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In verschiedenen Bundesstaaten tauchten drei Leichen auf - bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Doch durch DNA-Tests und Abgleich der Fingerabdrücke konnten die Opfer identifiziert werden. Danach war klar: Alle drei hatten vor zwanzig Jahren im Prozess gegen die kalabrische Mafia ausgesagt. Obwohl das Ndrangheta-Kartell daraufhin zerschlagen wurde, machte jetzt offenbar irgendjemand Jagd auf die damaligen Kronzeugen, die ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden waren. Als Phil und ich bei unseren Ermittlungen endlich auf eine heiße Spur stießen, nahm der Mörder uns ins Visier ...
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Der Morgen danach
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild des Films: »Insomnia – Schlaflos«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4356-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
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Der Morgen danach
»Was für ein Erlebnis!«
In der Stimme des Mannes schwang Angst mit. Dabei war alles nur ein großer Spaß. Man hatte sie mit verbundenen Augen in diesen Raum geführt, in den kein Lichtschimmer drang. Als man ihnen die Binden abnahm, waren sie völlig orientierungslos. Sie saßen an langen Tischen, an denen Blinde opulente Speisen auftrugen.
Vermutlich würden sie sich zu guter Letzt alle bekleckert haben wie kleine Kinder, dachte der Mann. Ihm war nicht wohl in seiner Haut. Warum hatte er sich bloß auf diesen Blödsinn eingelassen? Er sehnte sich nach dem Augenblick, in dem am Ende dieses unsinnig teuren Spektakels die Kerzen entzündet würden und der Spuk vorbei war.
Lautes Stimmengewirr hallte durch den unsichtbaren Raum. Irgendwo ging ein Glas zu Bruch. Jemand lachte schrill auf.
Es war unmöglich, die Schritte zu vernehmen, die sich dem Mann von hinten näherten.
Als eine Hand seine Schulter berührte, zuckte der Mann zusammen.
»Was …?«, stotterte er.
Niemand hörte die Schüsse, die aus nächster Nähe auf sein Gesicht abgefeuert wurden.
Das Klingeln des Telefons hatte Sheriff Marc Hobroken unsanft aus dem Schlaf gerissen. Benommen tastete er nach dem Mobilteil und brummte seinen Namen in die Muschel. Eine hysterische Stimme redete auf ihn ein. Es dauerte einige Sekunden, bis er die Nachricht verdaut hatte. Dann riss er die Bettdecke weg und sprang auf die Füße. Ein stechender Schmerz im linken Knie erinnerte ihn daran, dass er nicht mehr der Jüngste war. Fluchend und leicht hinkend machte er sich auf den Weg ins Badezimmer. Aus dem offenen Fenster neben der Toilette drang eisige Winterluft. Mit einer unwirschen Bewegung verschloss er es. Stöhnend ließ er sich auf der Klobrille nieder. Er nutzte die kurze Verschnaufpause, um darüber nachzudenken, ob er sich noch fünf Minuten unter der Dusche gönnen sollte. Er verwarf den Gedanken, kehrte zurück ins Schlafzimmer und zog sich an.
Minuten später trat er auf die Straße. Vereinzelte Schneeflocken tanzten im Licht der Laterne, neben der der schwarze SUV geparkt war. Verdammter Mist! Er verspürte nicht die geringste Lust, sich kurz vor seiner Pensionierung noch einen Mordfall einzuhandeln. Er verwünschte den Burschen, der ihm das eingebrockt hatte.
Kurz nachdem er losgefahren war, rief er bei Coroner McDorell an.
»Hey, Finn, bist du klar im Kopf?«
»Geht so. Was gibt’s denn?«
»Nur ’ne Leiche.«
»Was du nicht sagst. Und wo?«
Hobroken nannte ihm die Adresse.
»Das Jahr fängt ja gut an«, sagte McDorell.
»Sei froh, dass du Arbeit hast«, erwiderte Hobroken. Es war ihre Art, sich gegenseitig auf den Arm zu nehmen. Sie kannten sich seit fast dreißig Jahren.
»Sehr witzig«, knurrte McDorell und unterbrach die Verbindung.
Nach zwanzig Minuten verließ Hobroken die Wallburg High Point Road und bog auf eine von kahlen Laubbäumen gesäumte Auffahrt ein, die zu einem hell erleuchteten Landhaus führte. In der offenen Tür standen mehrere Menschen, die ihn zu erwarten schienen.
Als er ausstieg, trat ein untersetzter, kahlköpfiger Mann in einem etwas zu groß geratenen Pelzmantel auf ihn zu.
»Gott sei Dank, dass Sie da sind, Sheriff! Ich bin Eugene Green, der Gastgeber. Es ist entsetzlich. Die Leute sind schockiert, ich …« Er wedelte hilflos mit den Armen, als könnte er damit alles Unheil vertreiben, das über ihn gekommen war.
Hobroken kannte Typen wie ihn. »So ein Mord ist verdammt schlecht fürs Geschäft, nicht wahr?«
»Was reden Sie da, Sheriff?«, empörte sich Green. »Los, kommen Sie, sehen Sie selbst!«
Mit kurzen Schritten rannte er ins Haus, Hobroken hatte Mühe, ihm zu folgen. Im engen Flur drückten sich einige Personen stumm an ihnen vorbei. Er nahm sich nicht die Zeit, auf sie zu achten.
Unvermittelt stand er in einem großen schmucklosen Raum, der früher einmal ein Kaminzimmer gewesen sein musste. Jetzt wurde er von einem völlig unpassenden grellen Licht erhellt, das in klinischer Nüchternheit jedes Detail der Szene preisgab, die sich dem Betrachter bot.
An den Längsseiten eines billigen Resopaltisches, der die ganze Länge des Raumes einnahm, reihten sich etwa dreißig Stühle, einige umgekippt und hastig verlassen. Die Tischdecke war mit Flecken übersät, darauf Teller mit Essensresten und halbvolle Gläser. In der Mitte der Tafel, gegenüber der Tür, saß der einzige Gast, der den Raum nicht fluchtartig verlassen hatte. Er trug einen eleganten Anzug und teure Schuhe. Über dem weißen Hemdkragen mit dunkelblauer Fliege war das Gesicht nicht mehr zu erkennen. Es hatte sich in eine blutige Masse verwandelt.
Niemand hatte daran gedacht, die süßliche Musik auszuschalten, die aus unsichtbaren Lautsprechern auf den Toten herabrieselte.
»Mein Gott«, sagte Hobroken, der für einen Moment die Fassung verloren hatte. »Was ist das?«
»Es sollte ein romantischer Abend werden«, murmelte Green, »ein Dinner in the Dark, verstehen Sie?«
Hobroken starrte Green finster an. »Das ist Ihnen gelungen.« Er dachte an McDorell. »Der Leichenbeschauer wird seine Freude daran haben.« Er sah wieder zu dem Toten.
Dann wandte er sich schnell ab.
***
Im Büro von Mr High brannte noch Licht.
»Nun«, sagte Assistant Director Segal von der Field Operation Section Midwest und nippte vorsichtig an seiner Kaffeetasse, »ich bin gespannt, wie sich Ihre Geschichte anhört. Bisher weiß ich nur, dass sie wie meine endet.«
Mr High nickte. »So ist es. Also, von vorn. Vor einer Woche wurde in der Nähe von High Point ein Mann bei einem sogenannten Dark Dinner erschossen. Drei Kugeln, abgefeuert aus einer Walther P99 mit Schalldämpfer, ließen von seinem Gesicht nicht viel übrig.«
»Also wurden sie aus nächster Nähe abgegeben?«
»Ja. Eine Kugel drang von schräg unten durch den geöffneten Mund des Opfers in die Nasenhöhle und trat zwischen den Augenbrauen wieder aus.«
Segal schwieg kurz, ehe er fragte: »Ist das so ein Abendessen bei völliger Dunkelheit?«
Mr High nickte.
Segal runzelte die Stirn. »Erstaunlich, woran die Leute Gefallen finden.«
»Die Gäste versprechen sich davon ein besonders sinnliches Erlebnis«, gab Mr High zurück. »Das Essen wird von blinden Kellnern aufgetischt. Zum Schluss zündet man Kerzen an, und das Event ist beendet.«
»Wozu es aber nicht mehr kam?«
»Nein. Der Mörder schlug während des Hauptgangs zu. Vermutlich trug er ein Nachtsichtgerät.«
»Oder er war ebenfalls blind«, warf Segal ein.
»Ich halte das nicht für wahrscheinlich. Sie etwa?«
Segal zuckte die Schultern, als wollte er sagen, dass er prinzipiell alles für möglich hielt.
»Wie dem auch sei, Sheriff Hobroken konnte das Opfer nicht anhand der Fingerabdrücke identifizieren. Die Daten wurden nicht freigegeben.«
»Die Information war blockiert?«
»Ja. Hobroken wandte sich an das zuständige FBI-Büro, von dort ging die Anfrage an das Field Office in Charlotte, bis sie bei uns landete.«
»Das Opfer war im Zeugenschutzprogramm, nehme ich an.«
Mr High nickte. »Ich habe mich mit dem U.S. Marshals Service in Verbindung gesetzt. Der Mann, der beim Dinner erschossen wurde, heißt Paul Smith. Er arbeitete seit mehreren Jahrzehnten in der Rechtsabteilung eines Versicherungsbüros in High Point. Das Entscheidende ist aber, dass er vor zwanzig Jahren als Kronzeuge in einem Mafiaprozess in New York ausgesagt hat. Damals standen alle Größen des Ndrangheta-Kartells der Buetti-Familie vor Gericht.«
»Ich kann mich an die Geschichte erinnern«, sagte AD Segal. »Es war ein großer Sieg. Das Kartell wurde vollständig zerschlagen. Ausnahmsweise waren die Medien von unserem Verein begeistert.«
»Smith hieß damals noch Rico Otis. Als Anwalt beriet er Buetti in juristischen Fragen.«
»Und zur Belohnung erhielt er einen Freifahrtschein«, spottete Segal.
»So ist unser System«, stellte Mr High fest. »Und wir haben Erfolg damit.«
»Dachten Sie gleich daran, dass der Mord mit dem Prozess von damals zu tun haben könnte?«
»Na ja, wie Sie wissen, klärte mich U.S. Marshal Henderson darüber auf, dass es bei Ihnen in North Dakota einen ähnlichen Fall gab. Das ließ mich aufhorchen. Was hat sich da genau abgespielt?«
»Zunächst sah die Sache ganz anders aus als in North Carolina. Das Opfer parkte direkt am See in Devils Lake. Trotz der eisigen Kälte saß ein Liebespaar in der Nähe auf einer Bank. Ihm war der Wagen aufgefallen, weil Licht darin brannte und der Fahrer offensichtlich schlief. Plötzlich gab es eine gewaltige Explosion.«
»War die Ursache eine Autobombe?«
»Ja. Die Spurensicherung fand nicht mehr viel, womit man die Identität des Opfers hätte feststellen können. Also wurde ein DNA-Abgleich vorgenommen. Und siehe da, der Mann hieß Anthony Forsythe und war ebenfalls Kronzeuge im New Yorker Ndrangheta-Prozess. Womit wir eine Parallele hätten.«
»Der Killer von High Point war vermutlich ein Profi«, sagte Mr High nachdenklich.
»Der Autobomber in Devils Lake auch.«
»Aber könnte es sich tatsächlich um ein und denselben Täter handeln? Profikiller haben ihre bevorzugten Methoden. Die Tötungsarten in den beiden Fällen sind völlig verschieden.«
Segal nahm seinen Kaffee, stand auf und trat ans Fenster. Er blickte einige Sekunden auf den dichten Schneevorhang, hinter dem die Lichter Washingtons pulsierten. Dann wandte er sich um, nahm einen Schluck und blickte Mr High ernst an.
»Was halten Sie davon? Müssen wir uns Sorgen machen?«, fragte er.
»Falls die Fälle zusammenhängen, ja. Bisher gibt es nur eine Verbindung: Beide Männer waren Kronzeugen gegen die Mafia. Aber wer sollte nach zwanzig Jahren ein Interesse daran haben, sie auszuschalten?«
»Das frage ich mich auch. Ist es nicht näherliegend, dass es sich hier um einen Zufall handelt?«
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Dann ergriff Mr High wieder das Wort. Er hatte sich entschieden.
»Falls die Morde etwas miteinander zu tun haben, ist die Sache höchst brisant. Dann müssen wir damit rechnen, dass jemand unbehelligt Personen liquidiert, die unter dem Schutz der Vereinigten Staaten stehen. Und dass er womöglich damit weitermacht. Das dürfen wir auf keinen Fall riskieren. Die Konsequenzen wären verheerend: Unser ganzes Rechtssystem würde damit in Frage gestellt werden!«
***
Es ging ihr verdammt gut. Vielleicht zum ersten Mal seit zwei oder drei Wochen. Vielleicht weniger, vielleicht mehr. Es war auch nicht wichtig. Zeit war in ihren Augen etwas sehr Ungenaues. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie sich von Kick zu Kick hangelte. Sie musste unwillkürlich auflachen und hätte den alten Chevrolet fast von der Straße gerissen.
Das Licht der Scheinwerfer fraß eine stumpfe Schneise in die undurchdringliche Finsternis, die wie ein bleierner Mantel über der endlosen Ebene lag. Wie im Universum, dachte sie. Grenzenloser Raum, schwarze Löcher. Vielleicht war sie ja in einem verdammten Raumschiff unterwegs.
Get your kicks on. Irre guter Song. Plötzlich hatte sie die Stimme von Nat King Cole im Ohr: … that’s the highway that’s the best. Get your kicks on Route 66 …
Sie war unterwegs auf der Straße von Amarillo nach Shamrock. Und sie fuhr mitten hinein in eine glänzende Zukunft. Diese Zukunft wartete irgendwo da vorne auf sie, ungefähr in Höhe von Panhandle. Unvorstellbar. Sie, die in ihrem ganzen Leben vom Unglück verfolgt gewesen war, erhob sich jetzt wie ein Phönix aus der Asche.
Die Stimme von Nat King Cole in ihren Ohren wurde jetzt lauter, schwoll an, steigerte sich zu einem schrillen Crescendo. Peggy wunderte sich darüber, dass ihre Gedanken zu zerfasern schienen, und fragte sich, ob sie den Chevrolet auf der Straße halten konnte.
Ohne dass es ihr bewusst war, trat sie auf die Bremse. Der Wagen ruckte heftig, schlingerte kurz, kam mitten auf der Fahrbahn zum Stehen.
Dankbarkeit durchflutete sie. Alles war gut gegangen. Ein positives Zeichen, ganz bestimmt. Aber von nun an würde sie sich nicht mehr gehen lassen. Kein Kopfkino, absolute Klarheit.
Sie griff nach der Milchtüte, die neben ihr in der Ablage steckte, und nahm einen ordentlichen Schluck. Anschließend knipste sie die Innenbeleuchtung an und betrachtete ihr Gesicht in einem Handspiegel. Sie sah eine fremde, künstlich blondierte Frau von Mitte vierzig, die zu stark geschminkt war. Tiefe, senkrecht verlaufende Falten verliehen ihr einen Ausdruck von grenzenloser Müdigkeit und Erschöpfung.
Peggy mochte dieses Gesicht nicht. Sie verstaute den Spiegel wieder in der pinkfarbenen Handtasche, atmete tief durch und streckte irgendjemandem da draußen die Zunge raus.
Erst jetzt realisierte sie, dass der Wagen mit laufendem Motor mitten auf der Straße stand. Hastig setzte sie den Chevrolet wieder in Bewegung und glitt erneut in die tiefe Schwärze der sternenlosen Nacht.
Das gleichmäßige Brummen des Motors beruhigte sie, löste eine Folge weiterer, jetzt fest umrissener Gedanken aus.
Wie hatte das alles angefangen? Sie erinnerte sich deutlich an diesen Zeitungsartikel und das Foto, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Es handelte sich um eine Ausgabe der Amarillo Globe News, die sie in einem Café hatte mitgehen lassen.
Sie hatte schnell begriffen, dass ihr Leben von nun an nicht mehr dasselbe sein würde.
Du kriegst eine zweite Chance? Greif danach!
Wie groß war das Risiko, dass der Mann mit der Tasche voller Dollarnoten nicht kommen würde? Antwort: lächerlich gering. Er hatte zu viel zu verlieren. Die Polizei einzuschalten würde ihm wohl nicht in den Sinn kommen. Peggy kicherte schadenfroh. Aber wenn das Geld erst mal neben ihr auf dem Beifahrersitz lag, wäre der Fall für sie erledigt. Fair Play! Der Kerl würde nie mehr von ihr hören.
Ihr Handy klingelte. Die Linke am Lenkrad, fischte sie das Smartphone mit der freien Hand aus der Tasche. Sie spürte, dass sie zitterte.
»Hallo?«
»Wo bleibst du?« Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang blechern.
»Ich … ich weiß nicht. Muss gleich da sein …«
»Beeil dich gefälligst! Ich habe keine Lust, die ganze Nacht hier zu verbringen.«
»Hey, so können Sie mit mir nicht reden, ich …«
»Wie soll ich sonst mit einer beschissenen Drogensüchtigen reden?«
Peggy schnappte nach Luft. »Jetzt reicht’s aber … Ich werde … So können Sie mit mir nicht umspringen! Hallo, hören Sie?«
Keine Antwort. Es dauerte etwas, bis Peggy kapierte, dass die Leitung tot war.
Einen Moment dachte sie darüber nach, umzukehren. Dieser Idiot würde vor Wut schäumen!
Dann aber trat sie das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Sie durfte den Termin nicht verpassen. Ihre Zukunft stand auf dem Spiel. Oder besser gesagt, das, was davon noch übrig war.
Fast hätte sie das Shell-Emblem übersehen. Mit kreischenden Bremsen bog sie ab und ließ den Wagen neben der Seitenwand der Tankstelle ausrollen. Hier würde sie sich einigermaßen sicher fühlen. Als sie ausstieg, überkam sie dennoch ein Gefühl des Ausgeliefertseins. Der Platz vor dem kleinen weißen Haus mit den grünen Fensterläden war verlassen. Hohe Bogenlampen tauchten ihn in geisterhafte Helligkeit. Schlechte Voraussetzungen, sollte es bei der Übergabe Zeugen geben.
Erpressung war kein Kavaliersdelikt. Andererseits, eine dunkle Ecke wäre Peggy noch unheimlicher gewesen.
Verdammt, wie spät war es eigentlich?
Sie warf einen Blick auf die Armbanduhr. Sie waren um Mitternacht verabredet. Peggy sah sich irritiert um. Wo steckte der Kerl?
Sie ging zur Vorderseite des Gebäudes und spähte durchs Fenster. Eine schmale Gestalt in einem dunkelblauen Overall machte hinter der Kasse ein Nickerchen. Peggy folgte ihrem Instinkt und drückte die Türklinke. Vielleicht half es ihr, mit irgendjemandem zu reden, um sich zu beruhigen.
Eine Glocke ertönte, als sie eintrat. Der Typ im Overall rührte sich nicht.