Italienische Reise - Johann Gottfried Herder - E-Book

Italienische Reise E-Book

JOHANN GOTTFRIED HERDER

4,7

Beschreibung

In den Jahren 1788-1789 unternahm Herder als Begleiter des Domherrn Johann Friedrich Hugo von Dalberg eine Italienreise. In Rom fand er Anschluss an die Gesellschaft der Herzogin Anna Amalie von Sachsen-Weimar-Eisenach, die ebenfalls auf Reisen war, und befreundete sich mit der Malerin Angelika Kauffmann. Johann Friedrich Reiffenstein, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und Johann Heinrich Meyer führten ihn durch Rom. Dort erhielt er eine ihn interessierende Berufung nach Göttingen. Weiter ging es nach Neapel, die Rückkehr führte ihn über Florenz, Venedig und Mailand.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 1109

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,7 (12 Bewertungen)
8
4
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Italienische Reise

Johann Gottfried Herder

Inhalt:

Johann Gottfried Herder – Biografie und Bibliografie

Italienische Reise

Briefe 1788

Briefe 1789

Briefe 1790

Gedichte aus Italien

Reisetagebuch

Italienische Reise, J. G. Herder

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849627690

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Johann Gottfried Herder – Biografie und Bibliografie

Einer der hervorragendsten und einflußreichsten Schriftsteller und Denker Deutschlands, ward 25. Aug. 1744 zu Mohrungen in Ostpreußen als Sohn des Kantors, Glöckners und Schullehrers Gottfried H. und dessen zweiter Ehefrau, Anna Elisabeth Pelz, geboren und starb 18. Dez. 1803 in Weimar. Die Verhältnisse seiner Eltern waren bescheiden und beschränkt, nicht aber so dürftig, daß sie auf eine bessere Erziehung ihrer Kinder und namentlich des Knaben, dessen Begabung früh zutage trat, durchaus hätten verzichten müssen. H. besuchte die Stadtschule und wurde zum Studium der Theologie bestimmt. Die unfreundliche und willkürliche Einmischung des Diakonus S. F. Trescho, der Herders Eltern zu bestimmen suchte, den Knaben ein Handwerk lernen zu lassen, kreuzten die künftigen Lebenspläne. Trescho nahm den Knaben als Famulus in sein Haus, mißbrauchte jedoch seine Kräfte zu allerhand unwürdiger Arbeit, so daß es für H. eine Erlösung aus bittern Leiden war, als sich ein russischer Regimentschirurg erbot, ihn zur Erlernung der Chirurgie nach Königsberg und später nach Petersburg mitzunehmen. H. langte im Hochsommer 1762 in der ostpreußischen Hauptstadt an, und da er alsbald erkannte, daß er für den von seinem Beschützer in Aussicht gestellten Beruf gänzlich ungeeignet sei, ließ er sich 10. Aug. als Studiosus der Theologie immatrikulieren. An dem Buchhändler Kanter, dem er sich schon von Mohrungen aus durch Zusendung des »Gesanges an Cyrus« empfohlen hatte, gewann er einen hilfreichen Gönner; durch seine Anstellung als Lehrer an der Elementarschule des Collegium Fridericianum ward er der drückendsten Not rasch überhoben und überließ sich rückhaltlos seinem Bildungsdrang. Bedeutenden Einfluß auf die geistige Entwickelung des Jünglings übte von den Universitätslehrern nur Kant, außerhalb der Universitätskreise aber der »Magus aus Norden«, der originelle J. G. Hamann aus. Unter den Einwirkungen seiner mannigfaltigen und ausgebreiteten Lektüre war keine tiefer, sein ganzes Wesen bestimmender als die der Schriften J. J. Rousseaus. Im Herbst 1764 ward H. als Kollaborator an die Domschule nach Riga berufen, später auch als Pfarradjunkt an der Jesus- und an der Gertraudenkirche angestellt, so daß er in der alten Hauptstadt Livlands, die sich damals noch fast republikanischer Selbständigkeit erfreute, einen ausgebreiteten und nicht unwichtigen Wirkungskreis fand. Die Kreise des städtischen Patriziats erschlossen sich dem jungen vielversprechenden Mann, der sich in ihnen mancher Anregung und eines bis dahin ungekannten Lebensgenusses erfreute. Unter so günstigen Umständen eröffnete H. mit den »Fragmenten über die neuere deutsche Literatur« (Riga 1766–67), dem Schriftchen »Über Thomas Abbts Schriften. Der Torso von einem Denkmal, an seinem Grab errichtet« (das. 1768) und den »Kritischen Wäldern« (das. 1769) seine große literarische Laufbahn. Indem er darauf hinwies, daß die literarischen Erzeugnisse aller Nationen durch den besondern Genius der Volksart und Sprache bestimmt sind, und indem er die »kritische Betrachtungsweise Lessings durch seine eigne genetische ergänzte«, gewann H. seine selbständige Stellung in dem großen Kampf der Zeit. Die Angriffe gegen die seichte und verächtliche Clique der Klotzianer waren nur Konsequenzen seiner Anschauungen. Gleichwohl hatte sich H. Klotz und den Seinen gegenüber Blößen namentlich durch die Ableugnung der Autorschaft der »Kritischen Wälder« gegeben und ward, wie im spätern Leben noch oft, in ärgerliche Händel verwickelt, die ihm selbst das Behagen an seiner sonst so günstigen Stellung in Riga verleideten. Starker Reisedrang und das Verlangen, sich für eine künftige große Wirksamkeit (die er sich mehr als eine praktische, denn als eine literarische dachte) allseitig vorzubereiten, veranlaßten H., im Frühling 1769 seine Entlassung zu begehren, die man ihm gewährte in der Hoffnung, daß er zurückkehren werde. Im Juni d. J. trat er eine große Reise an, die ihn zunächst zu Schiff nach Nantes führte, von wo er im November nach Paris ging. Weil er sich rasch überzeugen mußte, daß es nicht möglich sein werde, mehrjährige Reisen nur mit Unterstützung seiner Freunde durchzuführen, war ihm der Antrag des fürstbischöflich lübeckischen Hofes in Eutin, den Erbprinzen Peter Friedrich Wilhelm als Reiseprediger zu begleiten, ganz willkommen. Anfang 1770 kam er nach Eutin und brach im Juni d. J. von dort mit dem Prinzen auf. Noch vor der Abreise hatte ihn ein Ruf des Grafen Wilhelm von Lippe in Bückeburg erreicht; gleich darauf lernte H. in Darmstadt seine nachmalige Gattin, Maria Karoline Flachsland (s. unten), kennen. Eine rasch gefaßte und erwiderte Neigung nährte in H. den Wunsch nach festen Lebensverhältnissen. Er folgte dem Prinzen nur bis Straßburg, begehrte vom eutinischen Hof seine (im Oktober gewährte) Entlassung, nahm die vom Grafen zur Lippe angetragene Stellung als Hauptprediger der kleinen Residenz Bückeburg und als Konsistorialrat an, blieb aber dann um einer (leider mißglückten) Augenoperation willen den Winter in Straßburg und knüpfte hier die freundschaftlichen Beziehungen zu dem um fünf Jahre jüngern Goethe an. Ende April 1771 trat H. seine neue Stellung in Bückeburg an. Sein Verhältnis zu dem Landesherrn des kleinen Ländchens, dem berühmten Feldherrn Grafen Wilhelm, ward bei aller Achtung, die der durch und durch soldatische und an keinen Widerspruch gewöhnte Fürst ihm zollte, kein erfreuliches. Auch als Graf Wilhelms Gemahlin, die liebenswürdige fromme Gräfin Maria, sich H. in herzlicher Verehrung anschloß, betrachtete dieser den Aufenthalt in Bückeburg als ein Exil. Doch wurden ihm diese Jahre durch die Liebe seiner im Mai 1773 heimgeführten Gattin und durch die reichen Ergebnisse seiner Studien verschönt. Die Zeit des Bückeburger Aufenthalts war für H. die eigentliche Sturm- und Drangperiode. Mit der geistvollen, von der Berliner Akademie preisgekrönten Abhandlung »Über den Ursprung der Sprache« (Berl. 1772), die er noch in Straßburg begonnen, den beiden Aufsätzen über »Of sian und die Lieder alter Völker« und über »Shakespeare« in den fliegenden Blättern »Von deutscher Art und Kunst« (Hamb. 1773; Neudruck von Lambel, Stuttg. 1893) und der Schrift »Ursache des gesunkenen Geschmacks bei den verschiedenen Völkern, da er geblühet«, trat er in den Mittelpunkt der Bewegung, die eine aus dem Leben stammende und auf das Leben wirkende, echte Natur atmende Dichtung wiedergewinnen wollte. Mit der Schrift »Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit« (o. O. [Riga] 1774) erklärte er der prahlerischen und öden Aufklärungsbildung des Jahrhunderts den Krieg. Rief schon diese Arbeit die entschiedensten Widersprüche, ja Herabsetzungen und Verlästerungen Herders hervor, so war dies in noch höherm Grade der Fall bei seinen theologischen und halbtheologischen Schriften, der »Ältesten Urkunde des Menschengeschlechts« (Riga 1774–76, 2 Tle.), den »Briefen zweener Brüder Jesu in unserm Kanon« (Lemgo 1775), den »Erläuterungen zum Neuen Testament, aus einer neueröffneten morgenländischen Quelle« (Riga 1775) und den 15 Provinzialblättern »An Prediger« (1774). Die Angriffe, die er erfuhr, veranlaßten ihn, seine schon zum Druck vorbereitete Sammlung der »Volkslieder« zurückzuhalten. Sie brachen ihm den Entschluß des Weiterwirkens nicht, aber sie steigerten eine hypochondrische Reizbarkeit und ein dämonisches Mißtrauen, die in Herders Seele früh erwacht waren. H. verhandelte eben wegen einer Berufung an die Universität Göttingen, als er durch Goethes freundschaftliche Bemühungen im Frühjahr 1776 als Generalsuperintendent, Mitglied des Oberkonsistoriums und erster Prediger an der Stadtkirche nach Weimar berufen wurde. Sein Weggehen von Bückeburg folgte dem Tode seiner Gönnerin, der Gräfin Maria, fast auf dem Fuß. Am 2. Okt. 1776 trat H., der besten Erwartungen und des besten Wissens voll, in Weimar ein. Obschon er hier die denkbar freundlichste Aufnahme fand, so blieben doch auch Mißhelligkeiten nicht aus. Da H. wahrzunehmen glaubte, daß in dem engern Kreise des Herzogs eine gründliche Gleichgültigkeit, ja verächtliche Geringschätzung gegen Kirche und Schule vorherrschte, vertrat er nicht nur, was sein gutes Recht war, deren Interessen aufs kräftigste und eifrigste, sondern setzte sich in Opposition gegen nahezu alle Meinungen, Richtungen und Neigungen jenes Kreises. Und so gewiß Weimar eine große Verbesserung Bückeburg gegenüber heißen durfte, so fühlte sich H. von der Kleinlichkeit und Enge auch vieler weimarischer Verhältnisse gedrückt. Dennoch wirkte die veränderte Lage günstig auf ihn, und seine literarische Produktivität nahm einen großen und immer gewaltigern Aufschwung. Der Läuterungsprozeß, durch den sich die hervorragendsten Repräsentanten des Sturmes und Dranges in die Hauptträger der deutschen klassischen Literatur verwandelten, nahm auch bei H. zu Ausgang der 1770er Jahre seinen Anfang. Die bedeutsame philosophische Abhandlung »Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele. Bemerkungen und Träume« (Riga 1778), die »Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traum« (das. 1778) und die Herausgabe der »Lieder der Liebe« (Leipz. 1778) sowie der längst vorbereiteten »Volkslieder« (erst später von Johannes v. Müller »Stimmen der Völker in Liedern« betitelt, das. 1778–79) waren seine ersten von Weimar aus in die Welt gesandten Publikationen. Die von der Münchener Akademie preisgekrönte Abhandlung »Über die Wirkung der Dichtkunst auf die Sitten der Völker in alten und neuen Zeiten« (1778) galt einem neuen Nachweis, daß echte Poesie die Sprache der Sinne, erster mächtiger Eindrücke, der Phantasie und der Leidenschaft, daher die Wirkung der Sprache der Sinne allgemein und im höchsten Grade natürlich sei, eine Wahrheit, welche die mit umfassender Literaturkenntnis ausgewählten, lebendig nach- und anempfundenen, z. T. vorzüglich übersetzten »Volkslieder« eben weiten Kreisen zum Bewußtsein brachten.

Einen höchst glücklichen Einfluß auf Herders weitere geistige Entwickelung übte seit den ersten 1780er Jahren das wiederhergestellte innige Verhältnis Herders und seines Hauses zu Goethe. H. trat in den regsten Gedankenaustausch zu dem jüngern Freund, und während er seinen Weg unter dessen bewundernder Teilnahme weiter verfolgte, steigerte sich sein Gefühl für Schönheit und Klarheit des Vortrags, selbst sein poetisches Ausdrucksvermögen durch den reinen Formensinn Goethes. In ebendiesen 80er Jahren entstand beinahe alles, was Herders immer genialem Wirken durch innere Reise und äußere Vollendung bleibende Nachwirkung sicherte. Bezogen sich die »Briefe, das Studium der Theologie betreffend« (Weim. 1780–1781, 4 Tle.) und eine Reihe von vorzüglichen Predigten auf Herders Amt und nächsten Beruf, so leitete das große, leider unvollendet gebliebene Werk »Vom Geiste der Ebräischen Poesie« (Dessau 1782–83, 2 Tle.; hrsg. von Hoffmann, Gotha 1891) von der Theologie zur Poesie und Literatur hinüber. Aus der tiefsten Mitempfindung für die Naturgewalt, die Frömmigkeit und eigenartige Schönheit der hebräischen Dichtung wuchs ein Werk hervor, von dem Herders Biograph (R. Haym) mit Recht rühmt,-daß es »für Kunde und Verständnis des Orients Ähnliches geleistet wie Winckelmanns Schriften für das Kunststudium und die Archäologie«. 1785 aber begann H. die Herausgabe seines großen Hauptwerkes, der »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« (Riga 1784–91, 4 Bde.), die endliche Ausführung eines Lieblingsplans, die breitere Ausführung von Gedanken, die er längst in kleinern Schriften in die Welt gesandt hatte, und wiederum die energische Zusammenfassung alles dessen, was er über Natur und Menschenleben, die kosmische Bedeutung der Erde, über die Aufgabe des sie bewohnenden Menschen, »dessen einziger Daseinszweck auf Bildung der Humanität gerichtet ist, der alle niedrigen Bedürfnisse der Erde nur dienen und selbst zu ihr führen sollen«, was er über Sprachen und Sitten, über Religion und Poesie, über Wesen und Entwickelung der Künste und Wissenschaften, über Völkerbildungen u. historische Vorgänge gedacht und (wie seine Gegner erinnerten) geträumt hatte. Die Aufnahme des Werkes entsprach dessen großem Verdienst (vgl. Grundmann, Die geographischen und völkerkundlichen Quellen und Anschauungen in Herders. Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit', Berl. 1900). Gleichzeitig veröffentlichte H. die Sammlung seiner »Zerstreuten Blätter« (Gotha 1785–97, 6 Tle.), in der eine Reihe der schönsten Abhandlungen und poetischen Übersetzungen die Geistesfülle und sittliche Grazie des Schriftstellers in herzgewinnender Weise offenbarte. Seiner Verehrung für Spinoza, in der er sich mit Goethe eins fühlte, gab er Ausdruck in den Gesprächen, die er 1787 u. d. T. »Gott« veröffentlichte.

Einen großen Abschnitt in Herders Leben bildete die Reise, die er 1788–89 nach Italien unternahm. Freilich wirkten seine hypochondrische Reizbarkeit und mancherlei ungünstige Zufälle zusammen, ihn eigentlich nur in Neapel zum Vollgenuß dieser Reise kommen zu lassen; doch empfing er bedeutende und bleibende Eindrücke, die vielleicht noch günstigere Folgen gehabt hätten, wenn ihn nicht in Italien eine abermalige ehrenvolle und vielverheißende Berufung nach Göttingen erreicht und die schwere Frage des Gehens oder Bleibens in Weimar ihn während der Rückreise gequält hätte. Goethe, von der Erwägung ausgehend, daß der Freund dem Kathederärger in Göttingen noch weniger gewachsen sein werde als dem Hof- und Konsistorialärger in Weimar, wirkte für Herders Bleiben und konnte im Einverständnis mit dem Herzog Tilgung der Herderschen Schulden, Gehaltsverbesserungen und mancherlei tröstliche Verheißungen für die Zukunft bieten. H. ließ sich mit einem gewissen Widerwillen zum Bleiben bestimmen, und beide Freunde sollten dieser Entscheidung nur kurze Jahre froh werden. Herders Gesundheitszustand war bloß vorübergehend gebessert, körperliche Leiden brachen ihm Lebenslust und Arbeitskraft; der fünfte Teil der »Ideen« blieb ungeschrieben, und bereits die »Briefe zur Beförderung der Humanität« (Riga 1793–97, 10 Sammlungen) trugen die Farbe seines verdüsterten Geistes. Die materiellen Sorgen im Herderschen Hause hatten sich leider nur vorübergehend gemildert, und die nur halb gerechtfertigten Ansprüche, die H. und seine Gattin auf Grund der Abmachungen von 1789 erhoben, führten zu einem unheilbaren Bruch mit Goethe. H. hatte schon zuvor mit reizbarer Eifersucht die wachsende Intimität zwischen Goethe und Schiller betrachtet. So trat allmählich ein Zustand der Isolierung und kränklich verbitterten Beurteilung alles ihn umgebenden Lebens bei H. ein. Die geistigen Gegensätze, in denen er sich zur Philosophie Kants, zur klassischen Kunst Goethes und Schillers fand, verstärkte und verschärfte H. gewaltsam und ließ sie in seinen literarischen Arbeiten mehr und mehr hervortreten. Zwar gab er, sowie er auf neutralem Gebiet stand, auch jetzt noch Vorzügliches und Erfreuliches. Dem Unterrichtswesen widmete er fortwährend eine liebevolle Teilnahme, die besonders in seinen formvollendeten und inhaltreichen Schulreden zum Ausdruck kam. Seine »Terpsichore« (Lübeck) 795), die den vergessenen neulateinischen Dichter Jakob Balde wieder einführte, seine »Christlichen Schriften« (Riga 1796–99, 5 Sammlungen), in denen das unbeirrteste Gefühl für den eigentlichen Kern des Christentums den schönsten und maßvollsten Ausdruck fand, seine Aufsätze für Schillers »Horen« bewährten den alten Herderschen Geist. Aber voll grimmer Bitterkeit und dazu mit unzulänglichen Waffen bekämpfte H. in der »Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft« (Leipz. 1799, 2 Tle.) die Philosophie und in der »Kalligone« (das. 1800) die Ästhetik Nants, voll absichtlicher Verkennung und unwürdiger Lobpreisung des Abgelebten und Halben richtete seine »Adrastea« (das. 1801–03, 6 Tle.) alle ihre versteckten Spitzen gegen die lebendige, schönheitsfreudige Dichtung Goethes und Schillers. Nur die Qual eines Zustandes, der ihn tief niederdrückte, und in dem er sich selbst bald als »dürrer Baum und verlechzte Quelle«, bald als »Packesel und blindes Mühlenpferd« schilderte, konnte diese letzte verhängnisvolle Wendung seiner literarischen Tätigkeit entschuldigen. Letzte Erquickung bereitete ihm, dessen körperliche Kraft mehr und mehr erlag, die poetische Arbeit an seinen »Legenden«, an der Übertragung der Romanzen vom »Cid« (s. d., S. 149) und an den dramatischen Gedichten: »Der entfesselte Prometheus« und »Admetus' Haus«. Die Annahme eines vom Kurfürsten von Bayern 1802 ihm verliehenen Adelsdiploms bereitete H. schweren Ärger, und seine endliche Ernennung zum Präsidenten des Oberkonsistoriums (1801) kam zu spät, um ihm Lebensmut zurückzugeben. In den Sommern 1802 und 1803 suchte er Heilung in den Bädern von Aachen und am Egerbrunnen; im Herbst des letztgenannten Jahres erfolgte ein neuer heftiger Anfall seines unheilbaren Leberübels, dem er im Winter erlag. Sein Grabdenkmal in der Stadtkirche zu Weimar trägt die Aufschrift: »Licht, Liebe, Leben«; vor der Kirche wurde ihm 1850 ein ehernes Standbild (von Schaller) errichtet.

Mannigfach rätsel- und widerspruchsvoll, ungleicher in seinen Leistungen als seine großen Zeitgenossen, aber unvergleichlich reich, vielseitig, voll höchsten Schwunges und schärfster Einsicht, eine Fülle geistigen Lebens in sich tragend und um sich erweckend, steht H. in der deutschen Literatur. In der großen Umbildung des deutschen Lebens am Ende des 18. Jahrhunderts hat er mächtiger und entscheidender eingegriffen als einer, und die Spuren seines Geistes lassen sich in der Literatur im engern Sinn, in Fachwissenschaften und Spezialzweigen, die aus seinen Anregungen hervorgegangen sind, überall nachweisen. Die Forderung der »Humanität«, der Heranbildung und Läuterung zum vergöttlichten Menschlichen, ist der durchgehende Grundgedanke in der Vielheit und Mannigfaltigkeit seiner Schriften. Bei allen seinen Gaben war ihm die künstlerische Gestaltungskraft versagt, so daß er als Dichter nur in einzelnen glücklichen Momenten und auf dem Gebiete der didaktischen Poesie zu wirken vermochte. Die Verbindung seines eignen ethischen Pathos mit Stimmungen und Gefühlen, die ihm aus der Dichtung der verschiedensten Zeiten und Völker ausgingen, war nie ohne Reiz; sein Verdienst als poetischer Übersetzer, als Aneigner und Erläuterer fremden poetischen Volksgeistes kann kaum zu hoch angeschlagen werden Die große Zahl von Herders poetischen Übertragungen aus den verschiedensten Sprachen, ihre Auswahl und die Resultate, die H. jedesmal aus ihnen zog, haben einer allgemeinen, über die »Gelehrtengeschichte« der vorausgegangenen akademischen Perioden hinauswachsenden Literaturgeschichte den Boden bereitet. Neben den »Volksliedern«, dem »Cid«, den Epigrammen aus der griechischen Anthologie, den Lehrsprüchen aus Sadis »Rosengarten« und der ganzen Reihe andrer Dichtungen und poetischer Vorstellungen, die Herders anempfindender Geist für die deutsche Literatur gewann, stehen jene morgenländischen Erzählungen, jene Paramythien und Fabeln, die H. im Wiedererzählen benutzt, um Momente seiner eignen sittlichen Anschauung, seiner Humanitätslehre beizugesellen, und die hierdurch wie durch ihre Vortragsweise zu seinem geistigen Eigentum werden. Höher aber als der Dichter steht überall der Prosaiker H., der große Kulturhistoriker, Religionsphilosoph, der feinsinnige Ästhetiker, der produktive Kritiker, der glänzende Essayist, der gehaltreiche und in der Form anziehende Prediger und Redner. Es ist Herders eigenstes Mißgeschick gewesen, daß die großen Ergebnisse seines Erkennens und Strebens rasch zum Gemeingut der Bildung, seine Anschauungen zu Allgemeinanschauungen wurden, so daß es erst der historischen und kritischen Zurückweisung auf die Genialität, die seelische Tiefe und den verschwenderischen Gedankenreichtum der Herderschen Schriften bedurfte, um das größere Publikum zu ihnen zurückzuführen.

Herders »Sämtliche Werke« erschienen zuerst in einer von J. Georg Müller, Johannes v. Müller und Heyne unter Mitwirkung von Herders Witwe und Sohn veranstalteten Ausgabe (Cotta, Stuttg. 1805–20, 45 Bde.; Taschenausg. mit den Nachträgen, das. 1827–1830, 60 Bde., und 1852–54, 40 Bde.). Die Entfremdung des Publikums veranlaßte die »Ausgewählten Werke« in einem Band (Cotta, Stuttg. 1844), ferner »Ausgewählte Werke«, hrsg. von Ad. Stern (Leipz. 1881, 3 Bde.), die des Cottaschen Verlags (mit Einleitung von Lautenbacher, Stuttg. 1889, 6 Bde.) und die in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur« (Stuttg. 1886 ff.); besonders gelungen ist die Auswahl der Werke in der gut kommentierten Ausgabe von Th. Matthias in der Klassikerbibliothek des Bibliographischen Instituts (Leipz. 1903, 5 Bde.). Vollständigkeit erstrebten die Ausgabe in der Hempelschen »Nationalbibliothek« (Berl. 1869–79, 24 Tle., mit Biographie von Düntzer) und die große kritische, von Suphan geleitete Ausgabe von »Herders sämtlichen Werken« (das. 1877–99, 32 Bde., wovon noch Bd. 14 fehlt). Auf Grund der letztern Ausgabe gaben Suphan und Redlich »Herders ausgewählte Werke« (Berl. 1884–1901, 5 Bde.) heraus. Eine ungekrönte Preisschrift Herders: »Denkmal Joh. Winckelmanns«, von 1778 veröffentlichte Alb. Duncker (Kassel 1882). Sammlungen von Briefen Herders veranstalteten Düntzer und Ferd. Gottfr. v. Herder in den Werken: »Aus Herders Nachlaß« (Frankf. 1856 bis 1857, 3 Bde.), »Herders Briefwechsel mit seiner Braut« (das. 1858), »Herders Reise nach Italien« (Gießen 1859) und »Von und an H.« (Leipz 1861–1862, 3 Bde.); O. Hoffmann gab Herders Briefwechsel mit Nicolai (Berl. 1887) und Herders Briefe an Hamann (das. 1889) heraus.

Von biographisch-kritischen Schriften über H. sind außer den von seiner Gattin gesammelten »Erinnerungen« (s. unten) und dem von seinem Sohn Emil Gottfried v. H. verfaßten »Lebensbild« (Erlang. 1846 bis 1847, 3 Bde.) zu erwähnen: Danz und Gruber, Charakteristik J. G. v. Herders (Leipz. 1805); ferner: H. Döring, Herders Leben (2. Aufl., Weim. 1829); »Weimarisches Herder-Album« (Jena 1845); Jegor v. Sivers, H. in Riga (Riga 1868) und Humanität und Nationalität, zum Andenken Herders (Berl. 1869); Joret, H. et la renaissance littéraireen Allemagne (Par. 1875); namentlich aber das biographische Hauptwerk: R. Haym, H. nach seinem Leben und seinen Werken (Berl. 1880–85, 2 Bde.), eine Meisterleistung streng sachlicher und zugleich liebevoller Lebensdarstellung und Beurteilung. Vgl. außerdem A. Werner, H. als Theologe (Berl. 1871); J. G. Müller, Aus dem Herderschen Hause, Aufzeichnungen 1780–1782 (hrsg. von J. Bächtold, das. 1881); Bärenbach, H. als Vorgänger Darwins und der modernen Naturphilosophie (Berl. 1877); Lehmann, H. in seiner Bedeutung für die Geographie (das. 1883); J. Böhme, H. und das Gymnasium (Hamb. 1890); Kühnemann, Herders Persönlichkeit in seiner Weltanschauung (Berl. 1893) und Herders Leben (Münch. 1894); Franke, H. und das Weimarische Gymnasium (Hamb. 1894); O. Hoffmann, Der Wortschatz des jungen H. (Berl. 1895); Bloch, H. als Ästhetiker (das. 1896); Tumarkin, H. und Kant (Bern 1890); Schaumkell, H. als Kulturhistoriker (Ludwigslust 1902); Genthe, Der Kulturbegriff bei H. (Jena 1902); Wiegand, H. in Straßburg, Bückeburg und in Weimar (Weim. 1903); Bürkner, H., sein Leben und Wirken (Berl. 1903).

Herders Gattin Maria Karoline, geborne Flachsland, geb. 28. Jan. 1750 zu Reichenweier im Elsaß, gest. 15. Sept. 1809 in Weimar, lebte nach ihres Vaters Tode bei ihrer Schwester in Darmstadt, wo sie H. kennen lernte, der sich 1773 mit ihr verheiratete. Nach Herders Tode ordnete sie dessen literarischen Nachlaß und schrieb: »Erinnerungen aus dem Leben Herders« (hrsg. von J. G. Müller, Stuttg. 1820, 2 Bde.; neue Ausg. 1830, 3 Bde.). Der älteste Sohn, Wilhelm Gottfried v. H., geb. 1774 in Bückeburg, studierte in Jena Medizin, ward 1800 Provinzialakkoucheur und 1805 Hofmedikus in Weimar, wo er 1806 starb. Er schrieb: »Zur Erweiterung der Geburtshilfe« (Leipz. 1803) und nahm teil an der Herausgabe der Werke seines Vaters. Der dritte und jüngste, Emil Gottfried v. H., war bis 1839 bei der Regierung für Schwaben und Neuburg tätig und starb als bayrischer Oberforst- und Regierungsrat 27. Febr. 1855 in Erlangen. Er gab in »Herders Lebensbild« (s. oben) eine liebevolle Darstellung des Lebens und Wirkens seines Vaters. Ein Enkel Herders, G. Th. Stichling, war weimarischer dirigierender Staatsminister und starb 22. Juni 1891.

Italienische Reise

Briefe und Tagebuchaufzeichnungen 1788-1789

Briefe 1788

J. G. Herder an Herzog Carl August

Weimar, 26. 4. 1788

Gnädigster, bester Herr,

Inlage empfing ich so unvermutet, als ob sie mir vom Himmel zugefallen wäre; in einem Zustande, in welchem mich der Inhalt derselben eben so erfreuete, als betäubte.

Ich habe mit der gestrigen Post geantwortet, u. den kleinen Dalberg gebeten, sich über das Wie? Wo? u. Wann? etwas näher zu erklären.

Das Weitere müssen Euer Durchlaucht zu seiner Zeit beantworten, u. ich verspreche mir eine gute, gnädige Antwort.

[...] Ich wünsche Euer Durchlaucht das beste Wohlsein von innen u. von außen.

E[uer] H[erzoglichen] D[urchlaucht] untertänigster Herder.

Herzog Carl August an J. G. Herder

Aschersleben, den 28. April 1788.

Der Antrag, den die Beilage Ihres Briefes enthielt, überraschte mich sehr angenehm. Schon lange wünschte ich eine gute, annehmbare Gelegenheit, die Ihnen den Vorteil verschaffen könnte, Ihre Atmosphäre zu erfrischen, welche hinter dem hohen Schieferdache der Stadtkirche zusammengepreßt werden mag. Der Vorschlag des kleinen Dalbergs ist mir um desto willkommner, da ich vermute, daß er die notwendigen Einrichtungen so treffen wird, daß Sie gewiß kein Hindernis finden werden, mit ihm die Reise nach dem gelobten Lande zu tun, und seine Gesellschaft von der Art ist, daß solche für Sie nicht die mindeste Beschwerlichkeit haben kann, sondern fähig ist, Ihnen vielerlei Annehmlichkeiten zu gewähren. Ich wünsche Ihnen recht herzlich Glück zu diesem angenehmen Zufalle, und werde mich recht herzlich freuen, Sie mit Ihrem Aesopischen Reisegefährten in den Wagen steigen zu sehen und auf dem Wege zu wissen, welcher Sie gerade zur erquickenden Quelle führen soll.

Der Schwager Chronos (Goethe brauchte ihn einmal zum Postillon) ist doch im Grunde ein guter Fuhrmann, der seine Passagiers zu beurteilen weiß, und führt sie, wenn sie auch zuweilen auf seinem Postwagen vor Stößen geflucht oder zu anderer Zeit vor Langsamfahren gegähnt haben, doch endlich auf die Straßen, die ihnen angemessen und erwünscht sind. Selten verfehlt er ganz des Wegs, wenn er Reisende bedient, die seiner Aufmerksamkeit würdig sind. Aber auch ein Trinkgeld für ihn! das beste ist gewiß harren und vertrauen auf seine Geschicklichkeit. Glück zu!

Dem kleinen Dalberg schrieb ich vor ein paar Tagen; es sollte mir leid sein, den guten kleinen Menschen nicht zu sehen. Wenn das Wo? Wie? und Wann? bestimmt ist, so schreiben Sie mir die Einrichtung desselben. Daß Sie Ihre Abwesenheit nach Ihrem Gefallen einrichten können, versteht sich von selbst.

[...] Grüßen Sie mir Frau und Kinder und leben Sie recht wohl.

Carl August H. z. S.

Johann Friedrich Hugo von Dalberg an J. G. Herder

Trier, 5. 5. 1788

{...} Ich habe mich seit einigen Jahren sehr warm einiger Geschäfte angenommen, deren Erfolg ich wünschte, aber durch Drang unglücklicher, widerstrebender Umstände nicht allein nicht erreichen kann, sondern nach innerer Überzeugung und dem, was ich meiner Ehre schuldig bin, mich des Geschäfts entledigen muß, wenigstens auf einige Zeit, da meine schwächliche Gesundheit ohnehin Erholung und den erquickenden Hauch eines mildern Himmelsstrichs bedarf. Mein Plan geht dahin, zuerst an einem guten, nicht zu heißen Fleck Italiens oder der Provence zu ruhen, und den Sommer durch reinen Äther zu schöpfen, den Winter dann der Reise im Lande, dem Sehen und Genießen der hohen Kunst zu widmen. Ich kann mich auf einige Jahre von meinen Residenzen frei machen, und diese Zeit und meine fortdauernden Renten dort verzehren. Denn wie Sie wissen, ist die Kirche, die zwar auch Bannstrahlen hat, oft eine gütige Mutter und gestattet ihren Söhnen alle Freiheiten, wenn sie nur das Verlangen äußern, ihren mächtigen Vater mit der dreifachen Krone in Rom zu sehen. – Wie wäre nun folgender Vorschlag, bester Herder, wenn Sie die Zeit von hier bis in den September, die ich der Gesundheit und Ruhe widme, zur Vollendung ihrer Geschäfte anwendeten, und wir uns dann in der Schweiz, oder wo es sonst wäre, einen Ort bestimmten, wo wir uns träfen und als Pilgrime in das hohe Rom zusammen wallten? Der Plan unsrer fernern Reise durch Italien ließe sich dann immer noch machen.

{...}

J. G. Herder an Johann Gottfried Eichhorn

Weimar, 6. 5. 1788 [?]

[...] Ich placke mich mit dem 4. T[eil] der Ideen herum, mit dem ich mich den ganzen leidigen Winter durch umhergeplackt habe. Ich habe unter den nordischen, zumal der edeln Deutschen Nation so lange hausen müssen, daß ich mich recht freuete, wieder unter eine andre zu kommen, wo ich wenigstens des Privilegiums der Reisenden genieße, a beau mentir, qui vient de loin. Ich sehne mich herzlich nach dem Ende der Arbeit, die mir zu meinem Zweck unsägliche, vielleicht auch gar unkennbare Mühe kostet. [...]

J. G. Herder an Karl Ludwig von Knebel

Weimar, vor dem 30. 5. 1788

S. P.

Ende voriger Woche erfuhr ich unvermutet, daß Dalberg in Kalbsried sei, wohin er die Fr[au] v. Seckendorf begleitet. Ich sandte an ihn einen Expressen, mit der Einladung nach Aschersleben, die mir der Herzog nachgelassen hatte, u. die er in der Nähe des Orts vielleicht annehmen würde. Der Expresse kam Sonnabend Abend zurück, mit einem Briefe von ihm, daß er den Sonntag drauf nach Aschersleben reisen, sodann nach Weimar kommen würde u. gern bei mir logieren wollte. Gestern Abend haben wir ihn umsonst erwartet; vielleicht kommt er heut, u. höchstens morgen. In der Frankf. Zeitung hat schon vorige Woche gestanden: er sei in meiner Gesellschaft nach Italien gereiset; diese Nachricht hat sich also auch hier verbreitet u. man nimmt mich für abgereiset an, u. fragt mich selbst, ob ich nach Italien gereiset sei.

Sobald Dalberg herkommt, tue ichs Ihnen zu wissen, mein H[err] u. Freund, denn es ist billig u. recht daß Sie ihn sehen u. auch mich, jetzt in Italien, in seiner Gesellschaft sehen; anbei Zeuge sind, was u. wie es sich verhandelt. Ich höre, er geht erst auf eine Hochzeit des Gr[afen] v. der Leie, u. also bin ich noch ganz ungewiß, wie sich die Sache einrichten u. abmachen werde. Sie müssen aber zu uns kommen, alter Weiser, zumal da Dalberg in meinem Hause logiert. Ich bitte Sie sehr, u. er wird sich Ihrer selbst freuen.

[...]

Johann Wolfgang von Goethe an J. G. Herder

Konstanz, 5. 6. 1788 [?]

Daß ich von Constanz an dich nach Rom zu schreiben habe, ist wohl eine seltsame Sache, die mir noch völlig den Kopf verwirren könnte. Gestern Abend lese ich in der Vaterlandschronik, du seiest wirklich mit Dalbergen verreist. Ich glaube es und ergebe mich drein, ob es gleich für mich ein sehr harter Fall ist. Reise glücklich und erbrich den Brief gesund, da wo ich in meinem Leben das erstemal unbedingt glücklich war. Angelika wird dir ihn geben. Vielleicht erhältst du zu gleicher Zeit noch einen; denn ich schreibe gleich, wenn ich nach Hause komme, und Ihr haltet Euch wohl auf.

Wenn Ihr einen Antiquar braucht, wie Ihr denn einen braucht, so nehmt einen Deutschen, der Hirt heißt. Er ist ein Pedante, weiß aber viel und wird jedem Fremden nützlich sein. Er nimmt des Tages mit einem Zechin vorlieb. Wenn Ihr ihm etwas mehr gebt, so wird er dankbar sein. Er ist übrigens ein durchaus redlicher Mensch. Alsdann suche einen jungen Maler Bury incontro Rondanini, den ich lieb habe, und laß dir die farbigen Zeichnungen weisen, die er jetzt nach Carrache macht. Er arbeitet sehr brav. Mache, daß sie Dalberg sieht und etwas bestellt. Dieser junge Mensch ist gar brav und gut, und wenn du etwa das Museum oder sonst eine wichtige Sammlung mit ihm, zum zweitenmal, aber NB. allein sehen willst, so wird es dir Freude machen und Nutzen schaffen. Er ist kein großer Redner, besonders vor mehreren. Meyer, der Schweizer, ist, furchte ich, schon in Neapel. Wo er auch sei, mußt du ihn kennen lernen.

Ich weiß nicht, ob ich wache oder träume, da ich dir dieses schreibe. Es ist eine starke Prüfung, die über mich ergeht. Lebe wohl, genieße, was dir beschert ist. Einer meiner angelegentlichsten Wünsche ist erfüllt.

Wenn du nach Castell-Gandolfo kommst, so frage nach einer Pinie, die nicht weit von Herrn Jenkins' Haus, nicht weit vom kleinen Theater steht. Diese hatte ich in den Augen, als ich dich so sehnlich wünschte. Lebe wohl. Ich gehe zu den Deinigen, und will ihnen die Zeit deiner Abwesenheit verleben helfen.

G.

Wahrscheinlich wird Euch Hofrat Reiffenstein an einige Orte führen. Ich empfehle Hirten also zum Supplemente.

Moritzen mußt du auch sehen. Du wirst noch andere finden: Lips etc.

J. G. Herder an Herzogin Anna Amalia

Weimar, Mitte Juni 1788

Warum haben Sie mir nicht, gnädigste Herzogin, mit Ihrer schönen Italienischen Übersetzung der Lira zugleich etwas Italienischen Geist ins Couvert eingesiegelt, Ihnen Italienisch danken zu können; statt dessen, daß ich jetzt das liebliche, harmonische Blatt mit Bewunderung und etwas Neide lese, daß ich dagegen ein so barbarischer, Deutscher Ignorant bin. Indessen studiere ich seit ehegestern die Sprache, wie es sich tun läßt, und sehe den Zuruf der Lira eben auch als eine Stimme an, die mich dazu freundlich einladet. Ich will sie lesen u. wiederlesen, auch morgen die kleine Nachtigall in Manheim damit erfreuen. Haben Euer Durchl. für den süßen Enthusiasmus Dank, der darin herrschet: im schönen Lande jenseits der Alpen

– – – wo die Zitronen blühn,

hoffe ich Ihnen Italienisch, und also anmutiger danken zu können, als hier hinter der Peter- u. Paulskirche. Vorher aber hoffe ich es nächstens in Tiefurt tun zu können. – Die Fr. v. Dieden u. der Prinz August müssen durch Euer Durchl. Gnade doch ja auch die Musik des kleinen Ritters Valdimonte (so haben wir ihn übersetzt) hören. Ich empfehle mich zu E. D. Gnade

Herder.

J. G. Herder an Christian Gottlob Heyne

Weimar, 22. 6. 1788

Liebster Freund,

Die Zeitungen werden Ihnen, nicht nur sehr zu frühe, sondern auch mir sehr unlieb, gemeldet haben, daß ich nach Italien reise. Reisen mußte ich, wenn es auch auf den Walfischfang gewesen wäre, u. da diese Gelegenheit u. Anerbietung kam, sahe ich sie als einen Wink des Schicksals an, den ich nicht ausschlagen durfte. Wozu ich reise? wird die Zeit selbst negativ oder positiv zeigen: ich lasse ihr gern ihren Lauf u. will den guten Göttern nicht vorgreifen; ich hoffe aber das Letzte, oder vielmehr ich bin dessen gewiß, da doch alles Nichts ein Nichts ist. Wie angenehm, unterrichtend, ja gewissermaßen notwendig wäre es, wenn ich erst zu Ihnen nach G[öttingen] käme; ich habe im Ernst daran gedacht, den Gedanken aber sogleich verworfen. Meine Zeit ist beschränkt; ich weiß nicht, wie ich hier mit meinem Bündel zurecht kommen will; eilen müssen wir, weil wir durch die Schweiz ziehen, u. in der Provence uns zuerst erholen wollen, ehe uns, wie es die Reisende über die Alpen sonst zu genießen pflegen, das stolze Rom verschlingt; also kann ich nicht säumen, u. wie sehr haben wirs mit unsern Sitten, in unsrer Lebensweise darauf eingerichtet, daß wir uns nur immer in einem »minimum« genießen u. kosten! – Also das herzlichste Lebewohl, liebster, treuer, alter Freund, Sie am Ufer der Leine, u. ich wo ich sein möge. Haben Sie Aufträge für mich, wollen Sie mir Gesichtspunkte, Ideen, Aussichten geben, finden Sie es gut, wie ichs freilich gut fände, daß Sie mich nach Ihrer weiten Bekanntschaft in den dortigen Gegenden an einige Menschen, die mir nützlich sein können, empfehlen: so tun Sie, was Ihnen Ihr Sinn u. Herz gebietet. Alles aber ohne Zwang: denn mir ists ganz gleichgültig, wenn ich auch den u. den u. den nicht sehe; was ich sehen, u. einst gesehen haben will, sehe ich doch, u. was mir daher gewährt sein soll, ist in der Götter Händen. Mir selbst, so nahe ich dran bin, scheinet die Reise noch wie eine Fabel. So wird sie es auch sein, wenn sie vorüber ist: denn wie schnell vergehen einige Monate, in welchen wir uns wie Würmer einige Schritte weit zu Hause hingekrümmt u. am Ende doch nichts anders getan, als gemüht u. verdauet hätten – nun mögen sie auf andre Weise wie Schatten vorbeigehn. Die Augen will ich indessen auftun, u. dies schmale Interstitium mit Sorgfalt u. Muße gebrauchen. Ich weiß, Sie wünschen mir sodann eine glückliche Rückkehr, u. ich mir sodann einige Augenblicke oder Stunden, Sie sprechen zu können. Die Bücher, die ich von der Bibliothek habe, schicke ich an dem Ort, der Göttingen am nächsten ist, zu Ihnen, u. sage Ihnen sodann noch dankbar das letzte Lebewohl. [...] Leben Sie wohl, lieber Patriarch der Künste, bald schreibe ich Ihnen noch einige Zeilen. Überdenken Sie indessen etwas, ob Sie mir etwas mitzugeben haben.

Herder

22. Jun. 88.

J. G. und Caroline Herder an Karl Ludwig von Knebel

Weimar, 22. und 23. 6. 1788

[J. G. Herder:]

Sonderbar ists, wie die Geister wirken. Eben stand ich heut am Fest des H. Johanns vor Ihren 2. letzten Additamenten, zu denen ich durch einen unwiderstehlichen Trieb eben unter dem Lauten zur Kirche getrieben ward, ob ich gleich wußte, daß sie mich in meiner Johannspredigt stören würden, als der Bediente Ihren nassen Brief herauf brachte, den ein unsichtbarer Bote auf den Tisch vor meiner Frauen Zimmer gelegt haben muß. Er freuete mich sehr u. ich habe Alles sogleich besorgt. [...]

Aber über Ihr Glück, einen alten Philosophen gefunden zu haben, sein Sie nicht zu stolz; denn Sie haben Ihren rückkommenden Freund durch die Reise gerade zu verfehlet. Er ist seit dem 18. Abends um 10. Uhr mit dem Vollmonde hier, ist gesund und wohl, u. hat uns schon 1000. Dinge erzählet. Das hat Ihnen Ihr alter Philosoph schwerlich gesaget: doch bin ich auf ihn sehr lüstern. Mich dünkte sonst, ich kennte alle alten Philosophen an ihren Bärten.

Diese Nacht gehen Diedens weg, u. den 1ten treffen die Gore's ein: verlassen Sie also die Gebirge, u. kehren zur schönen Gesellschaft u. zum Römer zurück. Das ist artiger u. hübscher.

[...]

Die artige Gesellschaft hat mich sehr gehindert, an meine Reise zu denken. Morgen aber u. fernerhin solls desto ernstlicher getrieben werden. Von Dalberg habe ich seitdem noch keine Zeile; vielleicht kommt sie heut.

[...] Leben Sie wohl, lieber Waldphilosoph u. kehren bald wieder zu uns: zum Einsiedler sind Sie doch nicht geboren. Ich umarme Sie herzlich.

H.

22. Jun. 88.

[...]

[Caroline Herder:]

Ich muß Sie auch bitten liebster Freund bald zu kommen, damit wir uns gemeinschaftlich an unserm Freund erfreuen. Diese Tage her hat der Hof durch die Anwesenheit der Fr. von Diede ihn ganz verschlungen. Er kam den Mittwoch Abends 11 uhr durch den Stern gehend, an; Frau von Stein u. der Herzog schliefen schon; er ging in sein Haus, wir erfuhren seine Ankunft gleich u. m[ein] Mann der eben von Tiefurt kam eilte zu ihm u. ich stand auch auf u. ging hin. er glaubte m. Mann sei schon auf der Reise, u. das Wiedersehen war also ganz erfreulich.

Ich hoffe nun auf einige stille Abende wo wir ihn wieder sehen werden wie er ist. Da er nun da ist, fühle ich erst den schlimmen Tausch zwischen Rom u. Weimar. Doch die Liebe trägt ja alles. Herzl[lich] Adieu.

Montag Abend. Goethe ist eben da u. grüßt Sie aufs beste.

J. G. Herder an Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer

Weimar, 23. 6. 1788

Guter, lieber M. [...]

Der Antrag u. Ruf zu meiner Reise kam mir so sonderbar, als wenn mir ein Br. aus den Wolken zufiele. Da ich zuviel Gutes in meinem Leben unbesonnener Weise aus der Hand geschlagen habe, so fand ichs eine große Sünde, es auch jetzt aus der Hand schlagen zu wollen, u. nahms an. Mein Reisegefährte oder vielmehr der Führer meiner Reise ist hier gewesen, daß ich ihn auch persönlich näher kennen gelernt habe: denn schriftlich u. aus dem Hause seines Bruders, des Koadjutors, kannte ich ihn längst. Er ist der liebenswürdigste Mensch, u. ich kann nicht gnug zum Lobe seiner Seele, seines Herzens, seines Geschmacks u. Genies sagen; vorzüglich zeichnet ihn bei einer ungemeinen Schnelligkeit u. Leichtigkeit der Ideen eine Ruhe des Gemüts aus, die im höchsten Grade nach meinem Sinn u. beim Reisen ein wahrer Balsam ist. Er verachtet, was ich verachte, er sucht, was ich suche, u. kann mir {mit} tausend geübten Kenntnissen im Kunstgeschmack u. in der musikalischen Komposition helfen. In einigen Wochen, in denen ich noch alle Hände voll habe, gehe ich zu ihm: von Manheim aus gehen wir durch die Schweiz nach der Provenze u. schleichen sodann nach Italien über. O brächte ich nach Rom Heynens Kenntnisse, Heynens Studium mit! Aber das Schicksal hat mir diese Zubereitung versaget. Sie wissen, in welchem beschwerlichen Amt oder vielmehr farrago von Ämtern u. furfur von Geschäften ich lebe; da ich nun nach Italien nie mehr zu kommen hoffte, so rächete ich mich durch Abneigung gegen die Sprache, die mir jetzt teuer zu stehen kommt. Jetzt lese ich was ich kann, u. auch dieses sind nur Vierteilstunden. Ich verlasse mich aufs gute Schicksal, das mich rief, u. dessen Wink ich mit jeder sorgsamen Demut zu folgen gedenke. Meine Frau läßt mich gern ziehen: denn sonst wäre ich doch verkommen u. abgestanden, wie ein Fisch im Trocknen, hinter dem schwarzen Schieferdach dieser Kirche, ja vielleicht bin ichs schon jetzt. Also hinaus, u. lasset uns frische Luft schöpfen, so viel wir noch zu schöpfen vermögen. Der reditus in Orcum findet sich immer wieder. Mein Herzog gönnet mir die Reise u. hat sie mir längst gewünscht. Göthe ist seit dem 18. zurück; o hätte ich mit ihm in Italien sein mögen! es wäre ein siebenfacher – nicht Genuß, auf den reise ich nicht, sondern – Gewinn gewesen. Aber die unsterblichen Götter wollen es anders, u. die sind klüger als wir sterblichen Menschen.

[...]

Also leben Sie wohl, lieber Wanderer, u. wo das Glück Sie hinführt, denken Sie in Freundschaft an mich u. lassen was von sich hören. Senden Sie während meiner Abwesenheit die Br. nur an meine Fr., wenn Sie mir etwas zu sagen haben; mich lüstets in Rom ad limina S[ancti] Petri etwas von Ihnen zu hören, u. ich werde dort sodann Ihren Namen an einen schönen Baum schneiden, der verloren scheinet, aber es nicht ist, denn er blühet im Lande der Musen. Leben Sie wohl, Lieber, u. senden mir etwas von Ihrer Italienischen Sprache, wenn Sie können; Ihr gutes Herz gegen mich aber bewahren Sie treu.

Herder.

W. den 23. Jun. 88.

J. G. Herder an Johann Gottfried Eichhorn

Weimar, 28. 6. 1788

In einigen Wochen, liebster Freund, geht es mit dem FreiHrn. v. Dalberg auf die Reise, die die geschwätzige Fama für mich u. für ihn etwas zu frühe angekündigt hat. Haben Sie Aufträge mir zu geben: so bitte ich sie mir aus; wenn es nur keine Kollation morgenländischer Buchstaben ist, vor denen ich vor der Hand einen gesunden u. heilsamen Ekel habe, will ich sie bestens besorgen. Ich weiß, Sie gönnen mir den Ausflug u. wünschen, daß er glücklich ausschlagen möge. Sie, l[ieber] Fr[eund], treffe ich wahrscheinlich in J[ena] nicht mehr an; u. ich werde darüber nicht trauern. Ich habe Kn[ebel] recht herzlich gedankt, daß er Ihren wankenden Entschluß befestigt hat; er zeigt von Ihrer zarten Seele; Schritte indes müssen getan werden. Wo Sie auch sind, leben Sie mit den Ihrigen glücklich; dies wünscht Ihnen meine ganze Seele. Hier ist Ihr Spinoza wieder; habe ich noch mehr Bücher von Ihnen, so senden Sie mir eine Note; mich dünkt, den Hafiz des Bar[on] R[eviczky] haben Sie mir gütig geschenket. Leben Sie wohl, lieber, guter, Herzensguter E.; wo ich auch bin, werde ich Ihrer mit Liebe gedenken

H.

28. Jun.

Caroline und J. G. Herder an Johann Georg Müller

W. den 30. Juni 1788.

[Caroline Herder:]

{...}

Der Domherr Fritz v. Dalberg hat ihm eine Reise nach Italien angetragen – sein Brief war auf den Todestag unsres Kindes datiert u. es war uns als ob sein wegscheidendes Seelchen dies noch bewirkt hätte – wir stunden keinen Augenblick an ja zu sagen; die Notwendigkeit, Ort, Klima u. Gegenstände zu verändern, war bei meinem Mann aufs höchste gestiegen, u. wenn dieser Antrag nicht gekommen wäre, so hätte er Sie nach dem Carlsbad gewiß heimgesucht u. {wäre} vielleicht bei Ihrem Bündnis gegenwärtig gewesen. Unser Goethe ist den 18. wiedergekommen, gestärkt u. befestigt in seinem ganzen Wesen; er hat Ratschläge zur Reise gegeben, u. nun hängts von Dalberg ab ob es zuerst nach der Provence geht wies sein eigentlicher Plan war, oder ob sie nach Goethes Rat den kürzern Weg durch die Schweiz über den Gotthard nehmen.

{In letzterem Fall werde Herder gewiß durch Schaffhausen kommen und Müller sehen. – Noch vor der Reise werde Herder Gottfried konfirmieren. – Grüße an Müllers Angehörige.}

Ihre treue C. H.

[J. G. Herder:]

Es ist unerlaubt, liebster, bester M., auf so viele herzliche Gütigkeiten von Ihrer u. Ihrer Freunde Seite die Antwort so lange schuldig zu bleiben; auch können Sie gewiß glauben, daß schwerlich jemals Geschenke mit mehrerer Freude u. Liebe empfangen worden sind. Da aber der Tod den Strich machte; – so können Sie sich das andre leicht denken. Mein Herz u. ganze Seele blutet noch immer, wenn ich an das geliebteste, wirklich holde Kind gedenke. Es kommt zu uns nicht wieder; wir aber kommen zu ihm. Jetzt blühen Rosen auf seinem Grabe, wo er wie in einem Gärtchen liegt. Have animula cara, blanda, suavis, have! –

In wenigen Wochen reise ich also, lieber Gevatter, wie Ihnen meine Frau gesagt hat. Ich wünsche, daß mich das Glück über Schafhausen führe, glaube es aber schwerlich; das sei der Rückkehr aufgespart, so Gott will. So bald ich an Ort u. Stelle bin, schreibe ich Ihnen, wo Ihre Br. mich finden können, u. ich werde, ausgespannt von meinem hiesigen Joch, zuweilen gern an Sie schreiben. Sagen Sie doch in unserm Namen den verbindlichsten Dank an alle Ihre Freunde, die zum Liebesgeschenk fürs Kind schrift- u. tätlich beigetragen haben; ich kann ihnen nicht danken. Sie, l. M., leben wohl u. grüßen Ihre Braut aufs herzl. in meinem Namen. Gott segne Euch beide. – Ihr Bruder ist Staatsmann; möge es ihm bestens wohlgehen. Lebt wohl, lieber Müller, lebt wohl.

H.

30. Jun.

J. G. Herder an Friedrich Christian Karl Heinrich Münter

Weimar, 30. 6. 1788

[...]

Jetzt melde ich Ihnen nur eigenhändig, was Ihnen wahrscheinlich auch schon die Zeitungen werden gesagt haben, daß ich mit dem jüngsten Bruder des Koadjutors in Mainz, Fritz von Dalberg, DomHrn. zu Trier, Worms u. Speier, auch Trierschen Geh[eimen] Rat, eine Reise nach Italien zu tun im Begriff bin. In einigen Wochen gehts fort, u. ich hoffe mit dem Einfluß guter Gestirne. Der Antrag dazu kam mir sehr unerwartet, u. ich nahm ihn als einen lange gewünschten, aber kaum gehofften Ruf des Himmels an. Aus Rom werde ich an Sie schreiben. Sie schicken Ihre Briefe nur mit Oblaten gesiegelt an meine Frau; die wird ferner wissen, wo ich lebe u. schwebe.

Seit dem 18. dieses Monats ist Göthe hier; er ist voll von Rom, wie billig u. recht ist. Er kann sich mit dem hiesigen Himmel noch nicht recht vertragen. Ihre Münzenabdrücke haben ihn sehr gefreuet, u. er dankt Ihnen aufs beste.

Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schon gemeldet habe, daß unser jüngster Sohn, Karl Alfred, im Dez. vorigen Jahrs geboren, im März dieses Jahrs von hinnen gegangen ist. Sein Verlust ist uns sehr schmerzlich gewesen, u. ich kann ihn noch nicht verwinden. Gerade im tiefsten Gefühl des Verlusts kam mir der Ruf zur Reise, daher ich ihn doppelt gern annahm.

[...]

Leben Sie wohl, l. M., der Himmel gebe Ihnen einen glücklichen Ausgang u. denn Ruhe, Gesundheit, Fleiß, Zufriedenheit u. Freude. Ich bin u. bleibe

Ihr H.

[...]

Christian Gottlob Heyne an J. G. Herder

Göttingen, den 2. Juli 88.

Freilich glaubte ich bisher dem Gerücht von Ihrer Reise nach Italien nur halb; desto mehr Freude macht mir nun die Gewißheit. Die Reise muß Ihnen heilsam werden; sie wird auch uns andern Frucht bringen. Wie gern schwatzte ich mit Ihnen, liebster Freund, über einiges voraus, was Sie zu sehn bekommen, wenn nur die Zeit nicht zu kurz wäre. Aber doch eines, wenn Sie darüber völlige Belehrung mitbringen können. Von Kunstwerken halte ich mich nun überzeugt, daß die hohe Kunst bloß Ideale bearbeitete, entweder eigentlich Ideal, als Götter und Helden, oder sie verwandelt Portrait und wirkliche Natur in Ideal. Wo aber die Ideale noch am wenigsten bestimmt und gesichert sind, sind die weiblichen Antiken, weil die wenigsten alte oder doch nicht ihre eignen Köpfe haben, immer hat sich nur der Tronk, Gewand und Masse erhalten. Immer bleibt der Charakter nicht treu, der eine Minerva, Muse, Nymphe, Diana u. s. w. unterscheiden soll, so bestimmt gleich das Ideal ist. Eine Aufmerksamkeit bei einer großen Reihe weiblicher Figuren müßte Bemerkungen an die Hand geben.

Ferner in der neuern Kunst ist alles, was groß Werk ist, ebensowohl Ideal: Christuskopf, Apostel, Märtyrer, männlich und weiblich. Daß die Leute so aussahen, wer glaubt das? Nun wäre die Entstehung dieser Ideale (so wie ich sie von den Göttern und Heldenidealen aufgefunden habe) und die ersten Meister einmal eine gelehrte Forschung; aber erst doch die genaue Bestimmung, was ist der Charakter, woher und wie gefaßt und wie genau zu bestimmen und auf Klassen zu bringen? Ein weibliches Ideal mit jungfräulicher Sittsamkeit – mit Beimischung von – ist eine Madonna s. f.; so wie Venus ein Ideal weiblicher Schönheit mit Grazie und Reiz. Alle weiblichen Figuren nennt man Venus. Wenn die Antikenoperateurs Acht geben könnten, manches würde auf andere Ideen bei Restaurationen geleitet haben.

Gott leite Sie und bringe Sie glücklich zu den Ihrigen und dann aber gewiß einmal auch zu mir und zu den Meinigen. Alles ehrt und liebt Sie und Ihr Haus. –

[...]

J. G. Herder an Ursula Margarethe Konstanze Luise von Diede

Weimar, 4. 7. 1788

Ihren Abschiedsbrief, holde Frau, bekam ich Montag Mittag unter des Herzogs Insiegel; ich wunderte mich nicht, denn ich erklärte mir gleich das Rätsel. Ihr anderes liebliches Andenken am Fuß der Gebirge hat es mir gesagt, daß Sie wenigstens bis dahin unser Bild sich haben folgen lassen; da das Ihrige so oft in Gesprächen u. angenehmer Erinnerung um uns schwebet. Jetzt sind Sie im Schoß Ihrer Freunde u. Freundinnen, u. gedenken unser, vielleicht wie man sich aus Elysium seiner Erdegenossen erinnert.

Wir leben hier, wie wir leben. Die Tage sind schwül u. vergehen mir wie Schatten. Der Prinz ist noch hier, u. hat eine Kur unter dem Leibarzt Stark angefangen, die, wie es scheint, ihn angreift. Gore's sind noch nicht hier; dagegen 4. andre Engländer: ein Obrist Gordon u. drei andre junge Leute, die noch nicht recht flick sind, ihre Angesichter aber unter schreckliche Haargerüste von Toupé u. Seitenlocken gestellt haben. Der Obrist ist ein Welterfahrner Mann; die andern lasse ich gehen, da sie für mich nicht dasind.

Sonst geht mein Leben in unaufhörlichem Taumel der Abschüttelung u. Zubereitung zu meiner Reise fort. Ich bin wie die Heuschrecke, die sich mit allen Gliedern krümmet, um sich ihrer Hülse zu entladen: das ist kein angenehmer Zustand. Auch spielt mir das Schicksal hie u. da wunderliche Streiche. So erfahre ich heut, daß Einer meiner ältesten Freunde, dessen Bild in meinem Zimmer der H. G. R. aus der Ferne für einen Kardinal ansah, in Münster gestorben, und im Garten der Fürstin Gallitzin begraben worden. Er ist den letzten Sonnabend gestorben, da Sie hier waren, u. ich, dem zu gut er mit nach Deutschland reisete, habe ihn nicht sehen sollen. Die Nachricht hat meinen Kopf heut so verwirret, daß ich mich noch gar nicht zu finden weiß. Abermals ein großes Band meines Lebens zerrissen; u. allmählich wirds immer einsamer um mich her. Verzeihen Sie also auch, beste Frau, die Wüstenei u. leere Unklugheit dieses Briefes. Mit Göthe habe ich auch noch nicht viel Gescheutes sprechen können; so verschwinden die Tage.

Leben Sie wohl, holde Frau, u. empfehlen mich bestens Ihrem Gemahl, Ihren Hausgenossen u. am vorzüglichsten Ihrem eignen schönen Herzen, wenn ichs verdiene. Nicht wahr, Sie schreiben wohl eine Zeile, wenns zur Abreise geht, damit ich Sie nicht verfehle, aber auch nicht vergebens suchen dörfe, auf Ihrem der Sage nach so schönen Musenberge. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen auf das angelegentlichste u. ich küsse Ihre freundschaftliche, Saitenbelebende Hand mit dem süßesten Andenken der Ehrerbietung u. Liebe

Herder.

Weimar 4. Jul. 88.

J. G. Herder an Friederike Sophie Eleonore von Schardt

Weimar, 10. 7. 1788

Ihr Andenken aus dem Karlsbade, liebe kleine Psycharion, ist mir recht zur erwünschten Stunde gekommen und heiterte mich nach einem traurigen Geschäft und einigen traurigen Tagen recht auf. Sie wandeln also in den angenehmen katholischen Wildnissen auf Felsen, und zum Teil unter Bäumen, die so alt als die Welt sind, daher, und denken auch zuweilen unser, wie wir Ihrer auch gedacht haben, als wir dort umherirrten. Die Welt, die Sie dort haben, kann ich mir recht gut vorstellen; ich mags aber nicht, weil mir die halbgesottenen galanten Fische im engen Kessel dieser Gebirge und im Saal nicht gar zu wohl tun. – Die Gores sind hier; ich nehme an ihnen aber diesmal weniger Teil als im vorigen Winter. Die Emilie ist kränker, wenigstens der Farbe nach, und da ich mir selbst nicht helfen kann, so ziehe ich mein abgetragenes armes Gemüt zusammen, um nur mit mir zu wohnen. Es sind überdem so viel Prinzen und Herzoge um sie her, daß ich den Augenblick am angenehmsten finde, wo ich nach Hause schleichen kann. Wozu, sage ich bei mir selbst, alle der Aufwand, wo man ewig sucht und nie findet? – Unser Reiseplan hat sich verändert, wir gehen nicht über die Schweiz und die Provence, sondern gerade nach Rom über Augsburg, wo ich mich mit meinem Reisegefährten Anfangs des zukünftigen Monats begegne. Es kann also immer noch sein, daß Sie mich hier finden, wenn Sie früh zurückkehren; wo nicht, so nehmen Sie meine tausend Segnungen und apostolischen Wünsche auf die Zeit unserer weiten Trennung an, liebliche, gute Seele. Sein Sie gesund und vergnügt und gedenken meiner zuweilen, wenn's Ihnen wohl gehet. [...] Leben Sie wohl, holde kleine Frau, und grüßen Sie Schardt. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen aufs schönste, und ich nehme nicht Abschied, weil ich immer glaube, daß Sie mich mitten unter meinem Gewirr noch hier finden. Adieu, Donna suavissima, spirto gentil, alma cara.

J. G. Herder an Markgraf Karl Friedrich von Baden

Weimar, 21. 7. 1788

Durchlauchtigster Markgraf, Gnädigster Fürst und Herr, Euer Hochfürstl. Durchlaucht haben mir die Ehre erwiesen, sowohl in einem gnädigsten Schreiben, als in dem ihm beigeschlossenen Entwurf zur Zusammenkunft einer Gesellschaft, auf meine geringe Stimme huldreiche Rücksicht nehmen zu wollen; welche Gnade ich mit dem untertänigsten u. lebhaftesten Dank erkenne.

Da ich aber eben im Begriff bin, mit dem Domherrn, Freiherrn von Dalberg eine Reise nach Italien anzutreten, zu welcher ich von der Gnade meines Landesherrn Vergünstigung erhalten habe: so kann ich vor der Hand als einer, der sich schon jenseit der Alpen fühlet, diesen rühmlichen Bemühungen für unser Deutsches Vaterland leider nichts, als meine besten u. aufrichtigsten Wünsche schenken; voll Hoffnung, daß bei Euer Hochfürstl. Durchlaucht mich mehr die Lage der Sache, als meine Worte entschuldigen werden.

Im lebhaftesten Gefühl der Einsichtsvollen u. väterlichen Gesinnungen Euer Hochfürstl. Durchlaucht habe ich die Ehre vor tiefster Ehrerbietung zu verharren

Euer Hochfürstl. Durchlaucht untertänigster Herder.

Weimar, den. 21. Jul. 1788.

Johann Wolfgang von Goethe an Christian Gottlob Heyne

Weimar, 24. 7. 1788

[...]

Daß Herder zu eben der Zeit als ich hier ankomme, weggeht, ist mir ein sehr leidiger Vorfall. So sehr ich ihm die Reise gönne; so mußte ich doch notwendig wünschen: daß er mir entweder hier oder ich ihm dort nützlich sein möchte.

[...]

Goethe.

Weimar d. 24. Jul. 1788.

Johann Wolfgang von Goethe an J. G. Herder

Weimar, Ende Juli/Anfang August 1788

[...] Die Abschrift meines Reise Journals gäbe ich höchst ungerne aus Händen, meine Absicht war sie ins Feuer zu werfen. Ich weiß schon wie es geht. So was sieht immer noch einer und wieder einer, es wird noch einmal abgeschrieben und endlich habe ich den Verdruß diese Pudenda irgendwo gedruckt zu sehn. Denn es ist im Grunde sehr dummes Zeug, das mich jetzt anstinkt. Du kannst sie nirgends brauchen als in Verona. Auf dem Rückwege würde sie dir fatal sein und ich bin in Unruhe wenn ich das Zeug auf Reisen weiß. Es ist nicht Knauserei sondern redliche Scham daß ich die Blätter nicht hergeben mag.

Ich sehe dich noch heute. Adieu.

G.

Herzog Carl August an J. G. Herder

Weimar, 5. 8. 1788

Ich weiß nicht, ob es Ihnen angenehm sein könnte, diesen Nachmittag noch einmal zu uns zu kommen, und einen Segen zu empfangen, den Sie zwar nicht bedürfen, da Ihre Humanität Ihnen den Boden des Erdenrundes überall glücklich betreten wird lassen, welcher aber nur als überflüssige Viktualien und zur Bequemlichkeit eines Frühstückes beigepackt werden kann.

C. A. H. z. S.

J. G. Herder an Herzog Carl August

Weimar, 5. 8. 1788

Von Euer Herzogl. Durchlaucht nehme den mir zugeschriebenen Segen aufs dankbarste an, u. wünsche Euer D. gesund u. fröhlich wiederzusehen. Ich danke E. D. nochmals wie für so manche andre, so auch für die Gnade, diese Reise tun zu können, u. nehme davon das erkenntlichste Gefühl, das mich allenthalben begleiten wird, mit mir. Leben E. D. mit den Ihrigen wohl u. gönnen mir auch in der Abwesenheit Ihre Gnade.

Herder.

W. den 5. Aug. 88.

J. G. Herder an Caroline Herder

Erfurt, 6. 8. 1788

Liebe Frau u. lieben Kinder,

Die erste Station ist glücklich zurückgelegt, halb in Betäubung, halb im Schlafe. Werner, der den zurückgelaßnen Elias Mantel holte, der mir in der empfindl. Kälte gute Dienste getan hat, brachte mir die traurige Nachricht, daß Du noch weintest. Tue es nicht, liebe, sei fest, geduldig u. froh. Gott wird helfen, u. ich sehe Dich u. die Unsrigen gesund u. verjüngt wieder. Lebe wohl, liebe, tausend-tausendmal wohl.

H. 7 Uhr

Grüße Alles u. lebe wohl.

J. G. Herder an Caroline Herder

Gotha, 6. 8. 1788

Ich bin glücklich in Gotha angekommen u. schreibe dies Briefchen am Schreibtisch der Fr. v. Fr[ankenberg]. Alles, was ich gefürchtet habe, ist eingetroffen, primo, daß ich mit ihr fast noch kein Wort habe reden können, secundo, daß mich die Herzogin hat heraufrufen lassen, dem ich denn nun nicht entkommen kann, u. also tertio heut noch nicht weiter komme. Morgen gehts mit dem frühesten fort u. zwar, wie ich fürchte, über Schmalkalden p weil von den andern Straßen zu viel Böses gesagt wird; ich will aber wie der Blitz reisen, nachdem ich noch den heutigen bösen Hoftag überstanden habe. Fr. v. Fr. ist sehr gut u. lieb, sieht aber wirkl. sehr krank u. schwächlich aus, daß ich das tiefste Bedauren über ihre geplagte Exsistenz fühle, die eine wahre Marter sein muß. – Lebe wohl, lieber Engel, u. sei froh u. fröhlich. Gott helfe mir nur erst einmal aus dem Thür[inger]land u. Bergen; das Wetter war heut kalt u. abscheulich; da blüht für mich kein Heil. In Franken wirds besser werden. Lebe tausendmal mit den Deinen. Die Fr. v. Fr. grüßt Dich aufs beste; sie dauret mich sehr. Ich finde Gotha abscheulich.

H.

Mittw. um 5. Uhr Abend

Caroline Herder an J. G. Herder

[Weimar,] Donnerstag Abend d. 7. Aug [1788]

Lieber Engel. Der erste schmerzhafte Tag ist nun überstanden u. Gottlob daß er überstanden ist. Es war ein Tag wie ich noch keinen erlebt habe, selbst nicht da meine Mutter starb. Dein Leben u. Dasein ist ganz in das meinige verschlungen, ja ich lebe nur durch Dich, Du bist mir mehr als ich selbst mir bin – Ach Gott daß ich Dir das nie habe zeigen können. Deine lieben Zeilen haben mir den ersten Balsam gegeben, u. ich habe so viel vermocht daß ich den ersten Löffel voll Suppe mit dem Günther am Tisch mitaß u. Deinen Brief nicht aus der Hand ließ. Goethe kam den Nachmittag zu mir als eben die Volgstädtin da war. Er hat mich recht gutmütig getröstet, für mich war aber gestern kein Trost da. Die Kinder waren mitunter auch verscheucht, aber im ganzen fühlen sie eigentlich nichts klar u. das ist ihr Glück. Es war mir lieb zu hören daß Du in Gotha bleiben würdest – der regnigte Himmel machte mir Deinetwegen auch Sorgen u. es will gar nicht aufhören. Doch denke ich, hinter jenen Wolken scheint auch die Sonne für Dich u. mich u. die Kinder. Ich bin heute gestärkt aufgestanden, da ich zuerst mit den Kindern gebetet hatte, u. ging flugs hinauf das Repositorium mit dem grünen Vorhang in der Bibliothek aufzuräumen. Es war ein Heldenstreich, aber ich habe viel damit gewonnen – das erste was mir in die Hand fiel war ein unangenehmes Papier – wie freute ich mich jetzt daß Du [all] diesem Quark entronnen bist, u. Dich waschen wirst in einem reinen Quell, da wo Friede Gottes wohnt, wo Du [Dich] selbst wiederfinden wirst. Goethe kam auch heute wieder u. sagte mir die besten Folgen Deiner Reise vor. Unter andern sagte er auch daß er 14 Tage vor der Abreise aus Rom täglich wie ein Kind geweint habe; das hat mich sehr gejammert. Knebel kam auch diesen Morgen u. ermunterte mich zu allem Guten – das Gespräch kam bald auf die Herzogin Mutter; er meinte man könnte unendlich mehr Gutes aus ihr machen wenn man sie nur zu behandeln wüßte. Auch hätte sich die Herzogin Luise den letzten Abend, da er von Dir kam, noch sehr nach Dir erkundigt; unser Gespräch endigte aber damit, daß alles hier verrückt u. nichts an Ort u. Stelle sei, wo es hingehöret. Ach das haben mir die Papiere die ich aufräumte auf jeder Seite zugerufen. Ach lasse Dir wohl sein Du Guter Du Vielgeduldeter – möge Alles was Dich anhaucht Deine Stirn sanft kühlen, ich konnte u. wußte es nicht zu tun. Vielleicht wird auch mit mir eine Verwandlung vorgehen u. ich Deiner noch ein bißgen wert werden. Lösche nur den Funken Deiner Güte u. Nachsicht nicht ganz aus für mich – u. wo die Liebe nicht hinreicht so ersetze es durch Mitleiden. Gottfried ist sehr gut u. aufmerksam auf mich. Er tut alles williger u. wir reden jetzt nur von Dir u. tun