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Wir waren entsetzt. Gerade hatte uns Mr High ein Video vorgeführt, das die Dokumentation eines brutalen Mordes war. Ja mehr noch - es war eine Hinrichtung. Und der Henker war Steve Dillaggio, der Leiter des Field Office New York. Phil und ich konnten und wollten es nicht glauben. Auch Mr High war sich sicher. Er gab uns Urlaub und wir begaben uns an unsere alte Wirkungsstätte, um einen Freund zu retten ...
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Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2015
Cover
Impressum
Keine Prämie für Mord
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/Kiselev Andrey Valerevich
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-1289-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Keine Prämie für Mord
»Hände hinter den Kopf und auf die Knie!«, sagte Steve Dillaggio. Die FBI-Marke hing am Revers seines Jacketts. Die Hände umfassten den Griff seiner Dienstwaffe.
Der Mann, der vor ihm kniete, war schwarz. Sein Kopf war kahlrasiert und er hatte die breitschultrige, muskulöse Figur eines Bodybuilders.
Und er war unbewaffnet.
»Hey, Mann! Ich bin freigesprochen worden! Ich habe nichts gemacht! Was soll das?«
Steve Dillaggio trat an den Knienden heran und setzte ihm die Waffe direkt an den Kopf.
»So was können Sie doch nicht machen! Ich bin völlig sauber! Sie haben keine Drogen und keine Waffen bei mir gefunden. Und mit dem Tod von diesem Scheißkerl namens Brazzo hatte ich nichts zu tun!«
Dillaggio schwieg. Und drückte ab.
Special Agent in Charge Steve Dillaggio saß in seinem Büro im Field Office New York an der Federal Plaza 26.
Es war noch nicht allzu lange her, dass er die Leitung des Field Office von dem legendären John D. High übernommen hatte, dessen Stellvertreter er viele Jahre gewesen war. Und auch jetzt kam es ihm manchmal wie ein Traum vor, in dessen Büro zu residieren und an seiner Stelle die Einsatz-Meetings der Agents zu leiten.
Vieles war gleich geblieben, zumal er im Wesentlichen mit denselben Kollegen zusammenarbeitete, mit denen er schon seit Jahren ein gutes Team gebildet hatte. Und auf den guten Kaffee von Helen brauchte er auch nicht zu verzichten, da ihm die Sekretärin seines ehemaligen Chefs ebenfalls erhalten geblieben war.
Der Unterschied war, dass der flachsblonde Italoamerikaner jetzt die Verantwortung trug. Und das brachte unter anderem mit sich, dass er länger im Büro zubrachte, als er das früher gewohnt gewesen war.
Überstunden und hin und wieder eine durchwachte Nacht hatten zwar auch während seiner Zeit als stellvertretender SAC zum Alltag gehört. Aber inzwischen konnte Steve sehr gut nachvollziehen, wie Mr High dazu gekommen war, morgens als Erster im Büro zu sein und es spätabends als Letzter zu verlassen. Der Kampf gegen das Verbrechen endete eben nie. Und er hielt sich vor allem auch nicht an die normalen Bürozeiten.
Und damit die Kollegen im Einsatz noch ihren Job machen konnten, mussten Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungen, die oft genug einfach keinen Aufschub duldeten.
Steve Dillaggio nahm einen Schluck aus dem dampfenden Kaffeebecher, während sein Blick über die verschiedenen Telefone auf seinem Schreibtisch glitt. Mindestens die Hälfte seiner Arbeitszeit verbrachte er mit Telefonaten.
Einsätze mussten mit der Staatsanwaltschaft und den Kollegen anderer Polizeieinheiten abgestimmt werden, richterliche Genehmigungen waren zu erwirken, und hin und wieder musste der Leiter des Field Office auch der Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen.
In diesem Augenblick flog die Tür auf. Ein Mann im dunklen Dreiteiler, hoher Stirn und einem energisch wirkenden Gesicht trat ohne anzuklopfen ins Büro, gefolgt von zwei weiteren, ähnlich gekleideten Männern. Helen drängte sich ebenfalls in den Raum. Sie zuckte ratlos die Schultern, so als wollte sie sagen, dass sie diese Leute einfach nicht hatte aufhalten können.
Zuletzt trat noch Walter Stone in den Raum, ein Innendienstler aus der Fahndungsabteilung des Field Office New York.
»Ich konnte nichts machen, Sir!«, sagte Helen.
Der Mann mit der hohen Stirn hielt Steve seinen Ausweis unter die Nase. »FBI-Inspektor Kyle Broxton, interne Ermittlungen.«
»Sie hätten bei meiner Sekretärin einen Termin machen können«, sagte Steve.
»Da es bei diesen Ermittlungen um Sie persönlich geht, fanden wir das keine gute Idee.«
Steve wirkte vollkommen konsterniert. »Interne Ermittlungen – gegen mich?«
»Sagt Ihnen der Name LaForge Peebles etwas?«
»Ja sicher.«
»Und?«
»Ein Drogendealer aus der South Bronx, gegen den unser Field Office ermittelt hat. Er hat nicht nur Drogen in großem Stil verkauft, sondern auch einen mutmaßlichen Konkurrenten umgebracht: James Brazzo. Fünfundzwanzig Schuss aus zwei Pistolen vom Typ Glock 22 hat man Brazzo in den Körper gejagt. So was nennt man ein Zeichen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ja, ich verstehe sehr gut, was ein Zeichen in diesem Zusammenhang ist, Agent Dillaggio. Aber verstehen Sie auch, was das Urteil einer Jury bedeutet?«
Steve runzelte die Stirn. Er blickte von einem zum anderen. »Was wird hier eigentlich gespielt, Inspektor Broxton?«
»Beantworten Sie doch einfach meine Frage, Agent Dillaggio.«
Steve löste den obersten Hemdknopf und den Knoten seiner Krawatte. Sein Gesicht wurde jetzt von einer leichten Röte überzogen. Er atmete tief durch und sagte dann: »Warum fragen Sie mich über Dinge aus, über die Sie anscheinend doch selbst hervorragend informiert sind, Inspektor?«
»Sie sind lange genug im Geschäft, Agent Dillaggio, um zu wissen, warum man das macht«, gab Inspektor Broxton ungerührt zurück.
»Sie wollen mir irgendetwas anhängen, oder was?«
»Beantworten Sie einfach meine Frage«, beharrte Broxton erneut.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, worauf Sie hinauswollen, Inspektor.«
»Dann empfinden Sie es nicht als einen Skandal, dass dieser LaForge Peebles freigesprochen wurde? Dass man ihm den Mord an Brazzo – dieses Zeichen – nicht gerichtswirksam nachweisen konnte? Dass es offenbar trotz aller Anstrengungen des FBI und der Staatsanwaltschaft nicht möglich gewesen ist, die Jury von Peebles’ Schuld zu überzeugen?«
»Es wäre nicht das erste und nicht das letzte Fehlurteil im Staat New York«, sagte Steve jetzt sichtlich gereizt. »Manchmal kommen eben auch üble Schurken davon. Im Zweifel für den Angeklagten, damit muss man eben leben, auch wenn ein paar Zeugen aus sehr fadenscheinigen Gründen plötzlich ihre Aussage ändern und unter Gedächtnisschwund leiden …«
»Sie sagen das so leicht dahin, Agent Dillaggio. Aber konnten Sie auch damit leben?«
»Das muss ich ja wohl. Schließlich leben wir in einem Rechtsstaat.«
»Sie sind aber schon identisch mit dem Special Agent in Charge, der kurz nach der Verkündung des Urteils gesagt hat, dass man sich nicht zu wundern brauche, wenn jemand anders die Gerechtigkeit jetzt ohne die Mithilfe der Justiz herstellen würde.«
»Das habe ich gesagt«, gab Steve zu.
»Das abzustreiten wäre ja auch wohl sinnlos. Schließlich waren die Zuschauer mehrerer Kabelsender hier in New York live dabei«, stellte Inspektor Broxton klar.
»Das war eine Äußerung, die im Eifer des Gefechts geschah«, erklärte Steve. »Da war gerade ein Mann freigesprochen worden, der nicht nur meiner Überzeugung nach nach Rikers Island gehört und in den letzten Jahren einer der schlimmsten Gangster war, die die Drogenszene in der Bronx aufgemischt haben.«
»Ich verstehe Sie durchaus, Agent Dillaggio«, sagte Brotxon daraufhin. Sein Tonfall veränderte sich dabei und wirkte jetzt beinahe mitfühlend. Gehörte alles zur Vernehmungstaktik, wie Steve natürlich sofort erfasste. Dafür war er nun wirklich lange genug beim FBI.
»Meine Äußerungen bei diesem Kabelsender waren nicht sehr klug«, sagte Steve. »Aber ich hatte hier gerade das Field Office übernommen und Sie müssen das einfach unter der Rubrik Anfängerfehler abhaken.«
»Wie haben Sie das denn genau gemeint?«, fragte Broxton.
»Peebles hat wahrscheinlich nicht nur dieses eine Zeichen gesetzt. Da sind noch ein paar andere Morde, die möglicherweise auf sein Konto gehen. Irgendwann wird jemand mit Peebles das machen, was er mit Brazzo getan hat. Oder so etwas Ähnliches. Das ist wirklich nur eine Frage der Zeit.«
»Ach was!«
»Ich war natürlich ziemlich sauer über den Ausgang des Prozesses. Peebles kenne ich ja schließlich schon aus der Zeit, als ich hier noch Stellvertreter des Assistant Director war. Und ich habe mir mehr als einmal gewünscht, dass er endlich hinter Schloss und Riegel kommt. Aber wenn man den Fall mal mit etwas Abstand und objektiv betrachtet, dann muss man sagen, dass es eigentlich schon ein Wunder war, dass wir durch die Grand Jury gekommen sind und es überhaupt zu einer Hauptverhandlung kam.«
»So?«
»Die Beweise waren dünn. Und wir hatten einfach nicht mehr. Dazu gab es einige sehr unzuverlässige Zeugen, von denen wir wussten, dass sie vielleicht umfallen würden, wenn man ihnen ein bisschen Crack dafür gibt.«
»Tja, wie es scheint, ist genau das passiert, was Sie vorausgesagt haben, Agent Dillaggio«, sagte Broxton nun gedehnt.
»Peebles ist tot?«, fragte Steve.
»Tun Sie nicht so überrascht«, sagte Broxton.
»Ich hatte keine Ahnung davon! Wieso hat man mich nicht unterrichtet?«
»Aus fahndungstaktischen Gründen.«
»Wie bitte?«
»Sie haben ihn doch erschossen, Agent Dillaggio.«
***
Steve Dillaggio wirkte vollkommen konsterniert. Er war einige Augenblicke nicht in der Lage, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen, geschweige denn irgendeinen sinnvollen Satz.
»Ist das jetzt der Moment, in dem ich meinen Anwalt anrufen sollte?«, fragte Steve Dillaggio.
Broxton hob die Augenbrauen. »Sie werden kaum einen Anwalt finden, der Sie da heraushaut. Davon abgesehen ist dies noch kein juristisches Strafverfahren, sondern ein internes Ermittlungsverfahren des FBI. Und da sollten Sie kooperieren.«
»Also befinden wir uns noch ganz am Anfang der Untersuchung und sollten daher vielleicht mit der Erörterung der Fakten beginnen«, mischte sich nun der Innendienstler Walter Stone ein. Den Gesichtern von Broxton und seinen bisher stumm gebliebenen Kollegen war anzusehen, wie sehr ihnen diese Einmischung missfiel.
Aber Walter ließ sich von seinem Weg nicht abbringen. Er hatte einen Laptop unter dem Arm und legte diesen nun auf den Konferenztisch, an dem sonst die Meetings zur Einsatzbesprechung stattfanden.
Walter klappte den Laptop auf und wandte sich dann direkt an Steve. »Es tut mir leid, Steve. Aber ich musste angesichts der Beweislage die interne Ermittlung einleiten und die Zentrale in Washington einschalten.«
Die beiden kannten sich seit vielen Jahren.
»Was für eine Beweislage, Walt?«
»Am besten siehst du dir das hier einfach mal an und dann … dann reden wir weiter.«
Walter Stone schaltete den Laptop ein und rief mit einer schnellen Tastenkombination ein Video auf.
Die Szenerie zeigte einen Hinterhof, irgendwo in einem dicht besiedelten Gebiet. Vom ersten Eindruck her tippte Steve auf die South Bronx oder Queens. Ein Schwarzer kniete auf dem Boden.
»Ich nehme an, Sie wollen nicht bezweifeln, dass der Mann dort LaForge Peebles ist«, sagte Broxton. »Gut genug kennen müssten Sie ihn ja.«
Steve antwortete nicht. Seine Aufmerksamkeit galt dem Mann, der jetzt dem Knieenden die Waffe an den Kopf setzte und einfach abdrückte.
»Wie bei einer Hinrichtung«, stellte Broxton fest. »Und das Gesicht des Täters mit der FBI-Marke ist klar und deutlich erkennbar, Agent Dillaggio. Ihr Kollege Stone kann es ja etwas heranzoomen, falls Sie nicht so oft in den Spiegel sehen!«
Die Folgen des Schusses waren grauenhaft.
Walter Stone zoomte ein Standbild heran, auf dem das Gesicht des Täters noch deutlicher zu sehen war.
»Das ist unmöglich!«, stieß Steve hervor.
»Weil es Ihr Gesicht ist, das man da sieht?«, fragte Broxton. »Ich nehme an, Sie wussten nicht, dass Sie gefilmt werden!«
»Das bin ich nicht! Ich habe diesen Mann nicht umgebracht!«
»Und wie kommt es dann, dass wir es dort sehen?«
»Ich habe keine Ahnung! Aber ich würde niemals einen Menschen einfach erschießen, auch keinen Gangster!«
»Auch nicht, wenn er es so sehr verdient hat wie dieser brutale Hund, der seine sogenannten Zeichen setzt und damit dann auch noch vor Gericht durchkommt?« Broxton atmete tief durch. »Bis zu einem gewissen Grad kann ich Sie sogar verstehen. Und ich will noch nicht einmal behaupten, dass ich selbst nicht auch schon mal in dem einen oder anderen Fall so etwas gedacht habe. Aber genau das unterscheidet eben einen professionellen Ermittler von einem rachsüchtigen Killer!«
»Ich …« Steve war fassungslos. »Woher stammt dieses Material?«, fragte er.
»Ich weiß nicht, ob wir Ihnen das sagen sollten, Agent Dillaggio, oder besser gesagt: fürs Erste nur noch Mr Dillaggio, denn Sie werden mit sofortiger Wirkung für die Dauer der Untersuchung vom Dienst suspendiert.«
»Aber …«
»Händigen Sie mir Ihre Marke und Ihre Dienstwaffe aus. Alles Weitere richtet sich danach, was die Untersuchungen ergeben, die an der Videodatei noch durchzuführen sind.«
»Das Material wurde uns zugespielt, Steve«, sagte Walter Stone jetzt. »Es ist auch im Internet auf verschiedenen Portalen zu sehen und verbreitet sich gerade rasend. Ich habe mir die Datei schon einmal angesehen und auch einige unserer Spezialisten zu Rate gezogen …«
»Dazu muss man sagen, dass Sie mit Ihrer Kopie machen können, was Sie wollen, aber die offizielle Untersuchung des Beweismaterials wird nicht von hiesigen Kräften durchgeführt, sondern vom Scientific Research Team der FBI Operation Section East in Quantico«, unterbrach Broxton den Innendienstler. »Ich weiß, dass Sie lange gut zusammengearbeitet haben und sich vermutlich persönlich nahestehen. Und wir sollten jeden Anschein von Befangenheit vermeiden. Aus diesem Grund werde ich kommissarisch die Leitung des Field Office übernehmen und nicht Ihr Stellvertreter Agent Zeerookah.«
»Ich verstehe«, murmelte Steve Dillaggio. »Meine Waffe und meine Marke finden Sie in der obersten Schreibtischschublade. Seit ich hier der Chef bin, habe ich beides nicht mehr allzu oft benutzt.«
»Bis auf eine Ausnahme, wie es den Anschein hat«, sagte Broxton beißend. »Das konnten wir ja soeben in der Videosequenz sehen.«
»Es sollte auch für SAC Dillaggio die Unschuldsvermutung gelten, bis zumindest die Qualität und die Herkunft des Beweismaterials tatsächlich geklärt ist«, meinte nun Walter Stone etwas energischer, als man das sonst von ihm gewohnt war. »Sie wissen doch selbst, wie leicht sich Videomaterial fälschen lässt und dass wir nicht unbedingt dem trauen können, was auf den ersten Anschein so vollkommen klar zu sein scheint. Immerhin war die Homepage der FBI-Zentrale in Washington in den vergangenen Jahren mehrfach Ziel von Cyber-Attacken, und es wäre auch nichts Neues, dass führende Repräsentanten unserer Behörde gezielt persönlich angegangen werden, um sie in Misskredit zu bringen, Inspektor Broxton.«
»Sie können sicher sein, dass ich das durchaus berücksichtige«, erklärte Broxton. Er wandte sich an Steve Dillaggio. »Das ist im Übrigen auch der einzige Grund, weshalb Sie vorerst auf freiem Fuß bleiben, Mr Dillaggio. Halten Sie sich zu unserer Verfügung, verlassen Sie nicht die Stadt und sprechen Sie nicht mit den Medien, bevor die Voruntersuchung abgeschlossen ist.«
***
Ich holte Phil an diesem klaren Morgen in Washington vor seinem Apartmenthaus ab. Es war ein Tag, wie geschaffen, um mit meinem Jaguar mal wieder eine Ausfahrt zu machen. Das Wetter war gut, die Sonne schien und hatte den Dunst schon fast vertrieben, und die Staus hielten sich in erträglichen Grenzen, was längst nicht immer der Fall ist.
Aber eine Spritztour zur Küste kam überhaupt nicht in Frage. Der Dienst im J. Edgar Hoover Building rief und Mr High wäre sicher alles andere als erbaut gewesen, wenn ich ihn mit einem kurzfristigen und vor allem ungeplanten Urlaubsgesuch Knall auf Fall überrascht hätte.
Phil setzte sich auf den Beifahrersitz und ich trat auf das Gas. Der richtige Motorenklang des Hybriden aus der Karosserie eines Jaguar und dem Innenleben einer Dodge Viper konnte mich jedes Mal wieder aufs Neue begeistern. Schade nur, dass ich meinen Jaguar so selten benutzen konnte.
Wir waren häufiger mit dem Flugzeug als mit dem Wagen unterwegs. Und abgesehen davon ist ein roter Jaguar, ganz gleich, was er auch ansonsten für ein Innenleben haben mag, nicht unbedingt für jede Operation als Dienstfahrzeug geeignet.
»Viel zu schade, dieser Tag, um zum Büro zu fahren, Phil«, sagte ich. »Meinst du nicht auch?«
»Leider geschehen Verbrechen auch an schönen Tagen, Jerry«, meinte mein Kollege Phil Decker.
»Leider wahr.«
»Zu dumm, dass man das nicht ändern kann.«
»Hast du die Nachricht von Mr High heute Morgen auch auf dem Handy gehabt, Jerry?«
»Wir sollen gleich in sein Büro kommen, wenn wir das J. Edgar Hoover Building erreichen.«
»Er hat es ziemlich dringend gemacht.«
»Macht er das nicht jedes Mal, Phil?«
Phil lächelte. »In diesem Punkt wird er sich wohl nicht mehr ändern, Jerry.«
»Bin gespannt, wo es diesmal hingeht.«
***
Ich stellte den Jaguar in einer der dafür vorgesehenen Tiefgaragen des J. Edgar Hoover Building ab. Anschließend machten Phil und ich uns auf den direkten Weg zum Büro unseres Chefs.
Dorothy Taylor, die Sekretärin des Chefs, begrüßte uns knapp und diesmal betont sachlich, als wir hereinkamen. Mein Instinkt sagte mir, dass das etwas zu bedeuten hatte. Zwar kannte ich Dorothy noch nicht allzu lange, dafür aber Mr High.
Wenig später betraten wir das Büro von Mr High. Er war gerade am Telefonieren, wollte aber wohl trotzdem, dass wir eintraten und uns schon mal setzten. Er machte ein entsprechendes Handzeichen in unsere Richtung, während er gleichzeitig insgesamt dreimal »Ja!« sagte. Dann beendete er das Gespräch.
»Das war Ihr Kollege Steve Dillaggio aus New York«, sagte Mr High schließlich. »Er hat einige Schwierigkeiten, um es mal ganz vorsichtig zu formulieren. Und genau diese Schwierigkeiten haben etwas mit Ihrem nächsten Fall zu tun.«