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Verschiedene Hinweise deuteten daraufhin, dass in den südwestlichen Staaten der Field Operation Section East etwas vorging. Wir konnten allerdings nicht den Finger auf etwas Konkretes legen, bis Jorge Martinez, Sohn eines Drogenbosses, bei einem illegalen Faustkampf getötet wurde. Von diesem Augenblick an überschlugen sich die Ereignisse und es stand uns ein Gangsterkrieg größten Ausmaßes bevor...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Laute und leise Schreie
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Film: »Scanner Cop«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4192-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Laute und leise Schreie
Jorge Martinez war eine gnadenlose Kampfmaschine.
Er konnte seine Fäuste so tödlich einsetzen wie andere Männer ein Messer oder eine Pistole.
Die Luft in der schäbigen Lagerhalle schien zu vibrieren. Hunderte Augenpaare waren auf Jorge und den anderen Mann gerichtet. Die Anfeuerungsrufe verstummten, plötzlich wurde es totenstill. Viel Geld würde fließen, die Zuschauer hatten hoch gewettet.
Der Kampf begann. Jorge wollte sofort kurzen Prozess machen, den anderen Mann auf den Betonboden schicken. Da erkannte er, dass man ihn hereingelegt hatte. Aber nun war es zu spät.
Minuten später lag der Latino in seinem Blut. Und er würde niemals wieder aufstehen.
»Agent Connors braucht unsere Hilfe.«
Mit diesen Worten sprach Mr High Phil und mich an, nachdem wir am Konferenztisch seines Büros Platz genommen hatten. Der Assistant Director hatte uns durch Dorothy Taylor zu sich rufen lassen. Und ein Blick in sein angespannt wirkendes Gesicht bewies mir, dass uns eine brisante Aufgabe bevorstand.
»Also gibt es Ärger in Florida, Sir?«
Der Chef seufzte.
»Nicht nur dort, Jerry. Wir müssen von einem möglichen Gangsterkrieg in der gesamten Region ausgehen. Auch Georgia und Alabama könnten betroffen sein. Daher bitte ich Sie, umgehend nach Miami zu fliegen und die Arbeit der betreffenden Field Offices zu koordinieren.«
»Es gibt also konkrete Hinweise auf Straftaten? Oder haben die Auseinandersetzungen schon begonnen?«
Diese Frage hatte Phil gestellt. Der Assistant Director blickte in seine Unterlagen.
»Ich nenne Ihnen zunächst die Fakten. Montagnacht meldete sich ein anonymer Anrufer beim Miami Police Department. Angeblich würde ein toter junger Mann in einer Lagerhalle im Hafen liegen. Ein Streifenwagen fuhr zu der angegebenen Adresse. Dort fanden die Officers eine männliche Leiche. Schnell wurde ihnen klar, dass ein Gewaltverbrechen vorlag. Der Körper wies zahlreiche Hämatome auf, außerdem hatte das Opfer vor seinem Tod offenbar stark aus Nase und Ohren geblutet.«
»Konnte der Tote schon identifiziert werden?«
»Ja, Jerry. Und daraufhin alarmierte das Miami PD sofort das dortige Field Office. Es handelt sich bei dem Ermordeten nämlich um Jorge Martinez.«
Phil riss die Augen auf.
»Die Martinez-Familie schwingt beim Skorpion-Kartell das Zepter, nicht wahr?«
Mr High nickte.
»Alonso Martinez ist einer der führenden Köpfe dieser weit verzweigten Drogenhändler-Organisation. Jorge war sein ältester Sohn. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass er den gewaltsamen Tod seines Erben nicht auf sich sitzen lässt. Alonso Martinez ist kein Alleinherrscher dieses Kartells, das nicht. Aber er führt hier in den Staaten die Geschäfte, während sein Cousin in der mexikanischen Zentrale das Sagen hat. Aber innerhalb des Kartells gibt es wahrscheinlich niemanden, der Martinez von seinen Racheplänen abhalten könnte.«
Phil nickte düster.
»Gibt es schon Hinweise auf den Täter?«
»Nicht direkt. Aber alles deutet darauf hin, dass Jorge Martinez während eines illegalen Faustkampfs ums Leben kam. Als die Cops ihn fanden, lag er mit nacktem Oberkörper in seinem Blut. Seine Fingerknöchel wiesen schlecht verheilte ältere Verletzungen auf.«
»Illegale Faustkämpfe werden ohne Boxhandschuhe ausgetragen«, sagte ich. »Alles deutet darauf hin, dass Jorge Martinez bei einem solchen Kampf ums Leben gekommen ist.«
»Ich stimme Ihnen zu, Jerry. In dieser Lagerhalle wurden außerdem zahlreiche Schuhabdrücke festgestellt, außerdem lagen Zigarettenkippen herum. Wir können also davon ausgehen, dass Martinez vor einem größeren Publikum totgeschlagen wurde.«
»Es gab also viele Augenzeugen«, meinte Phil. »Das nützt uns aber nichts, weil von denen garantiert keiner mit der Polizei oder dem FBI sprechen wird.«
»Es gibt also noch keinen Verdächtigen?«, vergewisserte ich mich.
»Nein, Jerry«, sagte Mr High. »Fliegen Sie nach Florida und lösen Sie den Fall, bevor es noch mehr Tote gibt.«
***
Up and Away hatte Plätze im nächsten Flieger für uns gebucht. Auf dem knapp dreistündigen Flug nach Miami nutzten wir die Zeit, um die Hintergründe des Verbrechens zu beleuchten. Phil hatte sein Notebook aufgeklappt. Wir unterhielten uns leise, sodass die anderen Passagiere von unserem Gespräch nichts mitbekamen.
»Das Skorpion-Kartell hat etliche Rivalen«, stellte Phil fest. »Die Kolumbianer, die Yakuza, die Kubaner, eine alteingesessene Iren-Gang – es gibt offenbar zu viele Akteure im Drogengeschäft, selbst in den ländlichen Regionen von Alabama und Georgia.«
»Ja, und unsere Kollegen sind wahrhaftig nicht untätig geblieben. Aber es ist, als ob man einer Hydra einen Kopf abschlagen würde. Es wächst sofort ein neuer nach. Leider ist es meist nur gelungen, kleine Fische hinter Gitter zu bringen.«
Phil rief ein neues Dokument auf.
»Wir müssen Agent Connors unbedingt nach Emilio Blanco fragen. Dieser Schurke ist offenbar ein führender Kopf des Skorpion-Kartells in Florida gewesen.«
»Ja, bis vor einem halben Jahr. Und plötzlich laufen die Fäden bei Alonso Martinez zusammen. Wurde Blanco abserviert? Oder hat man ihn einfach nur nach Mexiko zurückbeordert? Ich könnte mir vorstellen, dass er es nicht so lustig fand, seine Macht zu verlieren. Und wie könnte er seinen Nachfolger besser verletzen als durch den gewaltsamen Tod des Sohnes?«
Über Arbeitsmangel würden wir uns nicht beklagen können. Da war der Anblick des tiefblauen Ozeans und der Palmenwipfel beim Anflug auf den Miami International Airport ein kleiner Lichtblick.
Nachdem wir die Sicherheitskontrolle hinter uns gelassen hatten, wurden wir von Agent Violet Kelly erwartet. Wir stellten uns der jungen schwarzen Kollegin vor.
»Wir sind froh über die Unterstützung aus Washington. Ich fürchte, dass ein offener Gangsterkrieg in unserer Stadt viele unschuldige Opfer fordern würde.«
Sie brachte uns in einem Ford Interceptor Stealth zum Field Office in der 145th Avenue. Während der Fahrt sprachen wir weiter über den Fall.
»Kannten Sie das Opfer, Agent Kelly?«
»Nur flüchtig, Inspektor Cotton. Ich gehörte zu einem Überwachungsteam, das Jorge Martinez beschattet hat. Er war ein Muskelprotz, der jede freie Minute im Fitnessstudio verbracht hat. Eine Zeit lang bestand der Verdacht, dass sein Vater ihn in den direkten Straßenhandel einbinden will. Aber das war nicht so, jedenfalls konnten wir ihm niemals Kontakt zu anderen Dealern oder zu Süchtigen nachweisen. Irgendwann mussten wir die Beschattung abbrechen, weil Jorge Martinez ganz offensichtlich die Füße stillhielt.«
»Sein Dad wollte den Junior vielleicht einfach nicht an vorderster Front verheizen«, mutmaßte Phil.
Agent Kelly nickte. »Das denke ich auch. Jedenfalls war Martinez ein Angeber, der ständig mit einer getunten Corvette durch die Gegend kurvte.«
»Konnte das Auto sichergestellt werden?«
»Bisher noch nicht. Aber die Fahndung nach dem Fahrzeug läuft bereits.«
»Irgendwie muss ja das Opfer zum späteren Tatort gelangt sein«, stellte ich fest. »Wenn Jorge Martinez auf großem Fuß lebte, wird er wohl kaum den Stadtbus genommen haben.«
»Ich tippe auf ein Taxi«, meinte die einheimische Kollegin. »Aber kein Cabbie, der an seinem Leben hängt, wird mit uns zusammenarbeiten. Die meisten Taxifahrer in Miami sind Latinos. Und sie alle wissen, wie weit die Macht des Skorpion-Kartells reicht. Es hat erst kürzlich einige Taximorde gegeben. Die Ermittlungen der Cops ergaben, dass es sich bei den toten Fahrern um kleine Fische aus dem Drogenmilieu gehandelt hat. Sie verkauften wahrscheinlich ihre Substanzen direkt an eingeweihte Fahrgäste.«
»Wurden die Taten aufgeklärt?«
»Ja, das Skorpion-Kartell hatte nichts damit zu tun. Es war eine Racheaktion eines Vaters, dessen Tochter den Drogen zum Opfer gefallen war. Aber seitdem sind auch Taxifahrer, die nichts mit den Kartellen zu schaffen haben, ganz besonders schweigsam und vorsichtig geworden. Als Zeugen kann man sie momentan wohl wirklich vergessen.«
Ich dachte laut nach. »Und wenn die Corvette gestohlen worden ist? Wenn der Dieb während des Faustkampfs im Publikum war, dann wird er gewusst haben, dass der tote Besitzer ihn nicht mehr verfolgen konnte. Das ist eine sichere Gelegenheit, so ein teures Fahrzeug risikolos zu entwenden.«
Phil war skeptisch. »Risikolos? Da bin ich völlig anderer Meinung, Jerry. Meinst du wirklich, dass ein Kleinkrimineller so lebensmüde ist, das Skorpion-Kartell zu beklauen?«
»Er muss ja nicht unbedingt gewusst haben, dass Jorge Martinez zu dieser Organisation gehört hat. Auf jeden Fall will ich wissen, was aus dem Auto geworden ist. Wenn wir Glück haben, findet die CSI im Wageninneren noch Hinweise auf einen möglichen Täter.«
***
Wir erreichten das Field Office, wo wir bereits von Richard Connors erwartet wurden. Der stämmige Schwarze gab uns die Hand, dann nahmen wir gemeinsam mit ihm an seinem Konferenztisch Platz. Er brachte uns zunächst auf den neuesten Stand der Ermittlungen.
»Ich stehe im ständigen Kontakt mit Agent Galland aus Georgia und mit Agent Nomad aus Alabama«, berichtete der SAC. »Wir tun alles, um das Skorpion-Kartell im Auge zu behalten. Aber ich befürchte, dass noch mehr Kriminelle auf Martinez’ Lohnliste stehen, die bisher nicht in Erscheinung getreten sind. Und diese Verbrecher haben wir daher nicht auf dem Radar.«
»Wissen Sie, was aus Emilio Blanco geworden ist? Kann er in die Sache verwickelt sein?«
Agent Connors wiegte den Kopf.
»Martinez’ Vorgänger war plötzlich von einem Tag auf den anderen von der Bildfläche verschwunden. Allerdings konnten wir keinen Hinweis auf eine Straftat feststellen. Glauben Sie, dass er tot ist und Jorge Martinez sozusagen aus Rache umgebracht wurde?«
»Das wäre zumindest eine Möglichkeit. Es sind aber auch andere Varianten denkbar. Wir sollten Kontakt zu den Federales aufnehmen. Falls Blanco in sein Heimatland zurückgekehrt ist, dann wissen unsere mexikanischen Kollegen vielleicht darüber Bescheid.«
»Wieso konnte der junge, starke Jorge Martinez so einfach totgeschlagen werden?«, wollte Phil wissen. »Ich gehe davon aus, dass er nicht zum ersten Mal in einen Faustkampf verwickelt wurde.«
»Das ist eine gute Frage, Inspektor Decker. Das Obduktionsergebnis steht noch aus. Ich erwarte allerdings jeden Moment einen Anruf vom gerichtsmedizinischen Institut.«
»Hat bereits jemand mit der Familie des Opfers gesprochen?«
»Nein, Inspektor Cotton. Ich habe es mir für den heutigen Tag vorgenommen. Gestern wollte ich mit Alonso Martinez telefonieren, aber laut seiner Frau hatte er einen Kreislaufkollaps erlitten und musste in eine Klinik eingeliefert werden.«
»Wahrscheinlich hat ihm bereits jemand die Todesnachricht überbracht. Daraufhin ist er zusammengebrochen«, vermutete ich. »Inspektor Decker und ich werden ihn heute aufsuchen, ob nun im Krankenhaus, in seinem Unternehmen oder zu Hause.«
Plötzlich platzte Agent Kelly herein.
»Verzeihen Sie die Störung«, rief sie mit ihrer hellen Stimme. »Wir haben soeben eine Nachricht vom Miami PD erhalten. Eine Streifenwagenbesatzung hat die Corvette von Martinez gefunden. Der vermisste Wagen steht auf einem Supermarktparkplatz. Die Adresse lautete 1011 Tigertail Avenue. Die Cops warten auf Anweisungen.«
»Die Officers sollen abwarten und beobachten«, sagte ich und stand auf. »Wir fahren gleich dorthin, um uns die Sache selbst anzuschauen.«
Phil und ich eilten hinaus und stiegen in den Ford Interceptor, den wir während unseres Aufenthalts in Florida benutzen konnten. Innerhalb von sieben Minuten erreichten wir den Parkplatz. Die Tigertail Avenue befand sich in Küstennähe, hinter den Häusern einer Parallelstraße glitzerte das Wasser der Biscayne Bay.
Ich entdeckte den Streifenwagen des Miami PD, der am westlichen Rand des Parkplatzes im Schatten stand. Dorthin fuhr ich nun ebenfalls. Wir stiegen aus. Der Officer am Lenkrad ließ die Seitenscheibe herunter, und ich zeigte ihm meine Dienstmarke.
»Danke, dass Sie so aufmerksam gewesen sind. Ist die dunkelblaue Corvette in der zweiten Reihe von links das gesuchte Fahrzeug?«
Der Latino-Cop mit Sonnenbrille nickte.
»So ist es. Wir sind vorhin kurz daran vorbeigefahren. Das Kennzeichen stimmt, das ist der Wagen von der Fahndungsliste. Es saß niemand darin. Ich vermute, dass der Täter entweder einkauft oder in dem Fastfood-Restaurant dort drüben isst.«
»Wenn er zurückkommt, werden wir ihn verfolgen. Wenn wir Glück haben, führt er uns zu seinen Komplizen.«
»Was sollen wir tun?«, fragte der Cop.
»Sie fahren besser weg. Der Verdächtige könnte misstrauisch werden, wenn er ein markiertes Einsatzfahrzeug sieht. Aber wir bedanken uns für Ihre Hilfe.«
Der Officer nickte mir zu. Gleich darauf glitt der Ford Crown Victoria des Miami PD vom Parkplatz und verschwand im Verkehrsgefühl der viel befahrenen Straße.
Ich setzte mich wieder in unseren Wagen. Wir hatten so geparkt, dass wir die Corvette unauffällig im Auge behalten konnten.
»Glaubst du, dass eine rivalisierende Drogengang das Auto des toten Martinez geklaut hat, Jerry?«
»Möglich wäre es. Entweder als Trophäe oder um Spuren zu beseitigen. Womöglich hatte Martinez auch etwas in seinem Auto, das sie unbedingt haben wollten.«
»Wenn das Verbrechen vertuscht werden sollte, wäre es sinnvoller gewesen, die Leiche zu beseitigen.«
»Sie könnten gestört worden sein oder …«
Ich unterbrach mich selbst, denn nun steuerte ein junger Weißer auf die Corvette zu. Auf den ersten Blick wirkte er mit seinen Bermudashorts und seinem weiten roten Hemd wie ein normaler Bewohner Floridas oder wie ein Tourist. Doch Phil und mir konnte er nichts vormachen. Seine Körpersprache und seine unruhige Art verrieten, dass er ein Drogenproblem hatte. Seine Bewegungen waren fahrig und abgehackt. Womöglich stand er momentan auch unter dem Einfluss von Drogen.
Der Verdächtige startete den gestohlenen Wagen und bewegte sich auf die Ausfahrt des Parkplatzes zu. Wir folgten ihm mit einigem Abstand. Phil nahm Kontakt mit der Funkzentrale auf und gab unsere Position durch.
Der Verdächtige fuhr auf der Tigertail Avenue Richtung Süden. Dabei fiel auf, dass er immer wieder abwechselnd beschleunigte und abbremste.
»Entweder kommt der Kerl mit dem Auto nicht zurecht oder er ist nicht bei Sinnen«, meinte Phil. »Wahrscheinlich beides.«
Ich nickte.
»Wir müssen die Corvette stoppen, bevor der Täter einen Unfall verursacht.«
Also schaltete ich das rot-blaue Warnlicht ein und trat aufs Gaspedal. Als der Corvette-Fahrer unseren Ford Interceptor im Rückspiegel erblickte, drehte er endgültig durch.
Die Corvette schoss vorwärts, wobei sie einen Buick auf der Parallelfahrbahn touchierte. Mehrere andere Verkehrsteilnehmer hupten empört, denn der Flüchtende prügelte seinen Wagen nun im Verkehrsfluss rücksichtslos vorwärts.
Ich schaltete die Sirene ein. Phil griff zum Funkgerät.
»Inspektor Cotton und Inspektor Decker verfolgen eine blaue Corvette mit Florida-Kennzeichen auf der Tigertail Avenue. Der Fahrer biegt soeben Richtung South Bayshore Drive ab. Die Person ist womöglich bewaffnet. Wir bitten um Unterstützung.«
Die Verfolgungsjagd führte uns nun Richtung Coconut Grove. Die Corvette überfuhr eine rote Ampel, erhöhte weiter die Geschwindigkeit. Ein guter Fahrer hätte uns vielleicht sogar entkommen können. Aber der Flüchtende war in Panik, das merkte man sofort. Und er hatte den Wagen nicht im Griff.
Natürlich bekamen auch die anderen Verkehrsteilnehmer mit, dass eine wilde Verfolgungsjagd im Gang war. Sie fuhren zur Seite, um unseren Ford Interceptor durchzulassen. Wir hatten nicht so viele PS unter der Motorhaube wie unser Gegenspieler. Aber trotzdem schaffte ich es, die Distanz zu verkürzen.
Die Corvette touchierte eine Bordsteinkante und verlor dabei eine Radkappe. Der Wagen geriet ins Schlingern. Ich hoffte darauf, dass der Verbrecher den Motor abwürgte. Aber er schaffte es im letzten Moment doch noch, seinen Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen.
Weiter vor uns erblickten wir die Schiffsmasten des Coconut Grove Sailing Club. Das Vereinsgelände lag direkt neben dem South Bayshore Drive. Dort gab es eine scharfe Rechtskurve. Und der Corvette-Fahrer raste ungebremst dort hinein.
»Das geht schief!«, rief Phil mir zu. Ich konnte ihm nicht widersprechen. Noch waren wir zu weit entfernt, um eingreifen zu können.
Der Verbrecher verlor die Kontrolle über den Sportflitzer. Die Corvette überschlug sich gleich mehrfach. Glas klirrte, Metall zerbarst. Die irrsinnige Geschwindigkeit hatte das Auto quer über die Gegenfahrbahn hinweggeschleudert. Zum Glück kam kein Unbeteiligter zu Schaden. Schließlich krachte das Autowrack gegen den massiven Zaun des Yachtclubs, kam dort auf dem Dach zum Liegen. Im nächsten Moment ging die Corvette in Flammen auf.
Ich stieg in die Bremsen.
Phil und ich sprangen aus dem Ford und rannten auf das brennende Wrack zu. Ich hatte einen Handfeuerlöscher, dessen Schaumstrahl ich nun auf die Flammenhölle richtete. Aber es war, als ob man einen See mit Hilfe eines Eimers leerschöpfen wollte.
Phil hatte bereits das Fire Department angerufen. Es vergingen quälend lange Minuten, bis endlich die Löschfahrzeuge eintrafen. Mir war bewusst, dass für den Fahrer jede Hilfe zu spät kam. Und diese Einschätzung erwies sich leider als richtig. Die Rettungssanitäter konnten später nur noch eine verkohlte Leiche aus dem zerbeulten Wrack ziehen.
***
Wer hatte Jorge Martinez’ Corvette gestohlen?
Diese Frage mussten wir einstweilen zurückstellen, denn der Dieb war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Natürlich würden die Pathologen trotzdem versuchen, seine Identität zu ermitteln. Aber einstweilen konzentrierten Phil und ich uns auf das ursprüngliche Opfer, dem seine Leidenschaft für Faustkämpfe offenbar zum Verhängnis geworden war.
SAC Connors rief mich an.
»Die Obduktion von Martinez ist abgeschlossen. Wollen Sie persönlich mit dem Gerichtsmediziner sprechen?«