Jerry Cotton 3067 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3067 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

In schneller Folge waren drei Frauen umgebracht worden. Alle auf die gleiche Art und post mortem hatte man ihnen die Worte "Vom Teufel gezeichnet" auf den Rücken tätowiert. Wir hatten es also mit einem Serien-Killer zu tun. Das Besondere daran war, dass dieser Killer vor etlichen Jahren schon einmal drei Frauen auf diese Weise umgebracht hatte. Warum war damals die Serie abgebrochen? Warum hatte er jetzt wieder damit angefangen? Aus einem cold case war auf einmal eine ganz heiße Geschichte geworden...

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EPUB
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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Mit Blut bezahlt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Die Nacht der Zombies«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2758-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mit Blut bezahlt

Es war dunkel und hatte zu regnen begonnen. Brenda McNicholls schaltete die Scheibenwischer ihres Honda Civic ein. Die junge Frau folgte dem Highway Richtung Norden. Der letzte Stopp lag noch keine zehn Meilen zurück. Sie hatte getankt, in dem Highway-Drugstore einen Kaffee getrunken und ein Sandwich gegessen.

Aber seit diesem Stopp schien irgendetwas mit den Reifen nicht zu stimmen. Die Befürchtung wurde schließlich zur Gewissheit. Hinten links war keine Luft mehr drin.

»So ein Mist!«, schimpfte Brenda vor sich hin und fuhr an den Straßenrand. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie gleich einen Pannendienst anrufen oder sich den Schaden erst mal selbst ansehen sollte.

Brenda ließ schließlich das Smartphone in der Handtasche und stieg aus. Eine Fehlentscheidung, denn genau damit hatte ihr Mörder gerechnet …

Der Nieselregen sorgte dafür, dass Brenda schon nach kurzer Zeit die Haare an der Stirn klebten. Der Reifen hinten links war platt. Und der hinten rechts hatte ebenfalls schon viel Luft verloren. So weiterzufahren war unmöglich.

Wie kann das sein?, fragte sie sich.

Die Reifen waren neu, die letzte Inspektion noch nicht lange her. Vielleicht bin ich in irgendetwas Spitzes hineingefahren, überlegte sie. Aber sie hatte nichts dergleichen bemerkt.

In diesem Augenblick hielt ein weiteres Fahrzeug am Straßenrand. Es war ein Geländewagen mit Kuhfänger vor dem Kühler. Auf der Haube hob sich der Schatten eines geschwungenen Stierhorns ab.

Aber all das konnte Brenda im nächsten Moment schon nicht mehr sehen. Der Fahrer des Geländewagens blendete nämlich das Licht auf. Brenda war einen Augenblick mehr oder weniger blind.

Der Fahrer des Geländewagens stieg aus. Den Motor seines Wagens ließ er laufen. Wie ein dunkler Schatten näherte er sich.

Brenda wich zurück.

»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte eine schneidend klingende Männerstimme.

»Ich weiß nicht … eigentlich …«

»Ist etwas mit Ihren Reifen?«

»Einer ist platt, der andere wird es bald sein. Ich verstehe das nicht …«

Der Mann kam noch näher. Im Gegenlicht der Scheinwerfer seines Geländewagens war er nur als dunkler Schatten zu erkennen.

Er zog jetzt irgendetwas unter seiner Kleidung hervor.

Brenda konnte es nicht genau sehen. Aber im nächsten Moment blitzte das Mündungsfeuer einer Waffe auf.

Die Kugel traf Brenda mitten in die Brust. Sie stützte sich noch auf den Kotflügel ihres Wagens, ehe sie zusammenbrach und regungslos auf dem nassen Boden liegen blieb.

Der schemenhafte Killer näherte sich. Er blickte auf sie hinab und ließ die Waffe mit dem langgezogenen Schalldämpfer unter seinem dunklen Mantel verschwinden.

Er trug Latexhandschuhe. Mit einem kräftigen Griff packte er die Tote unter den Armen und schleifte sie hinter sich her. Wenig später hievte er sie in den Kofferraum seines Geländewagens. Dort war bereits alles mit Plastikfolie ausgelegt, sodass er ihren Körper jetzt darin einwickeln konnte.

Als er damit fertig war, stellte er fest, dass er aus der Nase blutete. Mehrere rote Tropfen waren bereits herabgefallen.

»So ein Mist«, murmelte er. Er holte ein Taschentuch hervor, um sich die Nase abzuwischen. Es war allerdings gar nicht so einfach, die Blutung zu stoppen. Er wandte sich zur Seite. Blut tropfte jetzt auf den Boden.

Eine volle Minute lang musste er das Taschentuch vor die Nasenlöcher pressen, ehe es endlich aufhörte.

Es wird immer schlimmer, ging es ihm durch den Kopf. Aber damit hatte er gerechnet. Die Ärzte hatten es ihm vorhergesagt. Es gehörte zum normalen Verlauf seiner Krankheit, und alles in allem war das Nasenbluten noch eher eines der harmloseren Symptome.

Die wirklich schlimmen Dinge würden noch kommen.

Der schattenhafte Killer nahm zum Schluss noch eine Decke, die er über die Leiche der Frau legte. Dann schloss er den Kofferraum.

***

Später lag die Leiche auf einem Tisch in einem spärlich beleuchteten Kellerraum. Eine Glühbirne an der Decke war die einzige Lichtquelle.

Das leise Surren verstummte, als die Tätowier-Maschine abgeschaltet wurde. Der Mörder legte sie zur Seite und betrachtete sein Kunstwerk, das er in die Haut der jungen Frau gestochen hatte. Ein Schriftzug aus verschnörkelten Fraktur-Lettern zog sich vom Gesäßansatz bis hinauf zum Schulterblatt und bildete dabei eine Schlangenlinie.

Ein mattes Lächeln zeichnete sich jetzt in die blassen Züge seines Gesichts.

Gut sieht das aus, fand der blasse Mann.

Etwas kitzelte in der Nase. Vorsorglich griff er nach einem Papiertaschentuch. Aber entgegen seiner Befürchtung setzte das Nasenbluten nicht wieder ein.

Eine ganze Weile stand er dann da und betrachtete den Rücken der Toten.

Es ist immer so schnell vorbei, dachte er bedauernd. Er hatte es wirklich genossen, jeden einzelnen dieser verschnörkelten Buchstaben in die Haut dieser jungen Frau zu stechen. Jetzt galt seine Aufmerksamkeit vor allem einer Frage: Wo sollte er den Leichnam hinbringen? Es musste ein Ort sein, an dem man sie auf jeden Fall schnell finden würde.

Schließlich sollte die Botschaft, die er auf den Rücken dieser Frau gestochen hatte, gesehen werden …

Später fuhr er zum Ortsausgang von Allentown, Georgia. Eine einzige Straße führte durch den Ort, die Allentown Avenue. An ihr waren die Häuser und Geschäfte wie an einer Perlenkette aufgereiht. Ein kleines Nest abseits der großen Verkehrswege. Ein Nest, von dem bisher wohl noch nie jemand etwas gehört hatte, der weiter als vierzig Meilen von Allentown entfernt lebte.

Aber das sollte sich nun ändern …

***

Drei Jahre später …

»Brenda McNicholls war das erste Opfer des sogenannten Tattoo-Killers, wie man ihn später nannte«, erläuterte uns Mr High. Der Chef der Field Operation Section East hatte die Hände in den tiefen Taschen seiner Flanellhose. Die Hemdsärmel waren hochgekrempelt, die Krawatte hing ihm locker um den Hals.

Phil und ich saßen ihm in seinem Büro im J. Edgar Hoover Building gegenüber. Es ging um einen cold case, der nach Jahren plötzlich wieder verdammt heiß geworden war. Ein Serienkiller, dessen Serie vor drei Jahren aus einem nicht ermittelbaren Grund abgebrochen und jetzt mit zwei neuen Taten nach dem alten Muster wieder aktiv geworden war. Zwei Morde innerhalb sehr kurzer Zeit. Und es stand zu befürchten, dass er damit noch keineswegs genug hatte.

Mr High deutete auf das Bild auf dem Flachbildschirm. Es zeigte eine junge Frau, Ende zwanzig. »Brenda McNicholls stammt, genau wie alle anderen Opfer der ersten Serie, aus Allentown, Georgia, beziehungsweise der näheren Umgebung dieses Ortes«, erläuterte Mr High. »Aufgefunden wurden die Frauen allerdings an sehr unterschiedlichen Orten in mehreren Bundesstaaten. Und eines der Opfer war zwei Monate vor seiner Ermordung nach Baltimore gezogen.«

Mr High machte eine Pause und wandte sich uns zu. »Jetzt hat es zwei neue Fälle innerhalb kürzester Zeit gegeben. Die Art und Weise der Tatbegehung stimmt exakt mit den Allentown-Morden überein, sodass es eigentlich kaum einen Zweifel darüber geben kann, dass es sich um denselben Täter handelt.«

»Aber die Frauen aus den zwei neuen Fällen stammen nicht aus diesem Nest in Georgia?«, vergewisserte ich mich.

Mr High schüttelte den Kopf. »Nein, das ist richtig. Allerdings legen die bisherigen Ermittlungen nahe, dass die Herkunft der Frauen auch nicht das entscheidende Kriterium war. Aber lassen Sie mich zu Brenda McNicholls zurückkommen. Sie ist das erste Opfer gewesen, und alle Elemente, die bei den späteren Taten eine Rolle spielten, sind bei diesem Verbrechen bereits vorhanden.«

Mr High betätigte eine Fernbedienung, woraufhin wir ein weiteres Bild gezeigt bekamen. Es zeigte einen am Straßenrand abgestellten Honda Civic. Es war deutlich zu sehen, dass mit den Reifen etwas nicht stimmte. Einer war vollkommen platt, der andere hatte auch bei weitem zu wenig Luft, um sich damit noch in den Verkehr trauen zu können.

»Die damaligen Ermittler nehmen folgenden Tathergang an: Der Täter hat seinem Opfer aufgelauert und es beobachtet. Vermutlich an einer nahe gelegenen Tankstelle mit Drugstore hat er einen unbeobachteten Moment genutzt, um dafür zu sorgen, dass die Reifen Luft verlieren. Nach ein paar Meilen muss Brenda McNicholls bemerkt haben, dass mit dem Reifendruck etwas nicht in Ordnung war, und hielt an. Wenig später muss der Täter aufgetaucht sein. Er hat sein Opfer mit einer kleinkalibrigen Waffe getötet. Er verwendete ein Teilmantelgeschoss, das den Körper nicht durchdringt. Und das hatte seinen makabren Grund.«

Mr High zeigte uns eine weitere Aufnahme. Sie zeigte den Rücken von Brenda McNicholls, wie auf der Bildunterschrift zu sehen war, und war offenbar im Sektionsraum der Gerichtsmedizin aufgenommen worden.

»Vom Satan gezeichnet«, las Phil den Satz, der sich in Fraktur-Buchstaben vom Gesäßansatz bis zum Schulterblatt hinaufzog.

»Die Leiche von Brenda McNicholls wurde am Ortseingang von Allentown abgelegt«, berichtete Mr High. »Sie war bekleidet und war sitzend an ein Straßenschild gelehnt worden. Das war zwei Tage, nachdem ihr Wagen am Highway-Rand gefunden wurde.«

»In der Zwischenzeit hat der Täter ihr die Tätowierung beigebracht«, murmelte ich.

Mr High nickte. »Jedes Opfer bekam diesen Spruch auf den Rücken. Die Gestaltung wich manchmal etwas voneinander ab. Aber es gibt ein paar Eigenarten, die diesen Schriftzug unverwechselbar machen.«

Mr High zoomte den Schriftzug näher heran. Ein A nahm jetzt den gesamten Bildschirm ein. »Sehen Sie die zusätzlichen Schwünge, an deren Enden ein kleiner Schlangenkopf zu sehen ist?«

»Ja«, nickte ich.

»Dieses Detail wurde in den Medien nie erwähnt. Es wäre explizites Täterwissen und hätte eventuell helfen können, den Täter zu überführen. Die neuen Fälle haben dieselben Schwünge, die nach Ansicht unserer Sachverständigen wirklich sehr individuell sind.«

»So besteht kein Zweifel daran, dass die zwei neuen Fälle vom selben Täter begangen wurden?«, hakte ich nach.

»Sie haben die Einzelheiten natürlich in den Dossiers. Und unser Scientific Research Team in Quantico wird jeden Stein noch einmal umdrehen, da können Sie sicher sein. Und was die neuen Fälle angeht, sind die Untersuchungen natürlich noch nicht vollkommen abgeschlossen.« Mr High atmete tief durch und fuhr dann fort: »Aber wenn Sie mich fragen, dann kann es eigentlich keinen Zweifel geben, dass es derselbe Täter war.«

»Was ist mit der Waffe und den Projektilen?«, fragte Phil.

»Tja, der Tattoo-Mörder scheint eine vorsichtige Person zu sein. Er hat für jede Tat eine neue Waffe benutzt. Auch dazu finden Sie Einzelheiten in den Unterlagen. Immer dasselbe Kaliber, immer ein Teilmantelgeschoss, damit auf dem Rücken keine Austrittswunde entsteht, die ihm sein Tattoo-Kunstwerk wohl verdorben hätte, und immer mit Schalldämpfer. Das haben die Untersuchungen an den Projektilen eindeutig ergeben.«

»Immer derselbe Schalldämpfer?«, fragte Phil.

Mr High schüttelte den Kopf. »Wie ich schon sagte, dieser Täter war sehr vorsichtig. Er hat jedes Mal einen anderen Schalldämpfer verwendet.«

»So leicht, wie man in den meisten Staaten Waffen kaufen kann, wundert es mich ehrlich gesagt, dass überhaupt noch Täter eine Waffe mehrfach benutzen«, sagte ich.

»Vermutlich deshalb, weil die Täter die Möglichkeiten, die unsere Labors inzwischen zur Identifikation und Zuordnung von Waffen und Projektilen haben, immer noch erheblich unterschätzen«, vermutete Mr High.

»Wie auch immer, der Täter macht es uns nicht leicht. Schon bei den bisherigen Ermittlungen gingen die hinzugezogenen Polizeipsychologen davon aus, dass es sich um eine sehr vorsichtige Person handelt. Möglicherweise wirkt der Täter nach außen sehr unscheinbar, was es ihm erleichtert, sich seinen Opfern zu nähern, da er von niemandem als Bedrohung wahrgenommen wird.«

»Was könnte der Grund dafür sein, dass seine Serie eine Unterbrechung erfuhr?«, fragte ich.

Mr High hob die Augenbrauen. »Da kommen die üblichen Dinge in Frage: Gefängnisaufenthalt, ein Aufenthalt im Ausland, veränderte Lebensumstände, die dafür gesorgt haben, dass kein subjektiver Auslöser für die Taten mehr vorhanden war.«

»Und was könnte ein solcher Auslöser in diesem Fall gewesen sein?«, fragte ich. »Ich meine, wer seinen Opfern Vom Satan gezeichnet auf den Rücken sticht, scheint von einer Art morbider Mission erfüllt zu sein.«

»Ein wahnhaft veränderter Charakter liegt bei diesen Tatumständen nahe«, sagte Mr High. »Die Ermittler gingen zuerst von einem satanistischen Hintergrund aus. Jemand, der sich für auserwählt hält, im Auftrag des Satans irgendwelche Dinge zu tun, die dann ein neues Zeitalter einleiten sollen, oder etwas in der Art. Mir liegt allerdings jetzt ein Gutachten eines Profilers aus Quantico vor, der zu einem abweichenden Urteil kommt.«

»Inwiefern?«, fragte ich.

»Die Analyse ist Ihrem Datenmaterial beigefügt«, sagte Mr High. »Im Wesentlichen geht es darum, dass die Zeichnungen auf dem Rücken der Frauen beurteilt und interpretiert werden. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass es sich um einen Täter mit ausgeprägter Zwangsstörung handelt. Es könnte sein, dass er Büroklammern und Bleistifte abzählt, zwanghaft den Linien der Fugen auf dem Bürgersteig folgt oder sich zwanghaft wäscht. Seine Taten gehören demnach zu einem zwanghaften Ritual.«

»Und was haben die Tätowierungen damit zu tun?«, fragte Phil.

»Die Exaktheit, mit der die Details ausgearbeitet wurden, ginge weit über gewöhnliche Pedanterie hinaus.« Mr High zuckte die Schultern. »Sie können davon halten, was Sie wollen, es ist nur ein Gutachten. Der Profiler, der es angefertigt hat, ist noch ziemlich jung und gilt als aufsteigender Stern seiner Zunft. Er lehrt jetzt in Quantico und die Arbeit war seine Promotion.«

»Vielleicht sollten wir uns mal mit ihm unterhalten«, meinte Phil.

***

Den Rest des Tages verbrachten Phil und ich in erster Linie in unseren Büros. Wir telefonierten viel: mit dem FBI Field Office von Atlanta, Georgia, zu dessen Zuständigkeitsbereich Allentown gehörte, ebenso wie mit den Kollegen aus Richmond, Virginia, wo das letzte Opfer dieser Serie gefunden worden war.

Die Frau war auf einem Spielplatz gefunden worden. Der Täter hatte sie auf eine Bank gesetzt. Ein vorbeikommender Jogger hatte sie entdeckt. Man konnte nur froh sein, dass um die Zeit noch keine Kinder dort gewesen waren. Ich fragte mich, wie krank man sein musste, um so etwas zu tun.

Ansonsten machten Phil und ich uns mit den Einzelheiten dieser Mordserie vertraut, soweit dazu Erkenntnisse vorlagen.

Es gab einen ziemlich umfangreichen Berg an Material dazu. Beweismittel, Fotos, Analysen, ballistische Berichte, gerichtsmedizinische Berichte … Bei cold cases ist das nichts Ungewöhnliches. Meistens liegt jede Menge Datenmaterial vor, nur hatten in diesem Fall all diese gesammelten Informationen nicht dazu geführt, dass man dem Täter auf die Spur gekommen war. Es gab noch nicht einmal einen Tatverdächtigen.

Ein Lastwagenfahrer, der im Nebenjob ein schmuddeliges Tattoo-Studio in einem Außenbezirk von Atlanta betrieb, war kurzzeitig verhaftet worden. Aber der Verdacht gegen ihn hatte sich nicht einmal ansatzweise erhärtet.

Vor allem hatte er für den Mord Nummer drei der Serie, mit dem man ihn in Verbindung gebracht hatte, ein wasserdichtes Alibi: Er war nach einem Unfall mehrere Monate im Krankenhaus gewesen. Er hatte einfach keine Gelegenheit gehabt, die Tat zu begehen.

Und wenn man nach dem Gutachten des jungen Profiler-Kollegen aus Quantico ging, dann hätte er ohnehin nicht ins Profil gepasst.

***

Am nächsten Tag fuhren wir nach Quantico. Unter günstigsten Umständen braucht man eine Dreiviertelstunde von Washington bis zur FBI-Akademie. Aber da die Umstände selten günstig waren, musste man meistens mindestens die doppelte Fahrzeit einplanen.

Phil und ich fuhren mit meinem Jaguar.

Dr. Willson, der Gerichtsmediziner des Scientific Research Team, hatte inzwischen die letzten beiden Opfer auf dem Seziertisch gehabt.

Willson empfing uns an seinem Arbeitsplatz. Sein Kittel war mit reichlich Blut befleckt. Bei ihm war Dr. Fortesque, der Naturwissenschaftler des Teams, dessen britisch gefärbter Akzent immer leicht ein bisschen arrogant wirkte.

Willson und Fortesque waren so etwas wie das größtmögliche Gegensatzpaar. Der hemdsärmelige Texaner und der kultivierte Brite lieferten sich oft Wortgefechte und waren auch keineswegs immer einer Meinung. Aber jeder respektierte die Fähigkeiten des anderen und wusste, dass er sie nötig brauchte.

»Guten Morgen«, begrüßte uns Willson. »Auf lange Vorreden können wir sicher verzichten. Die grundlegenden Fakten dürften Ihnen ja schon bekannt sein.«

»Uns liegt umfangreiches Material vor«, nickte ich.

Willson wischte sich die Latexhandschuhe an der blutbefleckten Plastikschürze ab. »Ich habe versucht, die Tätowierungen unbeschädigt zu lassen – was bei dem Job, den ich zu machen habe, nicht ganz einfach ist.«