Jerry Cotton 3059 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3059 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Im Keller eines Gebäudes in Philadelphia wurden die Knochen von mehreren Toten gefunden. Die forensischen Untersuchungen ergaben, dass alle an Schussverletzungen gestorben waren. Einer davon war Jay Wachovsky, der Sohn eines der Großen im organisierten Verbrechen. Vor Jahren war Jay mit einer Menge Schwarzgeld verschwunden und man ging davon aus, dass er untergetaucht war. Phil und ich sollten dem Weg der Leichen folgen und herausfinden, was damals wirklich passiert ist ...

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Kein Recht auf Gnade

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Direct Action«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2464-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Kein Recht auf Gnade

Philadelphia, 336 Glenville Road …

»Und dieser Raum ist jetzt wirklich absolut abhörsicher?«, fragte jemand.

»Darum sind wir hier«, antwortete eine schneidende, harte Stimme. Ein Lachen folgte. »Wir wollen uns doch schließlich hier ungestört unterhalten.«

»Niemand will ein unfreiwilliges Hörspiel für die Cops«, meinte einer der anderen Teilnehmer dieser Zusammenkunft, die im zweiten Kellergeschoss eines alten Sandsteinhauses in Philadelphia stattfand.

Die Tür fiel ins Schloss. Als Letzte waren zwei mit Uzi-Maschinenpistolen bewaffnete Männer in dunklen Rollkragenpullovern in den Raum getreten. »Es wird Zeit, dass jetzt Klartext geredet wird«, sagte der Mann mit der schneidenden Stimme. Er hatte sich zwischen die Bewaffneten gestellt und schnipste mit den Fingern. »Bringen wir es hinter uns!«, sagte er.

»Hey, das kannst du mit uns nicht machen!«, rief jemand.

»Es gibt viele Gründe, euch aus dem Weg zu räumen. Ich werde nicht in die Einzelheiten gehen«, sagte der Mann mit der schneidenden Stimme.

»Man kann doch über alles reden!«

»Dazu ist es zu spät.«

Die Uzis ratterten los. Dreißig kleinkalibrige Schuss pro Sekunde feuerten aus ihren kurzen Mündungen heraus. Die Schreie der Sterbenden gingen in den Schussgeräuschen unter. Die Kugeln durchdrangen die zuckenden Körper, fetzten dann durch die dünne Holzvertäfelung und blieben anschließend in der dicken Isolierschicht stecken, mit der dieser Raum ausgekleidet worden war.

Ein paar Augenblicke lang leckten blutrot die Mündungsfeuer aus den Läufen der Uzis.

Dann war Stille. Auf dem Boden lagen ein paar regungslose, durch Kugeln zerfetzte Körper in ihrem Blut.

»Irgendwer muss die Sauerei noch wegmachen«, meinte einer der Bewaffneten.

»Dafür habe ich mir etwas ganz Besonderes ausgedacht«, sagte der Mann mit der schneidenden Stimme. »Etwas ganz besonders Endgültiges.«

Der dritte Mann im Raum stieg über die Leichen und sah sich um. Dabei hatte er den Lauf seiner Uzi auf den Boden gerichtet. Es konnte ja schließlich sein, dass sich doch noch jemand rührte. Aber das war offensichtlich nicht der Fall.

Schließlich hatte er die Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes erreicht. Er strich über die Vertäfelung, die an manchen Stellen regelrecht durchsiebt worden war.

Er tickte mit dem Fingerknöchel gegen das Holz. »Gut, dass da was dahinter ist, was die Kugeln aufnehmen konnte«, meinte er. »Sonst hätten wir uns durch die Querschläger selbst erschossen.«

»Ich sagte euch doch, ich habe an alles gedacht«, gab der Mann mit der schneidenden Stimme in einem unüberhörbar verächtlichen Tonfall zurück. »Dies war mal ein Tonstudio. Ist leider pleite gegangen. Und der Besitzer war mir noch einen Gefallen schuldig …«

***

Jahre später …

»Ich bin Dr. Gerold M. Willson vom Scientific Research Team des FBI in Quantico! Lassen Sie mich bitte durch.«

Willson drängte sich bereits an dem Police Officer vorbei. »Gehen Sie die Treppe hinunter. Der Aufzug ist nicht in Betrieb«, sagte dieser noch. »Lieutenant Reach von der Homicide Squad erwartet Sie bereits.«

»Kann ich was dafür, wenn der Flieger Verspätung hat?«, knurrte Willson.

»Der hat ja ein sonniges Gemüt«, meinte ein anderer Officer leise an seinen Kollegen gerichtet.

»Was erwartest du?«, gab der erste Office zurück. »Er ist ein Gerichtsmediziner.«

»Du meinst, wer seinen Job macht, muss ein Gemüt wie ein Schlachtergeselle haben?«

»Oder aus Texas stammen.«

»Wieso?«

»Hast du nicht mitgekriegt, wie er redet?«

Willson war inzwischen die Treppe in den Keller hinuntergegangen. Er folgte einfach den Stimmen. Und die kamen eigenartigerweise aus der Tiefe. »Ist da jemand?«, rief er. Dann ging er weiter und fand die Treppe, die zum unter dem Keller liegenden Stockwerk führte.

Er ging einen Flur entlang. Eine Frau im weißen Plastik-Overall des Erkennungsdienstes des Philadelphia Police Department kam ihm entgegen. Dass es eine Frau war, konnte man nur an Größe und Körperform erkennen. Die zum Overall gehörende Kapuze ließ nur das Gesicht frei.

»Sie sind nicht vorschriftsmäßig gekleidet«, sagte sie. »Wenn Sie einen Einweg-Overall …«

»Ist Lieutenant Reach da hinten?«

Die Erkennungsdienstlerin seufzte genervt. »Sie müssen dieser Willson sein, richtig?«

»Richtig.«

»Ich bin für einen Ihrer nächsten Fortbildungskurse zum Thema Pathologie-Grundkurs für Forensiker angemeldet.«

»Ach ja, spendiert Ihnen das die Stadt Philadelphia?«

»Leider nicht. Ich werde die Gebühren selbst zahlen und auch noch unbezahlten Urlaub dafür nehmen müssen.«

»Sie werden sehen, dass mein Kurs das wert ist.«

»Das will ich hoffen.«

»Auch normale Erkennungsdienstler sollten wenigstens über Grundkenntnisse in meinem Gebiet verfügen. Dann wissen sie wenigstens, wovon ich rede, wonach ich suche und was für unsereins möglicherweise wichtig sein kann.«

»Vielleicht beachten Sie jetzt auch mal, was wir für wichtig halten, und ziehen sich einen Overall an. Sie finden welche in dem Raum links. Gehen Sie dann noch ein Stück weiter und Sie kommen dorthin, wo die Knochen im Beton sind.«

Willson ließ sie einfach stehen. Er dachte gar nicht daran, sich von irgendeiner Erkennungsdienstlerin aus irgendeinem Police Department irgendwelche Vorschriften machen zu lassen.

Und darüber hinaus hörte er jetzt Stimmen, die seine gesamte Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment in Beschlag nahmen.

Die eine Stimme erkannte er sofort. Der englische Akzent trat so deutlich hervor, dass man ihn einfach nicht überhören konnte.

»FGF«, murmelte er. »Hätte ich mir ja denken können …« FGF war die Abkürzung für Dr. Frederik G. Fortesque. Wie Willson war Fortesque Mitglied des Scientific Research Team in Quantico. Ein ausgezeichneter Naturwissenschaftler, dessen chemische Analysen ebenso zu diversen spektakulären Ermittlungserfolgen des FBI beigetragen hatten wie seine ballistischen Untersuchungen. Manchmal kam es auf die Feinheiten und das Spezialwissen eines erfahrenen Forensikers an. Und genau das war Fortesques Domäne.

Die zweite Männerstimme kannte Willson nicht. Aber da Fortesque diesen Mann während des Gesprächs mit ›Lieutenant‹ anredete, war wohl anzunehmen, dass es sich um Lieutenant Reach vom Philadelphia Police Department handelte.

Willson erreichte schließlich den Raum, in dem seine Dienste gefragt waren, und blieb abrupt stehen.

»Hey, nicht einfach hier herumtrampeln!«, rief der Lieutenant.

Willson nahm ihn nur kurz aus den Augenwinkeln heraus wahr, ebenso wie Fortesque. Beide trugen vorschriftsmäßig weiße Einwegoveralls inklusive Kapuze, sodass nur das Gesicht zu sehen war. Aber Willsons Aufmerksamkeit war vollkommen von dem Anblick gefesselt, der sich ihm bot.

»Eine Hand im Beton«, murmelte er. »Das hat man nicht alle Tage.«

»Ich kann Ihnen versichern, dass noch nicht allzu viele sachunkundige Hände dran waren«, erklärte Fortesque. »Abgesehen von einem sympathischen Kerl mit einem Presslufthammer, der versucht hat, die alte Betondecke aufzubrechen.«

Willson blickte auf. »Dann waren Sie auch nicht schnell genug hier?«, meinte er.

»Ich bin kurz vor Ihnen eingetroffen«, gab Fortesque zurück. »Ihr Kongress der forensischen Naturwissenschaften in Chicago wird wohl auf meinen Beitrag zur Vortragsreihe verzichten müssen, denn das hier wird für uns beide eine sehr anspruchsvolle Aufgabe.«

»Allein die Sicherung von genetischem Material, das für eine Identifizierung ausreicht, wird in diesem Fall eine Kunst für sich sein«, war Willson sofort klar.

»Mal abgesehen davon, dass völlig ungewiss ist, ob wir irgendwo eine Vergleichsprobe auftreiben können, gebe ich Ihnen vollkommen recht«, meinte Fortesque. »Das hängt unter anderem davon ab, wie aggressiv die chemischen Zusätze im Beton sind. Ich hatte mal den Fall eines in Beton gegossenen Cosa-Nostra-Opfers aus …«

»Ersparen Sie mir das«, wehrte Willson ab. »Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, wer der Tote sein könnte?«

»Es ist nicht nur ein Toter, Gerald«, erklärte Fortesque mit einem Gesicht, das keinerlei Regung erkennen ließ. »Ich habe bereits Infrarotaufnahmen gemacht und die zeigen, dass möglicherweise ein Dutzend Personen hier erschossen wurden.«

»Erschossen?«, wunderte sich Willson. »Wozu bin ich überhaupt hier, wenn Sie das alles schon wissen? Oder saugen Sie sich das nur gerade einfach aus den Fingern.«

»Wir haben ein paar Projektile sichern können«, mischte sich jetzt der Lieutenant ein. »Mein Name ist übrigens Reach. Ich leite diesen Einsatz hier.«

»Angenehm.«

»Sie müssen Dr. Willson sein.«

Willson antwortete nicht. Er ließ noch immer den Blick über den Boden schweifen, so als würde er irgendetwas suchen.

»Leider sind die Projektile so in Mitleidenschaft gezogen, dass man die Waffen, aus denen sie stammen, kaum noch identifizieren kann«, sagte Fortesque. »Es sind kleinkalibrige Geschosse, die aus einer Maschinenpistole stammen könnten. Dafür spricht die Verteilung in Schuss-Clustern, auch wenn ich die letzten Beweise dafür zweifellos schuldig geblieben bin.«

»Na, dann mal an die Arbeit«, meinte Willson. »Wird sicher eine schwierige Sache.«

***

»Sagt Ihnen der Begriff Horror-Haus etwas?«, fragte uns Mr High, nachdem wir uns gesetzt hatten. Unser Chef kam hinter dem Schreibtisch seines Büros im J. Edgar Hoover Building in Washington hervor. Die Hemdsärmel waren hochgekrempelt. Die Hände steckten in den weiten Taschen seiner Flanellhose.

»Im Moment hört man eine Menge davon in den Nachrichten«, meinte mein Partner Phil Decker. »Vorausgesetzt, Sie sprechen über das Horror-Haus von Philadelphia, wie es inzwischen in den Nachrichtensendern genannt wird.«

»Genau darüber spreche ich«, sagte Mr High. »Da ich nicht weiß, wie intensiv Sie die lokale Berichterstattung in Philadelphia verfolgt haben, fasse ich den Stand der Ding mal kurz zusammen: In einem Haus mit wechselhaften und zum Teil etwas dubiosen Besitzverhältnissen sollte nach einem weiteren Besitzerwechsel eine Drainage eingebaut und die Abwasserleitungen erneuert werden. Im Zuge dieser Arbeiten sollte auch die Bodendecke im Keller entfernt und neu gemacht werden. Dabei sind beim Aufbrechen des Bodenbetons menschliche Überreste zutage getreten. Zunächst hat die Homicide Squad des Philadelphia Police Department die Ermittlungen übernommen, dann recht schnell die Kollegen vom FBI Field Office Philadelphia um Hilfe gebeten, und jetzt ist der Fall in unsere Zuständigkeit gekommen.«

Mr High machte eine kurze Pause und wandte den Blick in Richtung der Fensterfront. »Dr. Willson und Dr. Fortesque aus unserem SR-Team wurden bereits frühzeitig zur Unterstützung der lokalen Kollegen in diesem Fall tätig. Außerdem ist ein Archäologe zu Rate gezogen worden, denn Sie können sich vorstellen, dass das Sichern von einbetonierten Leichen nicht so ganz einfach ist. Da ist Spezialwissen vonnöten, sonst hat man am Ende keine brauchbaren Ergebnisse. Inzwischen hat man herausgefunden, dass in dem Betonboden 12 Leichen verborgen wurden. Diese Menschen wurden durch kleinkalibrige Geschosse getötet, die vermutlich aus Maschinenpistolen stammen. Untersuchungen an den ebenfalls gefundenen Projektilen haben ergeben, dass es mindestens zwei verschiedene Waffen waren, aus denen gefeuert wurde – und damit mutmaßlich auch mehrere Schützen.«

»Das klingt nach einer regelrechten Hinrichtung«, meinte ich.

»Das war es vermutlich auch«, erklärte unser Chef. »Die Identität der Opfer konnte bisher nur in einem Fall geklärt werden. Aber das hat dann dafür gesorgt, dass dieser Fall jetzt unsere Angelegenheit ist.«

»Um wen geht es?«, fragte Phil.

»Jay Wachovsky.«

»Meinen Sie etwa den Sohn von Victor ›Big Vic‹ Wachovsky?«, hakte ich nach.

»Ganz genau«, bestätigte Mr High.

Natürlich hatten Phil und ich von Wachovsky gehört. Big Vic hatte einen Zusammenschluss von Syndikaten geleitet, der sich das Commonwealth nannte und an der gesamten Ostküste aktiv gewesen war. Vor einigen Jahren hatte es einen groß angelegten Schlag gegen diese Organisation gegeben. Die Führung des Commonwealth war dabei verhaftet worden, darunter auch Big Vic.

Phil und ich waren damals ebenso wie Mr High noch in New York gewesen. Das dortige Field Office hatte sich natürlich an der konzertierten Aktion beteiligt, die für die Zerschlagung dieses Super-Syndikats letztendlich gesorgt hatte.

Allerdings war unsere Rolle bei diesem Fall eher klein gewesen. Wir hatten mehr oder weniger unterstützende Dienste geleistet, damit die große, sich über mehrere Bundesstaaten erstreckende Operation reibungslos vonstatten gehen konnte.

»Victor Wachovsky sitzt bis ans Ende seiner Tage in einer Zelle, wie wir ja alle wissen. Er hat seitdem allen Angeboten von Seiten der Staatsanwaltschaft widerstanden, sich auf einen Deal einzulassen oder irgendwelche Informationen preiszugeben, die vielleicht dazu führen könnten, den in der Versenkung verschwundenen Rest dieses kriminellen Netzwerks auch noch zu fassen. Wir müssen nämlich davon ausgehen, dass das sogenannte Commonwealth in reduzierter Form seine alten Geschäfte fortsetzt. Und es gibt sogar Vermutungen darüber, dass Wachovsky dort immer noch über Mittelsmänner Einfluss ausübt. Was nun seinen Sohn Jay angeht, der jetzt in diesem Horror-Haus aufgefunden wurde, so waren wir bisher davon ausgegangen, dass er sich vor ein paar Jahren mit einer nicht unerheblichen Menge an Schwarzgeld abgesetzt hat und jetzt von einem sicheren Ort das Geschehen aus der Ferne beobachtet.«

»Aber diese Annahme war offensichtlich ein Irrtum«, stellte ich fest.

Mr High nickte. »Allerdings! Durch die Identifizierung von Jay Wachovsky liegt der Fall jetzt in unserer Zuständigkeit.«

»Gibt es schon Anhaltspunkte, wer die anderen Opfer sein könnten?«, fragte ich.

Mr High schüttelte den Kopf. »Wie ich schon sagte, ist das eine hochkomplexe Angelegenheit. Wilson und Fortesque sind schon eine ganze Woche in Philadelphia. Natürlich besteht nach der Identifizierung von Jay Wachovsky nun die Hoffnung, dass dies die weitere Arbeit unseres SR-Teams erleichtert. Schließlich kann man jetzt gezielter innerhalb von Wachovskys Bekanntenkreis suchen. Zum Beispiel nach Personen, die ungefähr zur selben Zeit verschwunden sind wie Jay.«

»Weiß Big Vic darüber Bescheid, dass sein Sohn gefunden wurde?«, fragte ich.

»Zumindest weiß er es nicht von uns«, erklärte Mr High. »Es wird Ihre Aufgabe sein, ihn damit zu konfrontieren. Möglicherweise ändert dies seine Einstellung zu einer möglichen Kooperation mit der Justiz und dem FBI.«

***

Ungefähr eine Stunde später befanden sich Phil und ich auf dem Weg nach Philadelphia. Wir nahmen meinen Jaguar. Zweieinhalb Stunden fuhr man über die Interstate 95, vorausgesetzt, die Verkehrsverhältnisse waren einigermaßen normal und es kam nicht zu den berüchtigten Staus vor der City von Philadelphia.

Aber bevor wir Philadelphia erreichen würden, hatten wir noch etwas in Baltimore zu erledigen.

Dort saß Victor Big Vic Wachovsky in einer Strafanstalt ein. Da Wachovsky in diesem Fall bislang der einzige Ansatzpunkt für unsere Ermittlungen war, wollten wir ihm einen Besuch abstatten. Mr High hatte das bereits für uns arrangiert. Und soweit wir informiert waren, schien Wachovsky es plötzlich kaum abwarten zu können, mit dem FBI zu sprechen.

»Glaubst du, dass Wachovsky bereits weiß, was geschehen ist?«, fragte Phil während der Fahrt.

»Du meinst, weil er so bereitwillig mit uns reden will?«

»Er hat sich bisher immer geweigert, und es gibt in den Unterlagen eine Reihe von Protokollen, die, abgesehen von den Fragen des jeweiligen Verhörspezialisten, auf Seiten von Big Vic nur ein einziges Wort verzeichnen: Schweigen.«

»Er kann sich gegen eine Befragung durch uns nicht wehren.«

»Früher hat er das aber. Er hat jeden Trick benutzt, Jerry, ärztliche Gutachten inklusive. Mal ist er damit durchgekommen und mal nicht, aber insgesamt hat er immer eine Art passiven Widerstand geleistet. Und jetzt lässt er durch seinen Anwalt mitteilen, dass er bereit ist, auf unsere Fragen zu antworten.«

»Die Tatsache, dass Jay Wachovsky unter den einbetonierten Toten im Horror-Haus von Philadelphia ist, wurde nicht veröffentlicht. Der Anwalt müsste schon Zugang zu geheimen Quellen haben.«

»Es reicht, wenn man gute Beziehungen zu irgendjemandem hat, der beispielsweise für ein Labor arbeitet, das von unseren SRT-Kollegen für irgendwelche Spezialarbeiten in Anspruch genommen wurde. Und außerdem ist das Commonwealth zu seinen besten Zeiten ganz sicher eine Organisation gewesen, die mächtig genug war, um Maulwürfe bei den Ermittlungsbehörden zu haben oder Cyber-Angriffe zu initiieren, die ihnen möglicherweise Zugriff auf sensible Daten ermöglichen.«

»Warten wir es ab«, meinte ich.

»Es könnte auch sein, dass Wachovsky von Anfang an mehr über das mysteriöse Verschwinden seines Sohnes gewusst hat und sich inzwischen einfach ein paar Dinge zusammenreimen kann, die wir vielleicht auch berücksichtigen sollten, Jerry.«

Ich zuckte die Schultern.

In diesem Moment erreichte uns ein Anruf. Wir nahmen ihn über die Freisprechanlage entgegen.

»Hier Willson«, meldete sich der Gerichtsmediziner unseres SRT-Teams. »Inzwischen konnten Fortesque und ich ein weiteres Opfer aus dem Horror-Haus an der Glenville Road in Philadelphia identifizieren. Es steht zwar streng genommen noch eine letzte Analyse aus, aber FGF meint, dass das eigentlich nur eine Formsache ist.«

»Wer ist der Tote?«