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Innerhalb kurzer Zeit wurden mehrere Banken entlang der Ostküste ausgeraubt. Die Analyse des Bildmaterials mehrerer Überwachungskameras legte den Schluss nahe, dass immer dieselben Täter am Werk gewesen sein mussten - ihrem Vorgehen nach zu urteilen, eiskalte Profis. Der Verdacht fiel schnell auf zwei bekannte Bankräuber: James McFay und Kevin Denozo. Doch die hatten wasserdichte Alibis ...
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Den Tod vor Augen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild des Films: »Die Macht der Gewalt«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4076-1
www.bastei-entertainment.de
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www.bastei.de
Den Tod vor Augen
Wie jeden Morgen ging Bankdirektor Thomas Mason vom Parkplatz über die Straße zu seinem Arbeitsplatz im beschaulichen Petersburg, grüßte freundlich ein paar Leute auf der Straße, wartete auf seine Sekretärin Paula Wilkins und öffnete dann die Seitentür der Geschäftsräume.
Er machte seine übliche Runde durch den Schalterraum und die dahinter liegenden Büros, als ihm auffiel, dass eine Tür, die eigentlich verschlossen sein sollte, offenstand.
»Merkwürdig«, sagte er zu sich selbst.
Ihn beschlich ein unangenehmes Gefühl. Wenige Schritte weiter stockte ihm der Atem, und er wurde bleich im Gesicht. Die schwere Tresortür stand sperrangelweit offen.
»Hilfe! Wir sind ausgeraubt worden!«, schrie er.
Ich kam an diesem Morgen etwas später als üblich ins J. Edgar Hoover Building, da ich noch im Field Office Washington gewesen war, um einige Unterlagen abzuholen. Alles geht halt noch nicht auf elektronischem Weg, besonders, wenn es sich unter anderem um eine Tatwaffe handelt. Als ich, nachdem ich die Waffe in der Abteilung IV abgeliefert hatte, die Tür meines Büros öffnete, stieß ich mit Phil zusammen, der gerade heraus wollte.
»Da bist du ja endlich«, sagte er vorwurfsvoll, als wäre ich ein notorischer Zuspätkommer.
»Nun mal langsam, Kollege«, antwortete ich ihm. »Ich …«
»Keine Zeit, Jerry! Mister High wartet auf uns.«
»So dringend?«, fragte ich nach und legte meine Jacke über einen der Besucherstühle.
»Ich denke schon, zumindest hat Dorothy so etwas durchblicken lassen.«
»Wenn das so ist …«, räumte ich ein, und wir machten uns auf den Weg. Wir erreichten kurz darauf Mr Highs Vorzimmer, wo uns Dorothy freundlich begrüßte und auf die Tür zu Mr Highs Büro deutete.
»Dann wollen wir ihn mal nicht länger warten lassen«, sagte ich, klopfte an der Tür und betrat mit Phil das Büro des Assistant Director.
Mr High schaute kurz auf und bedeutete uns Platz zu nehmen. »Gut, dass Sie da sind. Es gibt Arbeit. Allan Mendoza, Leiter des Field Office Richmond in Virginia, und Charles McDean, Leiter des Field Office Charlotte in North Carolina, haben uns um Unterstützung gebeten. Seit ein paar Wochen ist in beiden Bundesstaaten eine Gruppe von Bankräubern unterwegs, die den dortigen Ermittlern Ärger bereitet. Angefangen haben sie in Durham, North Carolina, dann folgte Richmond, Virginia, anschließend war mit Greenville wieder eine Stadt in North Carolina an der Reihe. Vor anderthalb Wochen haben sie in Charlottesville, Virginia, zugeschlagen und letzte Nacht in Petersburg, Virginia. Die Bande geht überaus professionell vor, hinterlässt kaum Spuren und gibt Allan, Charles und ihren Leuten eine Menge Rätsel auf. Insgesamt haben sie bisher über zwei Millionen Dollar erbeutet. Sie sind so effektiv und erfolgreich, dass unsere Kollegen fürchten, sie könnten sich bald zur Ruhe setzen und damit für immer von der Bildfläche verschwinden.«
Phil nickte. »Und da kommen wir ins Spiel, um genau das zu verhindern.«
»So ist es«, bestätigte Mr High. »Das sind nicht irgendwelche Verbrecher, die mal ein paar Banken ausrauben und schließlich so viele Fehler machen, dass sie geschnappt werden. Es handelt sich um Profis, die, abgesehen vom Sachschaden, auch der Reputation des FBI schaden. In den Medien werden sie inzwischen als Die Unfassbaren bezeichnet, teilweise fast bejubelt, während die Ermittlungsbehörden, vor allem das FBI, als unfähig dargestellt werden. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben, und zwar schnell. Director Fuller hat mich gerade in sein Büro zitiert und mir klargemacht, dass die Situation schnell bereinigt werden sollte. Das hat neben den eigentlichen Verbrechen auch politische Hintergründe, auf die wir aber nicht näher einzugehen brauchen.«
»Ja, Washington ist ein politisches Haifischbecken«, bemerkte Phil.
Mr High nickte. Seit er zum Leiter der Field Operation Section East befördert worden war, hatte er weitaus mehr mit Politik zu tun als noch in New York.
»Da der letzte Überfall in Petersburg, nicht weit von Richmond entfernt, stattgefunden hat, nehme ich an, dass Sie mit Ihren Ermittlungen dort beginnen wollen. Natürlich liegt es in Ihrem Ermessen, wie Sie vorgehen und wo Sie beginnen wollen.«
»Petersburg hört sich gut an«, sagte ich und schaute Phil an. »Wir sollten auf jeden Fall Dr. Fortesque mitnehmen, um nach Spuren zu suchen, besser auch Gerold. Gab es eigentlich Verletzte oder Tote?«
Mr High schüttelte den Kopf. »Tote bisher glücklicherweise nicht und, soweit ich weiß, auch keine Verletzten. Die Täter haben gewöhnlich in der Nacht zugeschlagen. Und sie suchen sich Banken aus, die keinen Nachtwächter haben, also eher kleine Filialen.«
»Ist immerhin ein netter Zug von ihnen«, meinte Phil.
»Was nicht bedeutet, dass sie sich nicht zur Wehr setzen, wenn sie in die Enge gedrängt werden«, gab ich zu bedenken.
Von meinem Büro aus kontaktierten wir Dr. Willson, den Mediziner und Forensiker unseres Scientific-Research-Teams.
»Howdy«, begrüßte er uns mit leichtem texanischem Akzent. »Ich hoffe, es gibt wieder etwas Interessantes zu tun.«
»Da haben wir genau das Richtige für Sie«, sagte Phil. »Eine Serie von Banküberfällen. Und wir wollen Sie und FGF dabeihaben. Gibt sicher einiges zu tun.«
»Sehr gut! Wann geht es los? Und wohin?«
»Wir müssen zuerst nach Richmond, Virginia. Am besten nehmen Sie Ihren Wagen. Wann können Sie hier sein?«
»Sollte nicht länger als ein bis anderthalb Stunden dauern«, antwortete er. »FGF hat, soweit ich weiß, auch nichts vor. Und falls doch, werde ich es ihm schon austreiben.«
»Machen Sie das«, sagte ich. »Wir treffen uns in der FBI-Zentrale und fahren dann mit zwei Fahrzeugen.«
»Kann es kaum erwarten«, sagte er und beendete das Gespräch.
***
»Haben Sie irgendwelche Unterlagen über den Fall dabei?«, fragte Gerold, als wir uns mit ihm und Dr. Fortesque vor dem J. Edgar Hoover Building trafen.
»Ein paar«, antwortete Phil. »Kann ich Ihnen gleich geben. Dann können Sie während der Fahrt darübergehen.«
»Genau das hatte ich vor«, erwiderte er.
»Na prima«, bemerkte Fortesque. »Ich sitze mal wieder neben Mister Texas.«
Gerold klopfte ihm auf die Schulter. »Wir werden das schon überleben, Teebeutel.«
Frederik nickte. »In der Tat, Kuhschwanz, oder ist das nicht die korrekte texanische Bezeichnung?«
Die beiden setzten ihre Unterhaltung glücklicherweise im Wagen fort. Als Phil und ich im Jaguar losfuhren, folgten sie uns.
»Wäre für den Teamgeist nicht schlecht gewesen, wenn wir Mai-Lin und Conchita auch mitgenommen hätten«, sagte Phil.
»Da hast du recht. Aber ich wüsste nicht, wofür wir sie vor Ort brauchen könnten. Falls es ein paar Handys zu überprüfen gilt, kann Mai-Lin das von Quantico aus erledigen. Und was Conchita betrifft, glaube ich nicht, dass die Bankräuber ihre Beute irgendwo einzahlen werden. So leicht werden sie es uns kaum machen.«
»Nein, wahrscheinlich nicht. War nur so ein Gedanke.«
Ich lächelte. »Wem sagst du das.«
Während der Fahrt, die hauptsächlich über die Interstate 95 nach Süden führte, achtete ich darauf, dass Willson und Fortesque uns problemlos folgen konnten.
Wir fuhren an Richmond vorbei und direkt zum ein paar Meilen südlich gelegenen Petersburg, ein kleiner Vorort mit rund 30.000 Einwohnern. Nicht groß, aber groß genug, um als Fremde nicht direkt aufzufallen.
Vor der Filiale der First Atlantic Bank, die beraubt worden war, befand sich eine weiträumige Absperrung. Entsprechend parkten wir in einiger Entfernung und stiegen aus.
Vor Ort wimmelte es von Einsatzkräften, vor allem von der lokalen Polizei. Auch einige FBI-Agents waren darunter, dazu noch Sanitäter – und natürlich Vertreter der Medien.
»Warum steht dort ein Krankenwagen?«, fragte Phil. »Ist doch jemand verletzt worden? Davon habe ich nichts gehört.«
»Finden wir es heraus«, sagte ich und ging los.
Willson und Fortesque folgten uns.
An der Absperrung stellte sich uns ein Cop in den Weg und musterte uns argwöhnisch, ganz so, als ob wir die Bankräuber wären, die an den Ort des Verbrechens zurückkehrten.
»Halt!«, befahl er und hob die Hand. »Dieser Bereich ist abgesperrt.«
»Ist nicht zu übersehen«, erwiderte Phil und zückte seine Dienstmarke. »Vorzügliche Arbeit. Da das unser Fall ist, freut uns alles, was unsere Arbeit unterstützt.«
Der Cop schluckte. »Gut, Sir, Sie können natürlich in den abgesperrten Bereich.«
»Danke. Wissen Sie, warum der Krankenwagen hier ist? Wurde jemand verletzt?«
»Soweit ich weiß, hatte der Filialleiter der Bank ein paar Herzprobleme. Der Notarzt hat ihn untersucht, war aber nichts Schlimmes. Das ist jetzt schon ein paar Stunden her, keine Ahnung, warum der Wagen noch da ist. Wurde wahrscheinlich noch nicht woanders gebraucht.«
»Also gab es keine Verletzten, oder?«
»Nein, keine.«
»Gut. Immerhin etwas. Uns wurde gesagt, dass ein gewisser Agent Timothy Nizram vor Ort wäre. Wo finden wir ihn?«
»Der müsste in der Bank sein, denke ich. Habe ihn hier draußen länger nicht gesehen.«
Phil bedankte sich, dann gingen wir zur Bank. Drinnen war nicht so viel los wie draußen.
Ein weiterer Cop sprach uns an. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Wir sind von der FBI-Zentrale aus D.C. und wollten zu Agent Nizram«, antwortete ich.
»Ich bringe Sie zu ihm«, sagte er und ging vor uns her.
Agent Nizram war ein Mann von Anfang sechzig, recht alt für einen Agent, machte aber einen durchtrainierten Eindruck. Er hielt sich sein Smartphone ans Ohr und telefonierte, bemerkte uns aber sofort, als wir uns ihm näherten.
»Sie sind gerade angekommen«, hörte ich ihn sagen.
Dann steckte er sein Handy weg, kam auf uns zu und begrüßte uns. »Die Verstärkung aus der Zentrale, oder sollte ich besser sagen, die Ablösung? Herzlich willkommen.«
Wir hielten die Begrüßung kurz und kamen gleich auf den Fall zu sprechen.
»Was können Sie uns sagen?«, fragte Phil.
»Das waren richtig ausgebuffte Typen«, erklärte der Agent. »Ich habe in meinen Jahren beim FBI viele Banküberfälle bearbeitet, aber dieser hier ist einer derjenigen, die am reibungslosesten durchgezogen wurden. Die sind nicht einfach mit gezogenen Waffen in die Schalterhalle gestürmt und haben alle bedroht, nein, sie sind nachts gekommen, haben die Alarmsysteme lahmgelegt, die Kameras ausgeschaltet, sich dann Zugang zum Tresorraum verschafft und sind mit dem Bargeld und Edelmetall abgehauen. Schmuck oder Wertgegenstände, die man identifizieren könnte, haben sie im Tresorraum gelassen, auch die Schließfächer der Kunden haben sie nicht angerührt.«
»Und sie haben keine Spuren hinterlassen?«, fragte Phil.
»Die Crime Scene Unit ist noch dabei zu suchen, hat aber bisher nicht viel«, antwortete er.
»Das ist unser Stichwort«, meinte Willson und machte sich mit Fortesque auf den Weg zur CSU.
»Wir haben sie auf Video«, berichtete der Agent. »Was nicht viel ist, weil sie vermummt waren. Es handelt sich aber um mindestens drei Personen, das ist klar. Darüber hinaus ist die Aufnahme nicht sehr lang, sie haben die Kameras recht schnell abgeschaltet. Auffällig ist, dass sie in der Lage waren, das Sicherheitssystem außer Betrieb zu setzen. Sogar den stillen Alarm, der in manchen Situationen ausgelöst wird. Entsprechend ist davon auszugehen, dass sie über Insiderkenntnisse verfügen.«
»Sie meinen, es könnte sich um Bankangestellte handeln?«
Er nickte. »Ja, gegenwärtige, ehemalige oder Personen, die sonst darüber Bescheid wissen, sowie einige Cops, Agents, Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen, solche Personen eben.«
»Das werden wir auf jeden Fall in Betracht ziehen«, sagte ich.
Ich musterte ihn kurz. Man merkte ihm an, dass er bereits lange dabei war und in seinen vielen Dienstjahren eine Menge Erfahrung gesammelt hatte.
»Wie lange sind Sie schon dabei?«, fragte ich ihm.
Er lächelte. »Hatte gerade mein dreißigjähriges Jubiläum. Das ist eine ganz schön lange Zeit, wenn man mit Verbrecherjagd zu tun hat. Vorher war ich Profisportler, musste aber aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Hat etwas gedauert, bis ich zum FBI gekommen bin, habe es aber nie bereut. Wie auch immer, wollen Sie die Aufzeichnungen sehen?«
Ich nickte. »Keine Frage.«
Er führte uns zu einem Kollegen, der ein Notebook dabeihatte. »Reynolds, können Sie mal abspielen, was wir von den Tätern an Videomaterial haben?«
»Klar«, antwortete der, drückte ein paar Knöpfe und schon erschien etwas auf dem Monitor, das wie der Hinterhof der Bank aussah. Es war dunkel. Zunächst geschah nichts. Zwei entfernte Laternen spendeten schwaches Licht. Dann war ein weißer Lieferwagen zu sehen, dessen Kennzeichen unkenntlich gemacht worden war.
»Nach dem Wagen fahnden wir bereits«, nahm Agent Nizram meine Frage voraus. »Noch ohne Erfolg. Bei den vorangegangenen Überfällen haben sie das Fahrzeug verbrannt, um Spuren zu beseitigen. Das wird diesmal wohl kaum anders sein. Die einzige Chance, die wir haben, besteht darin, schnell zu sein. Die Brände wurden bisher durch Zeitschaltungen ausgelöst, sodass die Räuber schon weit weg waren, als die Fahrzeuge in Flammen aufgingen.«
»Gar nicht dumm«, bemerkte Phil.
Auf dem Video war jetzt zu erkennen, wie zwei Gestalten, wahrscheinlich Männer, aus dem Wagen stiegen und einer am Steuer sitzen blieb. Ihre Gesichter waren maskiert. Kurz darauf wurde das Bild schwarz.
»Da haben sie die Kamera mit einer Art Bauschaum besprüht«, erklärte der Agent. »Weiteres Videomaterial, auf dem sie zu sehen sind, existiert nicht.«
»Das ist nicht viel, wirklich nicht«, sagte ich. »Schicken Sie eine Kopie davon nach Quantico. Unsere Computerspezialistin, Dr. Mai-Lin Cha, wird es sich vornehmen, vielleicht kann sie etwas herausfinden, das uns weiterhilft.«
»Wird erledigt«, bestätigte Agent Reynolds.
Ich wandte mich an Agent Nizram. »Wie sieht es mit Zeugen aus? Hat irgendjemand aus der Nachbarschaft etwas gesehen?«
»Nicht wirklich«, antwortete er. »Es hat sich ein Mann gemeldet, der den Lieferwagen gesehen hat. Er wartet nebenan. Und dann haben wir den Filialleiter und seine Sekretärin, die heute als Erste in der Bank waren.«
»Wir reden erst mit dem Zeugen«, bestimmte ich. »Wo ist er?«
»Folgen Sie mir, ich bringe Sie zu ihm«, sagte er und ging los.
Wir kamen in ein Bürozimmer, in dem ein Mann von Anfang zwanzig saß. Er war groß und dürr, unrasiert und machte keinen gepflegten Eindruck.
»Ah, endlich, kann ich jetzt gehen?«, fragte er.
»Mister Woolworth, die beiden Herren wollen noch mit Ihnen reden«, antwortete Agent Nizram. »Gedulden Sie sich also bitte noch einen Augenblick.«
»Wenn ich dann gehen kann«, murrte er widerwillig.
»Es geht um den weißen Lieferwagen, den Sie gestern Nacht gesehen haben«, erklärte ich. »Würden Sie uns bitte genau erzählen, was Sie gesehen haben?«
Er zuckte die Schultern. »Da gibt es nicht viel zu erzählen, und ich habe schon alles ausgesagt. Es muss so gegen zwei gewesen sein, ich konnte nicht schlafen, bin raus und ging ein wenig spazieren. Da war überhaupt nichts los, keine Autos, keine Menschenseele. Ist auch normal um die Zeit, nehme ich an.«
»Was ist dann passiert?«, fragte Phil.
»Ich war gerade in einer Seitengasse unterwegs, als ich diesen weißen Lieferwagen sah, der an mir vorbeifuhr, Richtung Bank. Da saßen zwei Männer vorne drin. Habe sie nicht gut sehen können, das Licht war schwach, und ich habe sie nur zwei oder drei Sekunden gesehen.«
»Beschreiben Sie die beiden, wie haben sie ausgesehen?«
»Es waren Weiße, alle beide. Soweit ich sehen konnte ohne Bart. Sonst gab es nichts Auffälliges. Wie gesagt, so genau habe ich sie nicht gesehen.«
»Also Weiße«, wiederholte ich. »Möglicherweise auch Lateinamerikaner? Oder Asiaten?«
Woolworth schüttelte den Kopf. »Nein, nein, so richtig weiß, mitteleuropäischer Abstammung halt. Aber die Gesichtszüge, dazu kann ich nicht viel sagen. Sorry, wenn ich gewusst hätte, dass die in die Bank einbrechen wollen, hätte ich besser aufgepasst.«
»Schon in Ordnung«, sagte ich. »Und der Wagen, hatte der eine Aufschrift?«
»Ja, irgendwas mit Strom, Electric Services stand da drauf.«
»Wir haben die Firma überprüft, die gibt es hier in der Gegend nicht«, sagte Agent Nizram. »Und wie schon erwähnt, die Suche nach dem Wagen läuft im gesamten Bundesstaat, darüber hinaus auch in North Carolina, weil die Täter auch dort schon aktiv waren.«
Mehr konnte uns der Zeuge nicht erzählen, also ließen wir ihn gehen.
»Gut, dann der Filialleiter und seine Sekretärin«, sagte Phil.
»Die sitzen zwei Zimmer weiter«, sagte der Agent und führte uns zu ihnen.
Als wir das Zimmer verließen, kam Fortesque an uns vorbeigelaufen. »Mann, die haben hier noch so einiges zu lernen.«
Er sah nicht glücklich aus, registrierte uns nicht einmal und ging einfach weiter.
***
Das Büro, in das der Agent uns brachte, war größer als das, in dem der Zeuge gewartet hatte. An der Tür war der Name des Filialleiters Thomas Mason zu lesen.
Er schaute auf, als wir eintraten. Das Gesicht des etwa fünfzigjährigen Mannes war bleich, zusammengefallen, er sah aus, als wäre er krank.