Intrigen, Küsse und Millionen - Amanda Cinelli - E-Book

Intrigen, Küsse und Millionen E-Book

Amanda Cinelli

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Beschreibung

Investmentbanker Xander Mytikas ist fassungslos. Seine überkorrekte Assistentin Pandora hat durch ihren Verrat seine Hochzeit ruiniert? Dafür wird die irische Schöne bezahlen – und zwar als seine neue Braut! Denn um sein Erbe zu retten, muss der Workaholic sofort heiraten. Flitterwochen? Weit gefehlt. Stattdessen fliegt er mit dem eigensinnigen Rotschopf für einen Mega-Deal nach Japan. Dort öffnet sie ihm nicht nur die Augen für die Kunst der Diplomatie, sondern knackt auch sein verschlossenes Herz. Trotzdem trifft er eine dramatische Entscheidung …

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Amanda Cinelli Originaltitel: „The Billionaire’s Last-Minute Marriage“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2555 07/2022 Übersetzung: Elisabeth Hartmann

Abbildungen: Harlequin Books S. A., SeanPavonePhoto / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751509848

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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1. KAPITEL

Xander Mytikas stand wie erstarrt in seinem eleganten schwarzen Smoking auf den Stufen des Gerichtsgebäudes in Manhattan. Wut und Ärger brachten sein Blut in Wallung.

Die Ansammlung distinguierter Gäste und erwartungsvoller Paparazzi verschwamm vor seinen Augen, mitsamt ihrer zur Schau gestellten Mischung aus Mitgefühl und entzückter Empörung angesichts der Erkenntnis, dass der hartgesottene Chef eines global agierenden Finanz-Machtzentrums in aller Öffentlichkeit von seiner prominenten Verlobten abserviert worden war.

„So schnell habe ich noch keine Braut weglaufen sehen.“ Jemand in der wachsenden Menge neugieriger Zuschauer längs der Straße lachte.

„Heute Nacht weint er sich dann auf seinen Geldsäcken in den Schlaf“, rief eine andere Stimme ohne eine Spur von Mitleid.

Aufgrund einiger der schrecklichen Anschuldigungen, die seit dem Tod seines tyrannischen Vaters vor zwei Wochen wieder laut geworden waren, hatte Xander gewusst, dass er als amtierender Firmenchef zurzeit in den Medien nicht sonderlich gut angesehen war. Aber das hier … Reine Verachtung und Spott.

Die letzten Minuten spulten sich wie ein schlechter Film vor seinem inneren Auge ab: Priya Davidson Khahn in ihrem prächtigen weißen Kleid am Fuß der Treppe, seine eigene Besorgnis und seine vergeblichen Versuche, sie über die plötzlich herbeigeströmten Reportermassen hinweg zu erreichen … Dann ihr um Verzeihung bittender Blick, bevor sie im Regen die Straße hinunterrannte.

In den vergangenen wenigen Minuten hatte er das Umfeld von seinem Security Team räumen und die Gäste zurück ins Gebäude eskortieren lassen, bis die Lage unter Kontrolle war. Die Einzelheiten der Trauung hatten geheim gehalten werden sollen, jeder Teilnehmer hatte eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet, und doch hatte, dem Aufgebot der Fotografen nach zu urteilen, jemand offenbar der Presse wichtige Details verraten.

War Priya deswegen davongelaufen?

Sein Sicherheitschef tauchte an seiner Seite auf, ein Fels in der Brandung inmitten des Chaos’. „Ich lasse Miss Davidson Khan verfolgen, aber augenscheinlich wartete ein Wagen auf sie. Das hier haben wir von einem Pressemenschen konfisziert.“

Der Mann hielt Xander ein Handy-Display unter die Nase. Eine kurze Videoaufnahme zeigte, wie ein Mann seine abtrünnige Braut durch den Regen in eine Gasse trug … Der geheimnisvolle Mann wandte den Kopf, und Xander entfuhr ein Grollen, als er das Gesicht erkannte.

Eros.

Natürlich hatte sein Halbbruder hierbei die Hand im Spiel. Seit ihr Vater zwei Wochen zuvor gestorben und sein Letzter Wille bekannt geworden war, hatte Xander nur darauf gewartet, dass einer von Zeus Mytikas’ anderen unehelichen Söhnen wieder in Erscheinung trat. Der erste von den drei Brüdern, der heiratete und ein Jahr lang verheiratet blieb, sollte das Zepter übernehmen.

„Christos“, fluchte er. Sein Abkommen mit Priya war ein rein geschäftliches, aber ein derart unbestreitbarer Beweis ihres Verrats verletzte dann doch seinen Stolz.

„Ein Fahrzeug hat bereits die Verfolgung aufgenommen“, erklärte der Security-Mann und nahm das Handy behutsam wieder an sich, als fürchtete er eine Strafe für das Überbringen schlechter Nachrichten.

„Nein.“ Xander stieß den Atem aus und massierte seine Nasenwurzel, wo ein dumpfer Schmerz zu pochen begann. „Eine Verfolgungsjagd meines Security Teams am helllichten Tag durch Manhattan ist das Letzte, was ich jetzt will. Die Medien habe ohnehin schon alles, was sie wollen.“

„Wir sollen sie einfach laufen lassen?“

Xander hatte sein gesamtes Team für diesen Tag in Alarmbereitschaft versetzt, seine Leute angewiesen, nichts unversucht zu lassen, um zu gewährleisten, dass diese Blitzhochzeit vor seinen beiden verhassten Halbbrüdern geheim gehalten wurde. Er, Xander, war bekannt für seine Skrupellosigkeit und stand in dem Ruf, immer zu bekommen, was er wollte. Aber irgendwie, irgendwo … war ihm etwas entgangen. Der Fehlschlag setzte ihm zu, und seine Sicherheitsleute beeilten sich, die Zuschauer zu zerstreuen, als Xander begann, sich gewaltsam einen Weg durch die Menge zu bahnen.

Xander stieg in den unauffälligen schwarzen SUV und schlug die Tür zu. Vor zwanzig Jahren war er in diese blutrünstige Welt gestoßen worden, in der Schmerz Profit einbrachte und Skandale an der Tagesordnung waren. So viel Zeit sein Vater auch für Sprechunterricht und Stylisten aufgewendet hatte, fanden die gleichen Reporter, die sich auf den verletzlichen, naiven Neunzehnjährigen gestürzt hatten, auch jetzt noch Möglichkeiten, ihn als Geldquelle zu benutzen. So war die Welt nun mal.

„Die Turteltäubchen sind aber früh fertig.“ Die monotone Stimme erfüllte das dunkle Wageninnere, als die Trennscheibe surrend herunterfuhr und das lächelnde Gesicht unter den grauen Locken seiner langjährigen Chauffeurin Mina sichtbar wurde. „Endlich darf ich Ihre …“

Ihr erwartungsvolles Lächeln erlosch und machte Verwirrung Platz, als sie Xander allein, ohne Braut auf dem Rücksitz sah. Xanders Eingeweide zogen sich zusammen beim Anblick der gekühlten Champagnerflasche und der zwei goldgeränderten Kristallgläser.

„Die Hochzeit ist ausgefallen. Die Braut hatte andere Pläne.“ Xander löste seine Fliege, öffnete den obersten Knopf seines Seidenhemds und wehrte sich gegen den Drang, sich den Stoff vom Leibe zu reißen.

Minas vertraut gekrächztes Fluchen war willkommener Balsam für seine Nerven. Sie ließ den Motor aufheulen und hupte so wild, dass die Menge zurückwich. Als der Wagen sich schließlich in den nachmittäglichen Verkehr einreihte, fuhr die Trennscheibe wieder hoch, doch Xander spürte förmlich, wie das Mitgefühl seiner treuen Fahrerin in Wellen zu ihm hinüberschwappte. Er wollte ihr Mitleid nicht, er wollte überhaupt kein Mitleid. Aber es war wohl unvermeidlich. Klatsch war die eine Sache, aber der Skandal … Der Skandal würde seine Pläne zur Übernahme der Mytikas Holding endgültig vernichten.

Christos … Waren seit dem Tod seines Vaters erst zwei Wochen vergangen? Ihm kam es vor wie ein ganzes Leben angesichts des monströsen organisatorischen Albtraums, der unmittelbar folgte.

Nach Zeus’ Tod war allgemein angenommen worden, dass Xander ganz selbstverständlich die Nachfolge seines Vaters antreten würde. Immerhin hatte er mit eben diesem Ziel zwei Jahrzehnte treue Dienste geleistet. Doch offenbar hatte der alte Herr es sich im letzten Augenblick noch anders überlegt. Irgendwie hatte es Xander nicht übermäßig überrascht, dass Zeus ihm als Abschiedsgeschenk einen massiven Knüppel zwischen die Beine geworfen hatte.

Schon vor langer Zeit hatte Xander es aufgegeben, Zuneigung oder Anerkennung von dem Mann zu erwarten, der seine Existenz neunzehn Jahre lang ignoriert hatte. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass Zeus seinen Nachlass vollumfänglich demjenigen seiner Kinder überlassen würde, das als Erstes heiratete und die Ehe ein Jahr lang aufrechterhielt.

Xander fand eine einfache Lösung für dieses „Problem“: Auch Priya Davidson Khan hatte einen Ehemann benötigt, um an ihr Erbe zu kommen. Xander hatte sich ein paar Mal mit ihr getroffen und auf Anhieb ihre vernünftige, professionelle Einstellung zu einer Scheinehe bewundert. Hinzu kam als Bonus, dass er eine echte Oberschicht-Prominente an seiner Seite haben würde, die ihm beim Aufstieg in die höchsten Kreise behilflich war. Er war bereit, der Gesellschaft ein Jahr lang Eheglück vorzuspielen, exakt so lange, wie das Testament seines Vaters es vorschrieb, und keine Minute länger, um dann die Scheidung einzureichen. Sauber und ordentlich, im Gegensatz zu den meisten Beziehungen, die er bisher in seinem Leben mit angesehen hatte.

Er hatte knapp vor dem Sieg gestanden. Wenn er etwas erreichen wollte, stellte sich ihm gewöhnlich nichts in den Weg.

Doch diese Situation war anders. Hier ging es nicht nur um ein vertragliches Problem, das er ausbügeln konnte. Hier ging es um einen Menschen. Menschen verfügten über lästige Dinge wie Selbstbestimmung, einen freien Willen und das Recht, sich mir nichts dir nichts etwas so Bedeutsames wie eine Hochzeit anders zu überlegen.

Ihm schwirrte der Kopf beim Gedanken an die Folgen, die der katastrophale Fehlschlag dieses Tages für seine Pläne nach sich ziehen würde. So viele Dinge standen auf dem Spiel, so viele Möglichkeiten, wie einer seiner Brüder hineingrätschen und alles übernehmen könnte, wofür er in den vergangenen zwanzig Jahren so hart gearbeitet hatte.

Als der Wagen vor dem gleißenden Hochhaus an der Lexington Avenue angelangt war, der die Firmenzentrale beherbergte, hatte der Regen ein wenig nachgelassen. Xander machte in dem riesigen Lichthof halt, strich sich die letzten Regentropfen vom Smoking-Jackett und hob den Blick zu dem gewaltigen Porträt seines Vaters, das auf ihn herabsah. Trotz seiner Erschöpfung erfasste ihn kalte Entschlossenheit. Er würde nicht vor der ersten Hürde zurückschrecken, nicht, wenn so viel auf dem Spiel stand. Auch wenn dank Eros’ Aktion das Ergebnis jetzt entschieden weniger gewiss war, als ihm lieb sein konnte.

In seinem privaten Lift fuhr er hinauf in die Suite in der obersten Etage, wo ein Team von Chefassistentinnen den laufenden Geschäftsverkehr regelte. Vor vier Monaten war Xander von den Geschäften in Europa hierher beordert worden, um die Zügel in die Hand zu nehmen, solange Zeus sich von einer plötzlichen Erkrankung erholte. Das Timing war ihm einigermaßen günstig erschienen, da Aktionäre und Vorstandsmitglieder bereits schäumten, nachdem einige von Zeus’ äußerst zwielichtigen Transaktionen ans Licht gekommen waren.

Doch selbst vom Krankenlager aus zeigte Zeus’ Einfluss noch Wirkung. Sein Spitzenpersonal bestand aus den schlimmsten Pedanten, beharrte auf veralteten Verfahrensweisen und wehrte sich gegen sämtliche Veränderungen, die Xander einzuführen versuchte, immer mit der Begründung, Zeus würden sie nicht gefallen. Besonders eine Assistentin hatte ihm mehr Kopfschmerzen bereitet als alle anderen.

Xander schüttelte diesen vertrauten Anflug von Unmut ab, tippte die erste Ziffer auf seinem Handy ein, die schlicht und einfach „Quinn“ aufrief, und wartete darauf, dass sich die Stimme mit dem unverkennbar irischen Akzent meldete.

Der Druck der letzten zwei Wochen stellte sich wieder ein und verstärkte seinen eisernen Griff mit jedem schrillen Ton des nicht entgegengenommenen Anrufs. Als die Mailbox sich meldete, blickte er fassungslos aufs Display. Quinn verpasste nie einen Anruf, auch nicht am Wochenende.

Als auch ein zweiter Anruf nicht angenommen wurde, biss er die Zähne zusammen. Seine Gedanken kreisten um die Gespräche, die sie in den letzten Wochen geführt hatten. Seit Zeus’ Tod wirkte Quinn angespannt und fahrig. Verbissen wählte er ihre Nummer noch einmal.

Nur eine Person hatte seit Zeus’ Tod von seinen Hochzeitsplänen wissen dürfen. Pandora Quinn war ein paar Monate lang, bevor der alte Mann krank wurde, Zeus’ Chefassistentin gewesen. Er hatte darauf bestanden, sie an Xander weiterzureichen.

Zeus war nie in sein Machtzentrum zurückgekehrt. Seine Krankheit hatte sich über einige Monate hingezogen, aber kein Mensch hatte sich vorstellen können, dass der mächtige Mann während einer Routine-Operation etwas so Banalem wie einem Herzstillstand erliegen könnte.

Xander wurde als amtierender Geschäftsführer eingesetzt und organisierte die größte Transaktion der jahrzehntelangen Firmengeschichte, und dieser Umstand bescherte ihm das gesamte Spitzenpersonal, einschließlich der hochgeschätzten Pandora. Wahrscheinlich verursachte sie gerade irgendwo einen Verkehrsstau, weil sie irgendetwas absolut Idiotisches anstellte, etwa einen verletzten Vogel beatmete oder eine Hummel von Hand fütterte. Sein Verstand erzeugte Bilder reinsten Chaos’, und die Frau selbst war der Inbegriff von Chaos. Apropos …

Xander betätigte die Taste, die die Empfangsdame herbeirief, und war erleichtert, als er sogleich Schritte hörte. Wenigstens ein paar Leute arbeiteten also doch an diesem Tag.

Die Frau trat zaghaft ins Zimmer, nervös wie jeder Mensch, der jahrelang unter Zeus’ tyrannischer Knute gearbeitet hatte. Xander blieb sitzen, sein Gesicht war eine Maske höflicher Gelassenheit.

„Ich kann Pandora Quinn nicht erreichen. War sie dieses Wochenende im Hause?“

„Pandora …? Sie hat ihre Kündigung eingereicht“, antwortete die Brünette. Ihre Stimme drohte zu versagen, als Xander sie mit einem fassungslosen Blick fixierte. „Ich … Ich dachte, Sie wüssten es.“

Jahre der Zusammenarbeit mit Zeus hatten Xander gelehrt, seine Reaktionen zu verbergen. Gerade war er von seiner vermeintlichen Braut öffentlich gedemütigt worden, und er hatte nicht mit der Wimper gezuckt. Aber diese Neuigkeit … Sein ganzer Körper spannte sich an, er umklammerte die Kante der Schreibtischplatte so fest, dass seine Knöchel weiß wurden.

„Wann war das?“, fragte Xander. „Und warum bin ich nicht informiert worden?“

„Freitagabend. Ich weiß es nur, weil ich auf dem Weg zu meinem Schreibtisch an der Personalabteilung vorbeigekommen bin“, erklärte sie mit leicht zitternder Stimme. „Ich glaube, sie hat extra gewartet, bis die meisten gegangen waren. Von diesem Mädchen hätte ich auch nichts anderes erwartet. Sie war immer ein bisschen sonderbar.“

„Das wäre dann alles“, fuhr Xander sie an und schob sich an ihr vorbei in den Bereich, in dem die engsten Mitarbeiter des Firmenchefs ihre Schreibtische hatten.

Xanders Miene verdüsterte sich, kalte Wut stieg in ihm hoch. Welche professionelle Chefassistentin kündigte denn einfach ohne Vorwarnung?

Es kam plötzlich und war untypisch, besonders für eine Frau, deren Terminkalender im Hinblick auf Zuverlässigkeit mit seinem mithalten konnte. Quinn war als Einzige verantwortlich gewesen für die kurze Liste der Hochzeitsgäste und die Geheimhaltungsvereinbarungen. Er musste unverzüglich eine Nachrichtensperre an die Presse herausgeben, bevor irgendetwas Abträgliches an die Öffentlichkeit geriet. Dafür brauchte er Pandora, und das würde er sie verdammt noch mal auch wissen lassen.

Er griff nach dem Hörer des Telefons auf seinem Schreibtisch, tippte die Durchwahl seines Security Teams ein und gab auf seine übliche präzise Art Informationen zur Lage durch.

„Ich muss wissen, wo Pandora Quinn sich aufhält. Sofort.“

Pandora Quinn hatte sich im letzten halben Jahr ihrer Beschäftigung bei der Mytikas Holding häufig in Zeus’ Heimbüro aufgehalten, nach seinem Tod jedoch nicht mehr. Jetzt erschien es ihr gespenstisch, durch die hallenden Flure im Haus eines Toten zu gehen. Doch sie musste noch eine letzte Mission erledigen, bevor sie verschwinden konnte. Eine letzte renitente Aktion.

Sie hatte noch nie in ihrem Leben ein Gesetz gebrochen, nicht einmal, als Zeus sie in den letzten vier Monaten gezwungen hatte, als seine Spionin zu agieren. Immer hatte sie getan, was sie konnte, um ihren Verrat an Xander so wenig folgenschwer wie möglich zu halten. Das zumindest redete sie sich ein. Aber in die Mytikas-Villa einzubrechen … Damit übertrat sie ganz gewiss ein Gesetz, und wenn sie erwischt würde, geriete sie in Erklärungsnot.

Eines musste sie noch über die Bühne bringen. Dann konnte sie endlich zurück nach Hause.

Auf der Treppe geriet sie aus dem Gleichgewicht, ihr wurde flau im Magen, als sie ein paar Zentimeter rückwärts kippte, bevor sie ihren Körperschwerpunkt wiederfand. Ihr häufiges Stolpern und Fallen waren im Büro eine Art Insider-Witz, genauso wie ihre laute Stimme und ihr schräger Humor. Anfangs hatte Pandora mit den anderen gelacht, doch ab einem gewissen Punkt fühlte es sich weniger wie harmloser Spaß an, sondern eher wie … nun ja, eine unfreundliche Aburteilung.

Sie hätte vermutlich erklären können, dass diese Eigenarten fester Bestandteil ihrer Verhaltensneurologie waren, verspürte jedoch keine Lust, Menschen, die sich meistens nicht einmal an ihren Namen erinnerten, die Nuancen ihrer Autismus-Spektrum-Störung zu beschreiben. Hätte man mehr über sie wissen wollen, hätte man sie gefragt.

Die Arbeit für eine Firma, die mit fast jedem globalen Finanzmarkt zu tun hat, bedeutete, dass es für Pandora nicht ungewöhnlich war, am Wochenende Botengänge zu erledigen. Doch dieser Tag war kein normaler Sonntag. An diesem Tag heiratete ihr Chef, der mächtige griechische Finanzier Xander Mytikas, eine der reichsten Gesellschaftslöwinnen von New York.

Ihr früherer Chef, ermahnte sie sich streng und warf wie unter Zwang noch einmal einen Blick auf die elegante Digitaluhr an ihrem Handgelenk. Es war schon beinahe vier Uhr nachmittags. Inzwischen war die Hochzeit wahrscheinlich längst vorbei und das glückliche Paar auf dem Weg in seine luxuriösen Flitterwochen in Asien. Pandoras Magen zog sich schmerzhaft zusammen.

Sie hatte nicht beabsichtigt, Einzelheiten über Xanders streng geheime Hochzeitspläne oder damit zusammenhängende geschäftliche Transaktionen zu verraten. Schon gar nicht ausgerechnet Arista Theodorou. Innerhalb der Firma war es ein offenes Geheimnis, dass Zeus’ langjährige Geliebte und Xander miteinander auf Kriegsfuß standen, seit Zeus erkrankt war.

Abgesehen von ihrem Schuldbewusstsein war Pandora klar, dass dieser letzte Schritt notwendig war. Sie hatte der Personalabteilung bereits ihre offizielle Kündigung vorgelegt. Mochte ja sein, dass sie bis zum letzten Moment damit gewartet hatte, sodass Xander erst nach seiner Rückkehr aus den Flitterwochen davon erfuhr, aber gekündigt hatte sie.

Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter, stieß den angehaltenen Atem aus und machte sich auf die Suche nach dem großen Panzerschrank, der sich laut Arista in diesem Büro befinden sollte. Bei ihrer Ankunft hatte es sie überrascht, das Haus völlig verlassen vorzufinden, und jetzt gab sie sich keine große Mühe, leise zu sein, als sie die Wand nach Hohlräumen abklopfte. Ein kleiner Triumphschrei entfuhr ihr, als sie schließlich den Hall vernahm und hinter einer Wandplatte eine große Stahltür zum Vorschein kam.

Mit zitternden Händen drehte sie am Einstellrad und drückte das Ohr an den altmodischen Mechanismus. Hier erwies sich ihr übersensibles Gehör als nützlich. Nach einigen missglückten Versuchen griff sie auf den Code für den privaten Lift im Bürogebäude zurück, den sie nie hatte benutzen müssen. Zu ihrer Überraschung hörte sie, wie die Stifte im Schloss einrasteten. Die schwere Tür öffnete sich und zu sehen war ein unbeleuchteter, ziemlich kleiner rechteckiger Raum.

Ihr brach der kalte Schweiß aus, und alles in ihr wehrte sich gegen die Vorstellung, den Raum zu betreten. Trotzdem setzte sie einen Schritt hinein, dann noch einen. Da sie keinen Lichtschalter fand, benutzte sie die Taschenlampenfunktion ihres Handys, um hastig die Regale zu überprüfen. Sie enthielten Zeus’ gesammelte alte Akten, und darunter befand sich irgendwo das Beweismaterial für das, was Zeus gegen Pandoras Mutter in der Hand hatte und was Pandora seit einem halben Jahr in ihren Besitz zu bringen versuchte.

Beweismaterial, dessen Einzelheiten die angesehene irische Senatorin Rosaline Quinn ihrer geliebten Tochter nach wie vor nicht eröffnen wollte, abgesehen von Anspielungen in der Richtung, dass es ihre Karriere zerstören könnte. Was Pandora nicht unbedingt überraschte, war der gute alte Zeus doch berüchtigt für seine zwielichtigen Geschäfte und lasziven Affären.

Vor einem halben Jahr hatten Pandora und ihre Mutter eine Einladung zu einer Gala in New York erhalten. Damals fand sie die Aussicht auf Glamour verlockend und hatte sich gewundert, warum ihre Mutter nur widerwillig zusagte.

Auf dem Fest hatte Pandora Fetzen eines Gesprächs zwischen dem griechischen Magnaten und ihrer Mutter aufgeschnappt. Zeus hatte eindeutig nur darauf gewartet, von Rosaline einen Gefallen einfordern zu können. Einen Gefallen, mit dem ihre Mutter nicht hatte dienen können. Ein böses Glimmen war in die Augen des alten Mannes getreten. Er entdeckte Pandora und rief sie in ein Zimmer. Zum ersten Mal im Leben hatte sie versucht, die Heldin zu spielen, was damit endete, dass sie schließlich beim Teufel persönlich in der Schuld stand.

In solchen Gedanken gefangen schaute sie sich in dem Raum um und entdeckte an der Rückwand eine weitere Reihe von Akten. Das Beweismaterial musste sich hier befinden, anders war es gar nicht möglich. Mit fliegenden Fingern blätterte sie durch die Dokumente.

Das Klingeln ihres Handys traf sie wie ein Schock, sie fuhr zusammen und ließ eine der Akten zu Boden fallen. Doch der Name auf dem Display ließ sie stocken. Arista Theodorou. Was um alles in der Welt mochte sie wollen?

Die selbstgefällige Stimme der Frau drang an ihr Ohr, und Pandora verzog unwillkürlich das Gesicht. „Ich möchte mich nur für die Informationen bedanken, Schätzchen, und mich revanchieren. Ich an deiner Stelle würde Xander tunlichst aus dem Weg gehen. Dass er abserviert wurde, trägt bestimmt nicht zur Besserung seiner Laune bei, und wenn er von deiner Rolle in dem Spiel erfährt, nimmt es kein gutes Ende für dich.“

Abserviert? Was um Himmels willen meinte Arista damit? Pandora straffte den Rücken und blickte aufs Display. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, aber ich habe keine Rolle in dem Spiel gehabt, wie Sie behaupten. Sie waren es doch, die mir auf hinterhältige Weise vertrauliche Informationen entlockt hat. Als Sie von Xanders Abmachung mit seiner Braut erfuhren, hatten Sie, was Sie wollten.“

Wütend beendete sie das Gespräch und starrte auf das schwarz gewordene Display. Aristas rätselhafte Worte hallten in ihrem Kopf nach. Ein schlechtes Gewissen regte sich. Abserviert? Sicher hatte sie etwas missverstanden. So etwas passierte doch nicht auf einer perfekten Hochzeit in der vornehmen Gesellschaft?

Sie wuchtete eine besonders schwere Aktenkiste aus dem Regal und trug sie hinaus in das Büro. In der Kiste befanden sich zahlreiche kleinere Schachteln mit den Namensstempeln bekannter Luxusjuweliere. Pandora überlegte, ob sie nicht lieber aufhören sollte. Wenn sie Zeus’ Beweismaterial nicht finden konnte, wie sollte Xander es dann finden? Vielleicht wäre es besser, die Sache ruhen zu lassen und nach Irland zurückzukehren. Doch wenn Xander sie wegen Missachtung der Geheimhaltungsvereinbarung gerichtlich belangte, wurde ihre Mutter womöglich in weitere Skandale hineingezogen …

Sie war so vertieft in ihre beklemmenden Grübeleien, dass sie die Geräusche hinter ihr nicht gleich wahrnahm. Als wüsste sie in irgendeinem Winkel ihres Gehirns, was sie erwartete, drehte sie langsam den Kopf, und ihr stockte der Atem, als der Blick zweier vertrauter eisblauer Augen sie erstarren ließ.

„Hallo, Quinn.“

Xander stand an der Tür zum Büro, schaute sich im Raum um, sah, was Pandora in den Händen hielt, und heftete den Blick auf die offene Tür zum Tresorraum. „Störe ich?“

Pandora wurde dreierlei gleichzeitig klar: Erstens, Xander Mytikas sah im Smoking umwerfend aus. Zweitens, er fixierte das Durcheinander von Aktenordnern hinter ihr auf dem Boden des Tresorraums und würde sie vermutlich wegen Einbruchs verhaften lassen. Und drittens, er sollte eigentlich auf dem Weg in die Flitterwochen sein, doch er trug nicht einmal einen Ehering.

„Ist das der Grund für deine Kündigung?“ Xanders Stimme klang trügerisch ruhig. Er machte einen Schritt auf sie zu. „Weil du das große Los ziehen und dich aus dem Staub machen wolltest?“

Pandora schüttelte den Kopf, es hatte ihr die Sprache verschlagen. Sie wich einen Schritt zurück und wandte sich unwillkürlich zum Tresorraum um. Wie in Zeitlupe blieb ihr Blick an einem speziellen Etikett hängen. Da war er: der Mädchenname ihrer Mutter in schwarzen Großbuchstaben inmitten eines Haufens brauner Aktendeckel. Ihr Körper spannte sich wie eine Feder.

Xander folgte ihrem Blick zum Safe und verzog ärgerlich den Mund.

„Bleib, wo du bist.“

Er sagte es leise, warnend, doch sie dachte an nichts anderes als daran, diese Akte in die Hände zu bekommen. Sie konnte nur das Beweismaterial enthalten, mit dem Zeus sie monatelang erpresst hatte. Indem er ihr einen scheußlichen Auftrag nach dem anderen auflud, sie zwang, ihre eigenen Moralvorstellungen durch Lügen und Täuschung zu verraten, und außerhalb ihrer Reichweite mit der Akte wedelte.

Ein halbes Jahr in ihrer Rolle als stille, gehorsame Chefassistentin hatte sie an ihre Grenzen gebracht, und sie wusste, dass sie Xanders Befehl nicht befolgen würde. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, stürmte sie quer durchs Zimmer.

Ihre glatten Schuhsohlen rutschten auf dem Hartholzboden, und Pandora schlitterte reichlich unelegant in den Tresorraum, wo sie sich blitzschnell auf die Akten warf und nach dem Ordner griff, den sie brauchte. Sie rappelte sich auf, drehte sich um und wollte davonstürmen, doch im selben Moment wurde sie von zwei Händen an den Schultern gepackt.

Vielleicht lag es am Dämmerlicht in dem engen Raum oder am Adrenalin, das während des ganzen Nachmittags ihre Reflexe bestimmt hatte, jedenfalls spürte sie plötzlich etwas in ihrem Inneren hochkochen. Ihr Körper reagierte mit reinem Selbstschutz. Wie in Zeitlupe sah sie ihrer eigenen kleinen Faust nach, die sich in elegantem Bogen hob und in einem Überraschungsangriff auf Xander Mytikas’ edle Patriziernase zielte.

Sein kehliges Grollen, als er dem Schlag geschickt auswich, drang ihr ans Ohr, und unverzüglich schämte sie sich für den bloßen Versuch, ihn zu schlagen. Und dann gingen sie beide zu Boden.