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Ken Corrigan war ein Freeclimber, einer von den Leuten, die den ultimativen "Kick" suchen. Und er war ein skrupelloser Killer, denn auch das gab ihm den "Kick", versetzte ihn in einen Rausch. Ich jagte ihn - und stellte ihn. In den Bergen, wo er mir haushoch überlegen war. Einen G-man zu töten - das wäre für ihn der größte "Kick"...
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Seitenzahl: 117
Veröffentlichungsjahr: 2015
Cover
Impressum
Der Mountain-Killer
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Johnny Cris
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-1234-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Mountain-Killer
Die Nacht hatte ihren dunklen Mantel über die Stadt gebreitet, und Manhattan hatte sich in ein Meer aus Lichtern verwandelt.
Auch in vielen der Büros des Financial District brannte selbst zu später Stunde noch Licht – Reinigungspersonal, Angestellte im Schichtdienst und solche, die auch so spät noch Überstunden versehen mussten, sorgten dafür, dass die Lichter in den Bürotürmen niemals ganz verloschen.
Keiner der Männer und Frauen, die sich um diese Zeit noch im Gebäude des Southern Economy Building aufhielten, sah den dunklen Schatten, der sich an der gläsernen Außenwand des Gebäudes herabarbeitete, lautlos wie ein Phantom …
Es war spät geworden.
Schon seit Stunden brütete Marvin Sulousse über den jüngsten Bilanzen. Doch je länger er darüber saß, desto verschwommener wurde alles für ihn. Es schwirrte ihm im Kopf herum und ließ ihn nur noch mehr verzweifeln.
Abrupt stand der Geschäftsmann hinter seinem Schreibtisch auf und wandte sich dem großen Fenster zu. Vor hier aus bot sich ein atemberaubender Ausblick auf die Skyline von Central Manhattan.
Wie oft hatte er bereits hier gestanden und auf die Stadt herabgeblickt, die ihm für seine hochtrabenden Pläne gerade groß genug erschienen war. Mit welchen Zielen, mit welchen Illusionen war er vor zehn Jahren in die profitable Welt der Hochfinanz gestartet – und wie stand er nun da?
Am Anfang war alles so gut gelaufen, hatte er Gewinne in Millionenhöhe eingeheimst. Er hatte ein glückliches Händchen dafür gehabt, bei welchen Geschäften er zugreifen und von welchen er lieber die Finger lassen sollte.
Bis ihn eines Tages sein guter Riecher im Stich gelassen hatte. Er hatte sich auf ein Geschäft eingelassen, das er lieber hätte bleiben lassen sollen.
Marvin Sulousse lachte freudlos.
Es hatte ihn nahezu fünf Jahre gekostet, zu dieser Erkenntnis zu gelangen.
Die Zeit dazwischen hatte er alles verloren, was er sich aufgebaut hatte. Doch die ganze Zeit über hatte er nicht kapiert, was vorgegangen war, hatte sich geweigert, es sich einzugestehen. Er hatte sich mit Kräften eingelassen, die er nicht hatte kontrollieren können, und als er schließlich gemerkt hatte, dass man ihn nur benutzte und er zur Marionette geworden war, war es zu spät gewesen.
Zu spät, um noch umzukehren.
Oder?
Sulousse drehte sich wieder zum Schreibtisch um, warf einen Blick auf die Bilanzen, und ein freudloses Lachen drang über seine Lippen.
Hätte er geahnt, worauf er sich einließ, hätte er die Finger davon gelassen. Obgleich …
Das Angebot, das man ihm unterbreitet hatte, war einfach zu verlockend gewesen. Und zu Beginn war auch alles glatt gelaufen. Bis er darauf gekommen war, dass es einen Verlierer bei dem Spiel gab – nämlich ihn.
Er hatte versucht, seinen Geschäftspartnern klarzumachen, dass er mehr wollte, doch sie hatten abgelehnt. Er hatte versucht zu pokern, und er hatte einsehen müssen, dass sie es waren, die am längeren Hebel saßen. Verschiedene Projekte, in die er investiert hatte, scheiterten auf mysteriöse Weise, sodass Sulousse nichts anderes geblieben war, als weiter mit seinen zweifelhaften Geschäftspartnern zu verkehren, wenn er mit seiner Firma nicht Konkurs anmelden wollte.
Um seinen Traum am Leben zu erhalten, hatte er sich auf einen wahren Albtraum einlassen müssen. Er war zur Marionette dieser Leute geworden, die um des Profits willen vor keiner Untat zurückschreckten. Und noch während er für sie arbeitete, hatten sie dafür gesorgt, dass seine Firma langsam ausblutete.
Jetzt war er kurz davor, seinen Traum begraben zu müssen. Er stand mit dem Rücken zur Wand, war Herr einer Firma, die von seinen so genannten Partnern zugrunde gerichtet worden war. Wenn die Bilanzen ihn nicht trogen – und das taten sie nicht –, gab es keine Möglichkeit mehr, das, was er sich in den vergangenen zehn Jahren aufgebaut hatte, noch zu retten.
Sulousse nickte langsam.
Sich eine Niederlage einzugestehen, war bitter.
In seinem Fall war es nicht nur eine kleine Niederlage – es war der Verlust all dessen, was ihm je etwas bedeutet hatte. Er kannte die Leute, die dafür verantwortlich waren, und eines war ihm klar: Wenn er schon abtreten musste, dann würde er nicht alleine gehen. Zumindest ein paar der Kerle, die ihm das alles eingebrockt hatten, würde er mit sich nehmen.
Er würde die Polizei informieren.
Seit einiger Zeit beobachtete ihn bereits der FBI. Man hatte ihn gewarnt, dass die Telefonanschlüsse seiner Firma abgehört wurden und der FBI ihn observierte. Noch tappten die G-men im Dunkeln, hatten noch keine Beweise gegen ihn – doch Sulousse wusste genug, um dies grundlegend zu ändern.
Er würde zur Polizei gehen und alles sagen, was er wusste. Seine Firma mochte nicht mehr zu retten sein, aber seine so genannten Geschäftspartner würden darüber nicht triumphieren können. Wenn er den Bullen alles erzählt hatte, würden sich Shalyn und seine Leute auf ein paar harte Jährchen hinter Gittern gefasst machen können.
Er selbst würde als hilfreicher Informant vermutlich mit ein paar Monaten davonkommen, und während er längst wieder auf freiem Fuß sein würde, würden diejenigen, die ihn aufs Kreuz gelegt hatten, noch ein paar Jahrzehnte zu brummen haben.
Er lachte leise und wandte sich um, wollte zu dem kleinen Beistelltisch gehen, auf dem eine Flasche Cognac mit Gläsern stand. Wenn er schon untergehen musste, dann wollte er es zumindest mit Stil tun.
Das Klingeln des Telefons hielt ihn jedoch zurück.
Mit verärgertem Schnauben nahm er den Hörer ab.
»Ja?«, schnaubte er hinein. »Ich sagte doch, dass ich heute nicht mehr gestört werden will!«
»Verzeihen Sie meine Aufdringlichkeit«, drang eine ölige Stimme aus dem Hörer, die Sulousse nur zu gut kannte.
Sie gehörte Bruce Shalyn.
Einem seiner Geschäftspartner.
Einem seiner falschen Freunde …
»Was wollen Sie?«, blaffte Sulousse. »Hatten wir nicht vereinbart, dass Sie mich nicht mehr anrufen?«
»Warum so unfreundlich?«, fragte der Anrufer hämisch. »Sie werden mir doch nicht die Schuld dafür geben wollen, dass Ihre Geschäfte nicht mehr so gut laufen? Die gesamte Wirtschaft lahmt, das wissen Sie so gut wie ich. Weshalb sollte gerade Ihre Firma eine Ausnahme machen?«
»Hören Sie auf, Shalyn«, sagte Sulousse bitter. »Ich habe mir Ihr Gerede lange genug angehört. Sie können mich nicht mehr damit einlullen. Ich habe die Zahlen auf dem Tisch.«
»Dann wissen Sie sicher auch, dass Ihnen nichts anderes bleibt, als weiter mit uns zu kooperieren.«
»Natürlich weiß ich das. Und Sie wissen es auch. Warum wohl sonst hätten Sie dafür gesorgt, dass alle Projekte scheitern, in die ich investiere?«
»Was soll das heißen, Marvin? Sie hatten eben ein unglückliches Händchen bei der Wahl Ihrer Investitionen. So was kann schon mal vorkommen.«
»Ja«, versetzte der Geschäftsmann leise. »Ein paar Mal sicher. Doch seit ich mit Ihnen Geschäfte mache, ist es so, als wäre meine Firma mit einem Fluch behaftet.«
»Mit einem Fluch?« Der andere lachte. »Sie werden doch nicht etwa an so etwas glauben?«
»Bestimmt nicht. Zumal ich weiß, wozu Sie und Ihre Partner fähig sind. Sie tragen Schuld an dem, was geschehen ist. Sie haben meine Firma planmäßig in den Ruin getrieben, um mich an sich zu binden.«
»Langsam, Marvin«, mahnte der Anrufer. »Was Sie da behaupten, ist ziemlich hoch gegriffen.«
»Täuschen Sie sich nicht, Shalyn. Sie und Ihre Leute werden nicht diejenigen sein, die zuletzt lachen. Ich habe Ihr Spiel durchschaut.«
»Ach ja? Und was wollen Sie gegen uns unternehmen, Marvin? Sie haben doch nicht den geringsten Beweis.«
»Ich habe genug mitgekriegt. Ich weiß viel mehr über Sie, als Sie annehmen. Wenn ich der Polizei davon erzähle, wird man mir sicher mit großem Interesse zuhören. Und Sie, Shalyn, können sich schon mal darauf freuen, den Rest Ihrer Tage mit Tütenkleben zuzubringen.«
»Ich bin froh, dass ich Sie gut kenne, Marvin. Sonst hätte ich jetzt den Eindruck, dass Sie mir drohen wollten.«
»Denken Sie, was Sie wollen«, versetzte Sulousse ungerührt. »Sie haben mich zugrunde gerichtet, und dafür werden Sie büßen.«
»Wissen Sie, Marvin, ich kann nicht sagen, dass mich das sehr überrascht. Vom ersten Tag an wusste ich, dass wir früher oder später diese Unterhaltung führen würden.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sehen Sie – in meinem Geschäft gibt es zwei Typen von Menschen, loyale und illoyale. Auf die loyalen kann man sich verlassen. Mit den illoyalen kann man allenfalls eine gewisse Zeit lang zusammenarbeiten, und selbst dann muss man sich – wie soll ich es nennen? – gewisser Methoden bedienen, um sich der Treue eines solchen Mitarbeiters zu versichern.«
»Ich verstehe«, erwiderte Sulousse schnaubend. »Ich habe Ihre Methoden kennen gelernt, Shalyn. Vielen Dank auch.«
»Nichts haben Sie!«, widersprach der Anrufer grollend. »Einen Dreck haben Sie. Sie haben nicht die geringste Ahnung, mit wem Sie es zu tun haben. Ich schätze Ihren Instinkt für Geldgeschäfte, Sulousse, aber ich verabscheue Ihren Eigensinn. Er zwingt mich zu Maßnahmen, die ich nur sehr ungern ergreife.«
»So?«, fragte Sulousse spöttisch. »Und was für Maßnahmen sollen das sein? Was wollen Sie mir noch nehmen, das Sie mir nicht schon genommen haben? Was, Shalyn?«
Der Anrufer antwortete nicht. Er lachte leise und legte dann auf.
Marvin Sulousse stand unbewegt. Seine Hand umschloss den Hörer so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Mit diesem Anruf hatte Shalyn sein eigenes Schicksal besiegelt. Sulousse legte den Hörer auf, um ihn sofort wieder aufzunehmen und die Nummer der Polizei zu wählen. Er hatte eine Aussage zu machen …
In diesem Augenblick hörte der Geschäftsmann das leise Knirschen.
Es klang, wie wenn mit einem spitzen, harten Gegenstand über Glas gekratzt wurde.
Sulousse fuhr herum. Sein Blick fiel auf die große Fensterscheibe, und entsetzt sah er, wie sich ein kleines, kreisrundes Stück daraus löste und nach innen fiel.
Im nächsten Moment sah er auch den dunklen Schatten, der draußen vor dem Fenster hing und die helle Skyline der Wolkenkratzer verdunkelte.
»Nein«, entfuhr es ihm, und mit schrecklicher Klarheit wurde ihm bewusst, was Shalyn gemeint hatte.
Entsetzt sah er, wie sich der schmale Lauf einer schallgedämpften Pistole durch die entstandene Öffnung schob und auf ihn gerichtet wurde.
Einen Augenblick lang stand Marvin Sulousse starr vor Schrecken.
Dann verspuckte die Waffe ihr Blei …
***
An diesem Morgen wurden mein Partner Phil Decker und ich schon eine halbe Stunde vor Dienstbeginn an die Federal Plaza gerufen.
Der Anruf meines Chefs John D. High erreichte mich, als ich gerade beim Frühstück saß und zur Lektüre der »New York Times« ein paar altbackene Donuts vertilgen wollte. Offenbar war in der Nacht etwas vorgefallen – etwas, über das der SAC nicht am Telefon sprechen wollte. Er bat mich, mit Phil sofort ins FBI Field Office zu kommen.
Die verschlafene Stimme, mit der sich mein Partner am Telefon meldete, ließ vermuten, dass er den Federn noch nicht entstiegen war. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, zwanzig Minuten später an der Ecke zu stehen, wo ich ihn mit dem Jaguar abholte. Phils mitgenommener Zustand ließ darauf schließen, dass er die vergangene Nacht nicht alleine verbracht hatte.
»Damenbesuch?«, fragte ich.
»Cynthia«, bestätigte Phil. »Ehrlich, Jerry – das Girl ist ein absoluter Traum. Sie wohnt im Apartment über mir und hat mich gestern noch auf einen Drink besucht. Und da hat eins das andere ergeben.«
»Schwerenöter«, sagte ich grinsend, während ich den Jaguar den Broadway hinabsteuerte, der Federal Plaza entgegen.
Von der Tiefgarage des Federal Building aus nahmen wir den Lift nach oben. Wir gingen sofort zu Mr. Highs Büro. Helen, seine nimmermüde Sekretärin, war auch schon da und entschädigte uns mit zwei Tassen ihres berühmten, duftenden Kaffees für das verpasste Frühstück. Dann traten wir in das spartanisch möblierte Büro unseres Vorgesetzten.
Mr. High saß hinter seinem Schreibtisch. Er wirkte – anders als wir – fit und ausgeschlafen.
»Da sind Sie ja, meine Herren«, begrüßte er uns, und am Unterton seiner Stimme konnte ich bereits erkennen, dass etwas Ernstes vorgefallen sein musste.
»Guten Morgen, Sir«, sagte ich, während wir in den beiden Besuchersesseln Platz nahmen. »Offenbar fangen heute alle ein wenig früher an.«
»Sieht so aus, Jerry.« Mr. High nickte und gönnte sich ein flüchtiges Lächeln, um dann sofort zur Sache zu kommen. »Sagt Ihnen der Name Marvin Sulousse etwas?«
»Marvin Sulousse?« Ich überlegte. »Ist das nicht dieser Finanzmagnat? Ich erinnere mich, in der Zeitung über ihn gelesen zu haben.«
Mr. High nickte. »Mr. Sulousse ist tot. Er wurde ermordet, um genau zu sein. Eine Angehörige der Reinigungskolonne hat seine Leiche heute Morgen in seinem Büro in der 72. Etage des Southern Economy Building gefunden.«
»Hm«, machte Phil. »Und weiter? Ich meine, es muss doch noch mehr dahinter stecken, wenn das Homicide Squad den Fall an uns abtritt.«
»Das ist leider wahr.« Unser Chef lächelte dünn. »Sie können davon ausgehen, dass Captain Dennison den Fall nicht gerne abgegeben hat. Aber dies ist ein Fall für den FBI.«
»Weshalb, Sir?«, wollte ich wissen.
»Weil Sulousse und seine Firma schon seit längerer Zeit durch unsere Behörde unter Beobachtung stehen«, informierte uns der SAC. »Der erste Hinweis, auf den wir stießen, kam aus Salt Lake City. Danach haben auch die Field Offices in Chicago und Philadelphia Ermittlungen gegen Sulousses Firma aufgenommen.«
»Aus welchem Grund?«
»Nun, Gentlemen – allem Anschein nach war Marvin Sulousse nicht nur ein angesehener Finanzfachmann und geachtetes Mitglied der New Yorker High Society, sondern auch als Geldwäscher für das Syndikat von Bruce Shalyn tätig.«
»Aha«, sagte ich nur. Das Syndikat, dessen mutmaßlicher Kopf ein angeblicher Geschäftsmann namens Bruce Shalyn war, gehörte zu den größten New Yorks. Eine straff organisierte Verbrecherbande, die sich auf Drogen und Waffen spezialisiert hatte, gegen die bislang jedoch keine Beweise vorlagen.
»Offenbar hatte Sulousse seinen kometenhaften Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär nicht nur seinem guten Riecher für Aktiengeschäfte zu verdanken, sondern auch einer Reihe höchst illegaler Transaktionen.«
»Verdammt«, sagte Phil mit freudlosem Grinsen. »Der amerikanische Traum ist auch nicht mehr das, was er mal war.«
»Wie ich schon sagte, Sulousse und die Filialen seiner Firma standen seit einigen Monaten unter Beobachtung. Zwar konnten keine Beweise gegen ihn erlangt werden, aber man ging davon aus, dass das Syndikat ihn bald fallen lassen würde.«
»Wie kam man darauf?«