Jerry Cotton 3054 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3054 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Eine Sicherheitslücke in der Elektronik von Fahrzeugen machte es möglich, dass diese von Hackern übernommen und fremdgesteuert werden konnten. Ein Kollege aus Boston, William Kelly, kam auf diese Weise zu Tode. Wir suchten für diesen Fall Hilfe bei James Tong, einem FBI-Agent im Rang eines Inspektors, der sich auf die Bekämpfung von Cyber-Kriminalität spezialisiert hatte - und ahnten nicht, dass sich Tong und Kelly kurz vor dessen Tod getroffen und heftig miteinander gestritten hatten...

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Seitenzahl: 125

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

Cover

Impressum

Mit ungewissem Ausgang

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Firewall«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2459-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mit ungewissem Ausgang

Agent William Kelly saß am Steuer seines grauen, unscheinbaren Chevrolet. Die Limousine war ein Dienstfahrzeug des FBI Field Office Boston und Kelly war auf dem Weg nach Salem. Es war Wochenende. Das erste freie Wochenende seit langem.

Die Straße machte eine scharfe Kurve. Kelly spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Das Lenkrad des Chevy reagierte nicht, wie es sollte. Und außerdem waren da all die Lichter an den Armaturen, die plötzlich ohne einen vernünftigen Grund aufleuchteten. Kelly riss das Lenkrad herum. Es reagierte nicht. Der Chevy raste auf die steile Böschung zu.

»Verdammt!«, kam es zwischen Kellys Lippen hervor, die innerhalb der letzten Sekunden zu farblosen geraden Strichen geworden waren. Er trat mit aller Kraft auf das Bremspedal, obwohl das eigentlich nicht der Vorgehensweise entsprach, die man ihm beim Fahrtraining in der FBI-Akademie in Quantico beigebracht hatte.

Ihm blieb auch nichts anderes übrig, denn der Chevy nahm Kurs auf einen Baum. Verzweifelt versuchte Kelly auszuweichen, aber die Lenkung reagierte nicht – ebenso wie die Bremsen. Plötzlich fing die Musik im Radio an zu spielen. Gleichzeitig heulte das Gebläse auf.

Die letzten Sekunden seines Lebens erschienen in Kellys Wahrnehmung eigenartig gedehnt. Er dachte daran, wie er die Highschool verlassen und sich für die FBI-Akademie beworben hatte.

»Wenn du glaubst, dass du was Besseres bist, nur weil du jetzt einer Einheit für besondere Fälle angehörst, irrst du dich«, hörte er die Stimme seines Kollegen James Tong.

Er sah das Gesicht von Donald »Fatty« Moranello vor sich, als der Syndikats-Boss begriff, dass Kelly ihn geschnappt hatte und er den Rest seiner Tage in einem Bundesgefängnis verbringen würde.

Warum erinnerte er sich gerade jetzt daran? Vielleicht, weil Moranello Anschläge angekündigt hatte, nicht nur auf Kelly selbst, sondern auch auf seine Familie? Hatte er den Wagen sabotiert?

»War es das wirklich wert, Will?«, klang die Frage seiner Frau durch seinen Kopf.

Das war sein letzter klarer Gedanke. Der Wagen traf zwar wie durch ein Wunder nicht mit voller Wucht den Baum, sondern wurde seitlich touchiert, aber dann endete die Fahrt frontal an einem Felsbrocken.

Der Tod umfing William Kelly.

***

»Guten Morgen, meine Herren. Setzen Sie sich«, sagte Mr John D. High. Er deutete mit einer knappen Geste auf die vorhandenen Sitzgelegenheiten und ließ die Hände dann in den weiten Taschen seiner Flanellhose verschwinden.

Der Leiter der Field Operation Section East des FBI musterte uns kurz und wartete, bis Phil und ich uns gesetzt hatten.

In diesem Augenblick ging die Tür auf. Miss Dorothy Taylor, die Sekretärin unseres Chefs, kam herein. Und in ihrem Gefolge eine Frau mit asiatisch geprägten Gesichtszügen: Dr. Mai-Lin Cha, die Mathematikerin und IT-Spezialistin des Scientific Research Team aus Quantico, das Phil und mir seit unserer Beförderung zu Inspektoren bei unseren Ermittlungen zur Verfügung stand, wenn die lokalen Kapazitäten dafür quantitativ oder qualitativ nicht ausreichten.

Dr. Cha hier in Washington in der FBI-Zentrale im J. Edgar Hoover Building zu sehen überraschte mich allerdings. Normalerweise hatte sie ihren Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten der berühmten FBI-Akademie von Quantico, ungefähr eine Dreiviertelstunde von Washington entfernt.

Und für gewöhnlich gab es auch selten einen Grund für die hochbegabte Expertin, den Komplex in Quantico zu verlassen, zumal ihr dann immer ein wichtiges Werkzeug fehlte: die hochmodernen Computer, die ihr dort zur Verfügung standen.

»Schön, dass Sie sich herbemüht haben, Dr. Cha«, begrüßte Mr High die IT-Expertin.

»Sir, ich habe bereits –«, begann sie, aber unser Chef unterbrach sie sofort.

»Warten Sie einen Moment und setzen Sie sich, Dr. Cha. Jerry und Phil sind mit den Einzelheiten des Falles noch nicht vertraut, und ich denke, wir sparen eine Menge Zeit, wenn die beiden zumindest wissen, worum es bei der Angelegenheit überhaupt geht.«

»Ja, Sir.« Cha nickte uns zu und setzte sich dann ebenfalls.

»Es geht um den Mord an unserem Kollegen Special Agent William Kelly aus Boston«, erklärte Mr High. »Sie werden vielleicht von seinem Tod gehört haben. Die Medien haben darüber berichtet. Vielleicht wundern Sie sich, dass ich von Mord spreche, wo doch bisher die Version verbreitet wurde, dass Agent Kelly Opfer eines tragischen Verkehrsunfalls wurde. Aber inzwischen hat sich, auch dank der Mithilfe von Dr. Cha, die Beweislage geändert. Es liegen Erkenntnisse vor, dass der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde, und zwar durch Manipulationen an der Software des Wagens.«

»Ich möchte dazu sagen, dass ich bisher nur beratend aus der Ferne für die ermittelnden Kollegen tätig war«, sagte jetzt Dr. Cha. »Um definitiv etwas zur Beweislage zu sagen, müsste ich selbst –«

»Dazu werden Sie Gelegenheit haben, Dr. Cha«, unterbrach Mr High sie erneut. Er wandte sich wieder an uns. »Vor kurzem kursierten Meldungen in den Medien, wonach es Hackern gelungen sei, die Elektronik von Fahrzeugen zu übernehmen. Insbesondere bei modernen Autos, die über ein GPS-Signal verfügen und eine eigene Online-Verbindung aufbauen, ist das erschreckenderweise möglich. Sie brauchen nur einen Computer dafür oder wahlweise auch ein Smartphone. Sämtliche elektronisch unterstützten Systeme können dann theoretisch aus tausend Meilen Entfernung von einem Hacker gesteuert werden. Das gilt für die Bremsen, die Schlösser, das Radio, die Lenkung, das ABS-System, die Auslösung der Airbags …« Mr High holte tief Luft, ehe er fortfuhr. »Sie können sich sicher vorstellen, wie sich so eine Systemübernahme als Mordwaffe nutzen lässt. Theoretisch können Sie auf die Weise dafür sorgen, dass jemand gegen einen Baum fährt, ohne dass man Sie mit dem Verbrechen in Verbindung bringen kann.« Mr High hob die Augenbrauen und kam dann dem Einwand zuvor, der Cha zweifellos schon auf den Lippen lag. »Wenn ich davon spreche, dass es nicht möglich sei, den Täter mit der Tat in Verbindung zu bringen, dann meine ich damit die herkömmliche Polizeiarbeit. Wir haben natürlich die Hoffnung, dass Ihre Methoden uns weiterbringen.«

»Es gibt keinen Mord ohne Spuren«, sagte Cha. »Es gibt vielleicht Spuren, die nicht als solche erkannt werden, aber grundsätzlich hinterlässt man welche bei allem, was man tut. Das ist quasi ein Naturgesetz.«

»Wer die elektronischen Manipulationen durchgeführt hat, ist die eine Frage«, sagte Mr High. »Die entscheidende ist, wer dahintersteckt.«

»Sie vermuten eine größere Sache?«, fragte ich.

Mr High zuckte die Schultern. »Lesen Sie sich einfach die Unterlagen durch, die zu diesem Fall zusammengestellt wurden. William Kelly war ein sehr guter Ermittler und die Liste derer, die einen Grund hatten, ihn ins Jenseits zu wünschen, ist ausgesprochen lang.«

***

»Mr Moranello! Eine Stellungnahme bitte!«, sagte eine Reporterin aus dem Pulk von Journalisten, die am Haupteingang des Gerichtsgebäudes in Boston gewartet hatten. Die Warterei hatte sich gelohnt. Zumindest für die Meute am Haupteingang. Jene, die darauf spekuliert hatten, dass Moranello das Gerichtsgebäude auf leisen Sohlen durch einen der Hinterausgänge verlassen würde, hatten diesmal auf das falsche Pferd gesetzt.

»Gehen Sie bitte zur Seite!«, sagte ein kleiner, drahtiger Mann in dunklem Dreiteiler und mit schmalem Aktenkoffer. Das war offensichtlich der Anwalt. Er wirkte gegenüber der massigen Gestalt von Donald »Fatty« Moranello wie ein Zwerg. »Mein Mandant wird keinerlei Statements abgeben«, fuhr er fort. »Hier und heute ging es nur um die Haftbedingungen. Was dazu zu sagen war, wurde vor Gericht ausgesprochen.«

Die Polizisten des Boston Police Department, die Moranello in die Mitte genommen hatten und zu dem bereits wartenden Gefangenentransporter bringen wollten, kamen mit ihrem Schützling nicht so recht voran. Moranellos Körperfülle war so ausgeprägt, dass selbst seine kräftigen Bewacher nichts tun konnten, als er plötzlich stehen blieb. Seine Hände waren mit Handschellen gefesselt. Auf Fußfesseln hatte man verzichtet. »Ich will doch noch etwas sagen. Etwas, das Sie ruhig senden können!«, rief Moranello.

»Mr Moranello, ich rate Ihnen …«, begann der Anwalt, aber Moranello beachtete ihn gar nicht weiter. Die Mikrofone und Kameras waren auf ihn gerichtet.

Moranello grinste breit, schien die Aufmerksamkeit regelrecht zu genießen, die ihm zuteilwurde.

»Ich habe gehört, dass ein gewisser Agent William Kelly vom FBI Field Office Boston bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam«, sagte er. »Agent Kelly und ich hatten zu seinen Lebzeiten gewisse Differenzen, und um es ganz offen zu sagen: Ich verdanke es zu einem guten Teil ihm, dass ich das Gefängnis wahrscheinlich nie wieder verlassen werde. Aber ich bin nicht nachtragend. Nicht über den Tod hinaus jedenfalls. Und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den Angehörigen mein tief empfundenes Beileid auszudrücken. Möge William Kelly den Frieden finden, den er mir nicht gelassen hat.«

»Mr Kelly, eine Frage …«, war die heisere Stimme eines Reporters zu hören, der es nicht geschafft hatte, sich weit genug nach vorne zu drängeln, um eine wirklich gute Position zu haben.

»Es ist alles gesagt. Vor Gericht und im Straßenverkehr sind wir alle in Gottes Hand!«, sagte Moranello noch. Dann wurde er weiter abgeführt.

Er atmete schwer. Der Fußweg bis zum Gefangenentransporter schien ihn sehr anzustrengen. Sein Gesicht lief rot an, und wahrscheinlich wäre er im Moment auch gar nicht mehr in der Lage gewesen, Fragen zu beantworten.

Wenig später verschwand er in dem Gefangenentransporter, abgeschirmt von seinen Bewachern und seinem Anwalt. Der Wagen fuhr los und wurde von mehreren Einsatzfahrzeugen des Boston Police Department sowie Polizisten auf Motorrädern eskortiert. Die Kameras mehrerer lokaler Sender folgten ihm und nahmen ihn in den Fokus, solange es möglich war.

***

Bereits am frühen Nachmittag nahmen wir eine Maschine nach Boston. Dorothy Taylor hatte uns eine Unterkunft in Boston gebucht, und sowohl Mr High als auch Phil und ich hatten bereits mit Special Agent in Charge Norman Galston telefoniert. Wir kannten Galston schon dank der Zusammenarbeit bei anderen Ermittlungen.

So gut es ging, hatten wir uns in die zur Verfügung stehenden Daten eingearbeitet. Während des Fluges hatten wir Laptops auf den Knien, um uns mit der Faktenlage vertraut zu machen. Das galt für Dr. Cha ebenso wie für Phil und mich.

»Einer unserer ersten Gesprächspartner sollte Agent George Sorenson vom Field Office Boston sein«, schlug Phil vor. »Er war Kellys ehemaliger Dienstpartner, und du weißt ja, wie das ist: Die wissen oft mehr über einen als die eigene Ehefrau.«

»Die Frau sollten wir trotzdem auch befragen«, sagte ich. »Es gibt eine Aussage von ihr, wonach sich Agent Kelly kurz vor seinem Tod mit jemandem gestritten hat.«

»Wurde Mrs Kelly Zeuge dieses Streits?«, fragte Phil.

»Wurde sie, denn er fand auf dem Grundstück ihres Hauses statt. Leider hat sie wohl nicht mitbekommen, worum es dabei ging, und ihr Mann wollte ihr keinerlei Auskünfte dazu geben. Auf alle Fälle war er zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt und trug eine Waffe, wie Mrs Kelly zu Protokoll gab.«

»Vielleicht ein Kollege?«

»Das ist nicht ausgeschlossen.«

»Eine Dienstmarke hat sie nicht zufällig gesehen?«

»Nein.«

Phil zuckte die Achseln. »Für mich steht auf der Liste derer, die hinter dem Anschlag stecken könnten, an erster Stelle dieser Donald Moranello.«

»Ich habe gelesen, welche Drohungen Moranello gegen das FBI und Agent Kelly im Besonderen ausgestoßen hat«, sagte ich.

»Die Tatsache, dass er im Knast sitzt, muss nicht heißen, dass er draußen nicht genügend Leute hätte, die für ihn töten würden«, fügte Phil hinzu.

»Gibt es denn gesicherte Erkenntnisse darüber, dass Kelly seine Geschäfte weiterführen konnte?«

»In unseren Unterlagen war darüber nichts zu finden. Sollte das tatsächlich der Fall sein, dürfte es ziemlich entmutigend für die Kollegen sein.«

»Die Frage ist, ob sie es zugeben oder stattdessen die geschönte, offizielle Version der Geschichte bevorzugen, wonach Moranello ein für alle Mal das Handwerk gelegt wurde.«

»Und zwar durch die hervorragende Ermittlungsarbeit des FBI Field Office Boston«, ergänzte Phil.

»Wenn die so hervorragend wäre, bräuchte man uns nicht um Hilfe zu bitten«, gab ich zurück.

»Auch wieder wahr«, sagte Phil.

Mai-Lin Cha hatte die ganze Zeit über geschwiegen. Sie saß mit äußerster Konzentration an ihrem Laptop und ließ intervallweise mit rasender Geschwindigkeit ihre Finger über die Tastatur fliegen. Jetzt erst mischte sie sich in das Gespräch zwischen Phil und mir ein.

»Ich bin überzeugt davon, dass die Person des Hackers entscheidend ist. Und ich bin mir eigentlich auch sicher, dass er sich früher oder später anhand von charakteristischen Datenspuren oder Merkmalen in den Programmcodes ermitteln lässt. Niemand ist genial genug, um keinerlei Spuren zu hinterlassen. Und für den Fall, dass es Hintermänner oder Auftraggeber gibt –«

»Sie zweifeln daran?«, fragte Phil.

»Eine statistische Auswertung von Cyber-Verbrechen der letzten Jahre ergibt eindeutig, dass nur ein Bruchteil davon im Auftrag begangen wurde. Meistens handeln die Täter aus eigenem Antrieb. Zum einen aus den gewohnten kriminellen Motiven wie Habgier, zum anderen aber auch, um Allmachtsfantasien auszuleben. Diese Leute stellen durch ihre Taten unter Beweis, dass sie buchstäblich alles vermögen.«

»Zum Beispiel, einen Menschen durch einen scheinbaren Unfall zu töten?«, fragte ich.

»Ja, auch das.« Mai-Lin Cha sah mich einen Augenblick lang an, ohne dass sich in ihrem glatten Gesicht irgendeine Regung zeigte.

»Sie vermuten ernsthaft, dass wir es mit einem Einzeltäter zu tun haben?«

»Ich meine, dass wir uns nicht vorzeitig festlegen sollten.«

»Das sollte man nie.«

»Richtig. Aber schon bei der ersten Unterredung mit Mr High zu diesem Fall hatte ich das Gefühl, dass wir gerade dabei sind, genau das zu tun. Wir dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen.«

»Ich werde daran denken.«

»Und schon gar nicht eine Möglichkeit, die statistisch gesehen an erster Stelle steht.« Sie hob die Augenbrauen leicht an. »Leider besteht ein erheblicher Unterschied zwischen dem, was dem menschlichen Empfinden nach die größte Relevanz besitzt, und der größten mathematischen Relevanz.«

»Und ich dachte immer, es gäbe so etwas wie den gesunden Menschenverstand, Mai-Lin.«

»Vergessen Sie den, Jerry.«

»Ach, ja?«

»Statistisch gesehen existiert er nicht.«

»So habe ich das noch nie gesehen.«

***

Wir erreichten den sieben Meilen östlich von Boston gelegenen Edward Lawrence Logan Airport. Ein drahtiger Mann mit Halbglatze holte uns ab.

»Ich bin Agent George Sorenson«, erklärte er.

»Inspektor Jerry Cotton«, stellte ich mich vor. »Dies sind meine Kollegen Inspektor Phil Decker und Dr. Mai-Lin Cha aus unserem Scientific Research Team. Sie ist IT-Expertin und wird sich um die Analysedaten aus dem Unfallfahrzeug kümmern.«

»Ich dachte, das wäre längst geschehen«, sagte George Sorenson etwas irritiert. Auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Furche.

»Die Kollegen des Erkennungsdienstes Ihres Field Office haben die Rohdaten gesichert und auch eine erste Analyse durchgeführt«, bestätigte Dr. Cha. »Mir sind diese Daten überspielt worden. Ich habe weitere Untersuchungen daran angeschlossen und den Verdacht Ihrer Kollegen, dass es sich um eine gezielte Manipulation über die Online-Verbindungen des Fahrzeugs handeln muss, bestätigt. Jetzt geht es darum, weitere Daten zu gewinnen. Schließlich sind nicht alle Systeme ausgelesen worden, und es gibt durchaus Teilkomponenten, in denen sich Datenreste befinden könnten. Davon abgesehen ist zwar mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass eine Manipulation der Fahrzeugsysteme stattgefunden hat, aber es ist noch nicht zweifelsfrei erfasst, auf welchem Weg die externe Übernahme der Systeme erfolgte.«

»Sie scheinen ja wirklich Ahnung von der Materie zu haben«, staunte Sorenson.

»Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie der Täter in die Fahrzeugsysteme eindringen konnte«, fuhr Mai-Lin fort. »Die GPS-Funktion steht natürlich immer als Erstes in Verdacht. Aber wenn Sie sich vor Augen halten, wie viele Systemkomponenten in modernen Fahrzeugen inzwischen schon auf eine Online-Verbindung zugreifen, gibt es noch weitere Möglichkeiten: das Navigationssystem, die elektronische Bezahlfunktion für die mautpflichtigen Abschnitte der Interstate-Highways, und so weiter.«