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In Kentucky, Virginia und Tennessee ging eine groß angelegte Razzia gegen Bordelle und Mädchenhändlerbanden gründlich in die Hosen. Schnell war klar, dass es innerhalb des FBI einen Verräter geben musste. Mr High schickte Phil und mich nach Richmond, Virginia, um die Sache aufzuklären. Die erste Spur führte uns zu Agent Newman, den wir kurz darauf tot in seinem Appartement fanden ...
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Blind Date mit einem Killer
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Film: »Wunder dauern etwas länger«/ddp-images
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2756-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Blind Date mit einem Killer
Die halbnackte Frau begann vor Furcht zu zittern, als das Telefon klingelte. Aber der Mann mit den Mörderaugen beachtete sie gar nicht. Er hatte den Rücken in ihre Richtung gedreht, während er das Gespräch entgegennahm.
»Verstanden, Jake. So machen wir es. Ich melde mich dann.«
Der Mann steckte sein Handy wieder ein. Nun wandte er sich wieder der Blondine auf dem zerwühlten französischen Bett zu. Sie riss ihre schönen Augen weit auf. Aus ihrer Furcht war nun pure Todesangst geworden.
»Ich habe nichts gehört!«, beteuerte sie mit schwerem Akzent. Der Mann schüttelte nur den Kopf.
»Es war mein Fehler. Ich hätte keinen Namen nennen sollen. Namen sind schlecht, verstehst du?«
Eine Antwort erwartete er nicht, denn im nächsten Moment starb die Frau durch eine Kugel aus seiner Pistole.
Der Winter hatte die amerikanische Hauptstadt fest im Griff. Ich kam nur im Schneckentempo vorwärts, als ich meinen Jaguar in Richtung J. Edgar Hoover Building lenkte. Phil war auch gerade erst eingetroffen.
»Da bist du ja, Jerry. Ich wollte schon einen Suchtrupp in den Schneesturm schicken. Mr High möchte uns sprechen.«
Wir gingen sofort zum Chefbüro hinüber. Dorothy Taylor blickte auf, als wir das Vorzimmer betraten. Die aparte dunkelhäutige Sekretärin schenkte uns ein freundliches, aber distanziertes Lächeln.
»Der Chef erwartet Sie bereits, Jerry und Phil.«
Wir versorgten uns an der Espressomaschine noch schnell mit Kaffee und betraten dann das eigentliche Büro von Assistant Director High.
Unser Vorgesetzter begrüßte uns mit einem Kopfnicken und bat Phil und mich an den Konferenztisch. Er kam sofort zur Sache.
»Gestern wollten die Field Offices Kentucky, Virginia und Tennessee eine gemeinsame Aktion gegen den Menschenhandel durchführen. Es gibt dort im Grenzgebiet etliche versteckte Bordelle mitten in der Einöde. Sie werden besonders von Truckern und durchreisenden Geschäftsleuten aufgesucht. Angeblich sollen die Prostituierten dort für besonders wenig Geld arbeiten und auch die perversesten Wünsche erfüllen. Das liegt zweifellos daran, dass sie nicht freiwillig dort sind.«
Ein Blick auf Phils Gesicht bewies mir, dass er diese Verbrechen genauso abscheulich fand wie ich. Aber mir war noch etwas anderes aufgefallen.
»Die Kollegen wollten also zuschlagen, Sir? Haben sie es dann doch nicht getan?«
»Die Razzia erfolgte planmäßig, war aber ein völliger Fehlschlag. Ich habe vorhin mit Agent Allan Mendoza telefoniert. Wie Sie wissen, leitet er das Field Office in Richmond. Unsere Teams haben weder Prostituierte noch Freier oder Zuhälter angetroffen. Allerdings wurde eine Leiche gefunden, die höchstwahrscheinlich etwas mit dem Fall zu tun hatte.«
»Ist die Identität schon bekannt?«
John D. High beantwortete meine Frage mit einem Kopfschütteln.
»Es handelt sich um eine weiße blonde Frau Mitte zwanzig. Sie wurde nicht in einem der Bordelle gefunden, sondern von Wanderern in einem Waldstück. Aber ihre Kleidung deutet darauf hin, dass sie im Rotlichtmilieu tätig war. Man hat die Leiche offenbar nur in der Wildnis abgelegt.«
»Und es gab keine einzige Verhaftung?«, fragte Phil ungläubig.
Der Chef blickte in seinen Schnellhefter.
»Es konnte eine Person festgenommen werden, ein gewisser Jake Morley. Die Agents fanden ihn in einem der Gebäude, die als Bordelle dienen. Er stand unter Drogen und wusste gar nicht, wie ihm geschah.«
»Dann war seine Verhaftung also eher ein Glücksfall«, stellte Phil ernüchtert fest. Der Chef nickte.
»Ich möchte Sie bitten, nach Richmond zu reisen und die merkwürdigen Umstände dieses fehlgeschlagenen Zugriffs aufzuklären. Und nehmen Sie Ihr SR-Team mit. Es ist momentan nicht sicher, wem wir vor Ort noch vertrauen können.«
Mit dieser Bemerkung hatte Mr High leider ins Schwarze getroffen. Es gab nämlich nur eine plausible Erklärung für das Desaster.
Die Verbrecher mussten einen Tipp aus den Reihen des FBI bekommen haben.
***
Dorothy Taylor erhob sich hinter ihrem Schreibtisch, als wir aus dem Chefbüro kamen.
»Ich habe gerade in Richmond angerufen. Wenn sich das Wetter hält, wird es keine Verzögerung im Flugverkehr geben. Up and Away hat die Tickets für Sie bereits am Airport hinterlegt.«
Wir bedankten uns. Ich rief Dr. Willson an, um ihn über den bevorstehenden Einsatz zu informieren. Da sich ihr Labor in Quantico in Virginia befand, konnten sie von dort aus schneller per Auto nach Richmond gelangen.
»Ein Verräter unter uns?«, grollte der bärbeißige Pathologe. »Falls das stimmen sollte, wird es mir ein besonderes Vergnügen sein, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Wir treffen uns dann im Field Office Richmond, Jerry.«
Das SR-Team bestand neben Willson noch aus Fortesque, Mai-Lin Cha und Concita Mendez. Es war ein gutes Gefühl, auf ihre Unterstützung bauen zu können. Noch war nicht absehbar, ob wir ihre Fachkenntnisse benötigen würden. Aber zumindest für die Obduktion der unbekannten Frauenleiche war Willson der fähigste Mann, den ich mir vorstellen konnte.
Phil und ich hatten unser Reisegepäck stets griffbereit. So kam es, dass wir noch den nächsten Flug vom Reagan National Airport erwischen konnten. Die Reise nach Richmond dauerte nur eine knappe Stunde.
Phil klappte sein Notebook auf.
»Ich habe mir mal die elektronische Fallakte dieses Jake Morley aufgerufen, Jerry. Der Knabe ist kein unbeschriebenes Blatt. Er ist wegen schwerer Körperverletzung und Beihilfe zum Betrug vorbestraft. Angeklagt wurde er noch wegen weiterer Delikte, wie du siehst. Aber die übrigen Verfahren mussten aus Mangel an Beweisen eingestellt werden.«
Ich nickte.
»Aus dem Datenbankeintrag geht auch hervor, dass Morley der Sohn eines ebenfalls aktenkundigen Kriminellen ist. Ich wette, dass unser Kollege Allan Mendoza uns noch mehr über diese saubere Familie erzählen kann.«
»Wir müssen ja Jake Morley beinahe dankbar dafür sein, dass er Drogen konsumiert«, meinte Phil seufzend. »Wenn er nicht so neben der Spur gewesen wäre, hätten die Agents niemanden verhaften können.«
Ich nickte.
»Es wird sich zeigen, ob wir aus dem Verdächtigen etwas herausbekommen. Wenn er wirklich aus einer Verbrecher-Dynastie stammt, dann können wir nicht auf Kooperationsbereitschaft hoffen.«
Die Wetterlage blieb stabil, obwohl Richmond uns mit eiskaltem Nordwind empfing. Eine junge Agentin holte uns vom Airport ab. Der Name der attraktiven Brünetten im taubengrauen Hosenanzug lautete Larissa Hawkins. Sie chauffierte uns in einem Chevrolet Tahoe zum Field Office, wobei sie auffällig schweigsam war.
»Waren Sie auch an diesem missglückten Zugriff beteiligt, Agent Hawkins?«, wollte ich von ihr wissen.
»Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen«, gab sie scheinbar ruhig zurück. Doch ein Beben in ihrer Stimme verriet die unterdrückte innere Anspannung.
»Das wird sich zeigen. Wir sind nicht hier, um vorschnelle Urteile zu fällen. Letztlich ziehen wir an einem Strang. Und wenn eine FBI-Aktion scheitert, dann fällt das auf uns alle zurück, egal ob wir Agents oder Inspektoren sind.«
Als Larissa Hawkins mir antwortete, klang ihre Stimme schon etwas versöhnlicher.
»Es kommt mir so vor, als ob man uns nicht mehr trauen würde.«
»Kein Agent, der seine Aufgaben korrekt erfüllt, muss Inspektor Decker oder mich fürchten«, stellte ich klar.
Richmond ist im Vergleich zu Washington eine kleine Stadt. Schnell erreichten wir das Field Office in der East Parham Road. Dort wurden wir bereits von SAC Allan Mendoza erwartet. Der korpulente Latino mit dem Knebelbart gab Phil und mir die Hand, dann führte er uns persönlich in sein Büro und schloss die Tür hinter sich.
»Dr. Willson hat von unterwegs aus angerufen. Ihr SR-Team ist auf dem Weg, aber nördlich von hier sind die Straßenverhältnisse schlechter als erwartet. Womöglich zieht ein Blizzard herauf«, sagte Mendoza, nachdem wir Platz genommen hatten. Seine Sekretärin brachte Kaffee für uns alle.
»Okay, früher oder später werden die Kollegen eintreffen. Wie lautet der momentane Stand der Ermittlungen?«
Der SAC seufzte, bevor er meine Frage beantwortete.
»Das ist schnell berichtet, Inspektor Cotton. Bei der Razzia wollten wir insgesamt acht ehemalige Farmen und Molkereien durchkämmen, die zu Bordellen umgebaut wurden. Davon befinden sich drei auf dem Staatsgebiet von Virginia, die übrigen sind in Kentucky und Tennessee. Wir haben die Aktion geheim gehalten, selbst die State Police erfuhr erst eine halbe Stunde vor dem Zugriff davon. Wir baten die uniformierten Kollegen darum, die Zufahrtsstraßen zu sperren. Das haben sie auch getan, aber wir fanden alle Bordelle leer vor, wenn man Jake Morley einmal ausklammert.«
»Hat der Verdächtige schon ausgesagt? War er bei Bewusstsein?«
»Auf meine Agents machte Morley einen weggetretenen Eindruck, Inspektor Cotton. Es war offensichtlich, dass er Drogen eingeworfen hatte. Bei seiner Verhaftung leistete er keinen Widerstand. Aber er stammelte nur wirres Zeug. Wir fanden bei ihm eine Pistole, die er allerdings legal gekauft hat, außerdem ein Röhrchen mit chemischen Drogen aus irgendeiner Hinterhof-Giftküche.«
»Dann können wir ihn wenigstens wegen Drogenbesitz anklagen«, warf Phil ein. »Wurde die Waffe schon kriminaltechnisch untersucht?«
Mendoza zog seine Augenbrauen zusammen und zog einen Beutel für Beweisstücke aus seinem Schreibtisch. Darin befand sich eine Pistole.
»Nein, ich habe das Beweisstück höchstpersönlich in Verwahrung genommen. So, wie es momentan aussieht, können wir keinem meiner Leute trauen, auch den Kriminaltechnikern nicht. Jedenfalls nicht, bis der Maulwurf enttarnt ist.«
»Gibt es noch andere Möglichkeiten, wie die Razzia verraten worden sein kann? Wurden Ihre Computer gehackt?«
»Ich habe die Anweisungen nur mündlich sowie telefonisch über abhörsichere Leitungen gegeben. Inzwischen hat ja jeder Kleinkriminelle einen Polizeifunkscanner. Deshalb haben wir auch die State Cops erst in allerletzter Minute informiert.«
Mendoza hatte offenbar an alles gedacht. Ich kam auf einen anderen Aspekt zu sprechen.
»Wem gehören diese Bordelle? Jake Morley ist ja wohl Mitglied eines Verbrecherclans. Sind alle Freudenhäuser im Morley-Besitz?«
Der SAC schüttelte den Kopf.
»Nein, die Morleys teilen sich dieses schmutzige Geschäft mit der Russell-Familie aus Kentucky. Den Russells gehören drei Bordelle.«
Phil legte die Stirn in Falten.
»Dann verstehe ich aber nicht, warum Ihre Agents nicht wenigstens die Gebäude der einen kriminellen Sippe ausheben konnten. Ein möglicher Spitzel hier im Field Office wird ja wohl kaum für beide Organisationen arbeiten, oder?«
»Vielleicht doch«, gab ich zurück. »Wenn er sich seine Tipps gut bezahlen lässt, konnte er in diesem Fall doppelt kassieren.«
***
Einen konkreten Verdacht gegen einen bestimmten Agent hatte Allan Mendoza noch nicht. Natürlich war es auch möglich, dass sich das Leck in einem der beiden anderen beteiligten Field Offices befand. Doch wir wollten mit unseren Ermittlungen zunächst in Richmond beginnen.
Einige Zeit später traf auch das SR-Team ein. Nachdem wir die Kollegen begrüßt hatten, gab ich Fortesque Morleys Pistole.
»Checken Sie bitte, ob die Waffe schon bei Straftaten benutzt wurde, FGF.«
»Mit dem größten Vergnügen, Jerry.«
Unser Ballistiker sollten von Agent Larissa Hawkins zum Labor des Richmond Police Department gefahren werden, das vom FBI mitbenutzt werden durfte. Fortesque straffte seine schlanke hochgewachsene Gestalt, als er die junge Kollegin erblickte.
Ich wandte mich an Mai-Lin und Concita Mendez.
»Stellen Sie bitte alle Informationen über den Morley-Clan zusammen, die Sie finden können. Die Finanzströme interessieren mich ganz besonders. Natürlich werden die Gangster versuchen, ihre Transaktionen möglichst gut zu tarnen.«
»Das tun sie alle«, meinte unsere Finanzexpertin trocken. »Aber früher oder später macht jeder Gangster einen Fehler.«
»Es gibt eine interessante Statistik über gescheiterte kriminelle Pläne«, begann die Informatikerin. Ich verließ schnell den Raum, bevor es zu theoretisch wurde. Stattdessen kehrte ich zu Mendoza zurück.
»Was ist mit der weiblichen Leiche, von der wir in Washington gehört haben?«
»Sie wurde ins gerichtsmedizinische Institut von Richmond gebracht«, erwiderte der SAC.
»Dann will ich sie mir gleich mal vornehmen«, sagte Willson, der zu uns getreten war. Phil und ich begleiteten ihn. Mit dem Chevrolet Tahoe fuhren wir zur Pathologie. Phil und ich konnten das Fahrzeug während unseres Aufenthalts in Richmond als Dienstwagen nutzen.
Nachdem wir unsere Dienstmarken präsentiert hatten, wurden wir in einen Kühlraum geführt. Einheimische Kollegen hatten die Tote bereits entkleidet. Ihre Habseligkeiten befanden sich in einer Plastiktüte.
Sie war mit halterlosen Strümpfen, roten Dessous und Lackpumps bekleidet gewesen. Willson hatte inzwischen einen Kittel, Latex-Handschuhe sowie einen Mundschutz angelegt.
»Bevor ich die Lady aufschneide, können Sie schon mal einen Blick in ihren Mund werfen«, sagte der Pathologe. Er drückte Ober- und Unterkiefer mittels eines Instruments auseinander. »Sehen Sie das, Jerry und Phil? Die Tote hatte eine Überkronung im Oberkiefer.«
»Okay, aber so etwas haben viele Leute, auch schon in jungen Jahren.«
»Richtig, Phil. Allerdings ist diese Zahnkrone definitiv keine amerikanische Arbeit. Ich habe solche Überkronungen schon oft genug gesehen. Sie stammen aus Osteuropa oder aus Russland.«
»Ein weiterer Hinweis auf Zwangsprostitution«, stellte ich bitter fest. Willson zog das weiße Laken weg, mit dem der Körper bedeckt gewesen war.
»Der Körper weist keine äußeren Verletzungen auf, aber das muss nichts bedeuten. Diese Dreckskerle machen die Frauen gefügig, ohne Spuren zu hinterlassen. Hämatome sind schlecht für das Geschäft, schätze ich.«
***
Willson versprach, uns die Ergebnisse der Obduktion möglichst bald mitzuteilen. Phil und ich verließen die Pathologie wieder. Unser nächster Weg führte uns zur Wache der State Police. Nach einigem Hin und Her trafen wir auf den State Trooper, dem der Leichenfund gemeldet worden war. Er war ein bulliger farbiger Sergeant und hieß Porter. Nachdem wir uns ihm vorgestellt hatten, kam ich auf die Leiche zu sprechen. Er schüttelte den Kopf.
»Ja, die Frau wurde abgeknallt. Nur ein Schuss, wenn ich das richtig gesehen habe. Zeugen meldeten mir den Leichenfund, ich war eine Viertelstunde später vor Ort.«
»Könnten Sie uns die Stelle bitte zeigen?«
»Sicher. Fahren wir gleich, wenn Sie gerade Zeit haben.«
Wir stiegen zu dem Sergeant in einen Streifenwagen. Als Porter den Wagen gestartet hatte, setzte Schneetreiben ein.
»Was für einen Eindruck hatten Sie von den Zeugen, Sergeant?«
»Die Lonnegans? Die waren völlig durch den Wind, als ich am Leichenfundort eintraf. Sie hatten eine Wanderung gemacht und plötzlich einen Unterarm aus dem Schnee ragen gesehen. Ich habe das Ehepaar schon in den Datenbanken gecheckt. Kein Eintrag, weder bei ihm noch bei ihr. Sie stammen aus Texas und wollten mal einen Wanderurlaub im Schnee verbringen. Ich halte es für ausgeschlossen, dass sie etwas mit der Bluttat zu tun hatten.«
Das Schneegestöber wurde immer dichter. Jenseits der Stadtgrenze von Richmond fuhr der Sergeant vom Highway herunter auf eine Gemeindestraße. Wenig später bog er in einen Feldweg ein. Wir waren jetzt nur zwanzig Meilen vom Stadtzentrum entfernt. Dennoch hatte ich das Gefühl, mich in einer völlig abgelegenen Gegend zu befinden.
Porter stoppte den Wagen. Wir stiegen aus, und er deutete auf einige Douglas-Tannen vor uns.
»Dort, unter dem höchsten Baum, lag die Ermordete. Der Boden unter dem Schnee ist hartgefroren. Aber die Zeugen waren sicher, auf dem Feldweg Reifenspuren entdeckt zu haben. Die sind natürlich inzwischen vom Neuschnee vernichtet worden.«
Ich ließ meinen Blick schweifen. Links und rechts vom Weg standen Bäume, hin und wieder war ein Stück Brachland zu sehen.«
»Wo ist die nächste Siedlung, Sergeant?«
»Richtung Norden liegt Locust Creek, ein verschlafenes Nest. Aber eines der Morley-Bordelle befindet sich nur zwei Meilen westlich von hier, in einer ehemaligen Molkerei.«
Ich selbst hatte noch nicht über die missglückte Razzia gesprochen. Aber Porter war nicht dumm. Er konnte sich denken, weshalb zwei FBI-Inspektoren ausgerechnet jetzt nach Virginia kamen: bestimmt nicht zur Aufklärung eines Frauenmordes, der für sich allein wahrscheinlich noch nicht einmal ein FBI-Fall gewesen wäre. Ich hakte nach.
»Wie ist Ihre Meinung zu der FBI-Aktion, Sergeant?«
Porter schüttelte den Kopf.
»Ich fürchte, Sie haben einen faulen Apfel in Ihrem Korb, Inspektor Cotton. Wir von der State Police versuchen schon seit ewigen Zeiten, den Morleys das Handwerk zu legen. Aber die Familie fühlt sich stark, weil sie sich nie bei Straftaten erwischen lassen und es keine Zeugen gibt, die gegen sie aussagen würden. Wir waren überrascht und haben uns gefreut, als das FBI endlich dem Spuk ein Ende machen wollte.«
»Ich verstehe. Die Gegend hier ist ziemlich abgelegen, nicht wahr?«
»Das stimmt, Inspektor Cotton. Wenn die Wanderer nicht zufällig auf die Leiche gestoßen wären, hätte sie hier noch monatelang unentdeckt unter dem Schnee liegen können. Der Winter hat schließlich gerade erst begonnen.«
»Und die Mörder haben die Frau nicht verscharrt, weil der Boden gefroren ist«, mutmaßte Phil. Noch gab es keinen Beweis dafür, dass die Leiche von der Morley-Familie oder ihren Komplizen beiseite geschafft worden war. Aber es sprach sehr viel dafür.
Wir fuhren mit Porter wieder zurück nach Richmond. Als Phil und ich ins Field Office kamen, herrschte dort große Aufregung. SAC Allan Mendoza rannte hektisch hin und her, sein Gesicht war weiß vor Wut.
»Was ist geschehen?«, fragte ich Larissa Hawkins. Die junge Agentin sah nicht so aus, als ob sie sich besonders wohl in ihrer Haut fühlen würde.
»Dem SAC sind Beweismittel abhandengekommen. Womöglich wurden sie gestohlen.«
Ich trat auf Mendoza zu und nahm ihn beiseite.