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Dieses Buch befasst sich mit der Frage, in welchem Verhältnis der Islam zu Homosexualität, Transvestität, Transsexualität und Nicht-Binarität steht. Sind schwule oder lesbische Muslime sowie muslimische Transpersonen als Teil der muslimischen Gemeinschaft vorstellbar? Die überwältigende Mehrheit der Muslime verneint dies. Murtazas Quellenanalyse des Qurʾan, der Hadith-Literatur und muslimischen Geschichte kommt jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis. Auf Grundlage der islamischen Ethik skizziert er Möglichkeiten eines barmherzigen und geschwisterlichen Umgangs miteinander. 2. aktualisierte und verbesserte Auflage im neuen Buchumschlag.
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Seitenzahl: 61
Veröffentlichungsjahr: 2023
Muhammad Sameer Murtaza
Islam und Homosexualität – ein schwieriges Verhältnis
Muhammad Sameer Murtaza
Islam und Homosexualität – ein schwieriges Verhältnis
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© 2023 Muhammad Sameer Murtaza
1. Auflage 2017
2. Auflage 2023
Verlag und Druck:
tredition GmbH
An der Strusbek
22926 Ahrensburg
ISBN Hardcover: 978-3-384-07101-9
ISBN E-Book: 978-3-384-07102-6
Umschlagbild: Jennifer Neef-Murtaza
Cover
Halbe Titelseite
Titelblatt
Urheberrechte
Vorwort
Es gilt, die Lehre zu bewahren und zugleich die benachteiligten und verwundeten Menschen zu begleiten
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Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen
Vorwort
Die umma befindet sich gegenwärtig in einer Phase des Umbruches. Unzählige Fragen, alte und neue, stellen sich und die Gelehrten, Philosophen, Mystiker und Intellektuellen stehen vor der Herausforderung, Antworten zu finden. Doch um wissenschaftlich fundierte und zugleich erbauliche Theologie, Rechtslehre und Philosophie zu betreiben, müssen die klugen Köpfe der umma sich die Zeit nehmen, die sie brauchen, um mit einem wachen Blick auf diese Herausforderungen zu schauen. Sie müssen, ohne Druck jeglicher Art, Grundlagenforschung anhand der islamischen Quellen betreiben, sich den aktuellen Forschungsstand in jenen Wissenschaften aneignen, die sich mit ihrem Forschungsobjekt überschneiden, und anhand der Historie aller Religionsgemeinschaften die Folgen ihrer Antwort für die umma abschätzen. Islamisches Denken heute muss wissenschaftlich verantwortete Rechenschaft des islamischen Glaubens sein, die Gelehrsamkeit und Frömmigkeit, Forschung und Erbauen zusammenbringt.
Die vorliegende Schrift ist eine philosophische Meditation über einen empfohlenen Umgang der umma mit homosexuellen Glaubensgeschwistern. Sie ist ganz bewusst nicht als ein lebensfremder, intellektuell versponnener oder sentimentaler substanzarmer Text verfasst, sondern als ein vorsichtiges Fragen, das nahe am Leben ist.
Da es in der umma unterschiedliche Tendenzen hinsichtlich dieses Themas gibt, wird diese Schrift die meisten nicht zufriedenstellen. Dies sollte aber auch nie das Ziel philosophischer Forschung sein. Es geht vielmehr darum, einen verantwortungsvollen Debattenbeitrag zu leisten, der zu einem weiteren Nachdenken in dieser Frage anregt. Dazu müssen wir Muslime aber das Thema versachlichen, statt unsere Vernunft durch hitzige emotionale Diskussionen zu trüben.
Es gilt, die Lehre zu bewahren und zugleich die benachteiligten und verwundeten Menschen zu begleiten
Eigentlich müssten wir europäische Muslime die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften, wie im Sommer 2015 in Irland geschehen, begrüßen. Da kämpft eine Minderheit gegen Vorurteile, Verachtung und Diskriminierung. Also könnte man Partner im Geiste für eine tolerante Gesellschaft sein. Könnte…
Homosexualität und Islam – das bleibt ein schwieriges Thema und wird neuerdings zu einer Testfrage: Der Islam sei nicht wirklich Teil Europas, meinen viele Nichtmuslime, solange er Homosexualität nicht gutheiße. Als würden sich die gesamte europäische Kultur und ihre Werte auf diesen einen Punkt reduzieren lassen. Unter Druck setzen lassen sollten wir europäische Muslime uns von solchen Argumenten nicht. Der Test für jede Demokratie zu jeder Zeit besteht darin, ob Bürgerinnen und Bürger bei umstrittenen Themen nicht nur fähig sind, eine Sachdebatte zu führen, sondern, ob sie auch in der Lage sind, unterschiedliche Meinungen nebeneinander bestehen zu lassen und dennoch als eine Nation weiter voranzuschreiten. Es ist das gute Recht eines jeden Bürgers, Homosexualität negativ zu bewerten. Er darf aber homosexuellen Mitbürgern nicht ihre Menschenwürde absprechen oder anstreben, sie zu Bürgern zweiter Klasse zu degradieren, indem ihre Freiheitsrechte eingeschränkt oder ihnen gar abgesprochen werden.
Aber abgesehen von diesem Nebenkriegsschauplatz in der Integrationsdebatte gibt es genügend Gründe, das Thema innerislamisch zu besprechen.
Im Jahr 2015 erhielt ich eine E-Mail von einem befreundeten Muslim – jetzt Ex-Muslim. Er schrieb, dass er den Islam verlassen habe, weil sein gesamtes Leben ein Davonlaufen vor sich selbst gewesen sei. Er ist nämlich homosexuell. Er habe sich dafür gehasst. Er glaubte, dass Gott ihn hassen müsse. Dann beschloss er, sich so anzunehmen wie er ist. Da die umma keine Homosexuellen akzeptiere, verließ er sie – und fand zum ersten Mal Frieden mit sich.
Wenige Wochen vor dem Amoklauf eines Gewalttäters muslimischen Glaubens im Juni 2016 in Orlando schrieb er mir, er vermisse den Islam…
Orlando – das hätte zu einer tiefgehenden Diskussion in der muslimischen Gemeinschaft über das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Muslims und einen verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Sexualität vor Gott führen können. Ganz im Sinne des reformistischen Ansatzes: „Solange du stehst, reiche jenen, die am Boden liegen, die Hand.“ Doch dazu kam es natürlich nicht. Sobald bekannt wurde, dass der Täter wohl selbst homosexuell war und aus Selbsthass handelte, konnte man in den sozialen Netzwerken beobachten, wie Muslime die Flucht nach vorne antraten, getreu dem Motto: „Also hat das mit dem Islam ja nichts zu tun.“ Das ist aber intellektuelle Verlogenheit. Und sie ist beschämend.
Woher kommt denn dieser Selbsthass? Zwei Dinge mögen hier auf Omar Mateen eingewirkt haben: Zum einen die immer noch stark homophobe US-amerikanische Kultur und zum anderen die nahezu gänzlich homophob eingestellte muslimische Gemeinschaft. Beantworten wir Muslime uns doch ehrlich die Frage: Wo hat ein geouteter muslimischer Homosexueller einen Platz in unserer Gemeinde? Er hat keinen. Wer homosexuell und Muslim ist, dem bieten sich bisher nur drei Strategien an, damit umzugehen: 1) den Islam zu verlassen, 2) Religion und Sexualität voneinander zu trennen in dem Wissen, dass seine sexuelle Identität von der Religion und seinen Glaubensgeschwistern nicht gebilligt wird, oder 3) im Stillen unter seiner Andersartigkeit zu leiden.
Leugnen wir es nicht: Homosexuellen werden in der umma oftmals ihre transzendente Menschenwürde und ihr Muslimsein abgesprochen. Sie werden als psychisch Kranke eingestuft und ausgegrenzt. Nicht wenige rufen sogar zu ihrer Tötung auf. Aber es kann eigentlich keinen Zweifel geben: Ein homosexueller Muslim, der an Gott, die Engel, die Offenbarungsschriften, die Propheten und den Jüngsten Tag glaubt, der seine Gebete gen Mekka verrichtet, im Ramadan fastet, die Pflichtabgabe entrichtet und die Pilgerfahrt nach Mekka unternimmt, ist Muslim und damit Teil der umma des Propheten Muhammad. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, die Gemeinschaft der Glaubenden, das sind wir alle, heterosexuelle und homosexuelle Muslime. Und dies schon seit der muslimischen Frühzeit.