3 Ausblick

Die IPT kann als Prototyp evidenzbasierter Psychotherapie(1)(1) bezeichnet werden, insofern als nicht nur die Wirksamkeit des Ansatzes empirisch belegt ist, sondern auch die zugrunde liegende theoretische Basis. Sie ist eine Methode erster Wahl zur psychotherapeutischen Behandlung unipolarer Depressionen und wird in nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen. Dennoch wird sie in Deutschland im ambulanten Setting bisher nur selten eingesetzt.

Das ist ein nur durch erfolgreichen Lobbyismus der Vertreter anderer Therapierichtungen und strukturelle Grundprobleme zu erklären. Für eine flexiblere und dennoch qualifizierte Versorgung depressiv Erkrankter wäre es außerdem sinnvoll, dass auch Berufsgruppen mit Expertise im neuropsychiatrischen Fachbereich die Ermächtigung für die Anwendung einer effektiven Methode ohne eine vollständige Psychotherapieausbildung in einem Richtlinienverfahren erhalten könnten. Die IPT bietet sich dafür durch die einfache Erlernbarkeit besonders an. Die Anerkennung einer sehr gut evaluierten Methode wie der IPT könnte die bekannten Versorgungsdefizite und die Effizienz in der ambulanten Betreuung depressiver Patienten erheblich verbessern. So erhalten nach Expertenbefragung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG)(1) nur etwa 10 % der depressiven Patienten in der Akutphase eine Psychotherapie. Zunehmend mehr Patienten, v. a. in ländlichen Regionen oder mit schweren Störungen, finden keinen Therapieplatz innerhalb des gesetzlichen Krankenversicherungssystems. Eine Novelle bei der Bewertung und Aufnahme von effizienten Psychotherapieverfahren wie der IPT durch den GB-A in die Regelversorgung ist überfällig (Dannegger und Schramm 2016).

Literatur

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Weissman, MM, Markowitz, JC & Klerman, G (2018): The guide to interpersonal psychotherapy: Updated and expanded. Oxford University Press, New York

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3 Fakten über depressive Erkrankungen – diagnostische und psychoedukative Phase der IPT

Eva-Lotta Brakemeier, Rolf Stieglitz und Elisabeth Schramm

Die in diesem Kapitel komprimiert dargestellten Informationen über affektive Störungen können als Grundlage für die Psychoedukation(1) in der Anfangsphase der Interpersonellen Psychotherapie (IPT) verwendet werden, in der sich Therapeut und Patient ausführlich mit dem Störungsbild der Depression beschäftigen. Auf Basis der systematisch erworbenen Informationen zur Symptomatik (▶ Abschn. 3.3) stellt der Therapeut eine Diagnose und klärt den Patienten über seine Erkrankung und Behandlungsmöglichkeiten auf (▶ Kap. 7). Ein umfassendes Wissen des Behandelnden über depressive Störungen ist daher von großer Bedeutung. So kann er auch die in der IPT geforderte therapeutische Rolle des »Depressionsexperten«