4,99 €
Eine gefühlvolle & spicy Second Chance MM Hockey Romance im winterlichen Boston. »Ich wusste nicht, wie sehr ich dich liebe, bis ich dich verloren habe. Bis du zurückgekommen bist und mir damit gezeigt hast, was nicht mehr ist.« In seinem zweiten Jahr an der Boston University hat Bennet sich dazu entschieden, sein Ziel von einer Profi-Eishockey-Karriere zu verfolgen – und dafür den Mann gehen zu lassen, den er liebt. Ebenso wie Riley seinen Traum, für ein Jahr in Irland zu leben, über ihre Beziehung gestellt hat. Nun, kurz vor Weihnachten, ist Riley zurück in Boston – mit all den alten Gefühlen für Bennet im Gepäck. Die kribbelnde Anziehung zwischen ihnen ist sofort wieder da. Doch Bennet hält Riley eisern auf Abstand. Zu groß ist seine Angst, erneut zwischen seiner ersten großen Liebe und der NHL-Karriere entscheiden zu müssen. Denn an Letzterer hängt so viel mehr für Bennet dran, als ›nur‹ der sportliche Erfolg. Aber wie soll er Riley vergessen, wenn sie sich in der gemeinsamen WG und auf dem Campus ständig über den Weg laufen? Noch dazu, wenn die für Bennet schönste und gleichzeitig schmerzlichste Zeit des Jahres näher rückt. Kann Riley Bennets Herz zurückerobern und die Vorweihnachtszeit perfekt für sie beide machen? In »Trusting him« erwartet dich eine winterliche MM Romance zum Mitfiebern. Voller Wohlfühlmomente, sinnlichem Knistern, einer wohldosierten Portion spice, Herzschmerz und Happy End. Alle Bände der Reihe »Boston Heated Hearts« sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Hier und da tauchen allerdings bereits bekannte Figuren wieder auf.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
MM Hockey Romance
von
Svea Lundberg
Copyright © 2024 Svea Lundberg
Julia Fränkle-Cholewa
Zwerchweg 54
75305 Neuenbürg
www.svealundberg.net
Lektorat: Tanya Carpenter
Korrektorat: Nonys Wortstube – Korrektorat Renardy
Covergestaltung/Illustration: Regina Mars
www.reginamars.de
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Rechte sind vorbehalten.
Die in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
»Ich wusste nicht, wie sehr ich dich liebe, bis ich dich verloren habe. Bis du zurückgekommen bist und mir damit gezeigt hast, was nicht mehr ist.«
In seinem zweiten Jahr an der Boston University hat Bennet sich dazu entschieden, sein Ziel von einer Profi-Eishockey-Karriere zu verfolgen – und dafür den Mann gehen zu lassen, den er liebt. Ebenso wie Riley seinen Traum, für ein Jahr in Irland zu leben, über ihre Beziehung gestellt hat.
Nun, kurz vor Weihnachten, ist Riley zurück in Boston – mit all den alten Gefühlen für Bennet im Gepäck. Die kribbelnde Anziehung zwischen ihnen ist sofort wieder da. Doch Bennet hält Riley eisern auf Abstand. Zu groß ist seine Angst, erneut zwischen seiner ersten großen Liebe und der NHL-Karriere entscheiden zu müssen. Denn an Letzterer hängt so viel mehr für Bennet dran, als ›nur‹ der sportliche Erfolg.
Aber wie soll er Riley vergessen, wenn sie sich in der gemeinsamen WG und auf dem Campus ständig über den Weg laufen? Noch dazu, wenn die für Bennet schönste und gleichzeitig schmerzlichste Zeit des Jahres näher rückt. Kann Riley Bennets Herz zurückerobern und die Vorweihnachtszeit perfekt für sie beide machen?
In »Trusting him« erwartet dich eine winterliche MM Romance zum Mitfiebern. Voller Wohlfühlmomente, sinnlichem Knistern, einer wohldosierten Portion spice, Herzschmerz und Happy End.
Alle Bände der Reihe »Boston Heated Hearts« sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Hier und da tauchen allerdings bereits bekannte Figuren wieder auf.
Bislang innerhalb der Reihe erschienen:
»Trusting him – Liebe erfriert nicht – Bennet & Riley«
»Trusting us – Hattrick für die Liebe – Caden & Noah«
Liebe*r Leser*in,
ich freue mich, dass du dir »Trusting him« gekauft oder über KU geliehen hast und danke dir schon mal für dein Interesse an Bennets und Rileys Geschichte. Vorab möchte ich dich auf ein paar Dinge hinweisen:
Dieser Roman spielt an der Boston University und nimmt Bezug auf deren Eishockey-Team sowie auf Teams der NHL (National Hockey League). Die Handlung des Romans ist jedoch rein fiktiv. Ähnlichkeiten zu real existierenden Spielern sind reiner Zufall, es wird kein real existierendes Team namentlich benannt, sondern nur von bspw. ›Team der Boston University‹ oder ›NHL-Team von Pittsburgh‹ gesprochen. Zwar habe ich mich bezüglich des Spielplans an realen Ereignissen orientiert, mir jedoch schriftstellerische Freiheiten genommen.
Für all jene Leser*innen, die bislang kaum Berührungspunkte mit Eishockey hatten, habe ich am Ende des Romans ein Glossar über die wichtigsten im Roman enthaltenen Begrifflichkeiten eingefügt.
Bitte beachte auch die Content Notes:
In diesem Roman werden Alkoholkonsum, übergriffiges Verhalten und emotional instabile Familienverhältnisse beschrieben. Des Weiteren wird Queerfeindlichkeit thematisiert. Ich habe mich allerdings bewusst entschieden, das Thema ›Outing im Profisport‹ lediglich zu erwähnen und nicht als einen zentralen Handlungspunkt zu verwenden. Ich möchte, dass dieser Roman als ›sichere Vision zum Wohlfühlen‹ gelesen werden kann, auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass wir davon in unserer Gesellschaft und insbesondere im Profisport leider weit entfernt sind.
Nun wünsche ich dir schöne Lesestunden mit Bennet und Riley!
Alles Liebe
deine Svea
November 2023
In unserer Wohnung im John Hancock Student Village der Boston University ist es eigentlich nie leise. Daran hat sich auch nichts geändert, seit Zayn vor ein paar Tagen ziemlich spontan mitten im Semester ausgezogen ist. Okay, spontan ist relativ. Er und Macy haben schon länger geplant, zusammenzuziehen, aber schlicht kein bezahlbares Apartment in der Nähe des Campus’ gefunden. Klar, dass sie sofort zugeschlagen haben, sobald sie etwas Passendes in Aussicht hatten.
Aktuell sind wir in unserer WG also nur zu dritt: Caden, unser Teamcaptain, Blake und ich. Um Lärm zu machen, reicht das. Dementsprechend wundert es mich nicht, dass ich bereits durch die noch geschlossene Tür gedämpfte Musik und ausgelassene Stimmen höre. Unter anderem eine weibliche Stimme – was ebenfalls keine Seltenheit ist. Vermutlich ist Blakes Freundin zu Besuch.
Ich vertippe mich einmal beim Türcode, bin abgelenkt von der Musik. Ist das etwa …?
Energisch stoße ich die Tür auf, nur um gleich darauf nach einem einzelnen Schritt abrupt stehenzubleiben, als sei ich gegen eine Wand gelaufen. Eine Wand aus Tönen. Tatsächlich, da dudelt ›All I Want For Christmas Is You‹ aus den Boxen im Wohnraum und das trifft mich so unerwartet, dass ich am liebsten wieder rückwärts aus der Wohnung hinausstolpern möchte.
Jesus, es ist Ende November! Auch anderorts kann – oder muss – man zu dieser Jahreszeit bereits Weihnachtshits hören, aber –
»Heeey, Bennet!« Im Takt der Musik tänzelt Hayley mit schwingenden Hüften und strahlendem Lächeln auf mich zu und ich erwarte für einen Moment, sie würde mir überschwänglich um den Hals fallen. Doch dann dreht sie in einer eleganten Pirouette, mit der sie ihrer Karriere als Eiskunstläuferin alle Ehre macht, ab und widmet sich … dem Weihnachtsbaum, der neben einem der Sessel steht und damit die Sicht auf einen Teil des Sofas versperrt.
»Hi.« Ich bringe das einzelne Wort nur lahm über meine Lippen, was Hayley jedoch nicht zu stören scheint. Ebenso wenig wie Blake, der hinter dem ausladenden Tannenbaum hervorlugt. Und es ist ein wirklichausladender Baum, wenn er es schafft, Linksverteidiger Blake Simmonds hinter seinen dicht benadelten Ästen zu verbergen.
Zur Begrüßung hebt Blake nur locker die Hand. Vermutlich würde ich eine mögliche Entgegnung seinerseits aber ohnehin nicht mitbekommen. Weniger aufgrund der Musik, sondern weil ich für einen langen Moment gebannt von seinem Pullover bin. Das intensive Rot steht ihm. Ähnlich wie bei unseren rot-weißen Eishockeytrikots kontrastiert der Farbton angenehm mit seiner braunen Haut, wohingegen ich selbst in unseren Trikots ziemlich blass aussehe. Dieser Pullover allerdings ist … speziell. Auf Blakes Brust prangt ein in weiße Reizwäsche gehülltes Pin-up-Girl mit Heiligenschein und Engelsflügeln auf dem Rücken. Wer zur Hölle hat ihm diesen Pulli gekauft?
Unweigerlich zuckt mein Blick zurück zu Hayley. Aber nein, einen so dermaßen verdorbenen Klamottengeschmack hat sie definitiv nicht. Sie sieht ziemlich bezaubernd aus in ihrem weinroten Wollkleid, das ihrer zierlichen Statur schmeichelt.
Mit einem dumpfen Knall werfe ich die Tür hinter mir ins Schloss und gehe zwei weitere Schritte in den Raum hinein. Beim erneuten Anblick des Tannenbaums, an dem bereits erste Glitzerkugeln hängen, bekomme ich Herzklopfen. Keines der guten Art allerdings.
»Ist es nicht noch ein bisschen früh dafür?« Meine Stimme kratzt leicht in meinem Hals.
Auf meine Frage hin tauschen Hayley und Blake einen Blick und zucken gleichzeitig mit den Schultern, als sie sich mir wieder zuwenden.
»Es ist niemals zu früh für Weihnachtsstimmung.« Wie zur Bekräftigung hält Hayley eine silbern funkelnde Kugel in die Höhe. »Immerhin ist es die schönste Zeit im ganzen Jahr.«
Nicht für mich. Nicht mehr. War es noch nie. Argh, es ist kompliziert …
Ich verzichte darauf, Hayley darauf hinzuweisen, dass Weihnachten eben nicht für alle Menschen Besinnlichkeit und heimelige Wärme bedeutet – und dabei denke ich nicht nur an mich. Es gibt Menschen, denen es an diesen Tagen echt schlechter geht als mir. Mir geht es nicht schlecht, es ist nur … kompliziert eben.
Mit einer Hand umklammere ich meine Sporttasche fester. In meiner Brust klopft mein Herz einen zu harten Rhythmus. Wegen eines Weihnachtsbaums!
Es ist erschreckend, wie sehr es mich trifft, dass Hayley und Blake es sich offenbar zur Aufgabe gemacht haben, die WG weihnachtlich zu dekorieren. Aber es sind ja nicht nur der Baum und die Musik, die mich dermaßen kalt erwischt haben. Und auch nicht Blakes ausgesucht hässlicher Pullover. Sondern das bis dato halbwegs gekonnt verdrängte Wissen, was passieren wird: Kurz vor Weihnachten kommt Riley zurück. Oder nicht?
Was weiß ich schon, ob er seine Pläne wieder mal geändert hat. Oder noch ändern wird. So, wie er nach dem Sommertrimester an der Dublin University beschlossen hat, noch ein paar Monate länger in Irland zu bleiben, statt wie geplant nach zwei Auslandstrimestern zurückzukommen. Dass er eben das Ende August nicht tun würde, habe ich damals von Blake erfahren. Was doppelt schmerzhaft war. Andererseits kann ich es Riley eigentlich nicht verübeln, dass er sich nicht bei mir gemeldet hat. Nachdem ich ihn ignoriert habe.
Energisch straffe ich die Schultern, auf denen ich immer noch meinen Rucksack mit all meinem Unikram trage, und wende mich nach links. Ganz sicher weiß Blake, ob Riley nun wirklich im Dezember zurückkommen wird. Aber ich werde einen Teufel tun und ihn fragen.
Ich schaffe gerade mal drei Schritte in Richtung meines Zimmers, ehe mich Hayley aufhält. »Ah, wo willst du hin, Bennet?«
Vielsagend hebe ich meine Sporttasche hoch. »In mein Zimmer?« Ich sollte das nicht als Frage formulieren. Aber die Art, wie Hayley auf einem Hocker stehend über die Distanz weniger Meter hinweg auf mich herabsieht, wirkt trotz ihrer zierlichen Gestalt und des Wollkleidchens so … bossy, dass ich unweigerlich das Gefühl bekomme, mich erklären zu müssen.
»Aber du kommst gleich wieder und hilfst uns.« Sie sagt das nicht auf eine anmaßende Art, aber doch so entschlossen, dass mir kaum eine Wahl bleibt. Weniger noch, als sie hinzufügt: »Komm schon, je mehr Leute wir sind, desto mehr Spaß macht das Dekorieren.«
»Caden müsste auch gleich kommen«, erklingt Blakes Bass hinter dem Baum hervor.
Tja, wenn selbst der Teamcaptain – vermutlich ohne sein Wissen – verpflichtet wurde …
»Okay. Ich muss noch kurz duschen.« Das ist keine Ausrede, sondern ein Fakt. Ich war nach meinem letzten Kurs noch im nahegelegenen Fitness and Recreation Center. Musste den Rest Frust über die Niederlage am vergangenen Samstag loswerden. Unsere Eishockey-Mannschaft hat im Madison Square Garden in New York gegen das Team der Cornell University gespielt – und verloren. Ausgerechnet! Die Rivalität unserer beiden Teams hat Tradition, was die Niederlage doppelt bitter macht. Auch wenn sie nicht beschämend hoch war. Sie nagt an mir. Auf dem Eis bin ich alles andere als ein guter Verlierer. Außerdem liegt auf Caden und mir bei jedem einzelnen Spiel ein gewisser Druck. Wir sind mittlerweile beide für die NHL gedraftet worden – Caden bereits im vergangenen Jahr, ich beim diesjährigen Draft. Beide haben wir uns dazu entschieden, erst mal am College und somit bei unserem College-Team zu bleiben. Aber natürlich haben unsere möglichen zukünftigen Teams ein sehr genaues Auge auf uns. Sowohl Caden als auch ich sind unserem Traum von DER Profiliga zum Greifen nahe. Ihn scheint das regelrecht zu beflügeln, mich hingegen … Keine Ahnung, vermutlich bin ich einfach nur gefrustet von der Niederlage gegen Cornell und vielleicht wird eine heiß-kalte Dusche dagegen helfen.
Rund fünfzehn Minuten später wusele ich mit Hayley, Blake und Caden um den Baum herum. Der ist bereits über und über mit glitzernden Kugeln behängt, sodass ich eigentlich keine Ahnung habe, wo ich den Rentier-Anhänger noch unterbringen soll. Aber Hayley ist der Meinung, dass alles aus der Kiste an den Baum muss – und niemand widerspricht ihr.
Nachdenklich drehe ich das Rentier in den Fingern und bin mir nicht sicher, ob ich es mit seinem grünen Glitzerhemdchen und der knallrot leuchtenden Nase auf skurrile Weise schön, einfach nur kitschig oder furchtbar finden soll. Oder alles davon. Möglicherweise rührt meine Unentschlossenheit auch nur daher, dass Weihnachten und ich schon immer ein schwieriges Verhältnis zueinander haben. Ich habe eine angeknackste Beziehung zu allen Familienfesten, weil meine Familie … Ich sagte doch, es ist kompliziert.
Das erste Weihnachten, das ich hier an der Boston University verbracht habe, war das schönste überhaupt. Das zweite, im Jahr darauf, das schlimmste. Und dieses hier, mein drittes, hat Potenzial, schön oder schrecklich zu werden. Wie die in den beiden Jahren zuvor hängt es unter anderem von … Fuck, nein! Ich werde nicht zulassen, dass Riley Sullivan darüber bestimmt, wie mein Weihnachtsfest werden wird.
Wild entschlossen hänge ich das funkelnde Rentier an den Baum.
»Fahrt ihr über Weihnachten eigentlich heim?«
»Ja.« Caden nimmt mit kritischem Blick die glitzernde Baumspitze entgegen, die Hayley ihm reicht.
Blake fährt unbeirrt damit fort, noch mehr Kugeln an den nadeligen Ästen zu drapieren. »Ich auch.«
Mein Herz sackt sinnbildlich ein Stück nach unten. Umso mehr, als Hayley hinzusetzt: »Mit mir. Wir fahren erst zu meiner Familie und dann zu seiner. Das ist echt aufregend. Ich kenne seine Eltern ja noch gar nicht.«
Ich zwinge mich zu einem Lächeln und wende mich eilig wieder der Kiste mit dem verbliebenen Baumschmuck zu. Bislang habe ich es gründlich vermieden, über das diesjährige Weihnachten nachzudenken. Habe aber insgeheim dennoch gehofft, jemand aus meiner WG würde über die Weihnachtstage hier an der BU bleiben. Dann hätte ich einen Grund, um nicht mit meiner Mom und ihrer neuen perfekten Familie zu feiern. Denn perfekt sind Adam und seine beiden Töchter für meine Mom auch nur deshalb, weil die Kinder nicht ihre sind.
»Und du?«
Auf Cadens Frage hin zucke ich mit den Schultern. »Weiß noch nicht.« Keine Ahnung, ob er die Enttäuschung aus meiner Stimme heraushört. Ich jedenfalls schmecke sie auf der Zunge.
Dass wir in meinem ersten Semester alle zusammen auf dem Campus geblieben sind, war wohl eine einmalige Sache. Eine, die ich vermisse. Nicht nur, aber eben auch wegen Ril–
»Ha!« Blakes Ausruf reißt mich aus meinen trübseligen Gedanken. »Wie wär’s, wenn wir Weihnachten zusammen vorfeiern? Wir könnten für ein Wochenende in die Blue Hills fahren. Meine Eltern haben doch das Chalet dort.«
Sofort nimmt mein Herz einen rascheren Takt auf. »Ja, Mann! Bin dabei.«
Caden wirkt auf den ersten Blick weniger euphorisch. »Kriegen wir das noch unter zwischen unseren Spielen und den Klausuren?«
Neckend boxe ich ihm meinen Ellbogen in die Seite. »Solltest du unsere Spieltermine nicht am besten im Kopf haben, Cap?«
Er schnaubt. »Hab ich. Uns bleibt genau ein Wochenende.«
Ein Rundumblick zu ihm und Blake zeigt deutlich, dass wir alle wissen, von welchem Wochenende er redet.
»Tja, dann … Blue Hills wir kommen!« Ich halte Blake meine Faust hin und er boxt seine dagegen. Im nächsten Moment jedoch wird sein Grinsen schmaler und er wendet sich an Hayley. »Es macht dir doch nichts aus, oder?«
Sie wirft kokett ihre Haare in den Nacken. »Und wenn doch?« Ein Zwinkern folgt. »Quatsch. Macht ihr mal.«
Blake neigt sich zu ihr, um sie zu küssen, und ich tausche einen vielsagenden Blick mit Caden. Noch sitzt da ein ganz feines Nagen in meiner Brust, wenn ich an Heiligabend denke. Aber hey, die Vorweihnachtszeit beginnt gerade erst und ich verbringe sie inmitten der Menschen, die mir in den letzten beiden Jahren ans Herz gewachsen sind. Das Eishockeyteam und insbesondere meine beiden Mitbewohner sind so was wie die Familie für mich, die ich nie in der Form hatte. Ich liebe es, Zeit mit ihnen zu verbringen, und ja, Mann, gemeinsam mit ihnen weckt sogar dieses Glitzer-Rentier so etwas wie ein festlich vorfreudiges Flirren in meinem Brustkorb.
»Warum trinken wir eigentlich gerade keinen Eggnog?«
»Vielleicht weil wir anständige Studenten sind und natürlich keinerlei Alkohol in den Geheimschränken unserer WG-Küche bunkern?« Caden grinst mir breit zu, was ich ebenso erwidere.
»Ist das eine Aufforderung, Cap?«
»Selbstverständlich.«
Prompt wende ich mich in Richtung Küche. Scheiß auf Riley Sullivan und seine Pläne! Wie auch immer diese aussehen. Er wird mir dieVorweihnachtszeit nicht vermiesen. Dafür werden meine Freunde schon sorgen – und ich sorge indessen für ein weihnachtliches Heißgetränk.
Besagter Eierpunsch ist es, der selbst Hayley dazu bewegt, den Baumschmuck für ein paar Minuten Baumschmuck sein zu lassen. Allerdings erst, nachdem sie uns alle aufgefordert hat, die Augen zu schließen, damit sie die gläserne Weihnachtsgurke im Baum verstecken kann.
Nun nippt sie an ihrer Tasse und ertrinkt dabei sinnbildlich in Blakes lockerer, aber doch beeindruckender Umarmung. Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch, das er und ich vor einigen Monaten in angetrunkenem Zustand geführt haben. Damals war er gerade frisch mit Hayley zusammen und hat mir anvertraut, dass sie noch nicht miteinander geschlafen haben, weil er Angst hat, sie dabei zu zerquetschen. Nach wie vor finde ich diese Sorge zu gleichen Teilen amüsant wie liebenswert. Keine Ahnung, ob er Hayley jemals davon erzählt hat. Beim Sex erdrückt hat er sie jedenfalls ganz offensichtlich nie. Und ich bin mir sehr sicher, dass ihr Gestöhne, das manchmal aus Blakes Zimmer dringt, nicht Luftnot geschuldet ist.
Mein Schmunzeln über diese Gedanken verberge ich in einem großen Schluck Eggnog und lasse mich tiefer in die weichen Polster sinken. Neben Blake und Hayley wäre trotz Blakes massiger Gestalt noch ein Platz auf dem Sofa frei, aber Caden und ich haben es uns gegenüber auf zwei Sesseln bequem gemacht. Ein wenig wundert es mich ja, dass rund zwei Wochen nach Zayns Auszug noch niemand Neues in das leere Zimmer eingezogen ist. Bedarf gibt es auf dem Campus doch eigentlich immer. Aber ehrlicherweise hatte ich zwischen Uni und Eishockeytraining auch weder Zeit noch Nerven, mir ernsthaft Gedanken darüber zu machen.
»Ist gut, dass wir gerade so zusammensitzen«, ergreift Caden das Wort und meint damit sicherlich nicht nur den Umstand, dass es immer schön ist, ein paar ruhige Minuten in dieser Runde zu haben. Ich glaube sowieso, dass ich diese Momente viel mehr genieße als die anderen. Schlicht weil ich dieses Gefühl von ›zu Hause sein‹ früher so selten hatte. Wenn ich an meine Kindheit denke, erinnere ich mich zuallererst an Hast. Daran, dass ich immer das Gefühl hatte, meine Mom sei auf dem Sprung und ich nur Ballast, der sie aufhält.
»Ich habe einen Vorschlag hinsichtlich Zayns Zimmer.«
Überrascht sehe ich zu unserem Teamcaptain. Da hatten er und ich wohl gerade ähnliche Gedanken.
»Schieß los!«, sagt Blake sofort.
»Was haltet ihr davon, wenn Wyatt einzieht?«
Das überrascht mich – und irgendwie auch nicht. Wyatt ist neu im Eishockeyteam und überhaupt neu an der Uni. Er hat zum Herbstsemester sein Studium begonnen und sich in unserer Mannschaft schnell einen Stammplatz gesichert. Der Kerl ist wirklich gut. Und ehrgeizig. Caden meinte mal zu mir, Wyatt erinnere ihn an mich. Was mir geschmeichelt hat und gleichzeitig …
»Unser Youngster? Hmm …« Blake zieht nachdenklich die Stirn in Falten.
»Wie alt ist er denn?«, will Hayley wissen. »Achtzehn?«
»Jepp.«
Hayley verdreht grinsend die Augen. »Oh, wow.«
Ihr Kommentar verdeutlicht, was ich auch gerade dachte: Wyatt ist gerade mal knapp drei Jahre jünger als Blake und ich. Caden ist der Älteste von uns. Im kommenden Frühjahr wird er seinen Abschluss machen – und dann zur nächsten Eishockey-Saison sein Debüt in der NHL geben. Hier in Boston. Den Entry-Level-Contract hat er bereits unterschrieben.
»Ich seh darin kein Problem«, sage ich in die entstandene Stille hinein. »Wyatt ist ein feiner Kerl.« Ich grinse schief. »Und erwachsen sind wir alle nicht.«
Blake schnaubt, widerspricht mir aber nicht. Ein Plädoyer über unser aller innere Reife wäre aus seinem Mund auch ziemlich unglaubhaft. Zumindest jetzt gerade, wo er mit seinem Pin-up-Engelchen-Pullover da hockt.
Caden nickt mir bekräftigend zu. »Wyatt wohnt im Moment ja noch zu Hause, würde aber gern auf dem Campus leben.«
Stimmt, das hat er nach einem Training mal in der Umkleide erwähnt.
»Von mir aus …« Blake hebt die breiten Schultern. »Ich mag Wyatt.«
Caden sieht aus, als sei das für ihn damit beschlossene Sache. So einfach ist das allerdings nicht.
»Denkst du nicht, die Hausverwaltung hat das Zimmer schon neu verplant?«
»Dann hätten wir ’ne Info bekommen.« Caden stemmt sich in seinem Sessel hoch. »Ich geh gleich mal runter und klär das.«
Auf mich wirkt seine wie beiläufige Entschlossenheit, als ginge er fest davon aus, dass sich die Hausverwaltung selbstverständlich nach den Zimmerbelegungsplänen von Caden Brown richtet. Einfach weil er Captain des Eishockeyteams und zukünftiger NHL-Spieler und Sohn stinkreicher Eltern ist. Letzteres sind wir hier in der WG gewissermaßen alle. Meine Mom ist erfolgreiche Geschäftsfrau und Blakes Adoptiveltern haben ebenfalls ordentlich Kohle. Im Gegensatz zu Caden leben Blake und ich allerdings weniger nach dem Motto: ›Was kostet die Welt?‹ Wir sind dankbar für die Privilegien, die wir durch den Reichtum unserer Eltern genießen. Ich für meinen Teil hätte jedoch jederzeit einen guten Teil meines Vermögens gegen das Gefühl, wirklich das Wunschkind meiner Mom zu sein, eingetauscht.
Mit einem Kopfschütteln versuche ich, die unliebsamen Gedanken fortzuwischen, und klopfe stattdessen Caden auf den Rücken, als er an mir vorbeigeht. »Du machst das schon, Cap.«
Er grinst uns über die Schulter hinweg zu und verlässt unsere Wohnung.
»Ich muss auch mal los«, verkündet Hayley in das Zuschlagen der Tür hinein. »Bin mit meinen Mädels zum Burgeressen verabredet.« Vielsagend wackelt sie mit den Augenbrauen. »Heute ist Cheat Day.«
Ich habe keine Ahnung von Eiskunstlauf, aber von Blake weiß ich, dass Hayley sich an einen strengen Ernährungsplan hält. Theoretisch achten wir Eishockeyspieler auch auf eine ausgewogene, proteinreiche Ernährung. Praktisch … ruinieren uns spontane WG-Junkfood-Tage und vor allem die Alkoholeskapaden an Wochenenden in unregelmäßiger Regelmäßigkeit unsere Kalorientabellen. Bedeutet dann eben mehr Zeit im Gym.
»Wie jetzt – ein Tag voller Sünden ohne mich?« Blakes halbherziger Protest geht in Hayleys hellem Lachen unter. Er versucht noch, sie festzuhalten – sehr sanft natürlich, wegen nicht zerquetschen und so –, doch sie windet sich aus seiner Umarmung.
Vor dem Sofa stehend neigt sie sich noch einmal zu ihm hinab, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. »Vielleicht komm ich später noch mal vorbei und du darfst mir ganz sündig dabei helfen, all die Kalorien abzutrainieren …«
Blake brummt zufrieden und ich seufze innerlich und stelle mich schon mal auf eine weitere Nacht mit Ohrstöpseln ein. Wobei ich ja den Vorteil habe, dass zwischen Blakes und meinem Zimmer der Wohnbereich liegt. Er und Caden leben Wand an Wand. Tja, unser Captain wird sich vermutlich zeitnah revanchieren, wenn er nach einer Party mal wieder eine Frau abschleppt. Oder sich abschleppen lässt. Auf Partys stehen bei ihm immer ein paar Mädels Schlange. Zumindest sinnbildlich. Wobei Caden diesen Umstand seltener, als man annehmen könnte, ausnutzt. ›Keine Ablenkung‹, lautet seine oberste Eishockey-Devise.
Ich hoffe nur, Wyatt hat kein übermäßig ausschweifendes Sexleben, wenn er bald neben mir einzieht. Vielleicht können wir uns absprechen und immer zeitgleich jemanden aufreißen. Ich erinnere mich noch gut an eine Nacht nach einem gewonnenen Heimspiel, als Zayn im Zimmer nebenan eines der Puckbunnys der gegnerischen Mannschaft vernascht hat, während in meinem Zimmer Riley und ich –
Fuck!
Die Erinnerung an seine Küsse und an ... mehr schießt messerscharf in meinen Brustraum. In meinen Bauch. Hart beiße ich die Zähne aufeinander und umklammere meine inzwischen fast leere Tasse.
Blake und Hayley bekommen dank eines langen Abschiedskusses zum Glück nichts mit. Bis sie sich voneinander gelöst haben, habe ich mich wieder im Griff. Zumindest äußerlich.
»Willst du noch einen?« Vielsagend hebe ich meine Tasse in seine Richtung.
»Jepp.«
Ich sammle auch Hayleys und Cadens Tassen ein und gehe rüber in die kleine Küche, rufe noch eine Verabschiedung über die Schulter, die Hayley erwidert. Mit ihrer und Blakes Stimmen im Ohr stelle ich die Tassen ab, stütze mich mit beiden Händen an der Kante der Arbeitsplatte ab. In meinem Bauch herrscht noch immer dieses schmerzliche Ziehen und ich kann nichts gegen das Bild tun, das vor meinem inneren Auge aufsteigt: Riley vor mir auf der Arbeitsplatte sitzend, ich zwischen seinen Beinen, seine Arme um meinen Nacken, meine auf seinen Hüften und unsere Münder –
»Hey, Mann, alles klar?«
Mein Kopf ruckt nach oben und zu Blake herum. Er lehnt im Türrahmen und sein Blick ist so intensiv, dass ich innerlich ein paar Zentimeter in mich zusammensacke. So viel zum Thema, ihm sei entgangen, wie ich mich eben angespannt habe …
»Klar«, gebe ich lahm zurück und widme mich meiner eigentlichen Aufgabe: den Rest Eggnog auf drei Tassen verteilen. »Bin nur kaputt vom Wochenende.« Die Ausrede mag im ersten Moment plausibel klingen. Aber er und ich sind lange genug in einer Mannschaft und Mitbewohner und Freunde, damit er weiß, dass mich ein einzelnes Auswärtsspiel – auch wenn es eine sportliche Niederlage bedeutete – nicht dermaßen schafft, dass ich zwei Tage später noch durchhänge.
Er sagt jedoch nichts dazu, sondern brummt nur etwas, das sowohl verständnisvolle Zustimmung als auch ein: ›Erzähl keinen Mist‹, sein könnte.
Lange Sekunden herrscht Schweigen zwischen uns. Ich bin gerade dabei, das letzte bisschen Eierpunsch in Cadens Tasse zu schütten.
»Sag mal, hast du eigentlich in letzter Zeit was von Riley gehört?«
Blakes Worte erwischen mich eiskalt. Ich schaffe es gerade so, den Rest Eggnog nicht zu verschütten. In der nächsten Sekunde fährt eine Art Hitzschlag durch mich. Mit einem Klappern stelle ich den Topf ab.
»Nein«, bringe ich abgehackt hervor. »Warum sollte ich? Du bist doch mit ihm befreundet.« Zudem habe ich auf Rileys letzten Versuch der Kontaktaufnahme nicht reagiert. Seine Nachricht mit den Glückwünschen zum Draft hat mich derart in ein emotionales Chaos gestürzt, dass ich schlicht nicht wusste, was ich hätte antworten sollen. Also habe ich seine Nachricht quasi ignoriert. Was zugegebenermaßen mies von mir war. Oder sich zumindest mies anfühlt. Noch immer. Caden hingegen ist der Meinung, dass ich Riley sowieso nichts schuldig bin.
»Ja, schon«, entgegnet Blake gedehnt. »Aber ihr wart –«
»Mannschaftskollegen.«
Von Blake kommt ein ungläubiger Ton.
»Die was miteinander hatten.«
Gott, wem versuche ich eigentlich, etwas vorzumachen? Natürlich waren Riley und ich nicht nur zwei Kerle, die im selben Team gespielt und manchmal das Bett geteilt haben. Wir waren –
Aber nein, der Gedanke tut zu weh, um ihn zuzulassen. Selbst nach fast einem Jahr noch. Riley hat mir mit seinem Fortgang nach Irland mein Herz herausgerissen. Ich weiß, wie dramatisch das klingt, und ja, vielleicht übertreibe ich. Aber damals hat es sich so angefühlt. Ist es nicht immer so, dass man die erste große Liebe als dimensionsverändernd weltbewegend erlebt?
Ich erschrecke vor meinen eigenen Gedanken. Meinem heimlichen Eingeständnis. Aber ich kann es nicht leugnen, nicht vor mir selbst. Riley Sullivan war meine erste – und bislang einzige – große Liebe.
»Jedenfalls ist er wieder hier.«
Blakes Worte sind keine wirkliche Neuigkeit. Im Grunde wusste ich, dass Riley irgendwann vor Weihnachten zurückkommen würde. Ich habe seine anstehende Rückkehr und damit ein früher oder später unvermeidliches Wiedersehen nur in den letzten Wochen halbwegs erfolgreich verdrängt. Bis Hayley und Blake diesen verfluchten Weihnachtsbaum angeschleppt und mich damit an die schönste und schrecklichste Zeit erinnert haben. An mein vorletztes Weihnachten mit Riley und daran, wie er mir wenige Tage vor dem letzten Weihnachtsfest verkündet hat, dass er Irland auch ohne mich durchziehen wird.
»Hier?«, echoe ich mit dumpfer Stimme und verfluche mich bereits dafür, dass ich überhaupt nachfrage. »Was treibt er? Ich meine, das Herbstsemester hat er ja ausgesetzt. Macht er im Frühjahr weiter?«
»Ja. Sind ja nur noch ein paar Wochen. Er hofft, dass er zum Jahresanfang zurück in seine WG kann oder –«
Das dumpfe Geräusch der zu schwungvoll ins Schloss geworfenen Wohnungstür unterbricht Blake. Über die Schulter reckt er den Kopf in Richtung Eingangsbereich. Obwohl er mit seinen Körpermaßen den Türrahmen nahezu gänzlich einnimmt, sehe ich Caden hinter ihm auftauchen. Einen Caden mit Todesmiene.
»Was ist los?« Blake nimmt mir die Worte aus dem Mund. Ich schiebe jedoch hinterher: »Lassen sie Wyatt nicht einziehen?«
»Schlimmer!« Unser Teamcaptain knurrt regelrecht. »Es steht schon fest, wer das Zimmer bekommt.«
»Wer?«, fragt Blake prompt.
Caden antwortet nicht. Er sieht stattdessen mit vielsagend hochgezogenen Augenbrauen zuerst zu Blake, dann an diesem vorbei zu mir. Die Art, wie er das tut, sagt mir alles, was ich wissen muss und doch nicht glaube. Weil ich es nicht wahrhaben will.
Ein ungläubig gehauchtes: »Fuck«, entweicht mir. Im selben Moment, in dem Caden dann doch die verbale Antwort gibt. Er spuckt sie förmlich aus.
»Riley, der Verräter, Sullivan.«
Ich lasse das Smartphone sinken und weiß nicht, ob ich lachen oder schreien soll. Auch mein Mund kann sich offenbar nicht entscheiden, denn der Laut, der herauskommt, könnte in meinen eigenen Ohren beides ausdrücken: Erleichterung und Frustration. Erleichterung darüber, dass ich so überraschend schnell ein WG-Zimmer an der Boston University zugewiesen bekommen habe, und Frustration, weil es dieses Zimmer ist. Das spontan frei gewordene Zimmer in einer der begehrtesten Wohnungen auf dem Campus. Die Wohnung der wahrscheinlich zukünftigen NHL-Stars Bennet Marson und Caden Brown. Und ihres Teamkollegen Blake Simmonds. Er ist mein einziger Lichtblick. Das wohl einzige Teammitglied der Eishockeymannschaft, das mich nicht für ein selbstsüchtiges Arschloch hält.
Verdammt, ja, ich weiß, was sie alle über mich denken: dass ich mit meinem Auslandssemester das Team und insbesondere Bennet im Stich gelassen habe. Auch wenn manche über Letzteres fast schon froh sein dürften, weil meine und Bennets … Beziehung ohnehin unter keinem guten Stern stand. Nicht in den Augen des Teamcaptains zumindest. Caden wird mich dafür hassen, dass ich bei ihnen einziehe. Eine wirkliche Wahl habe ich jedoch nicht und außerdem … shit, ja, außerdem ist da eben auch dieser kleine Funken sehnsüchtiger Vorfreude in mir. Darüber, Bennet endlich wiederzusehen.
Energisch schiebe ich das Smartphone in die Arschtasche meiner Jeans und öffne mit einem Ruck die Tür meines ehemaligen Kinderzimmers.
Ich sollte mich definitiv nicht so auf ein Wiedersehen mit Bennet freuen. Allein schon, weil ich befürchte, dass er sich nicht freuen wird, mich zu sehen. Oder es wenigstens nicht zugeben wird.
Der Gedanke sticht.
Mit einem tiefen Durchatmen ziehe ich die Tür vollends auf, husche hindurch und lehne sie hinter mir an. Aus dem Untergeschoss dringen die Stimmen meiner Familie zu mir nach oben und legen sich wie Balsam über mein aufgerautes Inneres. Die vergangenen Tage über Thanksgiving hier zu sein, in meinem Elternhaus in Barnstable, war superschön. Diese Energie wird mir helfen, wieder in den Trubel des Colleges zurückzukehren – und mich meinen ehemaligen Teamkollegen zu stellen. Insbesondere einem.
Ich beeile mich, die Treppe aus dem Obergeschoss hinunterzukommen. Ellie steht bereits mit unserem Grandpa im Flur und ist dabei, sich in einen ihrer überdimensionalen Schals einzuwickeln. Grandpa Ieuan hingegen trägt nur eine Strickjacke über seinem Hemd und wartet augenscheinlich geduldig auf seinen Fahrdienst. Seit Ellie vor rund einem Jahr ihre Intermediate License erworben hat und ohne Begleitperson fahren darf, lebt sie gefühlt in ihrem Auto. Zumindest ist das, was Mom und Dad behaupten. Durch zimein Studium an der BU und die letzten Monate, die ich in Dublin verbracht habe, kann ich es nicht wirklich beurteilen. Vielleicht ist der Umstand, dass ich seltener zu Hause bin, als ich gern würde, auch der Grund, weshalb mir meine kleine Schwester plötzlich so unglaublich erwachsen vorkommt. Ellie ist drei Jahre jünger als ich, gerade achtzehn geworden, aber gefühlt ist sie während meiner Zeit in Irland in Monsterschritten gereift.
»Alles okay?«, fragt sie, während sie die Schalenden sorgsam in ihrer Jacke verstaut. »Wer war dran?«
»Jemand von der Universitätsverwaltung. Sie haben mir ein spontan freigewordenes WG-Zimmer zugeteilt.«
»Oh, toll!« Ellies Lächeln ist unter all der Wolle nicht zu sehen, doch es funkelt bis in ihre Augen, die den nahezu identischen braunen Farbton haben wie meine. Keine zwei Sekunden später jedoch zieht sie die Stirn unter ihrem fransig geschnittenen Pony in Falten. »Oder nicht?«
»Doch. Klar.« Hundertprozentig merkt Ellie mir an, dass ein Schatten meine Freude trübt. Doch vor Grandpa wird sie nicht nachhaken. In dieser Hinsicht ist sie eindeutig besonnener geworden.
Sie schenkt mir nur einen eingehenden Blick, der zu sagen scheint: ›Wir reden, wenn ich zurück bin.‹
Grandpa wohnt nicht allzu weit von uns entfernt, dennoch holen Mom und Dad ihn über Thanksgiving – und auch manchmal einfach so für ein Wochenende – zu sich. Familiärer Zusammenhalt wird bei uns großgeschrieben und ich bilde mir ein, dass Ieuan insbesondere dieses Zusammentreffen genossen hat. Nahezu jeden Abend haben wir stundenlang im Wohnzimmer zusammengesessen und in Erinnerungen an Irland geschwelgt. Habe ich seine, die Jahrzehnte zurückliegen, durch meine ganz frischen wieder aufleben lassen.
»Es war so schön, dich wiederzusehen, Grandpa.« Ich überbrücke den kleinen Abstand zu ihm und umarme ihn. Fühle mich gleich darauf in seiner ebenso festen Umarmung geborgen.
»Das war es.« Er reibt über meinen Rücken. Trotz seines Alters fühlen sich seine Finger noch immer kräftig an. Grandpa hat ein Leben lang hart gearbeitet. Als irischer Einwanderer in den USA hatte er es nicht immer leicht. Aber er hat sich durchgebissen und nie habe ich ihn jammern hören. Im Gegenteil. Auch heute noch erledigt er für etliche Nachbarn Gartenarbeiten. Er braucht das, sagt er. Er kann nicht nur herumsitzen.
»Wann geht es für dich zurück nach Boston?«, will er wissen, während wir uns nur langsam loslassen.
»Morgen schon.« Kurz streift mein Blick den Ellies. »Da ich jetzt ein neues Zimmer habe …«
»Und wann gehen deine Vorlesungen wieder los?«
»Im Januar erst. Das aktuelle Semester läuft ja noch. Ich werd mir für die nächsten Wochen einen Job suchen.« Zwar habe ich in den vergangenen Monaten auch in Irland gejobbt, aber seit jeher nutze ich jegliche freie Zeit neben meinem Studium, um zu arbeiten. Ich habe gar keine andere Wahl.
»Fleißig, fleißig.« Sichtbar zufrieden klopft er mir auf den Arm und wendet sich dann Ellie zu.
»Kann’s losgehen?« Sie hebt bereits seinen uralten Koffer hoch. Er sieht aus, als würde er gleich auseinanderfallen, aber Ieuan findet, er ist noch gut.
Geschäftig nickt er und folgt meiner Schwester nach draußen.
»Bis nachher, Bruderherz!« Mit ihren Worten zieht ein kalter Lufthauch zu mir und ich fröstle für einen Augenblick.
»Bis gleich. Bye, Grandpa!«
Dann fällt die Haustür hinter ihnen ins Schloss und ich bin allein in meinem Elternhaus. Mom und Dad sind beide noch bei der Arbeit und haben Ieuan bereits am frühen Morgen verabschiedet.
Wobei … ganz allein bin ich nicht. Kaum sind die meisten Menschen aus dem Haus, wetzt Leprechaun die Treppe hinunter. Seinen Namen hat der Kater erhalten, weil Ellie findet, er sieht mit seinem rostrot getigerten Fell und dem immerzu mürrischen Gesichtsausdruck wie ein Kobold aus. Ganz anders als die irischen Sagengestalten hat er aber keinen Spaß daran, seine menschlichen Bewunderer an der Nase herumzuführen und sie am Ende mit einem Topf voller Gold zu beglücken. Er will von Menschen genau zwei Dinge: Futter und in Ruhe gelassen werden.
Auch jetzt streift er nur ein einziges Mal um meine Beine und stolziert dann mit hochgerecktem Schwanz in Richtung Küche. Ich, sein treuer Untergebener, folge ihm, um seiner katerlichen Hoheit den Napf zu füllen.
Während Leprechaun unter dem halboffenen Küchenschrank kauernd sein frühabendliches Dinner verspeist, lehne ich rücklings an der Spüle und lausche seinem leisen Schmatzen. Tieren beim Fressen zuzuhören, hat irgendwie etwas Beruhigendes. Und ich habe Beruhigung durchaus nötig, wenn ich an morgen denke.
Ich werde Bennet wiedersehen. Nicht dass ich das nicht früher oder später ohnehin getan hätte, aber … shit, Mann, ich werde mit ihm zusammenwohnen. Werde ihm damit näher sein, als wir es in unseren ersten Semestern waren, und gleichzeitig … meilenweit von ihm entfernt.
Dass er keinen Wert auf Kontakt mit mir legt, hat sein eisernes Schweigen auf meine letzte WhatsApp-Nachricht deutlich gemacht. Und trotzdem ertappe ich mich dabei, wie ich plötzlich mein Smartphone wieder in der Hand halte und durch die App scrolle. Auf der Suche nach unserem Chatverlauf, der weit nach unten gerutscht ist. Ich müsste nicht aufs Datum über der letzten Nachricht schauen, um zu wissen, wann ich diese abgeschickt habe. Es war der Abend im Juni, an dem Bennet vom NHL-Team aus Pittsburgh in erster Runde gedrafted wurde. Ich habe atemlos auf meinem Bett in dem winzigen Zimmer auf dem Campus der University of Dublin gesessen, meinen Laptop auf dem Schoß. Mit zum Zerspringen klopfendem Herzen und einem fetten Kloß in der Kehle.
Dass Bennet für die NHL gedraftet wurde, war für mich so etwas wie der schicksalhafte Beweis dafür, dass seine Entscheidung, nicht mit mir nach Irland zu gehen, die absolut richtige war. Ich kann sie ihm gar nicht übelnehmen – obwohl wir wochenlang Pläne für eine gemeinsame Zeit an der University of Dublin geschmiedet hatten. Er hingegen hat es mir übelgenommen, dass ich an meinem Traum festgehalten habe. Zumindest denke ich, dass er das getan hat. Sein Schweigen sagte alles.
Ob er mir antworten würde, wenn ich ihm jetzt schreibe? Oder will er am liebsten immer noch so tun, als sei das mit uns durch meinen Fortgang komplett vorbei? Weiß er überhaupt schon, dass wir bald – morgen! – Mitbewohner sein werden?
In einem langen Atemzug stoße ich die Luft aus und lasse meinen Kopf in den Nacken sinken. Starre an die Decke. In meinem Bauch nistet noch immer dieses Ziehen, das zu gleichen Teilen aus Vorfreude, nervöser Unruhe und Sehnsucht zu bestehen scheint. Shit, ja, ich vermisse Bennet. Habe es die ganzen letzten Monate getan. Mal mehr und mal weniger zwar und ich bereue kein Stück meiner Zeit in Dublin. Aber ein gewisses Vermissen war immer da. Und genau dieses ist es, das mich etwas unnötig Dummes tun lässt: Ich klicke mich in die YouTube-App und spiele das Video ab, das ich dort in meiner Favoritenliste gespeichert habe. Das Video von dem Interview, welches Bennet nach dem Draft-Pick gegeben hat.
Es bedarf nur zwei Sekunden des Videos und mein Herz beschleunigt seinen Takt. Meine Augen saugen sich regelrecht an Bennet fest. An der glücklich-aufgeregten Röte auf seinen Wangen, am Funkeln seiner grünbraunen Augen, an seinem scheiße attraktiven Gesicht. Seinem Mund, den ich auf meinem vermisse.
»… zunächst zurück an die Boston University und zu meinem dortigen Team gehen. Wir haben wirklich gute Chancen, in der kommenden Saison einen nationalen Titel zu gewinnen.«
»Mit anderen Worten: Du willst zuerst noch die Frozen Four, ehe du dein NHL-Debüt gibst?«
Bennet grinst in die Kamera und beantwortet allein damit schon die Nachfrage des Journalisten. »Ja!«
Im Folgenden kommt der General Manager des NHL-Teams aus Pittsburgh zu Wort und erklärt, dass das Team voll hinter Bennet Marsons Entscheidung steht und sie es schätzen, dass er zunächst weitere Erfahrungen und Erfolge sammeln will. Ehe er zu ihnen ins Trainingscamp kommt, um sich dort vollends auf sein erstes Spiel in der NHL vorzubereiten. Bennet weiß, wohin er möchte. Und was er dafür bereit ist, aufzugeben. Mich zum Beisp–
Ehe sich der Gedanke in meinem Hirn einnisten und das Ziepen in meinem Brustkorb verstärken kann, wische ich ihn energisch fort und schließe die App.
Er und ich waren beide nicht bereit, unsere Träume füreinander hinten an zu stellen. Im Grunde haben wir uns gegenseitig nichts vorzuwerfen – oder genau dasselbe. Argh, es ist kompliziert. Und dass ich ganz offensichtlich noch immer Gefühle für ihn habe, wird unser bevorstehendes Zusammenleben definitiv nicht einfacher machen. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie ich ihm morgen gegenübertreten soll.
Vielleicht wäre es allerdings hilfreich, anderweitig schon mal die Stimmung zu sondieren. Also klicke ich mich wieder in WhatsApp. Statt eine Nachricht an Bennet zu tippen, schreibe ich Blake.
Caden verpasst mir einen Bodycheck und ich knalle mit Wucht gegen die Bande. Die dicke Schutzausrüstung mindert zwar den Aufprall, dennoch entweicht mir die Luft in einem Keuchen. Tief in mir ballt sich Frust über meine heutige eigene Unfähigkeit zusammen. Darüber, wie leicht ich mir von meinem Captain den Puck habe abnehmen lassen.