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Ich war völlig auf mich selbst gestellt. Phil Decker und Ken Badler waren außer Gefecht gesetzt und Will, mein Neffe, in der Gewalt einer Verschwörerbande. Dann trat mir Will gegenüber, voller Hass. Sie hatte aus ihm eine Killermaschine gemacht und es kam zum gnadenlosen Zweikampf zwischen uns... Zweiter und abschließender Teil des Jubiläumszweiteilers.
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2015
Cover
Impressum
Operation ›Superforce‹
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Johnny Cris
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-1215-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Operation ›Superforce‹
Ich stand wie versteinert.
Gerade hatte ich hilflos miterleben müssen, wie der schwarze Van des Entführers davongerast war und das Firmengelände verlassen hatte – jetzt sah ich die uniformierten Wachtposten heranrücken, ihre schußbereiten MPis im Anschlag.
Ich mußte verschwinden – und zwar schnell!
Ich wirbelte herum und gab Fersengeld, rannte, so schnell meine müden Beine es vermochten.
Schon begann hinter mir die erste Maschinenpistole heiser loszuplärren, leckte züngelndes Mündungsfeuer in die von Flutlicht beschienene Nacht.
Instinktiv zog ich den Kopf zwischen die Schultern und schlug wilde Haken.
Die Garbe fegte heran, trommelte dicht neben mir auf den Boden, und die Projektile schlugen Funken auf dem Asphalt.
»Bleiben Sie stehen, verdammt!«
Ich hörte die wütenden Rufe der Wachleute, dachte jedoch nicht daran, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Dazu hatte ich zu viele gute Gründe.
Erstens würde es einen Skandal ohnegleichen geben, wenn herauskam, daß sich FBI-Agenten wie Einbrecher auf ein wissenschaftliches Versuchsgelände geschlichen hatten.
Zweitens hatte ich zusätzlich allen Grund anzunehmen, daß die Uniformierten nicht das waren, wofür sie sich ausgaben. Denn was ich in den dunklen Labors vorgefunden hatte und die Art, wie die Wachleute mit ihren Waffen umgingen, ließ darauf schließen, daß sie gedungene Killer waren, die das Geheimnis von ›Med-Tron‹ um jeden Preis bewahren und schützen sollten. Wenn ich ihnen in die Hände fiel, war ich unzweifelhaft verloren …
Begonnen hatte dieser wilde Fall vor ein paar Tagen. In Los Angeles, New York und an der FBI-Akademie in Quantico waren drei G-men unter recht mysteriösen Umständen ums Leben gekommen – einer beging Selbstmord, ein anderer wurde bei einem Amoklauf erschossen, der dritte starb an einer Überdosis Drogen.
Die Spur führte nach Quantico, an die FBI-Akademie.
Eine spezielle Untersuchungskommission sollte die Vorfälle vor Ort klären, und ihr gehörten neben Phil Decker und mir, Jerry Cotton, auch zwei junge Kollegen aus Los Angeles an – Ken Badler und William ›Will‹ Cotton, mein ungestümer Neffe, mit dem ich so meine Probleme hatte.
Von Anfang an zeigte sich, daß es bei dem Fall nicht mit rechten Dingen zuging: Die Leichen der drei G-men verschwanden spurlos, zudem schien unser Verbindungsmann in Quantico, FBI-Inspector Tarker, alles andere als erpicht darauf zu sein, uns hilfreich zur Hand zu gehen.
Unsere Ermittlungen führen schließlich zu einer ominösen Firma namens ›Med-Tron Enterprises‹. Will und ich waren in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in das Hauptgebäude der Firma eingedrungen, und ich hatte dort tatsächlich die Leichen der drei G-men gefunden.1)
Dann aber tauchte plötzlich ein schwarz gekleideter Killer auf, der Will entführte. Allein blieb ich auf dem streng bewachten Firmengelände zurück, und jetzt lief ich um mein Leben …
Wieder ratterte eine der MPis, und ich beschleunigte meinen Schritt noch.
Einem jähen Reflex gehorchend, änderte ich meine Laufrichtung, schlug wiederum einen unerwarteten Haken – und dort, wo ich mich eben noch befunden hatte, sengte eine tödliche Garbe durch die Luft.
Hastig riß ich meine eigene Dienstwaffe hervor, gab im Laufen ein paar Schüsse ab – weniger, um einen der Wachmänner tatsächlich zu treffen, als vielmehr, um die Horde ein wenig auf Distanz zu halten.
Ich verfluchte den Umstand, daß es stockdunkle Nacht war. Tagsüber wäre es mir wahrscheinlich ein Leichtes gewesen, mich zwischen den unzähligen Autos zu verstecken, die den Firmenparkplatz übersäten. Zu dieser mitternächtlichen Stunde jedoch war der große Platz vor dem Hauptgebäude fast leer – und ich atmete innerlich auf, als ich endlich die beiden Pkw erreichte, die als einzige auf der freien Fläche abgestellt waren.
Mit einem Sprung brachte ich mich dahinter in Sicherheit, hörte, wie die Kugeln meiner Verfolger pochend ins Blech der Karosserien schlugen.
Ich gönnte mir ein, zwei Atemzüge, dann tauchte ich hinter meiner Deckung wieder auf, die SIG im Anschlag.
Lärmend bellte die Waffe auf, schickte eine Folge von Kugeln aus ihrem Lauf.
Einer der Killer, die nur noch an die fünfzig Yards von mir entfernt waren, griff sich getroffen an die Schulter und ließ seine Uzi fallen.
Ein weiterer stürzte und blieb zurück, als ihm meine Kugel durch den Schenkel fuhr.
Dann setzte das Sperrfeuer der Angreifer wieder ein, und ich zuckte in meine Deckung zurück.
Mit metallischem Pochen nagelten sich die Projektile in das Chassis des Chevrolet, klirrend gingen die Scheiben zu Bruch.
Meine Gedanken rasten.
Ich mußte schleunigst verschwinden.
Und vielleicht war der Chevy mein Tikket in die Freiheit!
Ich richtete mich halb auf, griff durch die geborstene Scheibe ins Innere des Wagens, öffnete die Fahrertür und glitt auf den Fahrersitz, während die Wachmänner im Laufschritt heranstürmten. Noch zwanzig Yards …
Erneut ratterten die MPis los, und ich zog den Kopf weiter ein, bückte mich, während die Geschosse durch die Scheiben schlugen und durch das Innere des Wagens jaulten. Querschläger kreischten, und ich hatte verdammtes Glück, daß ich nicht getroffen wurde.
Tief geduckt und den Kopf eingezogen, hielt ich meine SIG aus dem Seitenfenster, ballerte blind drauflos.
Mit einem wütenden Fausthieb meiner freien Hand entfernte ich die Verblendung von der Lenkradsäule, zerrte die Kabel des Zündmechanismus heraus.
Ich hatte in dieser Nacht so viele Gesetze gebrochen – da kam es auf Autodiebstahl auch nicht mehr an …
Es roch nach Benzin, das registrierte ich im Unterbewußtsein. Die Benzinleitung oder der Tank mußten was abgekriegt haben, doch – egal!
Noch zwei Kugeln jagte ich nach draußen, um die Wachmänner auf Distanz zu halten, dann brauchte ich beide Hände, um die herausgerissenen Kabeln übereinander zu bringen.
Ein lautes Knacken, Funken flammten auf – und der Motor des Chevy sprang schnurrend an!
Sofort trat ich das Gaspedal durch – und wie von einem Katapult geschleudert, schoß der Wagen davon.
Sofort riß ich am Lenkrad, ließ den Chevy herumkreisen und lenkte ihn Richtung Ausfahrt – dorthin, wo vor wenigen Minuten der Van mit Will an Bord verschwunden war.
Röhrend und spuckend schoß der Wagen davon und ließ die Killerhorde hinter sich zurück. Die Kerle schrien vor Wut, leerten die Magazine ihrer Uzis und schickten mir heiße Grüße nach.
Wieder zog ich den Kopf zwischen die Schultern, zuckte mehrmals zusammen, wenn Kugeln durch das Innere das Fahrzeugs fegten, und ich steuerte den Wagen mehr blind als sehend.
Plötzlich ein gewaltiger Knall. Etwas riß am Lenkrad, und ich hatte alle Mühe, das Fahrzeug auf Kurs zu halten.
Das Geräusch von Gummi, der lose um eine Felge schlotterte, verriet mir, daß sich der linke Vorderreifen verabschiedet hatte.
Noch so ein Treffer, und ich war verloren …
Ein Blick in den Rückspiegel. Ich sah die Bewaffneten! Immer noch spuckten die Mündungen ihrer Waffen grelles Mündungsfeuer.
Ich schaute nach vorn und …
Noch mehr Wachmänner!
Sie standen plötzlich in der Ausfahrt des Firmengeländes, bezogen dort Stellung, ihre Waffen im Anschlag.
Und den Schlagbaum ließen sie herunter, so daß er mir den Weg versperrte!
»Scheiße!« knurrte ich – und es kam aus tiefstem Herzen.
Doch mir blieb keine Wahl, ich trat das Gaspedal durch, hielt weiterhin auf die Ausfahrt zu.
Die Posten am Tor eröffneten das Feuer.
Eine Wand aus tödlichen Geschossen fauchte heran.
Blitzschnell warf ich mich zur Seite, tauchte ab, um meinen Kopf aus der Schußlinie zu bringen.
Im nächsten Augenblick schlug das Stahlgewitter ein. Es war, als wäre der Wagen in einen Hagelsturm geraten.
Dennoch – ich hielt den Chevy auf Kurs, er setzte seine mörderische Fahrt fort …
… und hatte im nächsten Moment die Wachleute erreicht!
Sie spritzten auseinander, warfen sich in Deckung.
Ein dumpfes Holpern durchlief den Wagen und ließ darauf schließen, daß es irgendein armer Teufel nicht rechtzeitig geschafft hatte.
Der Wagen hatte ihn überrollt.
Für einen Sekundenbruchteil tauchte ich hoch, erheischte einen Blick durch die zerbrochene Windschutzscheibe – um sofort wieder zurückzuzucken, als der rot-weiße Schlagbaum heranwischte!
Ein entsetzlicher Schlag, als der metallene Mast in die Karosserie des Wagens sägte und ihn förmlich enthauptete.
Die Holme der Karosserie gaben nach, und der Chevy wurde zum Cabriolet!
Entsetzliches Bersten und Knirschen – dann war es vorbei.
Schlingernd und schlitternd setzte der Wagen jenseits des Schlagbaums seine Amokfahrt fort.
Ich tauchte auf, drehte kurz den Kopf und sah, wie die Killer am Tor zornig die Fäuste schwenkten.
Ich war erleichtert darüber, ihren Kugeln entkommen zu sein. Doch meine Freude währte nicht lange.
Ein fürchterliches Rumpeln durchlief den Wagen, als er von der Straße abkam.
Verzweifelt riß ich am Lenkrad, doch es war nichts mehr zu machen – der Lenkmechanismus war hinüber.
Mit noch immer mörderischem Tempo raste der lädierte Chevy auf eine mächtige Eiche zu, die am Waldrand aufragte.
Ich mußte aussteigen!
Hektisch riß ich am Türhebel – und war kaum überrascht, als sich die verzogene Tür nicht öffnen ließ.
Ein Fußtritt half nach. Knirschend schwang die Fahrertür auf, um sich sogleich zu verabschieden, als sie gegen einen Baumstumpf donnerte.
Der mächtige Stamm der Eiche flog heran – und ich sprang.
Ich landete im weichen Gras, rollte mich ab, während der Chevy seine Todesfahrt unbeirrt fortsetzte …
… und mit Urgewalt gegen den dikken Baumstamm krachte!
Es gab einen entsetzlichen Knall. Metall barst und riß wie Papier.
Dabei entstanden Funken, und wie ich eben unterbewußt registriert hatte, war entweder eine Benzinleitung oder der Tank leck und …
Der Chevy wurde von einem grellen, blendenden Feuerball zerrissen, als der Tank explodierte.
Ich preßte mich eng an den feuchten Boden, schirmte meinen Kopf mit den Armen, während rings um mich glühende und rauchende Metallteile herabregneten.
Ich blickte auf, sah das lodernde Wrack, die dunkle Rauchsäule, die der kühle Nachtwind geradewegs zum Tor von ›Med-Tron Enterprises‹ hinübertrieb. Eine bessere Chance, mich aus dem Staub zu machen, würde ich nicht bekommen, denn der Rauch verbarg mich vor den Blicken der Wachmänner.
Froh darüber, noch alle Knochen beisammen zu haben, rappelte ich mich auf die Beine, begann zu laufen, geradewegs ins dunkle Dickicht hinein.
Im Schutz des dichten Rauches erreichte ich das Unterholz, schlug mich in die Büsche – und konnte schon wenig später erleichtert aufatmen.
Natürlich würden die Wachen das brennende Wrack untersuchen, natürlich würden sie herausfinden, daß ich nicht mehr am Steuer saß, und natürlich würden sie mich verfolgen – doch mit etwas Glück war ich bis dahin schon über alle Berge.
Im Laufschritt rannte ich durch den nächtlichen Wald, versuchte, meine in arges Durcheinander geratenen Gedanken zu ordnen.
Wer war der von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidete Kerl, der Will entführt hatte? Und wieso hatte er den Jungen mit sich genommen? Was hatte das alles zu bedeuten?
Und wieso hatten sich Phil und Ken nicht mehr gemeldet, die zurückgeblieben waren und Funkkontakt mit uns hatten halten wollen? War ihnen etwa auch etwas zugestoßen?
Im Laufen startete ich wieder mehrere erfolglose Versuche, über Funk Verbindung mit ihrem Einsatzwagen zu bekommen. Es klappte wieder nicht, und meine Furcht wuchs, meinen beiden Kollegen könnte tatsächlich etwas passiert sein.
Die Richtung, in der Phil den getarnten Lieferwagen geparkt hatte, die hatte ich noch einigermaßen im Kopf. Ich eilte durch den dunklen Wald, und wenig später langte ich auf der Lichtung an, wo der Van aus dem Fuhrpark der FBI-Akademie stand.
Doch dann – der nächste Schock.
Erschrocken erblickte ich die reglose Gestalt, die neben dem Van auf dem morastigen Waldboden lag.
»Phil!«
Rasch eilte ich auf meinen Freund zu, der wie leblos am Boden lag, drehte ihn auf den Rücken.
Phil war leichenblaß im Gesicht, seine Augen waren starr, die Pupillen geweitet.
»Verdammt, Kumpel, tu mir das nicht an! Nur ein Lebenszeichen, Alter …«
Phil tat mir den Gefallen.
Ich konnte seinen Puls fühlen und atmete erleichtert auf, doch mir war auch klar, daß mein Freund schnellstens ärztliche Hilfe brauchte.
Sein Atem ging flach, sein Puls war kaum fühlbar. Sein Leben hing am seidenen Faden.
Im Fond des Wagens, dessen Schiebetür weit offenstand, fand ich auch Ken. Der Junge lag am Boden, zeigte die gleichen Vergiftungssymptome wie Phil.
Der leicht süßliche Geruch, der über der Lichtung lag, verriet mir, was geschehen war.
Gas!
Jemand hatte versucht, die beiden mit Gas umzubringen!
Ich brauchte nicht lange zu überlegen, was zu tun war – zuallererst brauchten Phil und Ken einen Arzt.
Rasch lud ich die beiden in den Fond des Wagens. Die Seitentür des Vans ließ ich offen, damit sich das Gas weiter verflüchtigen konnte, dann klemmte ich mich hinters Steuer und ließ den Motor an.
Über die holprige Zufahrt setzte ich zurück, schaffte es trotz der abgeschalteten Scheinwerfer zurück zur Straße. Dort erst wagte ich, das Abblendlicht des Fahrzeugs anzuschalten, und dann jagte ich den Van mit Höchstgeschwindigkeit zum nächstgelegenen Krankenhaus, das Bezirkshospital von Manassas …
***
Im Vergleich zu dem, was Nacht für Nacht in den New Yorker Krankenhäusern los ist, ging es in der Notaufnahme des Manassas Hospital direkt gemütlich zu.
Das Bezirkskrankenhaus war das nächstgelegene gewesen. Lieber hätte ich Phil und Ken hinüber zur Militärbasis von Quantico gebracht, um sie im dortigen Lazarett von Spezialisten versorgen zu lassen, denn die kannten sich auch mit chemischen Kampfstoffen aus. Doch der Zustand der beiden Kollegen hatte es nicht erlaubt, mit ihnen lange durch die Gegend zu gurken.
Die Ärzte und Pfleger des Manassas, die sonst eher mit Knochenbrüchen und Blinddärmen zu tun hatten, kümmerten sich sofort um die beiden und versuchten, ihren Zustand zu stabilisieren.
Phil und Ken wurden auf die Intensivstation gebracht, wo sich der Chefarzt, ein gewisser Dr. Linney, persönlich um sie kümmerte.
Man versicherte mir, Linney würde Rücksprache mit seinen Kollegen drüben in Quantico halten, auch damit sie bei Bedarf einen Spezialisten rüberschickten.
Alles Menschenmögliche wurde getan, da war ich mir sicher. Ich hoffte nur, daß es für Phil und Ken nicht zu spät sein würde …
Seufzend ließ ich mich in einem der Sessel nieder, die im Wartezimmer standen, und versuchte zu begreifen, was geschehen war.
Ich trug noch immer den schwarzen Kampfanzug, mein Gesicht war noch immer geschwärzt, und ich hatte vorgegeben, zusammen mit meinen Kollegen auf einer Übung gewesen zu sein.
Natürlich war mir klar, daß ich diesen Schwindel nicht lange aufrechterhalten konnte, aber zumindest hatte ich damit fürs erste unangenehmen Fragen ausweichen können. Ich war auch so schon verwirrt genug, in meinem Kopf herrschte ein unglaubliches Durcheinander.
Ich machte mir auch nicht nur Sorgen um Phil und Ken, sondern auch um Will, den Sohn meines ältesten Bruders. Will, mit dem ich stets aneinandergeriet, wenn wir uns trafen. Das lag nicht so sehr am Altersunterschied, denn so weit lagen wir gar nicht auseinander. Will war Anfang Zwanzig, ich Mitte Dreißig, und ich hatte schon häufig mit jüngeren Kollegen zusammengearbeitet.
Trotzdem flogen zwischen Will und mir immer wieder die Fetzen.
Will, dessen ungestüme, bisweilen geradezu unverantwortliche Art ich schon zu Zeiten seiner Ausbildung in Quantico kennengelernt hatte, war ein Draufgänger, einer von jenen Typen, die zuerst schossen und dann Fragen stellten.
Jetzt war er Special Agent in L.A. – zum Leidwesen der dortigen Kollegen. Er pflegte und hegte seine Harley Davidson, mit der er auf Verbrecherjagd ging, so wie ich damals in meinem roten Jaguar. Die Kleiderordnung des FBI berührte ihn nicht – er bevorzugte seine Cowboy-Stiefel, abgewetzte Jeans und seine schwarze Motorrad-Jacke.
So ein Typ bei uns im FBI-Distriktbüro New York – das würde selbst Mr. High zur Verzweiflung treiben, da war ich mir sicher.
Nun war Will entführt worden, und ich machte mir schreckliche Vorwürfe. Nicht nur als sein Verwandter, sondern auch als sein vorgesetzter Einsatzleiter.
Immer wieder rief ich mir die Ereignisse des Abends ins Gedächtnis zurück.
Unbemerkt waren wir auf das Gelände von ›Med-Tron‹ vorgedrungen, hatten die nächtlichen Korridore der Firma auf der Suche nach einem Hinweis durchstreift, der uns Aufschluß über den Verbleib der drei toten FBI-Agenten geben mochte.
Statt der Leichen waren wir jedoch auf die schwarze Gestalt gestoßen, die das Feuer auf uns eröffnet hatte.
Wir waren gezwungen gewesen, uns zu verteidigen, und hatten damit die Aufmerksamkeit des Wachpersonals auf uns gelenkt. Schließlich waren wir ins Kreuzfeuer geraten, und ich hatte Will angewiesen, sich zurückzuziehen, während ich ihm den Rücken freigehalten hatte – offenbar nicht gut genug, wie sich herausgestellt hatte.
In einem geheimen Forschungstrakt hatte ich schließlich tatsächlich die Leichen der drei G-men entdeckt, die unter so mysteriösen Umständen aus den FBI-Labors verschwunden waren.
Es war mir noch gelungen, in aller Eile Blutproben zu entnehmen, dann war ich vor den Wachleuten geflohen.
Auf dem Parkplatz wurde ich dann Zeuge, wie der schwarz gekleidete Killer Will entführte. Mein Versuch, ihn aufzuhalten, war jedoch gescheitert, und im Grunde mußte ich froh sein, selbst mit dem Leben davongekommen zu sein.
Die Sache war nur: Ich war nicht froh, nicht mal ein kleines bißchen.
Phil und Ken lagen mit schweren Vergiftungssymptomen auf der Intensivstation, und Wills Schicksal war völlig unklar.