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Arjen: Normalerweise hält mein Interesse für einen Mann nur wenige Nächte an. Umso überraschender ist es, dass mich ausgerechnet der unverschämte Servicemitarbeiter bei der Kanzleifeier meines Anwaltskollegen dermaßen anzieht. Vor allem, weil er nicht nur den Wunsch in mir weckt, ihn in seine Schranken zu weisen und gleichsam zu beschützen. Sondern auch die Hoffnung, er könnte stark genug sein, wenn ich die Kontrolle verliere … Dean: Es war klar, dass Arjen de Vries und ich bei unserer ersten Begegnung aneinandergeraten. Denn er ist nicht nur erfolgreicher Anwalt und stinkreich, sondern vor allem ein arroganter Arsch. Mit ihm im Bett zu landen, war definitiv nicht geplant. Allerdings fühle ich mich bei ihm so geborgen und begehrt wie bei keinem Mann zuvor. Trotzdem kann zwischen uns nie mehr sein als das. Denn Arjen hat eine mehr als grenzwertige Vorliebe. Außerdem darf er nichts von meinem Hobby, den Graffitis, erfahren. Aber was, wenn ich ausgerechnet durch meine geheime Leidenschaft in eine Situation gerate, in der ich von seiner Nachsicht abhängig bin? Verdammt, ich fürchte, wir haben uns auf ein Spiel mit einem zu hohen Einsatz eingelassen … In „Intoxicated Love“ erwartet dich eine mitreißende MM-Romance voller Herzklopfen, gieriger Küsse und verbotener Leidenschaften. Frei nach dem Motto: ‚morally grey ist die schönste aller Farben‘. Aber auch Consens, Wohlfühlmomente und tiefe Gefühle kommen nicht zu kurz. Bitte beachte die Content Notes am Beginn des Romans. LAWYERS & LOVERS ist eine gefühlvolle und prickelnde MM-Romance-Reihe. In jedem Band findet ein anderer Anwalt seinen Mann fürs Leben, sodass alle Bände der Reihe unabhängig voneinander gelesen werden können. Hier und da tauchen jedoch bekannte Gesichter am Rande wieder auf.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Copyright © 2024 Svea Lundberg
Julia Fränkle-Cholewa
Zwerchweg 54
75305 Neuenbürg
www.svealundberg.net
Covergestaltung:
Fenja Wächter / www.fenjas-coverdesign.de
Bildnachweise:
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Buchsatz:
Annette Juretzki / www.annette-juretzki.de
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Rechte sind vorbehalten.
Die in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Der Inhalt des Romans sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.
Arjen:
Normalerweise hält mein Interesse für einen Mann nur wenige Nächte an. Umso überraschender ist es, dass mich ausgerechnet der unverschämte Servicemitarbeiter bei der Kanzleifeier meines Anwaltskollegen dermaßen anzieht. Vor allem, weil er nicht nur den Wunsch in mir weckt, ihn in seine Schranken zu weisen und gleichsam zu beschützen. Sondern auch die Hoffnung, er könnte stark genug sein, wenn ich die Kontrolle verliere …
Dean:
Es war klar, dass Arjen de Vries und ich bei unserer ersten Begegnung aneinandergeraten. Denn er ist nicht nur erfolgreicher Anwalt und stinkreich, sondern vor allem ein arroganter Arsch. Mit ihm im Bett zu landen, war definitiv nicht geplant. Allerdings fühle ich mich bei ihm so geborgen und begehrt wie bei keinem Mann zuvor.
Trotzdem kann zwischen uns nie mehr sein als das. Denn Arjen hat eine mehr als grenzwertige Vorliebe. Außerdem darf er nichts von meinem illegalen Hobby, den Graffitis, erfahren. Aber was, wenn ich ausgerechnet durch meine geheime Leidenschaft in eine Situation gerate, in der ich von seiner Nachsicht abhängig bin?
Verdammt, ich fürchte, wir haben uns auf ein Spiel mit einem zu hohen Einsatz eingelassen …
In »Intoxicated Love« erwartet dich eine mitreißende MM-Romance voller Herzklopfen, gieriger Küsse und verbotener Leidenschaften. Frei nach dem Motto: ‚morally grey ist die schönste aller Farben‘. Aber auch Consens, Wohlfühlmomente und tiefe Gefühle kommen nicht zu kurz.
Bitte beachte die Content Notes am Beginn des Romans.
»Lawyers & Lovers« ist eine gefühlvolle und prickelnde MM-Romance-Reihe. In jedem Band findet ein anderer Anwalt seinen Mann fürs Leben, sodass alle Bände der Reihe unabhängig voneinander gelesen werden können. Hier und da tauchen jedoch bekannte Gesichter am Rande wieder auf.
Liebe*r Leser*in,
ich freue mich, dass du Arjen & Dean kennenlernen und ihre gemeinsame Geschichte begleiten möchtest. Bevor du mit dem Roman startest, möchte ich dich auf ein paar Dinge hinweisen:
Dieser Roman ist Teil der lose zusammenhängenden Reihe »Lawyers & Lovers«, die ich gemeinsam mit Lili B. Wilms schreibe. In jedem Band findet ein anderer Anwalt seine Liebe fürs Leben. Das bedeutet, dass jeder Band der Reihe eine in sich abgeschlossene Geschichte mit jeweils eigenen Protagonisten behandelt. Du kannst also jedes Buch ganz für sich alleinstehend lesen. Allerdings wirst du in einigen Romanen Figuren aus den anderen Bänden treffen. In diesem Fall hier haben sowohl Leif und Gael aus Lilis Roman »Disrupted Heartbeats – Spiel mit den Herzen« einen Auftritt, als auch Étienne und Julian, die du möglicherweise bereits aus meinem Roman »Limits of Law – Wie Sand im Wüstenwind« kennst. Mehr Infos zu diesen Büchern findest du am Ende des Romans.
Außerdem möchte ich noch eine Warnung bezüglich des Romaninhalts aussprechen:
Dieser Roman beschäftigt sich unter anderem mit dem Thema Chemsex, was bedeutet, dass sexuelle Handlungen unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln vollzogen werden. Dies findet innerhalb des Romans mit Consens statt. Nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei um eine umstrittene und potenziell gesundheitsgefährdende Praktik. Zudem sind Besitz und Weitergabe von Betäubungsmitteln in Deutschland verboten. Dieser Roman dient nicht dazu, Drogenkonsum zu verherrlichen oder zu verharmlosen, sondern möchte diese Themen im Kontext einer fiktiven Geschichte problematisieren und verschiedene Ansichten beleuchten.
Des Weiteren möchte ich dich darauf hinweisen, dass dieser Roman folgende Themen enthält: toxische Freundschaften, emotionale Manipulation, Minderwertigkeitsgefühle, vor allem in Bezug auf den eigenen Körper, und Bodyshaming sowie toxische Männlichkeit. Weiterhin Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Nötigung.
Wenn du dich in der Lage fühlst, diese Geschichte zu lesen, wünsche ich dir nun viel Spaß und gutes Lesevergnügen mit Arjen & Dean.
Alles Liebe
Svea
März
Leer.
Das Zimmer war leer.
Mit einem schweren Ausatmen ließ ich mich auf die am Boden liegende Matratze fallen und sah mich um. Obwohl Tim mir vorab von Max hatte ausrichten lassen, dass das Zimmer unmöbliert war, hatte ich noch die winzige Hoffnung gehegt, es würde wenigstens ein Bett oder ein Tisch oder ein irgendwas darin stehen. Fehlanzeige. Da waren nur mein Koffer, eine große Sporttasche, zwei Klappkisten mit Geophysik-Büchern und anderweitigem Zeug für die Uni, mein Rucksack und drei Umzugskartons. Letztere waren allesamt bis oben hin mit Spraydosen, Caps, Schablonen und all dem anderen Kram, den ich für meine Graffitikunst brauchte, vollgepackt. Bei einer Kiste hatte ich nicht mal den Deckel schließen können. Oben ragten einige Leinwände heraus. Die Sachen waren mein Heiligtum und neben dem Unikram und Klamotten auch gefühlt das Einzige, was ich besaß. Oh, und eben noch jene Matratze. Die hatte ich mir vor rund einem Jahr gegönnt, weil die in meinem alten WG-Zimmer bereits vom Vormieter durchgelegen gewesen war, als ich sie zu Beginn meines Studiums samt Bett übernommen hatte.
Vermutlich wäre es nett gewesen, wenn ich diese Matratze, auf der ich gerade saß, dortgelassen hätte. Ich sah es aber überhaupt nicht ein, zu meinem Ex-Vermieter noch nett zu sein.
Tim und unser anderer Mitbewohner hatten bereits im vergangenen Jahr ihren Abschluss gemacht und angekündigt, auszuziehen. Daraufhin hatte unser Vermieter kurzerhand beschlossen, dass er keine Studenten mehr in seiner Wohnung haben wollte. Zumindest keine fremden. Er hatte Eigenbedarf angemeldet, für seine Nichte, die angeblich bald in Karlsruhe ihr Studium beginnen würde. Im aktuellen Wintersemester hatte sie das nicht getan. Das war mit ein Grund, weshalb mein Anwalt, der mir von einem Bekannten – Étienne, um genau zu sein – vermittelt worden war, mehrere Monate Aufschub für mich erstritten hatte. Pro bono, weil ich mir den Rechtsstreit niemals hätte leisten können. Letzten Endes hatte es mir ohnehin nicht viel gebracht, da ich nicht allein die komplette Miete aufbringen konnte. Neuen Mitbewohnern hätte der Vermieter natürlich niemals zugestimmt. Also war mir letztlich nichts anderes übriggeblieben, als mir eine neue Bleibe zu suchen. Was mitten im Semester, in einer Studentenstadt wie Karlsruhe, und wenn man nur ein begrenztes Budget zur Verfügung hatte, fucking schwierig war. So gesehen sollte ich über mein neues, unmöbliertes Zimmer froh sein. War ich auch. Zumal das Zimmer und die Wohnung insgesamt größer waren als die alte. Außerdem hatte ich das Glück, meinen Mitbewohner nicht nur bereits zu kennen, sondern mit ihm in einer Sprayer-Crew zu sein. Blieb nur die Frage, wo ich Möbel herbekommen sollte. Möbel, die ich mir leisten konnte … Zwar kam ich mit meinem BAföG und dem, was ich bei Étienne verdiente, ganz gut über die Runden. Aber da ich jeden übrigen Cent für meine Leidenschaft ausgab, stellte mich jedwede ungeplante Anschaffung vor eine ziemlich hohe Hürde. Ich könnte mein eisern Erspartes ankratzen, das ursprünglich für eine OP gedacht gewesen war, welche ich dann – dank Étiennes Partner Julian – doch nicht hatte machen lassen. Aber an dieses Geld wollte ich eigentlich nicht ran. Wer wusste schon, ob ich mich nicht doch noch eines Tages dazu entschloss, meinen kleinen Hintern aufspritzen zu lassen.
»Hey!« Max lehnte sich lässig in den Rahmen der offen stehenden Zimmertür. »Du warst länger bei keiner Aktion mehr dabei.«
Mit seiner Feststellung, aus der ich einen leisen Vorwurf herauszuhören meinte, lenkte er mich erfolgreich von meinen Geldproblemen – und meinen Bodystruggles – ab. »Jaaa«, entgegnete ich gedehnt und deutete vage auf einen der Umzugskartons, »hab mich in letzter Zeit mehr mit den Stencils beschäftigt. Hatte irgendwie nicht mehr so den Drive, seit Tim ausgezogen ist.« Das stimmte zu einem Teil. Durch Tim hatte ich gleich zu Beginn meines Studiums nicht nur einen guten Kumpel gefunden, sondern war auch in die Sprayerszene gekommen und sogar ziemlich schnell in eine Crew aufgenommen worden: die Beasts of Prey. Ich erinnerte mich noch gut an das erste Graffiti, das wir alle gemeinsam gesprüht hatten. An das megastolze Gefühl, das mich geflutet hatte, als ich den Tag der Crew hatte daruntersetzen dürfen. Und an den Moment, in dem das euphorische Hochgefühl urplötzlich in Panik umgeschlagen war, als uns beinahe die Bullen erwischt hatten.
Der zweite Teil der Wahrheit, den ich Max lieber verschwieg, war, dass ich mich ohne Tim nicht mehr so recht traute, zum Sprayen loszuziehen. So sehr ich das Adrenalin bei solchen Aktionen auch liebte, mir folgte immer die Angst, doch mal festgenommen zu werden. Ein ekliges Gefühl, das mich verstärkt begleitete, seit ich bei Étienne arbeitete. Von meinem zumindest teilweise illegalen Hobby hatte er keine Ahnung. Dennoch schob ich oft genug Paranoia, dass er, nur weil er Anwalt war, irgendwie dahinterkam. Dass er mich deswegen feuerte oder – noch schlimmer – verklagte.
»Na, dann ist es ja gut, dass du jetzt bei mir wohnst«, meinte Max und grinste mir vielsagend zu, sodass ich bereits ahnte, was folgen würde. »Ich erinner dich schon daran, wie geil es ist, mit der Crew loszuziehen. Also, heute Nacht …?«
War klar gewesen … So gesehen war es vielleicht doch nicht meine klügste Idee gewesen, beim Kopf der Beasts of Prey einzuziehen. Ich gab mir Mühe, möglichst lässig auszusehen, und stemmte mich von der Matratze hoch. »Kann nicht, sorry. Muss nachher noch arbeiten.«
Max zog die Brauen nach oben, was ihm eine mehr als ohnehin schon abschätzige Attitüde verlieh. Wüsste ich es nicht so verdammt viel besser, hätte ich nie vermutet, dass sich hinter dem geschniegelten Kerl in Designerklamotten einer der begnadetsten und auch berüchtigtsten Sprayer der Umgebung verbarg. Bekannt unter dem Decknamen Lion. Sein Blick jedenfalls verriet, dass er ganz sicher keinem Nebenjob parallel zu seinem Studium des Bauingenieurwesens nachging. Seine Ausbildung, die Wohnung – all das war sponsored by Daddy.
»Wo jobbst du denn?«, fragte er und sah mir dabei zu, wie ich den Reißverschluss an meinem Koffer aufzog, um andere Klamotten herauszusuchen. »In ’ner Bar?«
»Nope.« ›Bei einem der erfolgreichsten und nebenbei heißesten Anwälte der Stadt.‹ »Hab ’nen Job als Haushaltshilfe. Reinigungskraft. Wie auch immer.«
Ich brauchte Max – eigentlich Maximilian Justus Trautwein – nicht anzusehen, um vor Augen zu haben, wie er den Mund verzog.
»Aha. Hast du nichts anderes gefunden? Ich könnte dir einen Job bei –«
»Nicht nötig, danke«, fiel ich ihm ein bisschen giftiger als vielleicht notwendig ins Wort. Mir war schon klar, dass bei jemandem zu putzen und ab und an anderen Haushaltskram zu erledigen, für viele – und besonders für Leute wie Max – ein Job zweiter oder gar zehnter Klasse war. »Mir macht’s eigentlich Spaß und außerdem zahlt der Typ gut.« Ich nannte Étiennes Namen absichtlich nicht, das ging Max nichts an. Mal abgesehen davon, dass ich in den paar Stunden pro Woche mehr verdiente, als ich es mit Kellnern oder anderen typischen Studentenjobs getan hätte, konnte ich, während ich saubermachte, meine Musik hören und –
»Wofür noch, außer fürs Putzen?«
Irritiert hielt ich in der Bewegung, einen meiner Lieblingshoodies aus der Tasche zu ziehen, inne. »Hä?«
»Na, komm schon«, Max’ Grinsen bekam etwas Anzügliches, »du gehst privat bei ’nem Typen putzen und sagst, du verdienst da gut. Schrubbst du ihm auch den Schwa–«
»Spinnst du?« Ehrlich wütend funkelte ich ihn von unten herauf an. »Denkst du, ich lass mich für Geld von ihm ficken?«
»Das vielleicht nicht …« Seiner Miene nach zu schließen, waren Max seine Andeutungen nun unangenehm. Recht so! Der hatte doch nicht alle Latten am Zaun! »Ich dachte ja nur …«
»Was?«, zischte ich ihm zu. »Sag’s ruhig.« Wenn er mir jetzt mit einem queerfeindlichen Spruch kam, würde ich bereits in den ersten Stunden unseres Zusammenlebens mal ganz dezent ausflippen. Max konnte nicht wissen, dass Étienne in einer Beziehung mit einem Mann – mit Julian – war, aber er wusste, dass ich auf Kerle stand. Bislang hatte ich nicht das Gefühl gehabt, dass er ein Problem damit hatte. Aber wenn doch, dann –
»Sorry, Mann«, lenkte er ein und wand sich sichtlich unwohl, »war ein dummer Spruch. Tut mir leid.«
Ich maß ihn noch einen langen Moment mit bohrendem Blick, ehe ich mit einem Seufzen verkündete: »Schon okay. Spar dir so ’nen Mist zukünftig einfach. Ich arbeite da einfach nur. Ein ganz normaler Job.«
»Verstanden.« Max stieß sich vom Türrahmen ab. »Aber nicht nachts, oder? Also ziehen wir später noch los?«
Mal abgesehen davon, dass ich mir nicht so sicher war, ob ich darauf heute Lust hatte – mit ihm, nach der blöden Klappe –, war tatsächlich fraglich, wie lange ich heute in Étiennes Wohnung brauchen würde. »Kann heute länger dauern. Ich war diese Woche noch nicht dort, wegen meinen Klausuren. Muss erst schauen, was es alles zu tun gibt.«
Dass die Prüfungsphase vor Ende des Wintersemesters gerade begonnen hatte, war auch der Grund, weshalb ich mit Étienne ausgemacht hatte, diese Woche abends zu ihm zu kommen. Normalerweise putzte ich bei ihm, wenn er in der Kanzlei, vor Gericht oder anderweitig beruflich außer Haus war. Heute Abend wollten er und Julian ins Theater. Ich würde also dennoch sturmfrei bei ihm haben.
»Hmm, okay.« Zu meiner eigenen Überraschung gab Max klein bei. »Aber lass uns echt bald mal wieder was starten. Die anderen haben auch schon gesagt, dass mal wieder ein Graffiti von Cougar hermuss. Dein Style ist einfach unverkennbar.«
Schande über mein Haupt, dass mir diese Aussage schmeichelte. Mein kleiner großer Traum war es, irgendwann mit meinen Stencils bekannt zu sein. Nicht mit den Graffitis, die ich auf Hauswände sprühte. Aber das war ein Anfang … Oder es war alles nur ein Traum, von dem ich meilen- oder eher universumsweit entfernt war. Bislang hatte ich ein einziges meiner Schablonenkunstwerke verkauft. Für fünfzig Euro. An meinen ehemaligen Kunstlehrer. Da tat es gut, wenigstens von meiner Crew zu hören, dass sie meine Graffitikunst schätzten. Auch, wenn ich mir von einer besprühten Hauswand rein gar nichts kaufen konnte. Sondern vielmehr hoffen musste, nie bei einer solchen Aktion erwischt zu werden.
~~~
Sobald ich die Tür zu Étiennes Wohnung aufschob, drangen Stimmen an meine Ohren. Verwundert sah ich auf die Uhrzeitanzeige auf meinem Handy. Ich war nicht zu früh, sondern die beiden zu spät. Oder hatte ich wieder mal etwas verrafft und Étienne gar nicht neunzehn Uhr gesagt?
Die Überlegungen zerfaserten, als Julian in den Flur trat, dicht gefolgt von Étienne. Der schloss gerade den Gürtel seiner Hose, was meinen Blick unweigerlich dorthin lenkte. Kurz nur, aber es reichte, um mich an Max’ Worte zu erinnern – und den hitzigen Schauer in meinem Nacken wahrzunehmen.
»Hi, Dean!«
Abrupt riss ich den Kopf hoch und zwang meinen Blick in Julians Gesicht. Ein Schmunzeln lag auf diesem. Grandios, hatte er bemerkt, dass ich seinem Partner auf den Schritt stierte?
»Heeey … Julian.« Energisch straffte ich mich. »Hallo, Étienne.«
Er grollte nur irgendetwas, das sowohl eine Begrüßung als auch alles andere hätte sein können, und nahm einen seiner Mäntel von der Garderobe.
Julian verdrehte leicht die Augen. »Sei nett zu ihm.«
Étienne schnaubte. »Ich bezahle ihn überdurchschnittlich, ich muss nicht nett sein.« Das eine Wort spuckte er nahezu angeekelt aus, was sowohl seinen Partner als auch mich zum Grinsen brachte. Wenn auch schief. Julians Blick schien nur eines zu sagen: ›arroganter Anwaltsarsch!‹ Dabei wussten wir beide – er sicher noch tausendmal besser als ich –, wie wir Étiennes Reaktion zu deuten hatten. Er war ein arroganter Anwaltsarsch. Aber einer, auf den man zählen konnte, wenn man sich in sein nach außen hin kühles Herz geschlichen hatte. So wie Julian.
Die Geste, mit der Étienne ihm in den Mantel, der dann wohl doch Julians gewesen war, half, hatte in ihrer zuvorkommenden Schlichtheit etwas wahnsinnig Umsichtiges. Liebevolles. Ebenso wie der Blick, den Julian ihm zuwarf. Ehe er sich wieder an mich wandte.
»Seine Hoheit von Hagen hat schlechte Laune, weißt du? Die Firma, die das Catering für seine Kanzleifeier organisiert, hat Personalprobleme und vergessen …«, er betonte das Wort und Étienne schnaubte erneut, »das rechtzeitig zu kommunizieren. Ich hatte ja gehofft, ich könnte ihn vor unserem Theaterbesuch milde stimmen, aber wie du siehst …«
Julian beendete den Satz nicht. Musste er auch nicht. Mein Kopfkino hatte er längst entfacht. Mit einem energischen Blinzeln vertrieb ich die Vorstellung, wie Julian vor Étienne kniete und ihn besänftigte.
»Das ist ja blöd«, beeilte ich mich zu sagen. ›Oder auch nicht …?‹ »Ich könnte das machen«, platzte es aus mir heraus, bevor ich nur annähernd über mein Angebot – oder eher meine Bitte – nachgedacht hatte.
Zeitgleich wanderten Julians und Étiennes Blicke wieder zu mir. Letzterer zog eine Braue hoch. Nur eine. Machte damit das Bild vom erfolgreichen Anwalt, der auf seine Untergebenen hinabsah, perfekt. Zum Teufel mit mir, dass ich jedes Mal auf dieses Gehabe ansprang. Nur, dass ich bei Étienne auch bevor er wieder mit Julian zusammengekommen war, nie eine Chance gehabt hatte.
»Du willst bei meiner Kanzleifeier den Service übernehmen?«, hakte er nach, als könnte er nicht glauben, was ich vorgeschlagen hatte.
Konnte ich selbst eigentlich auch nicht. »Ja, warum nicht?«, entgegnete ich lahm.
»Weil es einen Abend lang deine Aufgabe wäre, reiche Schnösel zu bedienen. Und dabei nett zu sein.«
Ich verzog den Mund. Die Vorstellung war wirklich nicht erstrebenswert. Dennoch wurde meine Geste zunehmend zu einem Grinsen. »Ist doch nichts anderes, als ich hier bei dir tue«, schoss ich ihm entgegen.
»Punkt für Dean«, mischte Julian sich ein und streifte dabei besänftigend Étiennes Arm. »Ernsthaft, ich finde die Idee gut. Lass Dean den Service gemeinsam mit Natalie und Aleksandra machen. Die beiden haben es wie oft angeboten? Und wenn viel Trubel ist, kann ich auch helfen. So ersparst du dir den Stress, noch kurz vor knapp –«
»Kommt nicht in Frage.« Die Bestimmtheit in Étiennes Stimme ließ kaum einen Widerspruch zu. Gleichsam barg die Art, wie er Julian ansah, eine unglaubliche Wärme. »Du bist mein Mann. Du bedienst niemanden.« Ein winziges, süffisantes Grinsen zupfte an seinen Mundwinkeln. »Außer mich«, setzte er leiser, rauer hinzu.
›Shit, diese Bilder – raus aus meinem Kopf!‹
Warum war dieser Anwaltsarsch auch so heiß? Warum waren die beiden zusammen so heiß?
Julian murmelte etwas Unverständliches und küsste Étienne flüchtig.
»Also, was ist, hab ich den Job?«
Étienne kapitulierte mit einem demonstrativen Seufzen. »Ja, hast du.«
›O yesss!‹ Das löste einen großen Teil meines Möbelproblems. Vorausgesetzt …
Étienne zog bereits die Wohnungstür, die ich nicht ganz geschlossen hatte, vollends auf.
»Was zahlst du?«
»Kommt drauf an, wie nett du zu meinen Kollegen bist.«
»Ich werde so charmant und hinreißend sein, wie du nicht mal geahnt hast, dass ich sein kann.«
Julian lachte leise und trat durch die offen gehaltene Tür. »Wir müssen …«, murmelte er Étienne zu.
»Darüber sprechen wir noch«, entgegnete dieser, was ich nur mit einem Nicken kommentierte. Innerlich war ich durchaus erleichtert und zufrieden. Immerhin wusste ich, dass Étienne mich mehr als fair bezahlen würde. Das mit dem Nettsein würde ich schon hinbekommen.
Ich stellte den Motor meines AMG ab und ließ meinen Hinterkopf gegen die Nackenstütze sinken. Mit beiden Händen rieb ich mir übers Gesicht, über die Augen. Versuchte so, die Müdigkeit aus ihnen zu verbannen. Vorhin, als ich wenigstens für eine halbe Stunde zu Hause gewesen war, um zu duschen und mich umzuziehen, hatten kaltes Wasser und ein doppelter Espresso für Besserung gesorgt. Leider nur kurzfristig.
Hätte ich nicht so klare Prinzipien gehabt, was Konsum anging, wäre jetzt ein prädestinierter Zeitpunkt, eine Nase voll Koks zu ziehen. Aber in Bezug auf Betäubungsmittel verfolgte ich fünf goldene Regeln. Die Erste davon: Konsumiere nie, um irgendetwas zu kompensieren. Zweitens: Konsumiere nur, wenn du mental und körperlich in der Lage bist, es sein zu lassen.
Ich konnte es sein lassen. Also ließ ich es sein.
Was ich brauchte, war kein High, sondern einfach Schlaf. Denn den hatte ich seit inzwischen rund sechsunddreißig Stunden nicht mehr gehabt. Bis spät in die vergangene Nacht hatte ich mit Mandanten zusammengesessen. Erst rein geschäftlich, dann bei einem Absacker in einer der teuersten Bars in Amsterdam. Mich danach in meinem Apartment hinzulegen, hatte sich nicht mehr gelohnt. Stattdessen hatte ich noch zwei Stunden an meinem Laptop gearbeitet und mir dann ein Taxi zum Flughafen genommen. Kaum in Stuttgart gelandet, hatte Melissa, meine Rechtsanwaltsfachangestellte, angerufen, um zu fragen, wann ich in der Kanzlei sein würde. Die Kanzlei in Karlsruhe, nicht die in Amsterdam.
Bis vor einer knappen Stunde hatte ich gearbeitet. Erstaunlich eigentlich, dass ich es überhaupt pünktlich hierhin geschafft hatte. Zu Étienne Hagens Feier anlässlich seiner Ernennung zum BGH-Anwalt. Gewissermaßen war das hier also auch Arbeit. Vermischt mit Vergnügen. Wobei sich meine Lust auf all die Anwaltskollegen gerade ehrlicherweise in Grenzen hielt.
Noch einmal rieb ich mir übers Gesicht, strich über meinen Bart und zupfte den Hemdkragen zurecht. Mein Jackett lag auf dem Beifahrersitz. Ich stieg aus und zog es an. Stellte dabei fest, dass es ein wenig an meinen Schultern spannte. War mein Kreuz noch breiter geworden? Vielleicht sollte ich das regelmäßige Boxtraining sein lassen. Aber es war mein bester und vor allem auch gesündester Ausgleich zu all der Arbeit, in der ich bis zum Kinn steckte.
Mit Druck auf den Funkschlüssel schloss ich meinen Wagen ab und marschierte strammen Schrittes auf den Altbau zu, in dem Étiennes Kanzlei lag. Es war einige Monate her, dass ich hiergewesen war. Vielleicht sogar ein Jahr, und auch Étiennes und mein letztes Zusammentreffen war einige Zeit her. Ich bezweifelte, dass er mich aufgrund irgendwelcher sympathiegelenkter Gefühle zu seiner Feier eingeladen hatte. Étienne und ich standen uns nicht nahe, hatten wir schon bei unserer gemeinsamen Zeit bei Verhoeven Advocates and Legal Consultants nicht getan. Wir schätzten einander als gute Anwälte und – wenn man unbedingt eine private Basis hineininterpretieren wollte – als ähnlich dominant veranlagte Alphamänner. Der Gedanke brachte mich zu einem schiefen Schmunzeln. Unnötig zuzugeben, dass uns unser Ego manchmal zu kleinen Machtkämpfen veranlasste. Nicht ganz ernst gemeinte allerdings. Wir konnten die Erfolge des jeweils anderen durchaus anerkennen. Wobei es uns vermutlich zu Gute kam, dass wir nicht im selben Rechtsbereich tätig waren.
Die Gedanken verflüchtigten sich beim Anblick des blonden Mannes in gut sitzendem Anzug und akkurater Frisur, der vor der breiten Tür des Altbaus stand und diese anstarrte. Als überlegte er, ob er hineingehen sollte oder nicht.
Kurzerhand griff ich neben ihm an die Klingel.
»Guten Abend.« Von der Seite maß ich den Mann, der augenscheinlich ein paar Jahre jünger war als ich selbst. Vielleicht Ende zwanzig.
Er wandte sich mir zu und offenbarte mir damit besten Blick auf ein nahezu perfekt symmetrisches Gesicht mit fein geschwungenen Lippen. Diese verzog er zu einem charmanten Lächeln, das fast schon harmlos wirkte – oder genau so wirken sollte. Jedenfalls schien er sich des Effekts seines Äußeren bewusst zu sein. Was mir durchaus gefiel.
Ich grinste ebenfalls. »Gehst du auch auf die Party vom Kollegen Hagen?« Ich vermutete an der Stelle einfach mal ganz stark, dass er ebenfalls Jurist war.
»Ja, da haben wir wohl denselben Weg.«
Der Summer ertönte und ich schob die schwere Tür auf, hielt sie für ihn offen. »Arjen de Vries. Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.« Kurz meinte ich, eine interessierte Bewegung seiner Augen wahrzunehmen. Eine Wirkung, die ich – und primär mein niederländischer Akzent, den ich nie ganz loswurde – nicht selten hatten.
»Freut mich. Leif Mennen. Nein, ich denke nicht. Ich war schon fast zwei Jahre nicht mehr hier.« Er ging an mir vorbei ins Innere des Altbaus. »In meiner Zeit bei Étienne sind wir uns nicht begegnet, denke ich.«
Hinter uns glitt die Tür langsam ins Schloss.
»Nein, das wüsste ich noch.«
Das implizierte Kompliment hatte er definitiv wahrgenommen, das verriet sein Lächeln. Er wandte sich der Treppe zu, was mir gelegen kam – ich hasste Aufzüge! – und ließ mich vorgehen.
»Arbeitest du mit Étienne zusammen?«, erklang seine warm-melodische Stimme in meinem Rücken.
Über die Schulter warf ich ihm einen flüchtigen Blick zu. »Nein, nicht mehr. Aber du anscheinend.«
»Als Referendar. Er war Teil meiner Zivilstation.«
Dann hatte ich die Schätzung seines Alters entweder ein, zwei Jahre zu niedrig angesetzt oder er war ein Musterschüler. »Und? Dem Medizinrecht treu geblieben?«
Mittlerweile hatten wir den zweiten Stock erreicht. Die Tür zur Kanzlei war geschlossen, aber von dahinter drangen eindeutig die Stimmen mehrerer Leute hervor.
»Ja, tatsächlich. Bist du auch darin tätig?«
»Oh!« Ein leises Lachen entwich mir, obwohl der Gedanke natürlich grundsätzlich nicht abwegig war. »Nein, auf keinen Fall. Allein die Streitwerte wären mir viel zu gering.«
Leifs Lächeln, das auf meine Entgegnung folgte, war … unverbindlich. Die Art, wie er die Tür öffnete und mich auffordernd ansah, hatte nichts von einer Einladung. Nach dem gegenseitigen Abtasten war er augenscheinlich zu dem Entschluss gelangt, dass wir einfach nur Kollegen waren, die sich zufällig getroffen hatten. Mir sollte es recht sein. Obwohl ich gern zugab, dass er mir rein optisch gefiel. Aber mit Anwaltskollegen zu vögeln, hatte ich ohnehin weitgehend aufgegeben. Zum einen, weil es nicht selten unschöne Verwicklungen mit sich brachte. Zum anderen, weil wir im Bett meist nur bedingt kompatibel waren. In Schubladen gedacht, gab es gefühlt nur zwei Arten von Männern in unserer Zunft: Diejenigen, die genau wie ich zu dominant waren und so der Sex in ein Machtspiel ausuferte, bei dem am Ende beide frustriert waren, weil keiner bereit war, nachzugeben – und hinzuhalten. Oder diejenigen, die es mochten, abseits des stressigen Jobs jedwede Verantwortung abzugeben. Zwei Extreme gewissermaßen, die beide ihren Reiz hatten, mich aber letztlich doch nicht fesselten.
In gewisser Weise suchte ich ein Zwischending – und musste mir eingestehen, dass auch ich gern mal nicht die Kontrolle behielt. Nur hatte das bei mir alles andere als mit einer devoten Ader zu tun.
In welche Kategorie Leif sich einordnen ließe, war schwer zu sagen.
Also wies ich lediglich mit einer ausladenden Geste in die Kanzlei hinein. »Bitte, nach dir. Dann wollen wir mal sehen, welche interessanten Kontakte Étienne heute eingeladen hat.«
Ganz kurz stockte Leif, dann jedoch trat er energischen Schrittes ein. Ich folgte ihm, schloss die Tür hinter uns und verabschiedete mich von ihm. Ebenfalls unverbindlich. Entweder, man sah sich im Laufe des Abends wieder oder eben nicht. Wen ich dringender anzutreffen gedachte, war der Gastgeber, und mir fehlte die Lust, ihn suchen zu müssen.
Zielstrebig ging ich auf eine der Damen in edlem dunkelblauen Hosenanzug und mit streng gebundenem Zopf zu. Sie bemerkte mich sogleich, schenkte mir ein routiniert höfliches Lächeln. »Herr de Vries, schön, Sie mal wieder bei uns begrüßen zu dürfen.«
»Danke für die Einladung.« – Auch wenn die logischerweise nicht von ihr, sondern von Étienne kam, war es doch sehr gut möglich, dass sie für den Versand derer verantwortlich gewesen war. »Können Sie mir sagen, wo ich Herrn Hagen finde?«
»Vor zwei Minuten stand er noch mit seinem Mann und ein paar Kollegen auf dem Balkon. Diese Richtung, direkt am Besprechungszimmer.«
»Danke!«
Ich fand Étienne, wie prophezeit, auf dem Balkon, der sich an den großzügigen und hochpreisig ausgestatteten Besprechungsraum anschloss. Flüchtig schweifte mein Blick über den Hinterhof und die umliegenden Gebäude, die in der Dämmerung lagen. Ehe ich mich den vier Herren zuwandte.
»Arjen!« Étienne streckte mir eine Hand entgegen, in die ich sogleich einschlug. Der Druck unserer Finger fest, eine feine Nuance dieses beruflichen Kräftemessens, das unsere Begegnungen stets begleitete. »Schön, dass du es einrichten konntest.«
»Étienne … immer gern. Glückwunsch zur Berufung an den BGH – verdient.« Den winzigen Zusatz, als sei ich befugt, darüber zu urteilen, konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Das minimale Zusammenkneifen von Étiennes Augen zeigte, dass er ihn wahrnahm und sofort begriff.
»Danke«, entgegnete er glatt. Wir ließen einander los und Étienne wandte sich den anderen Männern zu. Zunächst seinem Lebensgefährten.
»Julian – Arjen, ihr kennt euch ja.«
Flüchtig nur, aber ja. »Freut mich, dich wiederzusehen«, sagte ich sogleich und meinte es auch so. Julian van Büren war – soweit ich das beurteilen konnte, denn Medizinisches war eben nicht mein Steckenpferd – ein begnadeter Chirurg, dessen Praxis für Plastische Chirurgie einen sehr guten Ruf genoss. Vom beruflichen Erfolg abgesehen, war er der Typ Mensch, mit dem man sich – oder zumindest ich mich – gern unterhielt. Und er war attraktiv.
»Freut mich auch.« Sein Lächeln wirkte offen und aufrichtig.
Anschließend stellte Étienne mir die beiden Kollegen vor. Alejandro Ruiz Vicario, Fachanwalt für Medizinrecht und Counsel in Étiennes Kanzlei, sowie Manuel Leubner, Fachanwalt für Strafrecht und Equity Partner in einer bekannten Stuttgarter Kanzlei.
»Arjen de Vries, M&A«, schloss er seine Erklärung, »und – wie ich hörte – ebenfalls mit Grund zum Feiern?«
›Hagen, du kaltschnäuziger Arsch!‹ Er klang so unterschwellig und doch für mich offensichtlich gönnerhaft. Insgeheim hätte es ihm sicherlich eine Heidenfreude bereitet, hätte ich ihm auf Knien dafür gedankt, dass er mir ebenfalls die Chance gab, mich zu profilieren. Ich hätte ihn dafür gern einmal gewürgt und gleichzeitig musste ich mir ein Schmunzeln verkneifen. Weil ich selbst ihm ja erst die Steilvorlage, direkt in den ersten Schlagabtausch zu gehen, gegeben hatte.
»Ach, kaum der Rede wert. Nur eine weitere Kanzleieröffnung. In Amsterdam.«
Manuel Leubner, eindeutig der Jüngste in unserer kleinen Runde, griff den Faden sofort auf. »Amsterdam? Interessant. Wenn Sie im Handels- und Gesellschaftsrecht tätig sind, kennen Sie sicherlich die Kanzleien Verhoeven?«
Direkt mit der ersten und einzigen Frage verraten, dass er nicht up to date war, was die Branche betraf. Was er zugegebenermaßen als Strafrechtler auch nicht sein musste.
»Hendrik und ich sind Partner. Unsere Kanzleien haben vor einigen Jahren fusioniert.« Zu der Zeit hatte Étienne noch für Verhoeven Advocates and Legal Consultants in Dubai gearbeitet und wir uns bei einem geschäftlichen Treffen in Hendriks Kanzlei in Den Haag kennengelernt.
»Verstehe«, Leubner nickte anerkennend, »Glückwunsch dazu. Ein erfolgversprechender Schritt.«
Meine Güte, er wirkt so … unschuldig. Ich konnte mir ihn beim besten Willen nicht in einer knallharten Verhandlung vor Gericht vorstellen. Möglicherweise hatte der Umstand, dass er Equity Partner war, rein gar nichts mit fachlichem Können zu tun. Wäre er nicht der Erste.
›Arjen, du bist heute aber auch wieder gehässig!‹ Ich brauchte dringend etwas zu trinken und ein Häppchen wäre nicht verkehrt.
Ich wartete ein paar Minuten, ehe ich mich aus der Unterhaltung löste.
»Ich begleite dich nach drinnen.« Julian trat an meine Seite.
»Gern.«
Aus dem Augenwinkel erhaschte ich einen Blick darauf, wie sich seine Finger einmal kurz um Étiennes schlängelten. Eine winzige und doch so allessagende Geste, die mich süffisant den Mund verziehen ließ. In Julians Gegenwart war Étienne manchmal fast schon … weich.
Julian und ich plauderten noch ein wenig, bis sich drinnen unsere Wege trennten. Während er sich in ein Gespräch verwickeln ließ, wandte ich mich der Küche zu. Erstaunlich, dass ein Étienne Hagen anscheinend am Service gespart hatte und es niemanden gab, der Häppchen reichte.
Ich streckte gerade die Hand nach der angelehnten Tür aus, als diese schwungvoll geöffnet wurde. Im nächsten Augenblick trat ein blonder Kerl hindurch – und lief beinahe in mich hinein. Das Tablett, welches er auf einer Hand getragen hatte, prallte an meiner Brust ab. Scheppernd fiel es zu Boden. Mir genügte ein flüchtiger Blick, um zu realisieren, dass ein guter Teil der Häppchen an meinem Jackett und Hemd klebte.
»Verdammt noch mal«, fauchte ich. Ganz offensichtlich hatte Étienne Servicepersonal. Schlechtes! In einer zornigen Bewegung wischte ich ein zerfleddertes Gemüseröllchen von meinem Jackett. Eine mit orangerötlichen Stückchen – vermutlich Lachs – durchsetzte Creme blieb am Stoff haften. Wütend funkelte ich diesen verflucht unfähigen und … hinreißenden Volltrottel an.
Strahlend blaue Augen begegneten weit aufgerissen meinem bohrenden Blick. Strohblonde, fransige Haare, die ein fein geschnittenes, symmetrisches Gesicht, umrahmten, zu dem mir ein einziges Wort durch den Kopf schoss: engelsgl–
»Sie hätten ja auch –« Er brach ab.
Mein ohnehin schon erhöhter Puls jagte noch einmal merklich in die Höhe. Erdreistete der Kerl sich gerade allen Ernstes, mir zu sagen, ich hätte ja auch aufpassen können?
Jedwede Entgegnung blieb mir im Hals stecken, weil jemand … weil Leif Metten zwischen ihn und mich trat und auch noch auf die Knie ging.
»Das kann doch nicht wahr sein«, grollte ich.
»Ich …« Hastig begann Leif, die am Boden liegenden Häppchenreste auf das Tablett zu schieben. Der Anblick war … skurril.
»Warte, ich helf dir!« Und dass der Kellner sich zu ihm kniete, machte es kein Stück besser. Ebenso wenig wie das einzelne Stück Gemüse, das von meinem Hemd fiel.
»Soll ich …?«
»Nein, nein«, unterbrach er Leif hörbar gestresst, fast flehend. »Geh! Amüsier dich!«
Leif erhob sich, jedoch nicht, ohne dem Kellner das Tablett abzunehmen. Dieser ergriff hastig eine Rolle Küchenpapier, welche neben einer nagelneu aussehenden Mikrowelle gelegen hatte, und wischte damit über das Echtholzparkett.
»Unfassbar.« Ich war mir bei meinem Ausspruch nicht mal sicher, ob ich den Fauxpas des Kellners, Leifs Zuhilfeeilen oder irgendetwas anderes meinte. Vielleicht auch meine spontane Faszination dessen, wie dieser strohblonde Kerl in edel schwarzem Seidenhemd vor mir kniete. Sichtlich unangenehm berührt und doch traf mich, als er aufsah, ein Blick, aus dem deutlich unterdrücktes Aufbegehren sprach.
»Dean, ich kann …«
»Geh bitte. Ich mach das schon.«
Dean also. Dean, der trotzige Kellner mit Augen wie der Himmel. Das Blau in ihnen ein deutlicher Kontrast zum Rot seiner Wangen. Zu allem Überfluss hingen auch noch vereinzelte Haarsträhnen über seinen etwas dunkleren Brauen und ich erwischte mich bei der Vorstellung, in seinen Schopf zu packen und seinen Kopf zurückzuziehen. Zu fixieren. Unweigerlich fragte ich mich, wie er mit meinem Schwanz in seinem Mund aussehen würde.
Er lächelte Leif kurz zu. Dieser wandte sich ab, ohne einen weiteren Blick für mich. An seiner statt starrte Dean wieder zu mir hoch, während er ein letztes Mal über den Boden wischte. »In der Küche steht noch genug.«
Damit brachte er den Zorn in mir erneut zum Köcheln. »Ist es nicht Ihr Job, die Häppchen zu reichen? Statt sie auf dem Boden und auf meinen Klamotten zu verteilen?«
»Bin beschäftigt.« Mit einem Ruck erhob er sich, riss weiteres Küchenpapier von der Rolle ab und knallte es mir regelrecht vor die Brust. Nur um seine Hand sofort wieder zurückzureißen, als hätte er sich an mir verbrannt. »’tschuldigung, ich … Sie haben … Lachscreme am Sakko.«
»Jackett.«
»Was?«
»Wie bitte.«
Er sagte nichts mehr, blinzelte nur. Zweimal. Ehe er die Brauen zusammenzog, was ihm, mit den kleinen Fältchen auf der Stirn unter den fransigen Haaren wieder diesen trotzigen Ausdruck verlieh. Noch dazu die vollen, geschwungenen Lippen.
»Jackett oder Sakko, was auch immer der Unterschied ist …«
Dieser war wirklich marginal, aber vorhanden.
»… Sie haben da was.«
»Dank Ihnen.« Ich nahm ihm das Küchenpapier aus der Hand.
»Ja. ’tschuldigung.« Er straffte sich merklich, zog die schmalen Schultern zurück. Das Seidenhemd war beinahe einen Hauch transparent, wie mir auffiel. »Tut mir leid« setzte er nach, klang dabei allerdings immer noch unterschwellig patzig.
»Ich würde Ihre Entschuldigung gegebenenfalls annehmen …« Ich ließ den Satz absichtlich offen. Machte mich in äußerlich gespielter Seelenruhe daran, vorsichtig die Lachscreme von meinem Jackett zu tupfen. In mir drinnen brodelte es. Mehr noch, weil ich realisierte, dass Deans Blick unverwandt auf mir haftete. Er starrte mich verdammt noch mal an und dabei lag ein eindeutiger Glanz in seinen Augen. Anziehung im Himmelblau. Zu allem Überfluss sog er die Wangen ein Stückchen ein.
»Wenn?«, hakte er nach Sekunden hörbar atemlos nach.
Ich ließ ihn zappeln, knüllte das Küchenpapier zusammen und drückte es ihm in die freie Hand. In der anderen hielt er jenes, mit dem er den Boden abgewischt hatte.
»Wenn Sie Ihre Entschuldigung ehrlich meinen und –«
»Aber das –«
»… und Ihrem Job nachgehen, indem Sie mir einen Teller mit Häppchen reichen. Unfallfrei.«
Der Schatten, der über seine feinen Züge huschte, offenbarte, dass es ihm einen Stich versetzte, verbal so von mir auf seinen Platz verwiesen zu werden. Verdammt ja, ich gab zu, dass das nicht hätte sein müssen.
Ich holte gerade Luft, um noch etwas Versöhnliches hinzuzusetzen, als er mir entgegen schoss: »Wenn Sie sich nicht selbst bedienen möchten, müssen Sie wohl kurz warten.« Demonstrativ hob er die verschmierten Küchentücher hoch.
Das war doch …! Zur Hölle aber auch, dass dieser kleine Mistkerl mit seinem himmelblauen Blick, der so gar nichts von einem Engelchen hatte, so verflucht hinreißend war.
Ich zwang meine Stimme zur Ruhe. Lediglich ein lauerndes, leises Grollen. »Ich warte liebend gern, bis Sie bereit sind, mich zu bedienen.«
Seine Augen weiteten sich erneut. Seine Lippen öffneten sich einen Spalt. Statt Worten kam nur ein winziger Atemhauch über sie. Ein schier lautloses ›Oh‹, das ich im Grunde nur erahnen konnte.
Hinter meinen Rippen pochte mein Herz einen harten Takt und ebenfalls pochend regte sich –
»Was bitte ist hier passiert?«
Nahezu zeitgleich wandten wir uns Étienne zu, Dean allerdings deutlich abrupter als ich. Mit eindeutig Antwort forderndem Blick sah Étienne von dem derangierten Tablett zu Dean. Der schlug kurz die Augen nieder, biss sich auf die Unterlippe.
»Ein kleiner Zusammenstoß.«
»Merde …« Étienne murmelte den französischen Fluch lediglich leise. »Ich wusste, dass es eine miese Idee ist, dich –«
»Er hätte ja auch aufpassen können.«
Dieser bezaubernde, kleine Mistkerl!
»Dean!« Sein Name schnitt messerscharf aus Étiennes Mund. »Nettsein – du erinnerst dich?«
Mittlerweile wirkte alles an Deans Haltung verkrampft. Fest klammerte er die Finger um die zerknüllten Küchentücher. Ein Anblick, der etwas in mir bewegte.
»Étienne …«, setzte ich an.
»Pardon, Arjen. Entschuldige uns kurz.« Étiennes Hand streifte meinen Arm, ehe er an Deans griff. Nicht grob, nicht übergriffig, so weit ich es beurteilen konnte, und doch weckte der Anblick, wie Dean sichtlich beschämt folgte, ein unwohles Gefühl in mir. Beinahe so etwas wie … ein schlechtes Gewissen? Und den Drang, ihn beschütz–
›Himmel, de Vries, was für ein Blödsinn!‹
Sobald Étienne nur wenige Minuten später wieder aus dem neben der Küche liegenden Büro auftauchte, in welches er Dean geführt hatte, sackten meine angespannten Schultern hinab. Sein Blick kreuzte kurz den meinen und er nickte mir zu, was ich ebenso erwiderte. Er kam nicht zu mir, sondern ging rüber zu der im Foyer aufgebauten Getränkebar und zu Leif, der gerade in großen Schlucken ein Wasserglas leerte.
Unweigerlich schweifte mein Blick zurück zu besagtem Büroraum. Es dauerte noch Sekunden, bis Dean schließlich heraustrat. Er zupfte an dem kleinen Stehkragen des Seidenhemdes, doch abgesehen von dieser Geste wirkte er nicht mehr aufgewühlt. Entweder, Étienne hatte ihn weniger hart zusammengefaltet, als ich befürchtet hatte, oder aber Dean war taff genug, um das wegzustecken.
Ich atmete aus. Erleichtert.
Dean sah nicht zu mir, als er zügigen Schrittes zurück in die Küche ging, und ich folgte ihm nicht. Stattdessen nahm ich mir eines der Champagnergläser, welches eine von Étiennes Angestellten gerade frisch gefüllt hatte. Die Lust auf Häppchen war mir vergangen.
Zwischen all den umstehenden Leuten – die meisten von ihnen wohl Anwälte – schob ich mich zu einem Kollegen und dessen Gesprächspartner hinüber. Wir hatten nie zusammengearbeitet, waren jedoch beide im Handels- und Gesellschaftsrecht, ebenso wie im Kapitalmarktrecht tätig. Es schadete nie, ein bisschen bei der Konkurrenz nachzuhören.
Besonders lange verweilte ich allerdings nicht bei besagten Kollegen. Der Umstand, dass mein Glas inzwischen leer war, verschaffte mir einen idealen Vorwand, um mich nach dem üblichen Smalltalk und gegenseitigem Abtasten wieder abzuseilen. Ich kam jedoch gar nicht erst bis zur Getränkebar, da sich Julian in mein Gesichtsfeld schob. Von Étienne keine Spur.
»Arjen … ich hoffe, du amüsierst dich und knüpfst Kontakte?« Ganz leicht neigte er den Kopf zur Seite, setzte in leiserem und fast verschwörerischem Tonfall hinzu: »Nicht, dass du sie bräuchtest natürlich.«
Die immanente Neckerei hatte eine ganz andere Qualität als der Schlagabtausch, den ich mir stets mit seinem Lebenspartner lieferte. Julian weckte keinerlei Imponiergehabe in mir. Vielmehr empfand ich es als angenehm, wie aufmerksam und zuvorkommend er als Gastgeber war, ohne einem in den Arsch zu kriechen. Man merkte, er wollte, dass Étiennes Feier ein Erfolg wurde. Dass er voll hinter ihm stand und ihm gleichzeitig auf Augenhöhe war.
»Tue ich, danke«, entgegnete ich, denn auch wenn die vergangene Stunde nicht gerade weit oben auf meiner Liste der Must-have-Momente stand, konnten dafür weder Julian noch Étienne etwas. Okay, Letzterer vielleicht schon durch die Wahl seines Servicepersonals.
Julian lächelte leicht. Schwer zu sagen, wie er meine Worte interpretierte. »Hast du … Oh, Dean, bitte!«
Beim Klang des Namens fuhr etwas in mir zusammen, wurde wachsam. Ich drehte mich jedoch nicht um. Wartete ab, bis er in mein Sichtfeld trat. Mit einem Tablett voll frisch gefüllter Champagnerflöten und weiteren edlen Gläsern, deren Inhalt nach Mineralwasser aussah.
»Danke dir.« Julian nahm eines dieser Gläser vom Tablett.
»Was … möchten Sie?«
Ich registrierte das minimale Stocken in Deans Worten. In seiner Miene spiegelten sich die unterschiedlichsten Emotionen, die er gerade wohl nicht recht in Einklang zu bringen vermochte. Ganz kurz huschte sein Blick zu Julian, ehe er wieder mich ansah. »Ich kann … Ihnen auch etwas anderes bringen. Whiskey Sour, Martini … einen Gin?«
Interessant, wie höflich er sein konnte. Auch wenn da ein Funkeln in seinen Augen geblieben war. Zumindest für mich war nicht zu übersehen, dass es ihm etwas abverlangte, mir gegenüber so zuvorkommend zu sein.
Leicht schüttelte ich den Kopf. »Ich schließe mich beim Wasser an, danke.« Hinter meinen Schläfen saß ohnehin schon ein feines Pochen. Wie war das noch gleich mit dem Schlaf gewesen?
»Oh, sicher. Still, medium oder … mh … mit viel Blubb?«
Ich konnte nicht anders – schmunzelte. Es war einfach so offensichtlich, dass Anlässe wie dieser nicht sein gewohntes Arbeitsmetier waren. Aber gerade überspielte er seinen verbalen Fauxpas mit einem – ich konnte mich nur gedanklich wiederholen – hinreißenden Lächeln.
»Medium.«
Er drehte das Tablett so hin, dass ich mir eines der Gläser, auf die er zeigte, nehmen konnte.
»Ja dann … Cheers.« Sein Blick huschte zurück zu Julian.
Dieser lächelte. »Danke dir.« Kurz streifte er über Deans Arm und dessen Gesichtsausdruck wurde sofort weicher. Seine Schultern sanken herab. Das war … interessant.
Kurz sah ich Dean nach, ließ den Blick einmal flüchtig über seine schlanke Statur und ja, auch über seinen kleinen Hintern in der engen, dunklen Jeans wandern, ehe ich mich wieder vollends Julian zuwandte.
»Gestatte mir die Frage: Wie kommt es, dass er hier den Service macht?«
»Oh, das …« Julian grinste schief, »möglicherweise verklagt Étienne mich, wenn ich es dir erzähle …«
»Mmh, ich kenne zufällig einen guten Anwalt, der Herrn Hagen in seine Schranken verweisen würde.«
Er lachte. Ganz offensichtlich amüsierte ihn Étiennes und mein kleiner Machtkampf. Auch wenn ich mir absolut sicher war, an wessen Seite er im Zweifel stehen würde.
»Beruhigend.« Er nahm einen Schluck Wasser. »Sagen wir: Es gab unerwartete Schwierigkeiten mit der Cateringfirma und Étienne hat Dean gewissermaßen einen Gefallen getan, indem er ihm den Job gegeben hat. Eigentlich arbeitet Dean anderweitig für Étienne.«
»Verstehe.« Zugegeben, ein paar kleine Fragen lagen mir noch auf der Zunge, doch ich stellte sie nicht. Die Art, wie Julian gesprochen hatte, ließ mich nicht vermuten, dass es bei Deans Job bei Étienne um eine in irgendeiner Form fragwürdige Anstellung ging. Und selbst wenn, das war nun wirklich nicht mein Rechtsgebiet. Ich hoffte nur einfach, dass Étienne Dean, bei was auch immer, fair behan–
Energisch kippte ich den Inhalt meines Wasserglases in drei großen Schlucken zur Hälfte hinunter. Ertränkte damit die unerwarteten Gedanken.
Noch eine ganze Weile unterhielt ich mich mit Julian und ein paar Kollegen. Manche der Gespräche kurzweilig, andere eher nervenzehrend. So, wie es bei solchen Veranstaltungen nun einmal war. Meine Müdigkeit ließ sich glücklicherweise im Zaum halten, allerdings drängten Champagner und Mineralwasser nach draußen. Ich entschuldigte mich bei meinen letzten Gesprächspartnern, stellte ein weiteres leeres Glas auf einem der im Foyer aufgestellten Stehtische ab und ging den Gang rechter Hand des Besprechungsraumes entlang zu den Toiletten.
Ein kurzer Rundumblick bezeugte, was ich ohnehin erwartet hatte: Auch hier drinnen war alles hochmodern und stilvoll eingerichtet. Außerdem boten die Toiletten ein Höchstmaß an Privatsphäre: keine aneinandergereihten Pissoirs, sondern jeweils abgetrennte Kabinen.
Während ich mich erleichterte, rauschte nebenan eine Spülung. Sekunden später begleitete das Geräusch eines aufgedrehten Wasserhahns meine Schritte zurück in den Vorraum. Ich stockte nur minimal, als mein Blick auf Dean fiel. Er hingegen sog hörbar die Luft ein, sobald sich unsere Blicke im Spiegel trafen.
Ich ließ absichtlich ein Waschbecken Abstand zwischen uns, betätigte den Bewegungssensor am Hahn. Dean indessen griff nach den ordentlich gestapelten Papiertüchern auf der Ablage und verwandte auffallend viel Konzentration darauf, sich die Hände abzutrocknen. Und mich dabei nicht anzusehen.
Ein weiterer Sensor sorgte dafür, dass samtiger Seifenschaum in ideal dosierter Menge auf meine Hand gesprüht wurde. Der Geruch nach etwas, das im Handel sicher den wohlklingenden Namen ›Meeresbrise‹ trug, zog in meine Nase.
»Ich hoffe, Étienne war vorhin nicht zu ungehalten.«
Deans Kopf ruckte zu mir herum. Selbst aus dem Augenwinkel registrierte ich das Aufblitzen in seiner Miene.
»Wenn Sie das wirklich kümmern würde, hätten Sie vorhin vielleicht nichts sa–« Er brach ab. Sein Glück. Oder meins, wie man es nahm. War ihm gerade wirklich auf der Zunge gelegen, mir den Mund zu verbieten?
Sichtbar hart biss er sich auf die Unterlippe, sperrte die Worte in seinem Mund ein. Er presste lediglich ein: »’tschuldigung«, hervor.
Jetzt allerdings wollte ich es wissen. »Hätte ich – was?«, hakte ich daher nach, wollte zu gern erforschen, wie weit er in seiner Kratzbürstigkeit gehen würde.
Mittlerweile standen wir uns direkt gegenüber, wenn auch mit einigen Schritten Abstand. Ich noch mit Papiertüchern in der Hand. Seine Finger zuckten an seinen Seiten. In seiner feinen Miene war der innerliche Kampf regelrecht abzulesen. Ein herrlicher Anblick!
»Nichts. Mir … Es tut mir leid. Der Zusammenstoß und …«
Seine Worte überraschten mich.
»… und … nein, eigentlich nur der Zusammenstoß.«
Abermals formte sich ein Schmunzeln um meinen Mund, das ich nicht zurückhalten konnte.
Ich hätte es einfach darauf beruhen lassen können, aber Himmel, mir gefiel dieser Vibe zwischen uns viel zu gut.
In einer lässigen Bewegung warf ich das feuchte Papier in einen der in dunklem Holz eingefassten Mülleimer, fixierte Dean. »Und das hier?« Ich deutete auf den noch immer dezent sichtbaren Fleck auf meinem Jackett.
Auf Deans Stirn gruben sich Fältchen unter seinen fransigen Haarsträhnen ein. In meinen Fingern kribbelte plötzlich der Wunsch, eben jene Strähnen zur Seite zu schieben und über die feinen Furchen zu fahren. Seine Mimik durch die Berührung zu glätten. Himmel …
»Das … gehört gewissermaßen zu dem Zusammenstoß dazu, finde ich.« Die Worte kamen ein wenig träge über seine Lippen. Was daran liegen mochte, dass er mich immer noch anstarrte. Oder genauer: auf meine Brust.
Wie vorhin schon kam es mir vor, als versuchte er, sich mit Blicken durch meine Kleidung zu brennen. Was nicht zu leugnende Hitze tief in meinem Inneren, in meinem Unterleib entfachte.
Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Lehnte mich seitlich an das Waschbecken direkt neben dem, an welchem er stand. »Tja, das sehe ich anders.«
Erneut ruckte sein Kopf nach oben. Geweitete Augen, ein sachtes Blähen der Nasenflügel, als registrierte er erst jetzt, dass wir einander näher waren als eben noch.
»Dann … haben wir wohl ein Problem. Denn ich sehe nicht, weshalb Ihre Meinung ausschlaggebender sein sollte als meine, nur weil Sie … Jackett«, die demonstrative Betonung des Wortes ließ mich erneut schmunzeln, »tragen und … Anwalt sind.«
Wie zufällig griff ich an den Saum meines Jacketts. Prompt flog Deans Blick dorthin und zurück auf meinen Körper.
»Vielleicht einfach deshalb, weil meine Meinung besonnener vorgetragen ist als Ihre.«
Er schnaubte. Ihm war anzusehen, dass ein Teil in ihm sich umdrehen, gehen und mich einfach stehenlassen wollte. Und dass er es nicht schaffte.
»Du solltest wirklich lernen, deine Emotionen im Zaum zu halten.«
Ein erneuter schnippischer Laut aus seinem Mund. Möglicherweise auch dem Umstand geschuldet, dass ich ungefragt zum ›Du‹ übergegangen war.
»Oder willst du, dass dir da draußen«, mit dem Hinterkopf wies ich vage Richtung Tür und damit zu den Haupträumen der Kanzlei, »jeder ansehen kann, wie du mit Blicken versuchst, unter meine Kleidung zu kriechen?«
Ein leises Keuchen löste sich aus seinem Mund. Für sich ausdehnende Sekunden starrte er mich so an, aus großen Augen und mit geöffneten Lippen. Einladenden Lippen, die ich in Besitz nehmen wollte. Aber nicht gegen seinen Willen und mir war klar, dass ihn diese Situation überfor–
»Von mir aus können Sie die Klamotten anlassen, wenn Sie mich vögeln.«
Himmel … heilige Scheiße!
Nun war ich derjenige, dem ein scharfes Atmen entwich.
»Was?« In Deans Augen blitzten Triumph und Herausforderung gleichermaßen auf. Er trat an mich heran, berührte mit einer Hand meine Brust. Zart nur und dennoch brannte sich die schiere Keuschheit der Berührung durch Jackett- und Hemdstoff hindurch. »Das ist es doch, was Sie wollen, oder?« Er wisperte nur noch und da war sie wieder: die Unsicherheit, die vage unter der Fassade aus Trotz und Provokation hervorschien.
Sie war es, die mich dazu veranlasste, ihn nicht zu packen, sondern mich ihm lediglich entgegen zu neigen. Erst mit der Nase und dann mit meinem Kinn an seiner Kieferlinie entlang zu fahren, sodass er sacht das Kratzen meiner Barthaare spüren konnte. Ein merkliches Schaudern rann durch ihn und er sank ein kleines Stückchen gegen mich. Griff mit den Fingern in mein Jackett.
»Das will ich durchaus«, gab ich unumwunden zu und strich ein paar feine Haarsträhnen von seinem Ohr fort, tupfte einen einzelnen Kuss darauf.
Sein kaum hörbares Seufzen schoss gerade wegen der Zartheit der Geste in meine Eier. In meiner Anzughose pochte mein Schwanz. Wurde hart.
»Gut …« Das einzelne Wort kam ebenfalls nahezu geseufzt von Deans Lippen. Zu spüren, wie er anschmiegsam wurde, erregte mich. Noch mehr angemacht hätte es mich allerdings, wenn er …
»Aber wir …«, er stockte, »ich kann nicht … hier!«
Mit einem zustimmenden Brummen senkte ich meine Lippen auf seinen Hals. Dachte er wirklich, ich würde ihn auf einer Toilette nehmen? Einer sehr gepflegten, zugegeben, aber Himmel, das war nicht, wie ich Sex hatte. Ich wollte mehr als einen schnellen Fick auf dem Klo.
»Nein«, stimmte ich ihm zu, »nicht hier. Ich hole mir nur eine kleine Kostprobe.« Wie zur Verdeutlichung meiner Worte leckte ich mich einmal an seinem Hals entlang und genoss, wie er leise aufkeuchte und die Finger einer Hand fester in mein Jackett grub.
»Wie … heißen Sie überhaupt?«
Seine Frage brachte mich zum Lachen. Rau in meinen eigenen Ohren. »Arjen de Vries, angenehm, Dean.«
»Schneider.«
Abermals lachend sanken meine Lippen zurück auf seinen Hals. Dass er mir seinen Nachnamen nannte, war erstaunlich … süß. Ebenso wie die zarte Haut unter meinem Mund. An meiner Zunge, als ich über die Stelle leckte, an der sein Puls raste. Ich beendete die Reizung mit einem sachten Biss in seine Schulter, über dem Seidenhemd, löste mich dann von ihm.
Sein Anblick, wie er mich noch immer anstarrte, die Wangen gerötet und leicht hektischer Atem auf seinen Lippen, machten die Versuchung verdammt groß, ihn doch einfach hier zu packen, auf den Waschtisch zu schieben und ihn mir zu nehmen. Aber ich würde nicht. Stattdessen schob ich eine Hand über seine, löste seine Finger aus meinem Jackett. Die andere Hand legte ich an sein Kinn, ergriff es mit Daumen und Zeigefinger. Fest bohrte ich meinen Blick in seinen. »Komm mit mir mit, damit ich dich ficken kann.«
Erneut öffneten sich seine Lippen. Ich widerstand dem Drang, mit dem Daumen darüber zu streichen, einen Finger zwischen sie zu schieben. Himmel, ich wollte seinen Mund!
In seiner Miene tobte ein innerer Kampf. Vermutlich überlegte er fieberhaft, ob er es bringen konnte, einfach mit mir abzuhauen. Wie er das Étienne erklären sollte.
Er konnte es natürlich nicht bringen und deshalb würde er versuchen, mich hinzuhalten und …
»Okay«, wisperte er und drehte seinen Kopf so, dass er mit den Lippen meine Fingerkuppe erhaschen konnte. Ein winziges Saugen nur. »Ja, okay.«
Shit, wie hatte ich mich da nur reinmanövriert?
Wie zur Hölle war ich darauf gekommen, es sei eine gute Idee, die Kanzleifeier zu verlassen? Mit Arjen de Vries!
›Dean, das geht vollkommen nach hinten los! Steig aus!‹
Noch hätte ich die Chance dazu. Noch stand Arjen neben seinem sicherlich scheißteuren Auto und tippte auf seinem Smartphone herum. Während ich mit schweißnassen Händen, viel zu raschem Herzschlag und von der engen Jeans zur Seite gedrücktem Halbständer auf dem Beifahrersitz hockte und wartete. Worauf verdammt? Auf ihn? Damit er mich wohin auch immer fuhr, um mich dort zu vögeln? Das konnte nicht mein Scheißernst sein!
Étienne würde mich umbringen! Mal ganz davon abgesehen, dass es leichtsinnig war, einfach mit einem fremden Typen wegzufahren. Aber gut, er war Anwalt und sicher gesetzestreu. Oder aber er wusste, wie man Strafen umging.
Ich hatte schlicht keine Ahnung, wer Arjen de Vries eigentlich war. Dass sein Name fast ebenso heiß klang, wie der ganze Mann war, diente wohl nicht als hinreichende Begründung – und irgendwie doch. Dieser Mann war Sex auf zwei Beinen pur. Und ein hochnäsiger, reicher Arsch. Einer, von dem ich mir beweisen wollte, dass ich ihn haben konnte. Den Mann, nicht seinen Arsch. Ich bevorzugte dann doch eher …
Das Geräusch, als die Fahrertür geöffnet wurde, ließ mich zusammenzucken.
»Gut, danke … Ja, in fünfzehn Minuten«, vernahm ich Arjens Stimme noch, ehe er das Telefonat mit wem auch immer beendete und ins Auto einstieg. Sein Handy – ein iPhone der neuesten Generation natürlich – fand seinen Weg in die Mittelkonsole.
›Letzte Chance, Dean!‹ Aber shit, ich wollte, dass er mich irgendwohin brachte und mich fickte. Ob Étienne mir einen plötzlichen Anflug von heftigem Brechdurchfall abnehmen würde? Sicherlich nicht.
Allerdings wurde mir tatsächlich ein wenig flau im Magen, als Arjen von der Seite seinen Blick in mich bohrte. Als wollte er mich am liebsten direkt hier in seiner Luxuskarre am Straßenrand vernaschen. Nur wenige Meter von der Kanzlei entfernt. Dann würde Étienne mich umbringen. In mir rumorten Unwohlsein und schlechtes Gewissen, aber shit, dieser Drang in mir, mir selbst zu bewiesen, dass ich einen Mann wie Arjen haben konnte, schaltete meine Vernunft aus.
»Jetzt bin nicht ich derjenige, der jemanden mit Blicken schier auszieht.« Meine Worte waren ein ziemlich hilfloser Versuch, meine Aufregung zu überspielen. Eine Flucht nach vorne gewissermaßen, weil ich ein winziges bisschen Schiss hatte, und doch diesen Mann verdammt noch mal wollte. Oder eher: Ich wollte, dass er mich wollte. Was er wohl auch tat, so, wie er mich ansah.
Sein leises Lachen rann kribbelnd heiß meinen Nacken hinab und weiter unter den dünnen Stoff des Seidenhemdes. Mein einziges dieser Art, das ich besaß.
»Ich sorge mich lediglich um deine Gesundheit«, gab Arjen erstaunlich ruhig zurück, während er sich anschnallte. »Ist dir kalt?«
»Nein«, entgegnete ich wie aus Reflex und es stimmte. Mir sollte kalt sein. In diesem Hemd. Anfang März. Aber seine Gegenwart reichte aus, dass Hitze auf meiner Haut sirrte.
»Ah … dann bist du wohl einfach geil.«
Ich zuckte weniger aufgrund seiner Worte zusammen als vielmehr, weil er einmal mit dem Handrücken über meine Brust und damit über meine hart aufgerichteten Nippel streifte. Zischend zog ich den Atem ein. Leugnen war wohl zwecklos. Mir blieb nur, leicht giftig zu entgegnen: »Fahren wir jetzt, oder was?«
Für einen Moment befürchtete – oder hoffte? – ich, er würde verneinen und stattdessen seine Hand in meinen Schritt gleiten lassen, um zu prüfen, wie geil ich tatsächlich schon war. Er tat es nicht. Er zog seine Hand zurück und startete das Auto. Ein einzelner halb erstickter Laut aus meiner Kehle, von dem ich selbst nicht so genau wusste, was er bedeuten sollte, ging im Schnurren des Motors unter.
Ich gab mir Mühe, meine feuchten Hände in einer möglichst unauffälligen Geste an meiner Jeans abzuwischen. Zum Glück war Arjen gerade damit beschäftigt, den AMG aus der Parklücke zu lenken. Ein Wunder, dass das Teil nicht von allein fuhr. Gut, vielleicht könnte es das, aber Arjen war so ein Mann, der über alles die Kontrolle haben musste. Auch über mich?
Der Gedanke entfachte ein neuerliches Kribbeln in meinem Nacken und meinen Eiern. Erregung, die sich mit Unsicherheit mischte.
Aus dem Augenwinkel schielte ich zu Arjen. Im Profil wirkte sein Gesicht noch ein wenig markanter und ich hatte sofort wieder das Gefühl, ich könnte das Kratzen seines Bartes an meiner Wange spüren. Wie er sich wohl an meinen Lippen anfühlen mochte? Würde er mich überhaupt küssen? Oder mich einfach packen und ohne nennenswertes Vorspiel rannehmen? Ich konnte das ab, aber wenn ich mir etwas wünschen könnte … Mein Blick glitt weiter zu seinen Händen, von denen eine am Steuer und eine locker auf der Schaltung lag. Schöne Hände. Lange, kräftige Finger. Eine leichte Äderung auf dem Handrücken. Unter seinem Jackett und den Hemdärmeln blitzte eine sicherlich ebenso scheißteure Uhr hervor. Feine, dunkle Haare.
Gerade wirkte er entspannt, aber ganz sicher konnten diese Hände zupacken. Fest. Erbarmungslos. Sanft? Weitere kleine Schauer prickelten über meine Haut. Unwillkürlich schloss ich die Finger um das glatte Polster des Sitzes, das sich dank integrierter Heizung rasch erwärmte. Shit, ich brauchte irgendeine Beschäftigung, wenn ich Arjen nicht die ganze Zeit anstarren wollte.
Ich löste meine Finger wieder und versuchte, mein Handy aus meiner hinteren Hosentasche zu ziehen, wofür ich mich auf dem Sitz verrenken musste. Was wiederum dank meiner engen Jeans Druck auf meinen Schwanz ausübte. Leise fluchend zerrte ich das Smartphone hervor.
Keine neuen Nachrichten, die mich hätten ablenken können – Mist. Oder Glück, wie man es nahm. Denn augenscheinlich hatte Étienne mein Verschwinden noch nicht realisiert. Ehe er das tat und begann, mich anzurufen, schaltete ich das Handy kurzerhand aus. Schob so das schlechte Gewissen von mir. Das Display war bereits schwarz geworden, als mir siedend heiß einfiel, dass ich dann ja auch so schnell niemanden verständigen konnte, sollte Arjen sich über die Arschigkeit hinaus, die ich bereits von ihm kannte, als vollkommener Psycho oder so was herausstellen.
»Wohin fahren wir eigentlich?« Die Worte stolperten ein bisschen zu hastig aus meinem Mund.
»Siehst du gleich. Es sind nur ein paar Minuten.«
»Na toll. Also doch eine Entführung.« Shit, ich klang weniger witzig, als ich gewollt hatte. Eher ein bisschen verschreckt.
Arjen lachte leise. Rau. Warm. Der Laut fuhr mir direkt in die Eier und ich wurde nur davon wieder vollends hart. Ganz toll!
»Nein.« Von der Seite warf er mir einen eingehenden Blick zu. »Dean« – mein Name klang erstaunlich behutsam aus seinem Mund. Er sah wieder auf die Straße. Mittlerweile waren wir am Stadtrand von Karlsruhe. »Ich bin kein Fachanwalt für Strafrecht, aber mir ist durchaus klar, was mir blüht, wenn ich etwas gegen deinen Willen tue. Das wird nicht passieren. Du kannst jederzeit gehen.«
Mir entwich ein Laut, der sich viel zu erleichtert anhörte. »Das ist wohl Ansichtssache. Ich hatte nicht vor, aus einem fahrenden Auto zu springen.«
»Ich könnte anhalten.«
Dass er auf alles eine Entgegnung hatte, nervte mich. Oder aber ich war genervt von meiner eigenen Unsicherheit.
»Oder mich einfach wohin auch immer fahren und mich ficken«, hielt ich daher dagegen.
»Oder das … und dafür sorgen, dass du nicht gehen willst.«
Shit! Mir wurde schlagartig heiß.
»Was erst mal zu beweisen wäre«, grummelte ich der Fensterscheibe entgegen.
Dieses Mal sagte er nichts dazu, doch gerade sein Schweigen ließ mich wünschen, wir wären endlich wo auch immer.
Besagtes wo auch immer entpuppte sich nur wenige Minuten später als Hotel. Von außen eher unscheinbar clean und von innen … wow. Während ich mich noch in dem minimalistisch, aber edel eingerichteten Foyer umsah, drückte Arjen einem Portier seinen Autoschlüssel in die Hand und trat an den Empfang.
»Herr de Vries …«
Warum wunderte es mich nicht, dass der Mitarbeiter seinen Namen kannte?
»… mein Kollege hat Sie bereits angekündigt. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass die Suiten gerade alle belegt sind. Wären Sie auch mit einem unserer Deluxe-Zimmer einverstanden?