Ist unsere Liebe noch zu retten? - Elke Vesper - E-Book

Ist unsere Liebe noch zu retten? E-Book

Elke Vesper

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Beschreibung

Die Liebe in der Krise? Elke Vesper zeigt, wie man glücklich zusammenbleibt. Unsere Sehnsucht nach Liebe ist riesengroß. Wir möchten lieben und geliebt werden. Wir wünschen uns eine befriedigende und stabile Beziehung. Doch die Realität sieht oft anders aus: Partner entfremden sich, gehen nachlässig und lieblos miteinander um. Paare trennen sich, weil sie Krisen nicht bewältigen. Dabei gibt es keine Beziehung, die nicht Berg- und Talfahrten erlebt. Das Glück unserer Partnerschaft hängt von unserer Bereitschaft ab, die Krise anzunehmen. Wenn wir uns für unsere Liebe engagieren und Fähigkeiten entwickeln, die Krise zu überwinden, gehen wir gestärkt und glücklicher daraus hervor. Dieses Buch hilft uns dabei, Schritt für Schritt partnerschaftliche Stärken zu gewinnen und ein Paar mit hohen Glücksfaktor zu werden.

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Seitenzahl: 432

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Elke Vesper

Ist unsere Liebe noch zu retten?

12 Schritte zu einer starken Partnerschaft

Sachbuch

Fischer e-books

für Thomas

Vorwort

Es kommt darauf an, wie gut deine Beziehung sein soll, nicht, wie schlecht sie gerade ist. Kaum ein Mensch, der in einer glücklichen Partnerschaft lebt, entspricht dem Bild des erträumten Idealpartners. Er ist weder reich noch schön, noch besonders charmant, kurzum: Er ist nicht perfekt. Irgendetwas fehlt immer, irgendetwas ist immer zu viel. Menschen haben eine glückliche Partnerschaft, weil sie eine glückliche Partnerschaft haben wollen. Und weil sie ihre Absicht in die Tat umsetzen, Tag für Tag.

Deine Vision von guter Partnerschaft ist dein stärkster Garant für Erfolg. Ohne Tor kann man schlecht zielen. Ohne sich in Bewegung zu setzen, bleibt das Ziel ein ferner Traum. Ich will dich mit diesem Buch darin unterstützen, sowohl deine Vision klarer zu entwickeln als auch deine Fähigkeit zu zielen.

Pardon, ich habe du gesagt. Diese Anrede ist mir nicht einfach rausgerutscht, ihr gingen Gespräche mit Klienten, Freunden, Kindern, meinem Partner voraus. Den Ausschlag gab meine Tochter, die sagte: Ich lese solche Bücher oft abends im Bett. Das ist ein intimer Ort. Und sie sprechen intime Themen an. Wenn ich dann gesiezt werde, entsteht eine unstimmige Distanz. Was du schreibst, geht dir und ihnen nah. Duzen passt zu dieser Nähe.

Zurück zur Beschäftigung mit diesem Buch.

Der Ausgangspunkt ist deine Not, deine Unzufriedenheit, dein Gefühl, dass es so nicht weitergehen kann. Manchmal gibt es gute Gründe, einen Partner zu verlassen. Die meisten Menschen tun dies erst, wenn sie überhaupt nicht weiterwissen. Es gibt Psychologen, die behaupten, dass 85 Prozent aller Trennungen hätten vermieden werden können, wenn …

Klar: Wenn. Meine Mutter sagt immer: Wenn meine Großmutter Räder hätte, wäre sie ein Omnibus. Und wenn dieses Wenn nicht erfüllt wird, finden eben Trennungen statt, die nicht selten tiefe Wunden in die Persönlichkeit beider schlagen. Manche bewältigen die Entstörung der Narben nie, wiederholen mit jedem neuen Partner immer das gleiche Szenario und bewältigen nie die Lernaufgabe, die bereits die erste Beziehung gerettet hätte.

Es gibt gute Gründe, eine stabile langjährige und befriedigende Liebe anzustreben. Die Nachrichten, die dafür sprechen, überschlagen sich. »Die Zeit« widmete eine ganze Ausgabe der »Kraft des Zusammenlebens«. Keine Woche vergeht, ohne dass ein weiteres wissenschaftliches Untersuchungsergebnis Licht in das Wechselspiel von Gesundheit und Zusammenleben bringt.

Vor zwei Jahren wiesen Molekularbiologen das erste Mal nach, wie sich soziale Kontakte auf das Immunsystem auswirken. Seitdem forschen Mediziner aller Couleur eifrig. Eines steht inzwischen fest: Einsamkeit zwingt das Immunsystem in die Knie und schürt Entzündungen. (Das gilt auch für die geleugnete Einsamkeit, also für Menschen, die behaupten, sie würden sich »allein«, ohne Liebe, Wärme, Austausch wohl fühlen, sie bräuchten niemanden.) Mediziner haben inzwischen nachgewiesen, dass Schmerzen weniger intensiv empfunden werden, wenn der Partner einem die Hand hält. Dass Angst in Stresssituationen reduziert, dass Krebs stärker bekämpft wird. Und vieles andere mehr hat die Forschung über den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Zusammenleben aufgedeckt.

Unnötig allerdings zu sagen, dass das Gegenteil ebenso gilt: Unglück in der Liebe, Krise in der Partnerschaft, Einsamkeit zu zweit, Traumata durch Vertrauensbruch, seelische und körperliche Verletzung, Rohheit und Kälte machen Menschen traurig, depressiv, krank.

Ebenso wie die medizinische Forschung zu Gesundheit und Beziehung läuft seit ein paar Jahren die Glücksforschung auf Hochtouren. Auch da geht es unter anderem um den Zusammenhang von Glück und Gesundheit. Und was macht Menschen glücklich? Natürlich, ganz weit vorn steht die Liebe.

Wir wissen heute aufgrund all dieser Forschungen, dass Glück Menschen nicht zustößt, wie es oft geglaubt wird. Nicht das Schicksal, der Zufall, irgendetwas von außen Kommendes wie ein Lottogewinn, der Idealpartner, nicht einmal die Geburt eines Kindes bewirken das Ansteigen des Glückspegels. Der Lottogewinn bringt neue Verantwortung und Angst, der Idealpartner entpuppt sich als gewöhnlicher Mensch mit Stärken und Schwächen, das Baby entwickelt eine andere Persönlichkeit, als wir es uns erträumt haben, und schreit in der Pubertät: Ich hasse dich!

Menschen mit hohem Glückspegel sind nicht diejenigen, denen nichts Schlimmes zustößt, die keine Krisen durchleben, wo alles »glatt« läuft. Glückliche Menschen sind diejenigen, die Krisen als Herausforderung ansehen, die sie meistern.

Auch die Eigenschaften besonders glücklicher Menschen wurden erforscht. Es sind nicht die Egoisten, die vor allem sich selbst lieben. Es sind nicht die Reichen und Schönen. Es sind vor allem nicht die Erben, denen von Kindheit an alles in den Schoß gefallen ist. Glückliche Menschen sind nicht diejenigen, die sich alle paar Jahre in den nächsten tollsten, schönsten anderen verlieben und deren Leben aus einer Aneinanderreihung heißer Liebesnächte besteht. Menschen mit einem hohen Glückspegel leben in stabilen, Halt gebenden Partnerschaften.

Selbst die Stärken glücklicher Menschen wurden erforscht: Es sind Dankbarkeit, Aufmerksamkeit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, Gelassenheit, Geduld, Offenheit, Neugier, Mut, Entschlossenheit und Beharrlichkeit. Und genau das sind die Stärken, die einer Partnerschaft zum Gelingen verhelfen.

Ein stabile Liebe macht glücklich, gesund und krisenresistent. Glückliche Paare durchlaufen ebenso Krisen wie die anderen, doch sie meistern sie. In glücklichen Liebesbeziehungen gibt es Visionen, die gemeinsam verfolgt werden, zum Beispiel die einer glücklichen Liebesbeziehung. Wichtig ist also, wie gut eure Beziehung sein soll und was du dafür tust, dass sie so gut wird. Denn eines ist ebenso wahr: Schlechte, unstabile Beziehungen machen unglücklich und krank. An einer Beziehung festzuhalten, nur aus Angst vor Einsamkeit, ist nicht das Ziel eines Menschen, der nach Gesundheit und Glück strebt. Beziehungen ohne Vertrauen, ohne seelische und körperliche Berührung, ohne Liebe und Halt bewirken nicht das Gegenteil von Einsamkeit.

Aber auch sie können glücklich werden. Keine Beziehung, die nicht Berg- und Talfahrten erlebt. Kein Mensch, der keine Krisen durchläuft.

Dein Glück und das deiner Beziehung hängen davon ab, ob du die Krise annimmst und die Fähigkeiten entwickelst, die du benötigst, um sie zu meistern und gestärkt und glücklicher daraus hervorzugehen. Abwehr, Leugnung, Rückzug, Kopf-in-den-Sand-Stecken oder Übertragung der Verantwortung an den anderen oder das Schicksal treiben dich nur tiefer in die Krise und letztlich in die Einsamkeit.

Alle Eigenschaften, die einen Menschen mit einem hohen Glückspegel ausmachen, kannst du in der Bewältigung einer Paarkrise entwickeln. Wenn deine Beziehung dann immer noch scheitert, hat dein nächster Partner eine große Chance auf Glück mit dir.

Dieses Buch hilft dir dabei, Schritt für Schritt, partnerschaftliche Stärken zu entwickeln. Es hilft euch, ein Paar mit einem hohen Glücksfaktor zu werden. Ich habe es geschrieben, weil mir die Liebe am Herzen liegt. Vor zwanzig Jahren begann ich als Tanz- und Körperpsychotherapeutin. Damals machte ich viele Gruppen zu »Weiblichkeit und Sexualität« und wurde immer häufiger mit Problemen in Partnerschaften konfrontiert.

Um Paaren besser helfen zu können, machte ich eine weitere mehrjährige Ausbildung in Paar- und Sexualtherapie, und seit fünfzehn Jahren arbeite ich mit Paaren, helfe ihnen, Krisen zu meistern und die manchmal in einer Krise verlorengegangene Liebe wiederzufinden.

Immer wieder berührt mich tief, wie groß die Sehnsucht der Frauen und Männer ist, zu lieben und geliebt zu werden. Wie gern sie eine befriedigende und stabile Beziehung hätten. Und wie hilflos sie das anstreben, oft leider, indem sie das Gegenteil bewirken, nämlich lieb-los sind, unehrlich, flüchtig, abwehrend, zurückgezogen, kühl. Sie wollen so gern geliebt werden, aber sie be-fremden sich. Und leider erlebe ich immer wieder, wie Partner zusammenbrechen, die mit ihrer Beziehung nachlässig und lieb-los umgegangen sind, wenn der Partner wahr macht, was er schon tausendmal als letzte Rettung angekündigt hat: Wenn sich nichts ändert, gehe ich. So will ich nicht länger leben.

Eine Krise zu meistern verlangt, als Lehrling noch einmal von vorn zu beginnen. Du hast wahrscheinlich schon einige Krisen hinter dir, bist darin gewachsen, hast daraus gelernt. Vielleicht siehst du dich sogar als Meister der Liebe. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber diese Situation jetzt, diese Krise, diese Not, verlangt etwas Neues von dir, sonst wäre ja alles gut. Immer wieder im Leben müssen wir in den Status des Lehrlings zurückgehen, wenn der nächste Reifeschritt oder gar Reifesprung gelingen soll.

Ich habe dieses Buch auch deshalb geschrieben, weil es mir in den letzten Jahren immer wieder nahegelegt worden ist. Mein Liebespartner, meine Klienten, Freunde, selbst meine Kinder sagten: Warum schreibst du nicht endlich einmal über deine Arbeit? So viele könnten davon profitieren.

Noch ein Paarratgeber?, gab ich stets zurück. Davon gibt es doch genug!

Aber keinen von dir!, bekam ich zur Antwort. Du hast vielen Paaren auf deine eigenwillige und kreative Weise geholfen. Ihr Leben hat sich verändert. Warum gibst du nicht mehr Menschen die Möglichkeit, dein Wissen, deine Ideen, deine Erfahrung, deine Impulse kennenzulernen und damit ihre Beziehung zu verbessern oder gar zu retten?

Nun, das tue ich hiermit.

Ich schrieb an dem Manuskript an manch einem besonderen Ort: Im Zug von Agra nach Varanasi oder von Varanasi nach Kalkutta oder von Kanyakumari nach Valkala, also in Indien. Ich schrieb auch in Cafés in Chicago und New York, ebenso wie in Spanien in einer verglasten Veranda mit Blick aufs Meer. Während der Zeit des Schreibens war ich mit vielen Paaren beschäftigt, habe mit ihnen gelacht und geweint, war erschüttert von der Tiefe des Leidens an der Liebe und bezaubert davon, was es mit Menschen macht, wenn sie zu zweit den Zauber wiederentdecken, der im Geliebten liegt.

Das Schreiben dieses Buches hat auch meine Partnerschaft berührt. Alte Verletzungen taten noch einmal weh, unbewältigte Altlasten kamen noch einmal hoch. Wir haben uns gestritten und geliebt, ich habe manches wieder gewürdigt und gesehen, was als scheinbar selbstverständlich einfach so passierte. Ja, nichts war mehr selbstverständlich. Und das war gut so.

Ich vermute, dass es auch dir so gehen wird: Deine Aufmerksamkeit wird geschärft, dein Fokus auf die Liebe gerichtet. Das Selbstverständliche kann wieder als Geschenk gesehen werden. Und das Geschenk kann wieder mit Geschenken beantwortet werden.

 

Wie kannst du am besten mit diesem Buch arbeiten?

Ich rate dir, ganz am Anfang einen Vertrag abzuschließen: Ich verpflichte mich, dieses Buch in den nächsten zwölf Wochen gemeinsam mit meinem Partner / meiner Partnerin durchzuarbeiten. Ich räume täglich eine halbe Stunde Beschäftigung mit diesem Buch, also mit meiner Beziehung, in meinem Tagesplan ein.

Und dann brauchst du als Ausrüstung lediglich ein schönes Schreibheft, einen Stift, der leicht übers Papier gleitet, und los geht’s.

Möglicherweise wollt ihr den Vertrag aber auch individuell auf eure Situation abstimmen. In zwölf Wochen eine Krise zu bewältigen, ist nicht einfach. Eine Paartherapie dauert ungefähr ein Jahr. Ihr könnt also auch zwei oder sogar drei Wochen pro Kapitel anberaumen. Es gibt keine Dogmen.

Für Ungeduldige, die sich keine zwölf Wochen Zeit lassen wollen, gibt es natürlich auch die Möglichkeit, die Schritte in zwölf Tagen zu gehen. Wenn ihr das als Paar tut, solltet ihr euch freinehmen für eine Liebesreise. Nur für euch zwei und mit euch zweien im kompletten Fokus eurer Aufmerksamkeit. Das ist Turboheilung, anstrengend, aber durchaus möglich. In diesem Fall räumt euch ungefähr vier Stunden täglich ein, um euch mit der Arbeit an diesem Buch, eurem Wachstum als Frau, als Mann, dem Ziel, in eurer Partnerschaft wieder glücklich zu sein, zu beschäftigen. Diese Reise sollte mindestens zwei Wochen dauern, am besten vier, dann könnt ihr Pausen einlegen, euch für die wirklich schwierigen Aufgaben zwei oder drei Tage Zeit nehmen.

Meiner Erfahrung nach tritt sofort eine spürbare Entspannung auf, sobald sich beide verpflichtet haben, der Beziehung Zeit und Raum und Aufmerksamkeit zu widmen. Oft steigert die sich bei den ersten Schritten zu richtiger Euphorie.

Bitte bleibt auch dann am Ball! Lasst es nicht einschlafen! Haltet euch an den Vertrag! Es geht ums Meistern und nicht darum, nach den ersten erfolgreichen Schritten die Lehrlingszeit abzubrechen.

Zur Arbeit mit den einzelnen Kapiteln: Ich habe viele Fragen gestellt, damit erforschst du dich selbst als Mann, als Frau, und du erforschst deine Partnerschaft. Sie bieten dir die Möglichkeit, tiefer zu tauchen, dich nicht damit zufriedenzugeben, wie du bislang alles erklärt hast: Sie meckert immer rum. Er arbeitet immer zu viel. Wir können nicht miteinander reden. Wir verstehen einander nicht. All diese Sätze, mit denen wir die Verantwortung von uns selbst wegschieben.

Frage, was bringt sie denn zum Meckern, wie sieht ihre Unzufriedenheit aus, und was bräuchte sie, um glücklich zu sein? Und was treibt ihn zur Arbeit, wohin treibt es ihn denn überhaupt? Und könnte er nicht besser das Ruder in die Hand nehmen, statt sich treiben zu lassen? Und was hindert euch, miteinander zu reden und nachzufragen, wenn ihr etwas nicht versteht, und sei es dich selbst?

All diese Fragen stellt euch bitte, und antwortet so ehrlich ihr könnt. Nehmt euch täglich Zeit dafür! Allerdings ist sehr, sehr wichtig, dass ihr keinen Leistungsdruck entwickelt. Es geht nicht um Perfektion, Urteil, Noten, Bewertung.

Bitte schreib täglich auf, was dir zu den Fragen in den Sinn kommt – und leg es beiseite. Über manches willst du bestimmt mit deinem Partner sprechen, anderes behältst du erst mal für dich, es braucht vielleicht noch Garungszeit.

Nehmt euch einmal in der Woche einen Abend Zeit, um miteinander darüber zu sprechen, was die Arbeit mit dem Buch in euch bewegt und bewirkt hat. (Ihr spart eine Stunde Paartherapie, das Honorar könnt ihr in ein Sparschwein stecken oder dafür in ein gutes Restaurant gehen). Achtet darauf, dass ihr euch auf die Themen beschränkt, die im Buch gerade anstehen. Wenn der große Rundumschlag der Paarkonflikte an diesem Abend gemacht wird, entsteht leicht Hoffnungslosigkeit. Außerdem kommt nichts Neues dabei raus.

Ich erlebe immer wieder Paare, die seit Jahren um die gleiche Sache kreisen, auf die gleiche unergiebige Weise streiten oder Streit vermeiden. Es tut jedem Paar gut, das bewusst und absichtlich zu beenden. Zu sagen: Gut, wir sind in einer Krise, wie groß oder klein sie auch immer sein mag. Auf die alte Weise sind wir auseinandergeraten. Das geht nicht so weiter. Jetzt lernen wir eine neue Weise, um wieder zueinanderzufinden. Wir lassen uns eine Weile an die Hand nehmen, werden Lehrlinge der Liebe und gehen Schritt für Schritt einen neuen Weg.

Außerdem gebe ich Impulse für kreatives Experimentieren: Briefe schreiben, Bilder malen, Collagen herstellen und Ähnliches. Auch wenn du denkst: Oh, ich kann nicht schreiben, ich bin nun mal kein Poet. Oder malen? Herrje, da hatte ich schon in der Schule eine 6. Mach es erst recht! Kreatives Gestalten macht den Kopf frei, gibt uns die Möglichkeit, uns auszudrücken auf unsere ganz eigene Weise. Das beglückt, und es beglückt auch unseren Partner, von uns so ein Geschenk wie einen Liebesbrief zu bekommen.

Kreatives Experimentieren geschieht spielerisch. Wenn wir miteinander spielen, passiert etwas. Da kommt Bewegung in die Starre, das mag manchmal auch Schmerzen verursachen, so wie ein eingeschlafener Körperteil schmerzt, wenn er wieder durchblutet wird. Aber ums Aufwachen geht es letztlich doch, oder?

Am Ende eines jeden Kapitels rate ich euch, eine kleine Bilanz zu ziehen und sie niederzuschreiben:

Was hat sich verändert?

Welche Erfahrungen sind mir besonders nahegegangen?

Was will ich auf keinen Fall wieder in Vergessenheit geraten lassen?

Wofür will ich meinem Partner danken?

Und jetzt noch eine Bemerkung zu den Lesern, die dieses Buch allein durcharbeiten. In den meisten Fällen werden es wohl Frauen sein. Zum Glück ändert sich gerade sehr viel, was die Bereitschaft der Männer angeht, sich mit sich selbst als Mann, als Partner auseinanderzusetzen. Männer haben in den letzten 40 Jahren einige Schocks erlebt. Die meisten Scheidungen gehen von Frauen aus. Viele Männer um die fünfzig werden von ihren Frauen verlassen. Die Kinder sind aus dem Haus, die Frauen haben lange genug die Zähne zusammengebissen, jetzt wittern sie Morgenluft. Das alte Klischee, dass der Mann in der Midlife-Crisis sich eine Jüngere sucht, bröckelt zunehmend. Der Mann in der Midlife-Crisis wird nicht selten von seiner Frau verlassen, ob mit einem Jüngeren, Älteren oder Gleichaltrigen ist ziemlich egal. Viele Männer bekommen einen Schock, der heilsam wirken kann. Und nicht wenige suchen – zum Glück – einen Therapeuten auf. Immer wieder höre ich Sätze wie: Es kam aus heiterem Himmel für mich. Sie hat schon genörgelt vorher, ja klar, aber das habe ich nicht so ernst genommen, habe gedacht, das liegt an ihren Tagen, an den Wechseljahren, eben an den Hormonen. Jetzt erst begreife ich, dass ich viel zu viel mit mir selbst, meinem Job, meinen Interessen beschäftigt war. Als Mann, als Partner war ich zu wenig präsent. Ich glaube, ich war ihr gar kein Mann mehr, ich war irgendwie jemand, der funktioniert.

Und dann zieht die Frau mit dem Nachbarn davon, den ein paar Monate zuvor die Frau verlassen hat und der einiges über sich begriffen hat – mit ihrer Hilfe. Wie viele solcher Geschichten habe ich schon gehört!

Während ich dieses Buch schrieb, war ich auch in Varanasi in Indien. Ein Ort am heiligen Ganges. Hier werden Einäscherungen durchgeführt, die Reste des Toten werden in den Ganges geworfen. Und wie interessant ist das: Der sich am längsten der Verbrennung widersetzende Teil des Mannes ist sein Brustkorb und der der Frau ist ihr Becken. Ja, wir sind Mann und Frau und verschieden. Und das ist gut so.

Ich wurde fortgeschickt vom Ort der Verbrennung. Frauen dürfen hier nicht sein!, erläuterte ein Mann. Es ist verboten, damit die Witwen sich nicht ins Feuer werfen. Wie sollen sie weiter existieren?, sagte er. Es ist niemand mehr da, der sie ernährt. Da wollen sie sich lieber verbrennen.

Das ist der Unterschied. Die Frauen bei uns können sich ohne Mann ernähren. Sie können gehen. Und sie tun es.

Vor kurzem las ich ein Interview mit dem Paartherapeuten Hans Jellouschek. Dieser sagte, Männer seien zunehmend bereit, sich in einer Paartherapie für die Partnerschaft zu engagieren. Das entspricht meiner Erfahrung. Ich will also nicht ausschließen, dass auch Männer sich dieses Buch gekauft haben und es allein durcharbeiten.

Männern wie Frauen sage ich: Du investierst zwar eine ganze Menge: Zeit, Mühe, Geld und auch die Angst, dass es eure Beziehung doch nicht retten wird, aber du investierst es nicht nur in eure Beziehung, vor allem investierst du es in dich selbst, in dein Glück. Am Ende wirst du gewachsen sein, Blockaden werden sich gelöst haben, und wenn es nicht diese Beziehung jetzt ist, die dank deiner Investition, dank deines Engagements wieder aus der Krise kommt, wirst du mit viel weniger Ballast in deine nächste Beziehung gehen, sie wird leichter und glücklicher werden.

In diesem Sinne also: Viel Glück!

Vor der Rettung ist die Not

Die Krise erkennen und anerkennen

Willkommen in der Krise! Ja, du hast richtig gehört. Zuerst einmal geht es hinein. Und dann gilt es innezuhalten. Das Strampeln, um rauszukommen, ähnelt dem Versacken im Morast: Je mehr du strampelst, umso tiefer zieht es dich hinab. Oder dem Versinken im Strudel: Wenn du panisch rauswillst, erschöpfst du dich. Oder dem krampfhaften Unterdrücken von Kopfschmerzen: Es verstärkt sie nur. All diese Situationen haben eines gemeinsam: Sie machen Angst. Es scheint, als hätte uns etwas in den Klauen, das uns ohnmächtig macht.

Aus diesem Grund leugnen wir die Gefahr, solange wir können. Und reiten uns umso tiefer hinein. Der erste Schritt ist immer das Innehalten und Eingestehen: Es fühlt sich sehr bedrohlich an.

Wer mit einem schadhaften Auto weiterfährt und so tut, als wäre nichts, lebt gefährlich. Wenn er sogar noch mehr Gas gibt, könnte es sein, dass nicht nur das Auto, sondern auch er selbst bald am Ende ist. Im Moor hilft es, nach einem festen Halt zu suchen, an dem man sich rausziehen kann. Im Strudel hilft es, innezuhalten und sich eine Weile mitziehen zu lassen, in die Tiefe, um dann, ganz unten, wegzutauchen. Auch Kopfschmerzen lösen sich eher auf, wenn man innehält und sich dem Schmerz hingibt.

 

Kürzlich traf ich auf einer Party eine anerkannte Paartherapeutin. Wie viele der Paare, die zu dir kommen, bleiben zusammen?, fragte ich sie. Und sie antwortete: Kaum eins. Die kommen fast alle zu spät. Da ist nichts mehr zu machen. Dabei kann fachkundige Hilfe wirkliche Veränderung bewirken.

Aber wer ist denn fachkundig?

Im Grunde genommen bist du es selbst. Immer wieder überrascht mich die Kompetenz der Paare, die zu mir in die Praxis kommen. Sie sind in der Lage, ihre Probleme zu erkennen und auch zu benennen. Und es gibt kein Paar, wirklich keines, das nicht zur Liebe zurückfinden will.

Allerdings ist es wie mit dem Strudel, in den man geraten ist: Man kann ihn erkennen und benennen und möchte in friedliche Gewässer zurück, aber vor lauter Panik ertrinkt man, obwohl man nicht einmal sehr tief tauchen müsste, um rauszukommen. Du merkst schon, immer wieder geht es irgendwie um Tiefe.

Wenn ich sage: Tauch tiefer in die Krise! Tauch tiefer in dich! Tauch tiefer in deine Partnerschaft! Tauch tiefer in die Liebe!, bekommen die meisten Angst. Aber sie schauen mich auch mit Neugier in den Augen an, als wollten sie sagen: Tiefe? Das könnte sich besser anfühlen als das, was ich die letzte Zeit mit mir und meiner Liebe angestellt habe. Als die Leere, die Abwehr, die Verweigerung.

Im Allgemeinen setzen wir uns nicht mit unserem Liebsten hin und sagen: Schatz, ich fürchte, wir sind in einer Krise gelandet. Was können wir tun, um sie anzuschauen, zu bewältigen und erneuert, gereift und glücklicher daraus hervorzugehen? Nein, das geschieht nicht. Stattdessen geschieht alles Mögliche andere. Wie schon gesagt, findet anfangs zumeist die Leugnung statt. Viele leugnende Paare betonen auffällig vehement, wie wunderbar es ihnen geht. Seltsamerweise landet man oft mit genau diesen Paaren immer wieder in einem Gespräch über die bedauerlichen Mängel der eigenen Partnerschaft.

Ich kenne ein solches Paar. Sie sprachen stets in den höchsten Tönen über ihre Beziehung: toller Sex seit Jahren, wundervolles Einvernehmen, intellektueller Gleichklang, spannende Freunde. Ich kam mir mangelhaft vor, wenn ich mit ihnen zusammen war. Und wenn wir als zwei Paare zusammentrafen, gerieten im Vierergespräch regelmäßig die Probleme meiner Partnerschaft auf den Tisch. Nicht selten stritten mein Mann und ich uns anschließend. Ich bewunderte die beiden. So eine tolle Partnerschaft hätte ich auch gern zustande gebracht. Dann allerdings erfuhr ich durch einen dieser aberwitzigen Zufälle, durch die solche Sachen meistens auffliegen, dass der Freund gerade eine heiße außereheliche Liebesbeziehung beendet hatte. Er hatte auf einem Kongress eine Frau kennengelernt und dieser gesagt, sie sei die große Liebe seines Lebens, er wolle sich scheiden lassen und sie heiraten. Dann hatte er es mit einer roten Rose und den Worten abgebrochen: Noch einmal alles neu aufbauen, das trau ich mir nicht zu. Als ich den Freund wütend zur Rede stellte, was für ein verlogenes Theater er die ganze Zeit gespielt hatte, erläuterte er sein Verhalten wortgewaltig und psychologisch. Mit seiner Frau könne er leider nicht die Sexualität leben, zu der er fähig sei. Er nämlich könne eine Frau zu reiner Ekstase treiben, sie wäre jedoch zu so tiefer Hingabe nicht in der Lage. Deshalb hätte er sie auch nicht konfrontiert, deshalb hätte er ihr das Ganze verschwiegen. Aber er wolle bei ihr bleiben, sie verstünden sich wirklich gut. Und sexuelle Erfüllung finde er jetzt mit einer Frau, die auch keine feste Beziehung suche, sondern wie er Begegnungen von Zeit zu Zeit.

Als ich das befreundete Paar kurz darauf wieder traf, waren sie wie immer: ein perfektes Team.

Du sagst jetzt vielleicht: Ja, ist das nicht in Ordnung? Er akzeptiert ihre Unfähigkeit, sich in der Tiefe hinzugeben, liebt sie, wie sie ist, bleibt bei ihr, sorgt außerhalb der Beziehung dafür, dass auch er das leben kann, was er braucht. Ist das nicht ein brauchbares Modell? Bis dass der Tod sie scheidet?

NEIN!, antworte ich. Es geht gar nicht um ein passables Konzept. Es geht um seelische Gesundheit. Es geht überhaupt um Gesundheit. Liebe ist ja kein Firlefanz. Liebe ist kein Schnickschnack, den man zu einem guten Leben als i-Tüpfelchen, als hübsche Verzierung, als Freizeitverschönerung hinzunimmt. Liebe ist eine elementare Lebenskraft. Die stärkste überhaupt. Sie steht auf einer Stufe mit Geburt und Tod. Nichts bewegt, erschüttert, berührt, beglückt, erfüllt, kränkt und heilt uns wie die Liebe. Sie ist wunderbar wie die Geburt. Sie macht uns ohnmächtig wie der Tod. Sie ist ein Geschenk, und sie fordert alles von uns. Uns selbst, ganz und gar.

Es gibt Menschen, die das Lieben verlernt haben. Denen es ausgetrieben wurde. Die es sich selbst ausgetrieben haben. Das ist furchtbar. In unserer Gesellschaft ist paradoxerweise neben der großen Sehnsucht nach Liebe die Weigerung, selbst zu lieben, immer verbreiteter. Alle wollen geliebt werden, keiner will das Risiko des Liebens eingehen.

Heute Morgen hörte ich eine Filmkritik vom neuen James-Bond-Film. Der Kritiker war hingerissen. Er sagte: Wenn man später diesen James Bond sieht, wird man wissen, wie es Anfang des 21. Jahrhunderts zuging. Die Menschen sind hart, misstrauisch, kalt und gierig.

Wir können nicht lieben, ohne weich und verletzlich zu werden. Wir können nicht lieben, ohne uns berühren zu lassen und ohne zu berühren. Das kann wehtun. Das kostet auch Tränen. Leider gibt es nicht wenige Menschen, die das Weinen im Laufe ihres Lebens verloren zu haben scheinen.

Julia Onken hat darüber in »Geliehenes Glück« geschrieben. Über Menschen, Männer vor allem, die nicht weinen. Die aber Partnerinnen haben, die erstaunlich viel weinen, seit sie in dieser Beziehung sind, auch erstaunlich für sich selbst. Menschen, Männer vor allem, die wenig fühlen, wenig sensibel sind, die aber extrem sensible, extrem emotionale Partnerinnen haben. Die sich das Liebesglück leihen. Nur leider geben sie es nie zurück.

Es sind nicht nur Männer, die ihre Frauen gewissermaßen stellvertretend für sich fühlen, leiden, lieben lassen. In meine Praxis kommen immer wieder Paare, bei denen die Männer weinen und die Frauen sie deshalb sogar verachten. Bei denen die Frauen hart, fordernd und verschlossen sind und die Männer weich und verletzlich. Das wirkt dann immer ein wenig wie verkehrte Welt. Und allein dieser Eindruck ist ja schon traurig.

Traurig ist es um jeden Menschen bestellt, dem das Lachen oder das Weinen abhandengekommen ist. Und wenn wir Menschen lachen hören, die nie weinen, sind wir oft etwas erschrocken, denn es klingt hart und irgendwie aggressiv.

Übrigens, der Freund, von dem ich berichtete, war in den vergangenen Jahren furchtbar häufig krank. Nicht nur ein bisschen Halsweh, sondern richtig schlimm. Er bringt es nicht in Verbindung damit, dass es unerträglich anstrengend ist, einen Teil von sich selbst aus der Beziehung herauszunehmen, um das Arrangement einer glücklichen Beziehung aufrechtzuhalten. Dass das, was er lebt, ein stinkender fauler Kompromiss ist, der seine Organe zersetzt.

Und seine Frau? Sie ist hinter einer glatten, nahezu faltenlosen Maske – sie ist über fünfzig – verschwunden, und ich frage mich, wie viel Sensibilität, wie viel Instinkt, Intuition und Gefühl sie in sich abtöten muss, um nicht zu spüren, was eigentlich los ist.

Selbstverständlich wird der Grundkonflikt nur immer schärfer: Wie soll sie sich denn hingeben, fallenlassen, wenn sie doch immer weniger fühlen darf? Und wie soll er als Mann ihr denn Halt geben, wenn er doch ein Lügner ist, der seine tiefsten Sehnsüchte vor ihr verbirgt?

Das Arrangement ist ein Versuch, die Angst, die eine Krise auslöst, zu beschwichtigen. So wird eine Beziehung zusammengehalten, ohne dass das Herz noch berührt wird. Eine sogenannte Vernunftehe entwickelt sich. Allerdings ist das nicht sehr vernünftig, denn die Grundlage ist Verletztheit und Angst vor dem Risiko des Liebens und in der Folge Resignation. Also redet man es sich schön. Bringt Argumente vor. Richtet sich ein. Tötet die Sehnsucht nach etwas ganz anderem. Wird zynisch, sagt: Männer sind sowieso alle Scheiße, da kann ich auch bei meinem bleiben. Oder: Besser diese Zicke als eine andere, diese kenne ich schon.

Zur Leugnung gehört auch das Festkrallen an einer Sicherheit wie an einem Grashalm, wenn man im Moor versinkt. Diese Paare fallen in völlige Starre. Sie vermeiden jede Bewegung, halten sich fest an allem, was irgendwie nach Überleben aussieht. Immer wieder geschieht es in meiner Praxis, dass Paare, die mir wirklich Sorgen bereiten, weil ich sie extrem verfahren finde, plötzlich erstaunliche Neuigkeiten verkünden: Die Frau ist schwanger. Wir haben ein Haus gekauft. Wir bauen ein Haus. Wir haben ein Segelschiff gekauft. Wir machen eine Weltreise.

Nichts gegen Schwangerschaft, Hausbau, Hauskauf, Segelschiff, Weltreise. Ganz im Gegenteil, das ist alles ganz wundervoll für Paare, die in ehrlichem Kontakt, die in Bewegung sind, die ihre Liebe spüren und leben.

Ein Paar in Krise sucht sich damit eine Sicherheit, vermeidet die Angst. Alles ist gut!, ruft es in den dunklen Wald. Der Bär darf uns nicht fressen! Wir kriegen ein Kind! Und taumelt in die nächste Krise. Ein Kind zu bekommen ist eine krisenhafte Situation. Ebenso Hausbau, Hauskauf, Weltreise usw. Die Wortlosigkeit, die mangelnde Nähe, die Abwehr des Konflikts, das Ganze wird ärger. Und, als Schlimmstes: Die Panik vor der Krise wird immer stärker, das, was bei einer eventuellen Trennung verloren werden kann, wiegt immer schwerer.

Dicht bei der Leugnung der Krise liegt die Flucht. Fliehen ist ein probates Mittel, wenn etwas Angst macht. Angriff oder Flucht, eine andere Chance hatte der Steinzeitmann nicht, wenn der Bär sich auf ihn stürzen wollte. Partner fliehen in Arbeit, in Zerstreuung, in irgendwelche Süchte wie Shopping, Computerspiele, Internetsex, Alkohol, sexuelle Kicks und so weiter. Auch das Suchen nach einer neuen Verliebtheit, einer Fremdbeziehung, muss als Flucht gesehen werden.

Das Vertrackte ist, dass in diesem Fall die Flucht nichts nützt. Denn letztlich fliehst du vor dir selbst, vor deinen eigenen Gefühlen, vor deiner Angst, vor deiner Leere, vor der Verwüstung, die du selbst angerichtet hast, vor deiner Schuld, vor deiner Scham. So muss die Betäubung auch immer stärker werden, damit du nicht hörst, was in dir schreit: Schau hin! Du bist der einzige Mensch, der dich selbst lieben lassen kann. Niemand sonst! Du bist der einzige Mensch, der dich selbst leben lassen kann! Dazu gehört wachsen, reifen, tiefer gehen.

Es gibt einen Indianerstamm, wo die Menschen sich traditionell morgens ihre Träume erzählen. Auch die Kinder lernen es von früh an. Ihnen wird beigebracht, innezuhalten und sich umzudrehen, wenn sie vor etwas fliehen.

Hinter dir geht einer, hinter dir steht einer, schau dich um! Du bist es selbst!

So seltsam es klingt, aber auch ständiges Rummäkeln am andern ist eine Vermeidungsstrategie. So wird gemeckert, weil die Socken nicht am richtigen Fleck liegen, der Müll nicht anständig getrennt, beim Frühstück zu laut Radio gehört oder das falsche T-Shirt zum falschen Anlass getragen wird. Es gibt unendlich viele Beispiele, die ich hier nennen könnte. Alles Themen, die Regelungsbedarf in sich tragen, nicht für Liebesdramen herhalten, aber dazu gemacht werden können, um die Wahrnehmung des eigentlichen Liebesdramas zu vermeiden.

Was also soll ich stattdessen tun?, fragst du jetzt wahrscheinlich.

Zuerst einmal: Erkenn an, dass ihr in der Krise seid! Und erkenn es bald an!

Je länger ihr leugnet, umso mehr habt ihr hinterher zu bewältigen. Und es wird immer schwieriger, die sich häufenden Verletzungen zu sortieren, auseinanderzudividieren. Wenn man das nicht tut, kommen leicht Worte wie: immer, nie, damals schon, ist sowieso egal.

 

Was aber ist eigentlich eine Krise und woran erkennt man sie?

Eine Krise ist der Verlust, die Zerstörung, das Zerbröckeln von etwas, das bisher für den Erhalt der Existenz von grundlegender Bedeutung war.

Und man erkennt sie zum Beispiel an

einem grundlegenden Gefühl, dass etwas nicht mehr stimmt,

nächtlichem Aufwachen, wo alles vor einem steht, das tagsüber verdrängt werden konnte,

ständigem Streiten,

Krankheiten,

Auffälligkeiten der Kinder,

irrational auftretender Traurigkeit,

zyklisch aufbrandender Wut,

sexueller Lustlosigkeit.

Auch diese Liste lässt nicht notwendig den Umkehrschluss zu, denn es gibt noch mehr Einflüsse im Leben als die einer Liebesbeziehung. Auch Arbeitslosigkeit kann wütend oder traurig machen und sich negativ auf die psychische Gesundheit der Kinder auswirken. Aber Arbeitslosigkeit ist eine Krise, die von einem Paar, das davon betroffen ist, auch als solche anerkannt werden sollte, wenn daraus nicht eine Paarkrise werden soll.

Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen Krisen, die auf den Verlust einer existentiellen Sicherheit zurückgehen, und Krisen, die notwendigen Entwicklungsschritten eines Paares vorausgehen. Diese Krisen sind nämlich gesund. Jeder, der Kinder hat, weiß, dass ein Kind in seiner Entwicklung immer dann in eine Krise kommt, bevor es den nächsten Reifeschritt vollzieht. Und genauso ist es in einer Beziehung. Bleibt sie in einer Phase stecken, wird es schlimm, denn dann werden ganz natürliche Bedürfnisse nach Wachsen und Vertiefen der eigenen Persönlichkeit und folgerichtig auch der Partnerschaft blockiert. Eine Beziehung ist ein lebendiger Organismus, der seine Wachstumsstufen hat wie jeder andere lebendige Organismus auch.

Die Erfahrung, die jeder macht, machen muss, der eine Paarbeziehung eingeht, ist, dass sie Krisen durchläuft. So wie jeder Mensch im Prozess seiner Entwicklung durch Krisen hindurchgehen muss, um eine neue Stufe an Persönlichkeit zu erreichen, so muss auch ein Paar dies miteinander erleben.

Die Entwicklungsstufen des Individuums können interessanterweise auf die Paarbeziehung übertragen werden.

Geburt – alles ist möglich: Ein Paar verliebt sich, und es scheint keine Grenzen zu geben. Die eigene Liebenswürdigkeit, die Liebenswürdigkeit des andern ist uneingeschränkt spürbar. Jeder gibt und fühlt sein Bestes. Das volle Potential wird ausgeschöpft, zumindest als Option für die Zukunft gespürt. Das kann bis zu einem Jahr dauern, dann spätestens kommt die:

Loslösung aus der Symbiose – Phase der Enttäuschung: Es ist doch nicht alles möglich. Der andere hat auch eine hässliche Rückseite, und er ist so nah an mir dran, dass er auch meine hässliche Seite erkennt. Und benennt. Das ist sehr unangenehm.

Trotzphase – Machtspiele: Jeder will die eigenen Ansprüche an die Beziehung durchsetzen. Das, was am Anfang leicht gegeben wurde, wird jetzt erpresst, erzwungen, manipuliert und zurückgehalten, verweigert, nur unter Bedingungen gegeben. Der Handel in der Liebe beginnt. Der kalte Blick. Beide lieben nicht mehr mit ihrem vollen Potential.

Pubertät – sich selbst Freiheiten nehmen mit sicherem Rückhalt: Die Sehnsucht nach der anfänglichen Beglückung, nach dem Lieben in voller Potenz, die Enttäuschung über den Verlust führen dazu, dass Hintertüren geöffnet werden, gleichzeitig aber an der Sicherheit der Beziehung festgehalten wird. Es wird nach anderen potentiellen Partnern geguckt, phantasiert, fremdgegangen, gelogen. Ich bin auch noch ein eigener Mensch! – der Satz dient als Legitimation für alle möglichen Formen von Verrat.

Adoleszenz – unsicherer Eintritt in eine erwachsene Phase: Wenn die Beziehung in den vorigen Phasen nicht zerbrochen ist, entscheiden sich die Partner jetzt auf einer neuen Ebene füreinander. Sie haben einiges miteinander erlebt und sich einiges zugemutet. Sie haben einander verletzt, belogen, betrogen, verraten und verziehen. Sie wollen beieinander bleiben, aber alles ist noch wackelig, es gibt keinen sicheren Boden.

Aufbau – der Boden wird bereitet: So wie das Individuum in dieser Phase die Weichen stellt, sich in vielen Lebensbereichen entscheidet und auch lernt, Verzicht zu üben, weil die Entscheidung für einen Weg den Verzicht auf viele andere bedeutet, so stellt ein Paar in dieser Phase die Weichen für die Zukunft. Sie werfen ihre Leben zusammen, Geld, Existenz, bekennen sich zueinander, heiraten vielleicht und lernen, Verzicht auf andere mögliche Partner und Lebensformen zu üben.

Erfüllung – der Boden ist bereitet: Etwas ganz Neues wird geboren, etwas, das nur dieses Paar hervorbringen kann. Ein Kind wird geboren, oder die Partner gebären sich selbst als Frau und Mann auf eine unverwechselbare einmalige Weise. Die Beziehung ist unersetzbar, für jeden der Partner von existentiellem Wert. Das Vertrauen ineinander und die Beziehung ist tief erprobt.

Was nun? Midlife-Crisis: Alles wirkt gut. Harmonie ist erreicht. Sicherheit und Vertrauen sind da. Aber was ist mit Romantik und Abenteuer? Wo gibt es jetzt noch Neues zu entdecken? Die Kinder gehen aus dem Haus. Ein Neuanfang wird nötig.

Altern – Neubestimmung der Werte: Die hohe Lebenserwartung erfordert von jedem Einzelnen, dass er an der Schwelle zum letzten Lebensdrittel sich dem bisher Unerfüllten, dem, was noch gelebt werden will, stellt. Eine neue Orientierung ist notwendig. Alte Verantwortlichkeiten fallen weg, neue Freiheiten erfordern neue Entscheidungen. Auf der Basis welcher Werte will das Paar den weiteren Weg gehen?

Das Alter des Triumphs: Ebenso wie Menschen über achtzig, die sich ihre Werte, ihre Neugier, ihre menschliche Wärme bewahrt haben, die ihre Krisen durchschritten haben, jetzt auch Kleinigkeiten genießen, im sogenannten Alter des Triumphs angelangt sind, so strahlen Paare, die Krisen durchschritten und sich ihre Liebe bewahrt haben, Triumph und großen Stolz aus.

Tod, Trennung: Abschied und Trauer müssen gelebt werden. Um in Würde gehen zu können, muss das Gewesene betrachtet und gefeiert werden. Tod bringt Ohnmacht mit sich. Keiner kann sich darum drücken.

Diese Zyklen werden in einem Leben, in einer Beziehung nicht nur einmal durchlaufen und auch nicht immer in dieser Reihenfolge. Der Tod, das Ende, der Abschied finden viele Male statt, und es ist wichtig, auch der Trauer immer wieder ihren Platz einzuräumen. Dann kann in jedem Alter Neues geschehen und die Verliebtheit immer wieder neu auf einer höheren Ebene aufflammen.

Jede Krise birgt die Chance auf Wachstum in sich. Jede Krise ist notwendig, um zu reifen. Jedes Paar muss diese Krisen durchlaufen. Auch Paare, die sich spät erst treffen, schon andere Lieben hinter sich haben, können keine der Phasen überspringen. Es gibt Menschen, die bei jeder neuen Partnerschaft immer wieder einen bestimmten Entwicklungsschritt verweigern, die jedes Mal hoffen, beim nächsten Mann, bei der nächsten Frau wird alles anders. Die irren sich. Wer sich der Anforderung auf Auseinandersetzung mit sich selbst, auf menschliches Reifen, nicht stellt, fällt immer wieder auf die gleiche Entwicklungsstufe zurück, reift letztlich nicht nur als Partner nicht, sondern bleibt auch als Mensch stecken. Wir kennen sie alle: Das alternde kleine Mädchen, das sich weigert, Verantwortung zu übernehmen, eine erwachsene Partnerin zu sein, die für ihre Bedürfnisse geradesteht und Herausforderungen annimmt, weil sie sich für alles zu schwach und insgesamt hilfsbedürftig fühlt. Der alternde Pubertäre, der unernst herumspielt, es »leicht« haben will und Kritik und Anforderungen scheut wie der Grundschüler die Hausaufgaben.

Die meisten Eltern machen sich heute viele Gedanken darüber, wie ihre Kinder auf gesunde Weise erwachsen werden können. Ebenso sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie unsere Liebe auf gesunde Weise reifen und reicher und erfüllter werden kann, statt steckenzubleiben, starr zu werden, jede Lebendigkeit zu verlieren und schließlich vorzeitig zu sterben.

Manche Eltern negieren die Krisen ihrer Kinder und erschweren es ihnen dadurch, sich selbst anzunehmen. Ebenso ist es für eine Partnerschaft notwendig, die Krisen anzuschauen, zu akzeptieren, für den eigenen Anteil geradezustehen und sie gemeinsam zu bewältigen.

Wie kann dieses Buch dabei helfen? Es hilft, Schritt für Schritt aus der Krise zu gehen. Unmerklich fast, indem ein Kapitel nach dem andern durchgearbeitet wird, verändert sich die Frau, der Mann, verändert sich die Partnerschaft, und mit einem Mal ist wieder Nähe da, Intimität, auf eine tiefere Weise.

Bis vor kurzem beschäftigten sich Paartherapeuten vor allem mit der neurotischen Verstrickung in der Partnerschaft. Es wirkte, als wäre Liebe ohne Neurose gar nicht möglich. Jeder Mensch hat entsprechend dieser Auffassung seine neurotische Störung, also auch alle Beziehungen zwischen Menschen. Wovon die Unmenge an Leid und Destruktion in Partnerschaften ja auch Zeugnis ablegt. Seit einiger Zeit nun wird etwas anderes praktiziert: Die positive Psychologie setzt sich zwar auch mit destruktiven Mustern auseinander, aber sie sucht vor allem nach positiven Ansätzen, wie Menschen, wie Liebesbeziehungen glücklich gestaltet werden können.

So weiß man heute durch eine Unzahl von Untersuchungen, was das Strickmuster derjenigen Paare ist, die nicht nur zusammen-, sondern glücklich zusammenbleiben. Man weiß, dass diese Paare nicht im Geringsten von Krisen verschont wurden, oft wurden gerade sie durch heftige »außerplanmäßige« Krisen wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Tod eines Angehörigen geschüttelt, aber sie haben sie auf konstruktive Weise gemeistert. Ebenso wurde in der Glücksforschung herausgefunden, dass nicht die Menschen besonders glücklich sind, die es besonders leicht haben, die keine Rückschläge, keinen Kummer, kurz keine Krisen erlebt haben, sondern diejenigen, die diese Krisen als Herausforderung zum Wachstum angenommen und bewältigt haben. Konstruktiv also.

Konstruktiv?

Wie soll das gehen, wenn er mich betrogen hat, wenn sie nach der Geburt der Kinder vergessen zu haben scheint, dass sie auch noch einen Mann hat (beides geht auch umgekehrt), wenn einer schwer krank ist, Hartz IV droht usw.? Gar nicht so einfach. Eine Krise schüttelt alles durcheinander. Danach ist nichts mehr, wie es vorher war. Keine Rolle passt mehr, alle Sicherheiten sind flöten gegangen.

Zuerst einmal: Erkennt sie an.

Du hast dieses Buch gekauft, geliehen, liest es jetzt. Also hast du den ersten Schritt zur Anerkennung der Krise getan.

Paare, die zu mir in Therapie kommen, tun dies aufgrund einer Krise. Oft aber können sie das Problem in der Tiefe nicht erkennen: Wir haben ein Kommunikationsproblem, sagen sie. Wir müssen nur lernen, wieder miteinander zu reden. Und dann lasse ich sie miteinander reden und greife ein, wenn es in destruktive Muster abdriftet. Kommunikationsregeln zu lernen ist nicht sehr kompliziert. Es ist ein bisschen wie stricken lernen, alles läuft auf eins links, eins rechts hinaus. Du sprichst, ich spreche, wir hören einander zu und teilen uns mit, was wir verstanden haben. Dann fragen wir nach. Das ist einfach. Das tun alle Verliebten. Sie sprechen und sprechen und fragen und antworten, und sie werden immer verliebter und immer glücklicher dabei. Niemand hat vorher ein Kommunikationsseminar für Verliebte besucht. Niemand!

Das Problem ist, miteinander zu sprechen, wenn einem übel dabei wird vor Schmerz, wenn der Bauch drückt und man meint, sich in die Hose zu machen vor Entsetzen, wenn die Worte in der Kehle steckenbleiben vor Angst, der andere würde auf der Stelle tot umfallen, wenn man sie sagt, oder wenigstens sofort die Beziehung kündigen.

Wir haben ein Kommunikationsproblem, sagte zum Beispiel ein Paar, das zu mir kam. Lisa, 34. Henning, 34. Zwei kleine Kinder, noch nicht schulreif. Henning und Lisa waren äußerst wortgewandt. Sie konnten miteinander sprechen, aber sie verstanden einander nicht. Vor allem verstand er nicht, dass sie plötzlich, für ihn aus heiterem Himmel, in Wutanfälle ausbrach. Und sie selbst verstand das auch nicht. Erst als wir eine längere Zeit in die Tiefe ihres Lebens und ihrer Beziehung getaucht waren, wurde einiges deutlich:

Sie war furchtbar enttäuscht:

Von ihm, weil er sie nach den Geburten der Kinder im Stich gelassen hatte, denn er hatte beide Male direkt anschließend einen neuen Job angefangen, der ihn ganz forderte.

Von sich selbst, weil sie in ihrem Hausfrau- und Mutterdasein nicht die Erfüllung fand, die sie als Erfüllung ihres Lebenstraums erwartet hatte. Sie hatte am Anfang der Therapie noch gesagt: Ich habe alles gehabt, beruflichen Erfolg, viel Geld, viele Reisen, schöne Klamotten, jetzt will ich ganz Mutter sein.

Von ihm, weil er einerseits gerne Kinder haben wollte, andererseits aber, als sie dann da waren, auf Junggesellenart weiterzuleben versuchte, ohne ihr die Sicherheit zu geben, dass er wirklich für sie da sein würde, wenn sie ihn brauchte.

Er war furchtbar enttäuscht:

Von ihr, weil sie ihm das Gefühl gab, ein schlechter Vater zu sein, und ihn ständig kritisierte, wenn er mit den Kindern zusammen war.

Von ihr, weil sie nicht würdigte, dass er furchtbar hart arbeitete, um seinen Part als Familienernährer gut auszufüllen. Sie hatte immer etwas zu meckern: Das Haus war zu klein, der Garten wurde von ihm nicht genug gepflegt, die Urlaubsreisen fanden in nicht ausreichend luxuriösen Hotels statt.

Von sich selbst, weil er das Gefühl hatte, als Mann und als Vater zu versagen.

An diesem Paar zeigt sich, dass wir oft vorschnell sind mit unserer Diagnose, warum wir uns so häufig streiten oder warum wir uns zurückziehen oder warum wir insgesamt unzufrieden sind. In den allermeisten Fällen ist es einfach notwendig, innezuhalten und in die Tiefe der Beziehung zu tauchen, um zu erkennen, worauf die Krise wirklich beruht. Dann erst kann der nächste Schritt gegangen werden, nämlich der hin zu Bewältigung und Veränderung.

Male ein Krisenpanorama! Ziehe eine gerade Linie für dein Leben von 0 Jahren bis heute. Und dann zeichne Wellen deines Wohlbefindens um diese Linie herum. Wo war es ganz oben, und wo war es ganz unten? Das war die Krise!

Welche Krisen hast du bisher erlebt?

Wie hast du gemerkt, dass du in einer Krise warst, wie waren deine Symptome?

Welche Rettungsmechanismen hast du jeweils gewählt? Hatten sie Erfolg?

Welches war deine schlimmste Krise?

Welches Ergebnis hatte sie?

Wie bist zu daraus hervorgegangen?

Welche Glaubenssätze sind aus dieser Krise übrig geblieben?

Sind sie heute noch praktikabel?

Wenn nicht, wie könntest du sie am effektivsten verändern?

Schreibe einen Brief an deinen Partner oder an dich selbst: Wir sind in einer Krise!

Erzähle deinem Partner, seit wann du die Krise erlebst. Wie sie sich für dich zeigt. Was du dir wünschst.

Ohne Saat keine Ernte

Investition setzt Bewegung in Gang

Häufig pressen Menschen aus ihrer Beziehung heraus, was sie nur hergibt: Entspannung, Erholung vom Beruf, Gespräche über Probleme mit dem Chef, den Nachbarn oder den Kindern, Sex, ein Gefühl von Zugehörigkeit, Anerkennung, Auftanken, Halt, Versicherung fürs Alter, Versorgung, Sicherheit, um nur einiges zu nennen. Aber sie wollen nichts dafür hergeben.

Wenn ich auf diese Weise irgendetwas anderes im Leben behandle, bekomme ich über kurz oder lang die Quittung: Ein Garten, in den ich nicht investiere, verwildert; ein Haus verkommt; Menschen, die nicht in ihre Fortbildung investieren, stagnieren in ihrer beruflichen Entwicklung; ein Selbständiger, der nicht in sein Unternehmen investiert, ist extrem gefährdet. Wenn wir nicht Zeit, Aufmerksamkeit, Energie in unsere Kinder investieren, werden sie verwahrlosen. Und so weiter. Aber bei unseren Partnerschaften meinen wir, alles müsste von allein laufen. Was für eine tollkühne, unrealistische Annahme! Wieso soll das funktionieren?

Manche Paare treiben miteinander einen schwunghaften Handel: Gibst du mir Sex, geb ich dir Sicherheit. Wenn das nicht ausdrücklich verabredet wurde, läuft es schief. Und selbst dann hat es mehr mit einer Geschäftsbeziehung zu tun als mit Partnerschaft.

Viele Frauen geben Sex gegen Zärtlichkeit. Oder Sex gegen Anerkennung. Und wenn die Zärtlichkeit nicht so ausfällt, wie sie es wünschen, oder die Komplimente ausbleiben, entziehen sie Sex. Nur leider bezahlen sie für diesen Deal mit einem nicht hoch genug einzuschätzenden Gut, sie fühlen nämlich ihre eigenen sexuellen Bedürfnisse nur noch verzerrt.

Wer an eine Beziehung mit einer Handelseinstellung herangeht, könnte über kurz oder lang im Konkurs landen. Oder in einem verbissenen Kampf um Rechte und Pfründe.

Nehmen wir die Müllers, ein Paar um die sechzig. Er ist ein international anerkannter Geschäftsmann, verdient eine Menge Geld. Sie hat sich nach dem Studium nur noch seiner Karriere gewidmet, drei Kinder geboren, bietet ihm ein Zuhause und ist seine Gesprächspartnerin in allen Problemlagen. Er sorgt für ihren gesellschaftlichen Status, sie haben große Häuser in Hamburg, in Frankreich, eine Yacht, teure Autos, dementsprechende Bekannte. Er schenkt ihr wertvollen Schmuck (den seine Sekretärin aussucht), sie macht Sex, wie und wann immer er will.

Nun, ich sollte besser in der Vergangenheitsform sprechen. Sie unterstützte ihn, wo sie nur konnte. In ihrem Selbstbild allerdings hat sie sich für ihn »aufgeopfert«. Sie ist alles andere als ein Heimchen am Herd, vielmehr eine intelligente, kompetente Frau. Sie hat die Haussanierungen geleitet, das Geld verwaltet, für die Kinder Privatschulen ausgesucht und Therapeuten, wenn eines durch Drogenkonsum, Alkoholexzesse oder Diebstahl auffällig wurde.

Das Ganze stürzte wie ein Kartenhaus in sich zusammen, als sie erfuhr, dass er sie betrog. Zuerst entzog sie ihm den Sex, dann das Zuhause. Er kuschte, beendete die Liaison mit der Frau, die im Alter seiner Tochter war und von ihm ohnehin nur als unernster Zeitvertreib gehandelt worden war. Er schwor, es nie wieder zu tun. Aber sie blieb sexuell spröde. Nun endlich forderte sie von ihm alles ein, was sie sich immer schon gewünscht hatte. Ein Geschenk, das nicht seine Sekretärin ausgesucht hatte. Einen Liebesbrief. Einen freien Tag nur für sie.

Er fühlte sich ungerecht betraft, vor allem durch den sexuellen Entzug. So ging es zwei Jahre lang: Sie verweigerte, was sie bis dahin gegeben hatte.

Sein nächster Seitensprung war eine massive Kampfansage. Diese Freundin war in seinem Alter, eine alternative, auf dem Lande lebende Physiotherapeutin, eher ungepflegt, gesellschaftlich völlig unakzeptabel. Er, der mit seiner Frau eine Yacht hat, eine Villa in Südfrankreich und teuerste Designeranzüge trägt, in Hamburgs vornehmstem Stadtteil in einem exklusiv sanierten Jugendstilhaus wohnt, zog nun auf einen schmuddeligen Resthof zu einer Hippie-Frau. Seine Frau verstieß ihn, seine Kinder verachteten ihn, seine Kollegen verlachten ihn. Beruflich saß er allerdings so fest im Sattel, dass er weiterhin Millionen scheffelte.

Was ist der Unterschied zwischen einem Deal und einer Investition? Was ist der Unterschied zwischen Geben und Nehmen und einem Deal? Und was hat das Ganze mit Investieren zu tun? Und was hat das Ganze mit eurer Liebeskrise zu tun?

Bleiben wir bei den Müllers. Beide haben versucht, aus der Beziehung so viel rauszuziehen wie möglich. Beide hatten das Gefühl zu geben. Beide hatten das Gefühl, zu wenig zu bekommen. In unterschiedlichen Bereichen des Lebens, aber dennoch.

Das ist sehr bedenkenswert: Wenn eine Beziehung ein sexuelles Problem hat, kann es nicht mit einer Investition ins Zuhören über berufliche Probleme gelöst werden, sondern nur mit Investition von Zeit, Energie, Aufmerksamkeit, ja, und vielleicht auch Geld in den gesamten Bereich, der mit körperlicher Liebe zu tun hat.

Wenn du eine Firma hast und es läuft etwas schief in der Kundenakquise, wird es dir wenig nützen, in den Fuhrpark zu investieren. Einfach zu verstehen, oder? Wenn dein Kind in der Schule Probleme mit der Motorik hat, nützt es wenig, wenn du mehr Zeit investierst, um mit ihm vor dem Fernseher zu sitzen. Oder?

Zuallererst aber geht es darum, dass du dir überhaupt darüber Klarheit verschaffst, was du bereit bist zu investieren, um eure Beziehung aus der Krise zu führen. Wie viele Stunden pro Woche? Wann genau willst du für deine Liebe aktiv werden? Wie viel Geld willst du anlegen?

Du brauchst dir erst mal keine Gedanken darüber zu machen, wofür du die Zeit oder das Geld einsetzen willst. Es gibt so viele Möglichkeiten: tiefe Gespräche, Aufmerksamkeit, essen gehen, Reisen, Therapie, Geschenke, Blumen, Theater, Tanzkurs … Doch zuerst einmal reicht die gute Absicht.

Welche Stärken bist du bereit einzusetzen?

An welchen Schwächen bist du bereit zu arbeiten?

Was sind deiner Meinung nach die Bereiche, wo es in eurer Partnerschaft schiefgegangen ist?

Die Paare, die zu mir in Therapie kommen, haben vorher eine Entscheidung gefällt: Sie sind bereit, Energie, Zeit, Geld und Mut zu investieren. Ich gebe Hausaufgaben, lasse schreiben, malen, sprechen, basteln usw. Je nachdem, wie viel Beschäftigung eingesetzt wird, umso intensiver ist der Prozess. Also kommt mehr dabei heraus. Therapie bedeutet Intensivierung und Beschleunigung des Prozesses. Manchmal auch die Intensivierung des Schmerzes. Aber dann auch die Intensivierung des Glücks.

Wenn ich an Investition denke, fällt mir immer Anna ein. Als sie mich anrief und um einen Termin bat, war sie eine arbeitslose Schauspielerin. Ich fragte sie, ob sie mich auch bezahlen könne. Sie antwortete: Ich betrachte das als Investition in mich selbst. Im Zweifelsfall gehe ich putzen.

Auch dieses Buch zu kaufen war eine Investition. In dich selbst, in deine Partnerschaft. In dein Glück. Ins Glück deiner Kinder.

Auch ein Verzicht kann eine wertvolle Investition sein. Bist du zum Beispiel bereit, eine Woche lang aufs Fernsehen zu verzichten? Aber zum Verzicht kommen wir später.

Ich halte viel von Julia Cameron, die »Der Weg des Künstlers« geschrieben hat. Sie erwartet von ihren Lesern, dass sie täglich drei Seiten schreiben, morgens, direkt nach dem Aufstehen. Sie erwartet darüber hinaus noch einiges mehr an Investitionen von den Lesern, die ihre Kreativität aus Blockaden befreien wollen. Das entspricht meiner Erfahrung: Je mehr du investierst, umso reicher ist der Ertrag. Alle Leser, die einen Garten haben, wissen das. Alle Leser, die Kinder haben, wissen das. Alle Leser, die Freunde haben, wissen das. Alle Leser, die einen geliebten Beruf haben, wissen das. Alle Künstler wissen das. Alle Hundebesitzer wissen das.

Warum schrecken Leute in einer Paarbeziehung zurück, wenn sie einen Vertrag schließen sollen, in dem sie sich festlegen, was sie bereit sind zu investieren? Mir ist das unverständlich. Ich vermute, es liegt an allen möglichen Blockaden, die auch in anderen Bereichen des Lebens im Wege stehen. Auf diese Blockaden, und wie man sie auflöst, gehe ich im Kapitel »Zielsetzung« näher ein.

Welchen Angewohnheiten gehst du nach, die der Verbesserung deiner Partnerschaft im Wege stehen? Z. B. zeitintensives Fernsehen, Trinken oder andere Betäubungen, sexuelle Aktivitäten außerhalb der Beziehung, mit Freun dinnen über den Partner herziehen oder anderes?

Bist du bereit, darauf zu verzichten?