Jerry Cotton 3118 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3118 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Auf den homosexuellen Sergeant Danny Martinez von der Metro Division des Charlotte-Mecklenburg Police Departments war ein Bombenanschlag verübt worden, den er schwer verletzt überlebte. Verdächtige gab es genug: Steckte ein Schwulenhasser hinter der feigen Tat oder das Cali-Kartell, gegen das Martinez ermittelte? Doch als weitere Cops ermordet wurden, war eines klar: Irgendjemand hatte es auf die gesamte Metro Division abgesehen und war dabei, einen Polizisten nach dem anderen zu töten!

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Für immer tot

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Kiss Kiss, Bang Bang«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4527-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Für immer tot

Danny Martinez schlenderte zu seinem Auto. Die Nacht war feucht und heiß, wie so oft in dieser Jahreszeit in Pearl, Mississippi. Martinez setzte sich in den Wagen, nahm seine Waffe aus dem Holster und verstaute sie im Handschuhfach. Er fuhr den dreißig Jahre alten Buick seines Vaters, und gelegentlich machte der Anlasser Schwierigkeiten. So auch in dieser Nacht.

Als sich die Technik schließlich entschied, dem Bauplan ihres Ingenieurs zu folgen, explodierte die Bombe, die mit der Zündung verbunden war, und zerriss den Wagen und Danny Martinez.

Der Ford Interceptor Stealth, den die Fahrbereitschaft des zuständigen Field Office uns zugewiesen hatte, bot einiges an Komfort. Aber uns war lediglich eines wichtig: dass die Klimaanlage des Fahrzeugs einwandfrei funktionierte.

Als wir gegen Mittag auf der Interstate 55 Richtung Pearl unterwegs waren, stieg das Außenthermometer auf über 100 Grad Fahrenheit. Die Klimaanlage des Wagens lief auf Hochtouren.

»Hast du das Dossier zum Stand der Dinge griffbereit, Phil?«

»Der Highway ist zwar schnurgerade, aber während der Fahrt lesen würde ich dir nicht empfehlen«, entgegnete er.

»Hatte ich auch nicht vor. Du kannst jetzt mal deine Qualitäten als Vorleser unter Beweis stellen.«

Phil kramte in seinem Rucksack und förderte eine rote Mappe hervor, in der sich die Fakten zum Fall und unsere Instruktionen befanden.

»Also, was willst du wissen?«

»Alles«, sagte ich.

Phil stöhnte.

»Oder hast du etwas anderes vor? Wir haben noch gut zwei Stunden Fahrt vor uns …«

»Hast ja recht«, lenkte Phil ein. »Hier haben wir zunächst den Bericht von Lieutenant Joseph Coltrane. Er ist Leiter des Police Department in Pearl und der direkte Vorgesetzte des Getöteten.«

»Schieß los!«

Phil räusperte sich. »Sergeant Danny Martinez ist am 16. März gegen acht Uhr aus dem Haus gekommen und an sein Fahrzeug getreten. Er wurde dabei von einem Nachbarn beobachtet und gegrüßt. Er öffnete sein Fahrzeug, stieg ein und startete es. Die Kriminaltechniker haben ermittelt, dass an die Zündung ein TNT-Sprengsatz gekoppelt war, der dann detonierte. Sergeant Martinez war nach Auffassung des Gerichtsmediziners augenblicklich tot. Eine vorsorglich durchgeführte DNA-Analyse hat zweifelsfrei ergeben, dass es sich bei dem Getöteten um Danny Martinez handelt.«

»Sind die Nachbarn befragt worden?«, hakte ich nach.

»Nachbarn sind routinemäßig befragt worden. Martinez hatte am Vortag bis sechs Uhr abends Dienst und ist eine halbe Stunde später zu Hause gewesen.«

»Hat das seine Frau oder Freundin ausgesagt?«

»Nein, hier steht nichts von Frau oder Freundin. Martinez hat laut Auskunft des Telefonanbieters um 18.34 Uhr aus seinem Apartment in der King Street einen Telefonanruf getätigt. Es ist nicht bekannt, ob Martinez den Wagen zwischen dem Anruf und der Explosion noch einmal bewegt hat. Die Nachbarn haben in diesem Zeitraum zumindest keine verdächtigen Beobachtungen gemacht.«

»Und weiter?«

»Nichts weiter«, gab Phil zurück. »Mehr gibt es noch nicht.«

»Was sagt die Personalakte zum Thema Lebensgefährtin?«

»Martinez hatte zumindest keine Frau. Hier steht lediglich, dass er ledig gewesen ist.«

»Wie alt ist er geworden?«

»Warte, hier: neunundzwanzig Jahre.«

»Verdammt.«

»Verbindest du etwas mit dem Alter, Jerry?«

»Ja. Dass man mit neunundzwanzig Jahren nicht sterben sollte.«

»Da hast du recht. Aber er hat nicht gemerkt, was mit ihm passiert ist.«

»Das macht die Sache nicht besser.«

»Ich weiß.«

»Gibt es sonst noch etwas?«

Phil blätterte die Unterlagen durch. »Mitgliedschaft im Football Team des Bundesstaates, Ehrenmedaille für …«

»Das hilft uns nicht, seinem Mörder auf die Spur zu kommen.«

»Wer weiß? Hier sind noch einige unappetitliche Fotos vom Tatort. Soweit ich das sehe, helfen die uns aber nicht weiter.«

»Womit hat sich Martinez in letzter Zeit beschäftigt?«, versuchte ich es anders.

Phil hielt inne. »Seit Januar war er Mitglied im Sondereinsatzkommando Blanco.«

»Was soll das sein?«, hakte ich nach.

»Der Grund, warum wir zu dem Fall hinzugezogen worden sind, Jerry.«

»Also Rauschgift oder organisierte Kriminalität. Oder beides.«

»Wie kommst du auf Rauschgift, Jerry?«

»Blanco. Weiß.«

»Stimmt und stimmt nicht«, entgegnete Phil. »Es handelt sich tatsächlich um eine Einheit, die mit verdeckten Ermittlern in der Rauschgiftszene aktiv ist. Aber Blanco heißt die Gruppe aus einem anderen Grund: Die Statthalterin des kolumbianischen NortedelValle-Kartells ist rund um die Uhr beschattet worden. Die Einheit stand dicht vor einem Durchbruch, die die Vertriebswege des Kartells in Mississippi aufgedeckt und den Drogenring so zerschlagen hätte.«

»Das ist interessant.«

»Die Dame hat schon eine Vielzahl von Gerichtsverfahren schadlos überstanden.«

»Und sie heißt Blanco, richtig?«

»Fast. Emilia. Emilia Negra.«

***

Am späten Nachmittag erreichten wir das Police Department in Pearl. Die Stars and Stripes, die Nationalfahne auf dem Vordach, war auf Halbmast geflaggt.

Im Vorraum der Wache ließen wir zunächst den obligatorischen Sicherheitscheck über uns ergehen, bevor uns ein groß gewachsener Afroamerikaner begrüßte.

»Ich bin Lieutenant Coltrane, und Sie sind die Inspektoren Cotton und Decker, die mir das Field Office angekündigt hat.«

»So ist es, Lieutenant. Mein Name ist Cotton, und das ist mein Kollege Decker.«

»Oprah, würden Sie uns bitte Kaffee und etwas Gebäck bringen?«

Die Dame am Empfang lächelte uns zu. »Natürlich, Lieutenant.«

»Sie ist ein Goldstück«, schwärmte Coltrane. »Die Seele unserer Einheit. Was sie hier an Emotionsarbeit leistet, ist phänomenal. Eigentlich müsste ich ihr Kaffee und Gebäck bringen.«

»Eine gute Seele kann jedes Police Department gebrauchen«, stimmte Phil zu.

Coltrane führte uns in sein gediegen eingerichtetes Büro und bat uns, Platz zu nehmen.

»Ich gehe davon aus, dass Sie sich bereits mit den Unterlagen zum Mord an Danny Martinez vertraut gemacht haben.«

»Soweit uns die Dokumente vorlagen, haben wir das getan«, entgegnete ich.

»Einige Fragen sind jedoch offen geblieben, Lieutenant«, begann Phil. »Vielleicht können Sie uns da ein wenig weiterhelfen.«

»Natürlich. Und um das gleich mal vorweg zu sagen: Ich habe keinerlei Vorbehalte gegen Sie.«

Phil und ich wechselten einen Blick.

»Ich habe von Departments gehört, die es gar nicht schätzen, wenn sich das Field Office in die Ermittlungen einmischt. Das ist bei uns aber nicht der Fall. Wir wollen den Mord an Martinez so schnell wie möglich aufklären und den oder die Verantwortlichen dingfest machen. Und da kommt uns jede Hilfe entgegen.«

Ich nickte zustimmend. »Das ist schön zu hören, Lieutenant. Daher wäre es für uns zunächst wichtig zu erfahren, was nicht in der Akte steht.«

»Wie meinen Sie das, Inspektor Cotton?«

»Sie werden doch sicherlich einen Verdacht haben, wer hinter dem Verbrechen stecken könnte.«

Oprah kam herein und stellte ein Tablett mit Kaffee und Keksen auf den Tisch.

»Vielen Dank, Oprah. Und schließen Sie bitte die Tür!«

»Es kursieren hier zwei Theorien«, begann Coltrane, nachdem Oprah wieder verschwunden war. »Die eine ist offensichtlich …«

»Und die andere?«, fragte Phil neugierig.

»Die andere kommt auch in Betracht, nach allem, was mir über Martinez zugetragen worden ist.«

»Na, Sie machen es aber spannend, Lieutenant.«

»Also, die offensichtliche Variante hängt mit dem Auftrag der Einheit zusammen, in der Martinez seinen Dienst verrichtet hat.«

»Die Beschattung von Emilia Negra.«

»Ich sehe schon, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht. Sie ist die Spinne, die das Drogennetz in unserem Bundesstaat zusammenhält. Sie hat nicht nur die besten Anwälte des Landes, sondern auch beste Kontakte zu hochrangigen Regierungsbeamten. Anders ist es nicht zu erklären, wieso sie von Razzien immer im Vorfeld wusste und ihre Verteidigung im Gericht immer mit Informationen versorgt war, die selbst uns als ermittelnder Behörde unbekannt waren.«

»Was meinen Sie, Lieutenant?«, fragte Phil.

»Absprachen zwischen Regierungsstellen, geplante Gesetzesänderungen, all so was.«

»Und Martinez war direkt für die Beschattung der Dame zuständig?«

»Ganz so einfach lässt sich das nicht erklären.«

Ich schenkte uns Kaffee ein und reichte Coltrane eine Tasse. »Dann klären Sie uns mal auf, Lieutenant!«

»Martinez hat als verdeckter Ermittler gearbeitet. Seine Mutter ist Kolumbianerin, sein Vater Amerikaner. Beide leben in Bogotá. Martinez ist in den USA zur Welt gekommen, hat aber die ersten sechzehn Jahre seines Lebens in Bogotá verbracht. Er spricht nicht nur die Sprache der Straße, sondern kennt sich auch bestens mit den Ritualen und Besonderheiten aus, die auf dem kolumbianischen Drogenmarkt herrschen.«

»Verstehe.«

»Wir haben ihn vor zwei Jahren in die Negra-Organisation eingeschleust. Zu diesem Zweck hat er eine neue Identität erhalten, ist umgezogen und hat die Beziehungen zu seinen Freunden gekappt.«

»Daher hatte er auch keine Freundin«, schlussfolgerte Phil.

»Nein, Inspektor Decker. Das hatte einen anderen Grund. Und damit wären wir schon beim zweiten Mordmotiv.«

***

Lieutenant Coltrane goss sich ein wenig Milch ein und rührte länger als notwendig in seinem Kaffee. Wir waren gespannt, was nun folgen würde.

»Danny Martinez war homosexuell.«

Vorsichtig fragte ich nach: »Und das war ein Problem für Sie?«

Coltrane nahm den Löffel aus seinem Kaffee und legte ihn bedächtig auf das Tablett. »Wissen Sie, es fällt mir nicht leicht, darüber zu sprechen.«

Ich nickte. »Okay, lassen Sie sich Zeit, Lieutenant.«

»Ich habe nichts gegen die sexuellen Vorlieben meiner Leute. Es interessiert mich auch gar nicht. Es gibt nur gute Polizisten und weniger gute. Mir ist wichtig, dass in meinem Team gute Polizisten sind.«

Phil nickte. »Das kann ich nachvollziehen.«

»Eine weniger gute Eigenschaft ansonsten guter Polizisten kann es sein, dass sie andere aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Vorlieben diskreditieren.«

»Die Kollegen wussten also von Martinez’ Veranlagung?«, wollte Phil wissen.

»Nun, er hat daraus überhaupt keinen Hehl gemacht. Vielleicht war es das, was den einen oder anderen dazu veranlasst hat, hinter vorgehaltener Hand über Martinez zu reden.«

Ich trank einen Schluck Kaffee. »Danny Martinez ist gemobbt worden?«

»So drastisch würde ich das nicht sagen. Er ist wie jeder andere hier respektvoll behandelt worden. Alles andere hätte ich auch sofort unterbunden. Aber es wurden Geschichten erzählt.«

»Was für Geschichten?«, hakte ich nach.

»Dass er Clubs aufgesucht hat, in die man nur aus einem Grund geht. Und zwar nicht, um etwas zu trinken, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Sexclubs?«

»Darkrooms, Inspektor Cotton, oder wie sich das nennt.« Coltrane fiel es offenkundig schwer, darüber zu sprechen. »Aber auch das war Martinez’ Privatangelegenheit, wenn es denn überhaupt stimmte.«

»Und was hat Sie dann beunruhigt?«, fragte Phil.

»Es ist mir zu Ohren gekommen, dass einer der Männer, mit denen Martinez in diesen Clubs Kontakt hatte, einer unserer Informanten aus der Szene ist.«

Phil nickte langsam. »Und Sie vermuten, dass er Martinez möglicherweise enttarnt hat.«

»Nein, das vermute ich nicht, denn all diese Informationen beruhen auf Hörensagen, und darauf gebe ich nichts. Sollte aber etwas an den Geschichten dran sein, dann hätten wir hier ein Motiv, warum Martinez sterben musste.«

***

Helen’s Diner war gut besucht. Das lag zum einen an der guten Küche, wie wir von Coltrane erfahren hatten, zum anderen an einer Fernsehübertragung einer politischen Diskussion zwischen dem Republikaner Robert Buchanan und dem Demokraten John Hilbert. Letzterer war Gouverneur des Staates Mississippi, Buchanan wollte es werden.

Phil und ich schauten gelegentlich zum Fernseher und verfolgten eine der üblichen Debatten zwischen einem Amtsinhaber, der seine Erfolge auflistete, und einem Herausforderer, der sie madig machte. Buchanan war im Gegensatz zu Hilbert ein echter Hardliner: ein aufstrebender Law-and-Order-Politiker, der in vier Jahren als Bürgermeister von Jackson die Bekämpfung der Kriminalität und die Stärkung der Familie auf seine Fahnen geschrieben hatte.

»So, hier wären also unsere weltberühmten Hühnerbeine, ihr Süßen. Wie sehen die aus?« Die ältere, wohlbeleibte Dame blickte uns erwartungsvoll an. Auf eine Antwort brauchte sie nicht lange zu warten.

»Die sehen fantastisch aus«, bestaunte ich die knusprigen Teile mit Soße auf meinem Teller, deren Duft meinen Magen zum Knurren brachte.

»Und wenn wir jetzt noch zwei Bier dazu bekommen könnten, dann wäre unser Glück perfekt«, ergänzte Phil.

»Dann will ich euch mal glücklich machen«, stieß die Lady prustend hervor.

Auch wir konnten uns ein Grinsen nicht verkneifen.

»Sind schon unterwegs, ihr beiden Hübschen. Schon unterwegs.«

»Was hast du da für einen Zettel?«, wollte ich von Phil wissen.

»Das ist die Adresse von Gilles Cohen.«

»Ah ja, der Informant. Officer Marshall wird einen Termin mit ihm vereinbaren.«

»Wer ist Officer Marshall?«, fragte Phil.

»Da warst du gerade für kleine Jungs. Officer Marshall ist der Kontaktbeamte dieses Cohen. Er wird uns morgen früh seinem Informanten vorstellen.«

Die Bedienung brachte uns die beiden Biere und verschwand wieder in der Küche.

Phil kaute nachdenklich an seinem Hühnerschenkel. »Und was machen wir mit dem angebrochenen Abend?«

»Was meinst du, Phil?«

»Du willst doch wohl noch nicht ins Bett gehen, oder?«

»Nein. Wir könnten noch ein wenig durch die Bars hier ziehen«, schlug ich vor.

»Miss«, rief Phil nach einer Bedienung, die augenblicklich an unseren Tisch kam.

»Ist etwas mit unserem Soul Food nicht in Ordnung?«, fragte sie besorgt.

»Es ist hervorragend, Miss, und das würde ich nicht sagen, wenn es nicht genauso wäre.«

Die Dame strahlte übers ganze Gesicht. »Das freut mich, mein Lieber. Das freut mich außerordentlich.«

»Ich möchte zwei neue Biere bestellen.«

Ich sah Phil verständnislos an. »Wir haben noch nicht einen Schluck von denen getrunken, die auf dem Tisch stehen.«

»Eben«, sagte Phil und wandte sich an die Bedienung. »Könnten Sie uns zwei alkoholfreie Biere bringen? Wir haben heute Abend noch etwas vor.«

***

»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist«, sagte ich zu Phil, nachdem ich den Wagen angelassen und er die Adresse des Informanten ins Navigationssystem eingegeben hatte.

»Wir sind hier, um einen Mord aufzuklären. Oder etwa nicht?«

»Du hast recht, Phil. Aber wir sollten gemeinsam mit den Kollegen vor Ort ermitteln.«

»Das machen wir doch. Also, wir machen es auch. Und jetzt holen wir Erkundigungen ein.«

»Dann sollten wir aber Officer Marshall informieren, dass wir zu seinem Informanten fahren«, schlug ich vor. »Sonst wird es morgen unangenehm werden, wenn er erfährt, dass wir schon ohne ihn vor Ort waren.«

»Okay. Aber lass uns erst mal hinfahren. Wenn dort alles ruhig ist, setzen wir uns in ein Straßencafé und genießen den Rest des Abends.«

Das Navi sagte uns, dass wir unser Ziel in einer halben Meile erreicht hätten. Ich fuhr an den Straßenrand und parkte den Wagen vor einem abbruchreifen Lagerschuppen.

Als wir die Türen des Wagens öffneten, schlug uns die Luft entgegen wie ein nasses Handtuch. Nach kurzer Zeit setzte die Transpiration wieder ein und verwandelte unsere Hemden selbst um diese späte Stunde in feuchte Laken. Aus den Lokalen an der Straße drang leise Musik, meist Blues oder Smooth-Jazz. Die Luft roch nach Gebratenem und scharfen Gewürzen.

»Da drüben ist es.« Phil deutete mit dem Kopf auf das Haus Nummer 47, King Street. Das viergeschossige Gebäude beherbergte im Erdgeschoss einen Schnellimbiss, aus dem gerade zwei Frauen ins Freie traten. Sie blickten auf, sahen uns und steuerten uns an.

Beide waren grell geschminkt. Die kleinere der beiden trug ein Baumwollkleid, das mehr zeigte, als es verbarg. Die größere, eine Schwarze mit einer ausladenden Oberweite, trug ebenfalls einen Hauch von Nichts.

»Na, ihr beiden. Wo wollt ihr denn hin?«

»Wir wollen uns ein wenig vergnügen«, gab Phil zurück.

»In Hemd und langer Hose? In denen muss es ja mächtig heiß sein.«

Die beiden lachten und zeigten Zahnlücken in den hinteren Kieferregionen.

»Und ihr? Was macht ihr hier so?«, fragte ich scheinheilig.

»Was meinst du, Süßer?«, fragte die Latina mit einem aufreizenden Augenaufschlag und gewährte mir einen tiefen Einblick in ihr Kleid.

»Ihr sucht zwei nette Jungs, die euch auf einen Drink einladen«, mutmaßte Phil. Er stand mit dem Rücken zum Eingang des Apartmenthauses, sodass er das Licht im Treppenhaus nicht angehen sah.

»Phil, wir sollten uns zurückziehen. Es kommt jemand aus dem Haus«, raunte ich meinem Partner zu.

»Wir müssen leider gehen, Ladys«, entschuldigte sich Phil. »Aber die Pflicht ruft.«

»Böse Pflicht, böse Pflicht«, sagte die Schwarze mit gespielter Enttäuschung.

Die Haustür öffnete sich, und ein Latino trat vor die Tür. Er trug eine weite Hose, ein buntes T-Shirt und ein Basecap mit dem Emblem der New York Knicks. Das war unser Mann, Gilles Cohen. Lieutenant Coltrane hatte uns ein Foto gezeigt, und ich erkannte ihn eindeutig wieder.