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Lloyd Keagan und sein Bodyguard Michael Andrews wurden in ihren Kabinen auf der Fähre Icelandia, die im hohen Norden Kanadas verkehrt, erschossen aufgefunden. Was uns in den Fall involvierte war der Umstand, dass es sich bei Keagan um einen illegalen Waffenhändler und amerikanischen Staatsbürger handelte. Die kanadische Polizei hatte die Fähre gleich bei ihrem Einlaufen im Hafen von Port aux Basques abgeriegelt und dem oder den Mördern keine Gelegenheit gegeben, von Bord zu gehen. Als Phil und ich mit dem kompletten SR-Team dort ankamen, mussten wir nur noch unter fast 900 Passagieren den Täter finden...
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Reden ist Silber, schweigen tut der Tod
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Film: »Ronin«/ddp-images
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2462-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Reden ist Silber, schweigen tut der Tod
Der Todeshändler spürte sein Ende nahen.
Lloyd Keagan hatte schon oft von seiner eigenen Ermordung geträumt. Wenn er aufwachte, verblasste dieser nächtliche Alp immer sehr schnell.
Aber diesmal nicht. Keagan spürte plötzlich, dass er nicht mehr allein in seiner Luxuskabine war. Er lauschte, konnte aber außer dem sonoren leisen Geräusch der Schiffsmaschinen nichts hören. Es gab kaum Seegang auf dem Atlantik, nicht in dieser Nacht.
Plötzlich begriff Keagan, was nicht stimmte. Da war dieser fremde Geruch, der …
Den Gedanken konnte er nicht mehr zu Ende bringen. Plötzlich wurde ein Kissen auf sein Gesicht gepresst. Den Schuss, der sein Leben auslöschte, hörte der Waffenhändler schon gar nicht mehr.
Vier Augenpaare richteten sich erwartungsvoll auf mich, als sich das Flugzeug in der Luft befand.
Phil war natürlich schon in unsere neue Mission eingeweiht, mit der mich Assistant Director High vor wenigen Stunden beauftragt hatte. Aber es hatte noch keine Gelegenheit gegeben, die Mitglieder unseres Scientific Research Team in die aktuelle Aufgabe einzuweihen. Wir hatten uns mit ihnen am Dulles International Airport von Washington verabredet, ich wollte sie während des Fluges mit Informationen versorgen.
»Was ist denn nun geschehen, Jerry?«, fragte Willson ungeduldig. Er war so etwas wie der inoffizielle Leiter des SR-Teams. »Ich weiß nur, dass wir in einem Jet Richtung Kanada sitzen. Wenigstens das konnte ich in Erfahrung bringen, sonst hätte ich meine dicken Wollsocken gar nicht erst eingepackt.«
Ich ging auf den Scherz des Pathologen nicht ein.
»Wir fliegen nach einem Zwischenstopp in Toronto zum Deer Lake Regional Airport. Dort holt uns ein Helikopter der kanadischen Küstenwache ab und bringt uns nach Port aux Basques. Das ist ein kleiner Fährhafen an der Küste von Neufundland.«
»Offenbar am Ende der Welt, nach der umständlichen Anreise zu urteilen«, sagte Willson. »Und was sollen wir dort tun?«
»Es geht um einen Doppelmord, und eines der Opfer ist amerikanischer Staatsbürger«, warf Phil ein. »Die Mounties haben das FBI sofort um Amtshilfe gebeten. Es sind internationale Verwicklungen zu befürchten. Die Kollegen im hohen Norden wollen auf Nummer sicher gehen. Darauf bekamen wir von Mr High den Auftrag, die Kanadier bei den Ermittlungen zu unterstützen.«
Der texanische Pathologe wiegte den Kopf.
»Weshalb wird denn gleich das FBI eingeschaltet? Es passiert doch öfter, dass Landsleute von uns in Kanada gewaltsam umkommen. Meistens können die Mounties diese Bluttaten allein aufklären.«
Ich nickte. »Dieser Fall hat aber eine besondere Tragweite, Gerold. Sagt Ihnen der Name Lloyd Keagan etwas?«
Der Mediziner schüttelte den Kopf, aber unsere Informatikerin Mai-Lin Cha war im Bilde: »Lloyd Keagan ist ein aus Boston stammender Waffenhändler, der international tätig ist. Nach außen hin ist sein Geschäft völlig legal, aber er steht unter Beobachtung. Es wurde ihm schon öfter vorgeworfen, Handfeuerwaffen und sogar Kriegsgerät in Krisengebiete verschoben zu haben. Es standen auch andere Verstöße gegen Bundesgesetze im Raum. Allerdings kam es nie zu einer Anklage.«
»Also hatte der Knabe einflussreiche Freunde?«, knurrte Willson. Unsere chinesischstämmige Kollegin hob die Schultern.
»Das ist möglich. Aber auf jeden Fall verfügte Keagan über ein Netz an Strohmännern. Einige von ihnen sind lieber ins Gefängnis gegangen als ihn zu belasten. Solange wir aus diesen Kreisen keinen Kronzeugen bekommen, sind uns mehr oder weniger die Hände gebunden. Hinzu kommt, dass Keagans Taten meistens außerhalb des US-Territoriums stattfinden. Und er kann sich hundertprozentig auf seine Handlanger verlassen.«
»Da haben wir es entweder mit großer Freundestreue oder mit großer Angst zu tun«, meinte die Finanzexpertin Concita Mendez. »Das klingt für mich nach Strukturen des organisierten Verbrechens.«
»Sie sprachen von einem Doppelmord, Jerry«, erinnerte Frederik George Fortesque. »Wer ist denn das zweite Opfer?«
Ich schaute in die wenigen Unterlagen, die wir von unserem Chef bekommen hatten.
»Der Name lautet Michael, genannt Mike, Andrews. Er war der Bodyguard des Waffenhändlers. Andrews war ein Farbiger, dreißig Jahre alt, ehemaliger Elitesoldat der kanadischen Special Operations Forces. Er stand seit drei Jahren in Keagans Diensten. Andrews war Kanadier.«
»Und das Opfer hat sich nicht gewehrt?«, wunderte sich Willson. »Elitesoldaten lernen doch, mit allen möglichen Waffen zu kämpfen. Auch mit bloßen Händen sind sie tödliche Gegner, sollte man meinen.«
»Das stimmt«, warf Phil ein. »Aber genau wie sein Boss Keagan wurde auch Andrews offenbar im Schlaf überrascht, das hatte Jerry noch nicht erwähnt. Die Morde fanden an Bord einer Fähre statt, die regelmäßig zwischen North-Sydney auf Nova Scotia und Port aux Basques auf Neufundland verkehrt. Die Bluttaten müssen irgendwann zwischen dem gestrigen Abend und dem heutigen Morgen geschehen sein. Die Nachtfähre benötigt für die Überfahrt zwischen sieben und acht Stunden.«
»Wer hat die Leichen entdeckt?«, fragte Mai-Lin.
»Der Kabinensteward«, erwiderte ich. Willson schüttelte immer noch ungläubig den Kopf.
»Schön, also ein Waffenhändler ohne saubere Weste und sein Beschützer. Was hatte dieses Duo in dieser abgelegenen Gegend zu schaffen? Soweit ich weiß, ist Neufundland sehr dünn besiedelt, sogar für kanadische Verhältnisse.«
»Keagan besaß ein großes Ferienhaus unweit von Port aux Basques. Dorthin hat er sich öfter zurückgezogen.«
Phil kratzte sich am Kopf.
»Das wird kein leichter Fall. Ein zwielichtiger Waffenhändler mit möglichen Verbindungen zum organisierten Verbrechen? Wir hatten wohl selten ein Mordopfer, bei dem so viele Menschen ein Tatmotiv hatten.«
Ich gab ihm recht. »Das stimmt. Aber andererseits muss der Mörder noch an Bord sein, da die Tat während der Überfahrt begangen wurde. Angeblich fehlt kein Rettungsboot, und ein Sprung in den kalten Atlantik wäre zu dieser Jahreszeit reiner Selbstmord. Die Mounties haben die Fähre sofort umstellt, nachdem sie angelegt hat. Dem Killer sind also sämtliche Fluchtmöglichkeiten genommen worden.«
***
Unsere Reise verlief ohne Zwischenfälle. Es war bereits Abend, als der kanadische Hubschrauber uns am Zielort absetzte.
Schon beim Anflug sah ich, dass Port aux Basques ein sehr kleiner Ort war. Er befand sich an der Atlantikküste, inmitten von unberührt erscheinender Natur. Auch die im Hafen liegende Fähre konnten wir schon vom Helikopter aus sehen. Die Umgebung wirkte idyllisch und friedlich.
Ein mittelgroßer dunkelblonder Zivilist mit Anzug und Dufflecoat erwartete uns am Landeplatz. Er zeigte seinen Dienstausweis und nickte uns lächelnd zu.
»Ich bin Lieutenant Pat Merrick, Royal Canadian Mounted Police. Wir sind froh, das FBI mit im Boot zu haben.«
Ich stellte meine Kollegen und mich ebenfalls vor. Willson deutete auf Fortesque und sagte: »Der Teebeutel ist sozusagen ein Landsmann von Ihnen!«
Merrick warf dem Pathologen einen irritierten Blick zu. Der Chemiker und Physiker schüttelte den Kopf.
»Hören Sie nicht auf diesen texanischen Kuhschwanz, Lieutenant. Es hat sich noch nicht bis zu ihm herumgesprochen, dass Kanada schon länger keine britische Kolonie mehr ist.«
Nachdem der Mountie eine Kostprobe von Willsons seltsamem Humor bekommen hatte, brachte er uns sofort zum Hafen hinunter. Wir fuhren in zwei RCMP-Streifenwagen dorthin. Der Lieutenant erläuterte die Lage.
»Die Passagiere und Besatzungsmitglieder sind verständlicherweise nicht begeistert, dass sie von uns an Bord festgehalten werden. Andererseits wissen sie alle von dem Mörder, der sich noch an Bord befinden muss. Deshalb halten sich ihre Proteste in Grenzen. Die Medien haben sich inzwischen leider auch eingefunden. Aber es ist meinen Officers bisher gelungen, die Presseleute am Betreten der Fähre zu hindern.«
An der Anlegestelle war von der friedlichen Atmosphäre der Umgebung nichts mehr übrig geblieben. Hinter Trassierbändern der Polizei hatten sich neugierige Anwohner versammelt, manche filmten mit dem Handy. Dabei gab es überhaupt nichts Spektakuläres zu sehen.
Außer normalen Streifenwagen standen am Kai noch weitere zahlreiche Polizei-Einsatzfahrzeuge. Uniformierte Mounties bewachten die Gangway, den einzigen Zugang zu der Fähre. Wir stiegen aus und schauten an der Bordwand des imposanten weißen Schiffes hoch. Sein Name lautete Icelandia.
»Die Icelandia ist als Eisbrecher konstruiert, so wie auch ihre Schwesterschiffe.« Merrick klang so stolz, als ob er das Schiff selbst gebaut hätte. »So kann auch im tiefsten Winter die Fährverbindung aufrechterhalten werden. Die Fähren verkehren regelmäßig, tagsüber und auch nachts.«
Mich interessierte ein ganz anderer Punkt.
»Wie viele Passagiere kann die Icelandia aufnehmen?«
»1.200 Personen und 350 Fahrzeuge.«
»Ach du Schande!«, rutschte es Phil heraus. »Und jeder von denen ist ein potenzieller Zeuge oder Täter, hinzu kommt noch die Besatzung. Da haben wir ja eine Herkulesaufgabe vor uns!«
Der Lieutenant schüttelte den Kopf.
»Während der Nachtfahrt war die Icelandia nicht komplett ausgebucht. Es befanden sich nur 872 Passagiere an Bord. Das sind natürlich immer noch sehr viele, aber gerade deshalb haben wir ja Unterstützung durch das FBI angefordert.«
Ich nickte.
»Wo können wir arbeiten?«
Merrick deutete auf einen großen Bus mit dunkel getönten Scheiben und Polizeilackierung.
»Das ist unser Kommunikationsfahrzeug, dort haben Sie Zugang zum Internet. Es gibt auch zwei kleine Zellen, in denen Verhöre durchgeführt werden können. Ich nehme an, dass Sie bewaffnet sind?«
»Ja, wir haben eine Sondergenehmigung, um in Ihrem Land eine Waffe zu tragen.«
»Das ist gut«, sagte der Mountie. »Wie Sie sehen, tragen meine Kollegen schusssichere Westen und sind mit Maschinenpistolen ausgerüstet. Bei einem Täter, der so eiskalt vorgeht, müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen.«
Ich nickte und bat Mai-Lin und Concita, in dem Bus mit ihren Ermittlungen zu beginnen. Die Frauen schauten mich fragend an.
»Überprüfen Sie bitte die Finanzen des Opfers, halten Sie nach Unregelmäßigkeiten Ausschau. Was ist mit den Mobilfunk-Verbindungsdaten? Hatte Keagan vielleicht Telefonkontakt zu seinem späteren Mörder? Suchen Sie bitte nach Anhaltspunkten.«
»Sind die Leichen schon obduziert worden?«, fragte Willson. Der Mountie verneinte.
»Das hätten auch unsere Pathologen erledigen können. Aber da ich wusste, dass Sie mit einem kompletten SR-Team anrücken, überlassen wir die Aufgabe gerne Ihnen.«
Der Texaner war zufrieden.
»Sehr schön, ich nehme mir die Leichen gleich vor. Wo finde ich Sie?«
Die Toten waren in der kleinen Sanitätsstation des Hafens aufgebahrt worden. Merrick ließ Willson durch einen uniformierten Mountie dorthin führen. Nun meldete sich Fortesque zu Wort.
»Ich würde gerne die Tatorte kriminaltechnisch untersuchen, falls das noch nicht geschehen ist.«
»Selbstverständlich, wir gehen gleich an Bord. Ich habe übrigens in einem Motel Zimmer für Sie reservieren lassen, wenn Sie sich ausruhen möchten. Port aux Basques ist zwar ein kleiner Ort, aber touristisch gut erschlossen. Es kommen viele Wanderurlauber hierher.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wir sind ja gerade erst eingetroffen und sollten keine Zeit verlieren. Wenn ich das richtig sehe, ist der Doppelmord in der vorigen Nacht geschehen. Wir sollten den Täter so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen. Je länger die Ermittlungen dauern, desto nervöser könnte er werden. Und dann gibt es vielleicht noch weitere Bluttaten an Bord. Das will ich auf keinen Fall riskieren.«
***
Auf dem Weg zur Gangway mussten Merrick, Phil, Fortesque und ich uns durch die anwesenden Reporter kämpfen.
An Bord wurden wir von einem weißbärtigen Gentleman mit wettergegerbtem Gesicht erwartet. Wäre er nicht mit einer Marineuniform bekleidet gewesen, hätte man ihn auch für einen Chefarzt oder Manager halten können. Seine Stimme klang befehlsgewohnt und mürrisch, als er das Wort ergriff.
»Lieutenant Merrick, wie lange wollen Sie meine Passagiere und Besatzungsmitglieder noch in Geiselhaft halten? Jede Stunde, die mein Schiff am Kai liegen bleiben muss, kostet die Reederei Unsummen!«
»Kapitän Barron, ich möchte Ihnen einige Kollegen vom FBI vorstellen«, gab der Mountie unbeeindruckt zurück. James Barron nickte uns zu, nachdem er unsere Namen gehört hatte. Er gab sich keine Mühe, seine schlechte Laune zu verbergen.
»Schön, das FBI ist also auch vor Ort. Dann will ich hoffen, dass Sie die Icelandia bald wieder freigeben werden. Es geht hier wirklich um jede Minute, wir werden schließlich schon wieder in North-Sydney erwartet!«
Ich schaute dem Kapitän direkt in die Augen.
»Sie können nicht wollen, dass ein Mörder an Bord Ihres Schiffes frei herumläuft. Wir werden alles tun, damit der Verbrecher so schnell wie möglich verhaftet wird. – Kannten Sie die Opfer eigentlich persönlich?«
Barron zögerte, aber ich schien mit meinen Worten zu ihm durchzudringen. Vielleicht hatte unsere Ankunft ihm auch einfach nur den Ernst der Lage vor Augen geführt. Als er jetzt antwortete, klang er etwas verbindlicher.
»Wir transportieren jährlich mehrere hunderttausend Passagiere, da kann ich mir nicht jedes Gesicht merken. Aber Mr. Keagan war mir natürlich ein Begriff. Er saß stets beim Essen an meinem Kapitänstisch, das war so eine Art Gewohnheitsrecht für ihn.«
»Weil Keagan reich war?«, hakte Phil nach. Der Kapitän nickte widerstrebend.
»Die Reederei verlangte von mir, dass ich ihm Honig um den Bart schmierte. Ich persönlich mochte den Kerl nicht. Er ist durch Gewalt und Elend steinreich geworden, wie soll ich so eine Person respektieren? Aber ich habe mich professionell verhalten, glaube ich. Jedenfalls konnte sich Keagan niemals über mich oder über meine Besatzung beschweren. Er hat stets eine unserer Luxus-Suites reserviert, sein Leibwächter übernachtete direkt nebenan.«
»Die Tatorte würden wir uns gleich gerne ansehen«, sagte ich. »War denn allgemein bekannt, womit das Mordopfer sein Geld verdiente? Ich meine, unter der Besatzung und den anderen Passagieren?«
Der Kapitän schüttelte den Kopf.
»Einige Leute mögen es gewusst haben, aber Keagan ging ja nicht damit hausieren. Er wusste natürlich, dass ein Waffenhändler gefährlich lebt. Es wird schon seine Gründe gehabt haben, dass er stets mit Bodyguard unterwegs war. Aber die meisten meiner Passagiere sind Touristen, die in Neufundland wandern oder Kanu fahren wollen. Ich glaube nicht, dass einer von denen Keagans Identität kannte. Er blieb gerne im Hintergrund. Sein Gesicht war jedenfalls nicht auf den Titelseiten der Illustrierten zu sehen. Als klassischen Prominenten würde ich ihn nicht bezeichnen.«
»Wir brauchen eine Liste mit den Namen aller Passagiere und Besatzungsmitglieder«, sagte ich.
»Die sollen Sie bekommen, Inspektor Cotton.«
Phil klappte sein Notebook auf.
»Am besten wäre eine Datei, die ich gleich an unsere Informatikerin weiterleiten könnte. Je eher wir mit einer umfassenden Recherche beginnen können, desto besser.«
Der Kapitän nickte und wies einen jungen Offizier an, Phil das Gewünschte zu geben. Phil ging mit dem Uniformierten weg, er wollte später wieder zu uns stoßen. Ich bat darum, mir jetzt den Tatort ansehen zu dürfen. Barron führte uns persönlich zu dem A-Deck hinauf, wo sich die Luxuskabinen befanden. Ich schaute mich suchend um.
»Gibt es an Bord Überwachungskameras?«, wollte ich wissen.
»Ja, aber nur unmittelbar an der Gangway und vor dem Office des Zahlmeisters. Dort werden größere Bargeldsummen gelagert. Falls es einmal einen Raubüberfall an Bord meines Schiffes geben sollte, dann erwarten wir ihn dort. Weitere Kameras werden von unseren Passagieren nicht gewünscht.«
»Haben Sie eine Security auf der Icelandia?«
»Ja, die Truppe besteht aus vier pensionierten Polizisten. Sie sind unbewaffnet. Bisher konnten sie die Ordnung auf dieser Fähre immer problemlos aufrechterhalten. Sie können gerne mit den Männern sprechen.«
»Das werden wir tun.«
Während des Gesprächs hatten wir den Tatort erreicht. Die beiden Kabinen wurden durch einen uniformierten Mountie gesichert. Die Türen standen weit offen, der Kabinengang war links und rechts durch gelb-schwarzes Trassierband abgesperrt.
Fortesque und ich zogen uns Latexhandschuhe über, bevor wir die Kabine des Waffenhändlers betraten. Der Lieutenant folgte unserem Beispiel.
Der Raum glich einer Suite in einem Luxushotel. Es herrschte mustergültige Ordnung, nur das Bett selbst zeugte von dem stattgefundenen Verbrechen.
Die Laken waren zerwühlt, sie wurden durch einen großen eingetrockneten Blutfleck verunziert. Merrick deutete auf das Kopfkissen.
»Außer dem Kissen, auf dem Keagans Kopf lag, gab es noch ein zweites. Wir haben es als Beweisstück sichergestellt. Es wurde durch den Schuss zerstört.«
Ich nickte.
»Dann hat der Täter das Kissen wahrscheinlich als improvisierten Schalldämpfer benutzt. Er presste es gegen sein Opfer, presste die Waffe darauf und drückte ab. Keagan kam doch durch einen Kopfschuss ums Leben?«
»Ja, Inspektor Cotton. Auch in der anderen Kabine hatten wir dieselbe Vorgehensweise. Bei der Ermordung des Bodyguards war ebenfalls ein Kissen im Spiel.«
»Ich frage mich, ob Andrews als Erster getötet wurde. Als ehemaliger Elitekämpfer könnte er vermutlich auch einen gedämpften Schuss gehört haben. Der Täter musste damit rechnen, dass er aufwacht und seinem Boss zu Hilfe kommt. Das konnte er nicht riskieren.«
Ich wandte mich an den Kapitän, der unserem Wortwechsel gespannt gefolgt war. Fortesque hatte inzwischen schon mit der kriminaltechnischen Untersuchung begonnen. Er stellte auch das Smartphone des Waffenhändlers sicher, um später die Verbindungsdaten auswerten zu können. Ich richtete wieder eine Frage an den Kapitän.