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Der Reporter Ted Delaney flüchtete durch das nächtliche Washington, verfolgt von zwielichtigen Gestalten, die ihn zum Schweigen bringen wollten. Da er etwas über eine Verschwörung wusste, in die hochrangige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verwickelt waren, entschloss er sich, den einzigen Mann aufzusuchen, dem er aufgrund seines Rufs glaubte, vertrauen zu können - mich, Jerry Cotton. Doch bevor er eine Silbe herausbringen konnte, starb der Mann vor meinen Augen.
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Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
In mörderischer Absicht
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: (Film) »Rückkehr des Bösen«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4529-2
www.bastei-entertainment.de
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www.bastei.de
In mörderischer Absicht
Ted Delaney wusste, dass er um sein Leben rannte. Offensichtlich war es ihm nicht gelungen, seine Verfolger, wie er zunächst angenommen hatte, in Colorado abzuschütteln. Zur Sicherheit hatte er seine Wohnung gemieden, seit er zurück in Washington war, sowie alle anderen Orte, die er sonst mit einiger Regelmäßigkeit aufsuchte. Trotzdem waren sie ihm nach wie vor auf den Fersen.
Nervös wandte Delaney den Kopf.
Seine Blicke suchten die Gasse ab, in die er sich geflüchtet hatte, doch in der Dunkelheit regte sich nichts. Auch am hell erleuchteten Ende des schmalen Durchlasses, dort wo er auf die 9th Street NW traf, konnte er niemanden entdecken. Nicht einmal nächtliche Passanten waren unterwegs. Niemand, dessen Gegenwart ihm eine kurzfristige Sicherheit geboten hätte.
Doch würden seine Verfolger es tatsächlich nicht wagen, ihm unter Zeugen etwas anzutun? Delaney bezweifelte es. Auf einen Toten mehr oder weniger kam es ihnen nicht an.
Ganz im Gegenteil.
Seine Gedanken überschlugen sich. Er wollte nicht sterben. Und er musste dafür sorgen, dass die Informationen, die sich in seinem Besitz befanden, an die Öffentlichkeit gelangten. Und dass jemand etwas unternahm.
Der einzige Weg, wie er dies alles hoffentlich bewerkstelligen konnte, war, sich in die Hände der Behörden zu begeben. Aber wem konnte er dort trauen? An der Geschichte, der er auf die Spur gekommen war, waren Leute von enormem Einfluss beteiligt.
Unvermittelt huschte ein Lächeln über seine angespannten Züge, denn schlagartig war ihm aufgegangen, wem er trauen konnte: einem Inspektor des FBI, über den Delaneys Zeitung vor einiger Zeit berichtet hatte, als der einen besonders vertrackten Fall geknackt hatte.
Jerry Cotton.
***
Es war Samstag, und ich hatte frei. Trotzdem war ich in aller Herrgottsfrühe wach geworden. Eine Weile versuchte ich noch, wieder einzuschlafen, dann gab ich es auf. Eine ausgedehnte Dusche später zog ich mir Freizeitkleidung an und beschloss, mir zur Feier des Tages und weil ich um diese Uhrzeit nichts Besseres zu tun hatte, im Deli unten an der Ecke einen Kaffee zu holen.
Wer weiß, vielleicht würden mich der kurze morgendliche Spaziergang und die milde Frühlingsluft wieder einschläfern.
Erst in der Lobby meines Apartmentgebäudes merkte ich, dass ich aus reiner Gewohnheit das Holster mit der Glock an meinem Gürtel befestigt hatte.
Ich schüttelte den Kopf. Ich brauchte wirklich Urlaub.
Gemächlich schlenderte ich über den Bürgersteig und genoss die verhältnismäßige Ruhe des frühen Morgens.
Einer der vielen Verwandten von Mr Singh, dem Besitzer des Deli, füllte mir den auf einer Warmhalteplatte gut durchgezogenen Kaffee in einen Take-away-Becher. Ich bedankte mich, zahlte und verließ den Laden.
Ich hatte den Eingang zu meinem Apartmentgebäude fast erreicht, als ich eine Stimme hinter mir hörte.
»Inspektor Cotton! Jerry Cotton!«
Ich drehte mich um.
Etwa zwanzig Yards die Straße hinunter kam ein Mann auf mich zugelaufen. Er war vielleicht Mitte dreißig, hatte sich seit einigen Tagen nicht mehr rasiert, und auch die Kleidung, die er trug, hätte eine Wäsche gut vertragen können. Eine lederne Laptoptasche baumelte von seiner Schulter. Auf seinem Gesicht lag ein gehetzter Ausdruck, das war selbst auf die Entfernung gut zu erkennen. Routinemäßig tastete ich mit schnellen Blicken seinen Körper ab, doch der Mann schien unbewaffnet zu sein. Anscheinend war er tatsächlich nur jemand, der Hilfe suchte.
»Ein Glück, dass ich Sie gefunden habe, Inspektor Cotton«, rief er im Näherkommen. »Ich dachte schon, sie würden mich vorher erwischen.«
Ich fragte mich, was er wohl von mir wollte und vor allem, wer »sie« waren, kam jedoch nicht mehr dazu, ihn zu fragen.
Er war noch knapp zehn Yards von mir entfernt, als unten an der Ecke ein Wagen mit quietschenden Reifen auf die Straße bog. Der Mann wirbelte in Richtung des Geräuschs herum. Dann ruckte sein Kopf wieder zu mir. In seinen Augen stand blanke Panik.
Mein Blick richtete sich auf den Wagen. Es war ein Oldsmobile, dunkelgrau und nicht mehr ganz neu. Die Scheibe auf der Beifahrerseite war heruntergekurbelt. Aus ihr ragte der Lauf eines Schnellfeuergewehrs.
»Runter!«, brüllte ich und lief auf den Mann zu. Meinen Kaffee ließ ich fallen. Während ich vorwärts rannte, hörte ich, wie der Pappbecher auf den Bodenplatten des Bürgersteigs aufschlug und mit einem feuchten Geräusch zerplatzte. Gleichzeitig riss ich meine Glock aus dem Holster.
Ich hatte den Mann fast erreicht, als ihn die Salve aus dem Schnellfeuergewehr erwischte. Das Hämmern der Schüsse brach sich in der Straßenschlucht, wurde von den Häuserwänden hin und her geworfen. Im nächsten Moment richtete sich der Lauf der Waffe auf mich, und ich hechtete zur Seite. Der Müllcontainer, hinter dem ich Schutz suchte, erzitterte unter dem Einschlag der Kugeln.
Die neue Salve war kaum verklungen, als ich einen Blick um den Container herum riskierte. Der Beifahrer war aus dem Wagen gestürzt, hastete auf sein Opfer zu und riss dem Schwerverletzten die Tasche von der Schulter. Als er sah, dass ich in seine Richtung blickte, gab er eine Handvoll ungezielter Schüsse auf mich ab. Schnell zog ich mich wieder hinter den Container zurück. Das Feuer erwidern konnte ich nicht, da ich nicht riskieren wollte, den verletzten Mann am Boden zu treffen.
Sekunden später schlug eine Autotür zu.
Sofort verließ ich meine Deckung. Der Wagen schoss davon. Ich rannte den Gehweg entlang, bis ich den Verletzten erreichte, ließ mich neben ihm auf ein Knie fallen, brachte die Glock in Anschlag, zielte auf das dunkle Rechteck des Beifahrerfensters und drückte ab. Der Lauf des Schnellfeuergewehrs geriet ins Wanken. Der Wagen beschleunigte, raste die Straße hinunter. Ich gab ein paar weitere Schüsse ab, und das Heckfenster zerplatzte in einem Schauer aus Verbundglas. Dann kreischten die Reifen erneut auf, und das Fahrzeug verschwand in der nächsten Seitenstraße.
Aus dem Deli tauchte der Verkäufer auf, der mir den Kaffee abgefüllt hatte.
»Rufen Sie einen Rettungswagen!«, brüllte ich. »Und die Polizei!«
Ich schaute auf den Mann hinunter. Der war zwar noch am Leben, doch ich erkannte augenblicklich, dass sich dieser Zustand bald ändern würde. Zu schwer waren seine Verletzungen. Seine Brust war von den Kugeln regelrecht zerfetzt worden. Dennoch klammerte er sich an das bisschen Leben, das noch in ihm steckte. Und an meinen Jackenaufschlag.
»Cotton«, flüsterte er. Diesmal sprach die Dringlichkeit nicht nur aus seinem Blick, sondern auch aus seiner Stimme. »Sie müssen es verhindern, hören Sie? Verhindern Sie, dass die damit durchkommen!«
»Womit?«, fragte ich schnell. Ich wusste, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb, das Nötigste von ihm zu erfahren.
»Elk Mountain, Colorado«, presste er hervor. »Das Camp … die Jackson-Hütte.« Er hustete. »In sieben Tagen … Koffer …«
Der Mann versteifte sich in meinen Armen. Ich beugte mich tiefer über ihn.
»Halten Sie sie auf!«, sagte er.
Seine Augen weiteten sich und brachen. Sein Kopf sank zur Seite.
Ich stieß einen lautlosen Fluch aus.
Er war tot. Und alles, was er mir noch hatte mitteilen können, waren ein paar bruchstückhafte Informationen gewesen. Informationen, deren Weitergabe er mit dem Leben bezahlt hatte und die ihn ganz offensichtlich mit unglaublicher Angst erfüllt hatten.
Was auch immer es war, das ich verhindern sollte, musste ziemlich gefährlich sein. Und es würde in fünf Tagen passieren.
Sanft ließ ich den Oberkörper des Mannes auf den Boden gleiten und stand auf. Aus Richtung Süden erklangen Sirenen, deren Geheul sich schnell näherte.
Sie kamen zu spät.
***
»Eine eigenartige Geschichte«, sagte Mr High.
Ich saß meinem Vorgesetzten in seinem Büro gegenüber. Am Fenster stand mein Partner Phil Decker und schaute auf das samstägliche Washington hinaus. Er hatte mich vom Polizeirevier abgeholt, nachdem ich ihn und unseren Chef davon unterrichtet hatte, was passiert war.
»Das können Sie laut sagen«, stimmte ich Mr High zu.
»Ist mit der Polizei alles geklärt?«, erkundigte er sich.
»Ich habe zwei Aussagen gemacht: eine vor Ort und eine detaillierte auf dem Revier. Detective Winters, der ermittelnde Beamte, schien das Ganze genauso rätselhaft zu finden wie wir.«
»Kann man ihm nicht verdenken.« Phil drehte sich vom Fenster weg. Langsam durchquerte er das Zimmer und nahm neben mir Platz.
»Das Rätsel fängt schon mit der Identität des Opfers an«, sagte ich. Wenn der Mann Ausweispapiere bei sich getragen hatte, dann waren sie in der Schultertasche gewesen, die man ihm entrissen hatte.
»Gibt es wenigstens irgendwelche Ergebnisse, was die Angaben, die der Sterbende gemacht hat, betrifft?«, fragte Phil.
Mr High blickte auf ein Blatt Papier, das auf seinem Schreibtisch lag. »Ich habe ein wenig nachgeforscht, während ich auf Sie beide gewartet habe, auch wenn ein ›simpler‹ Mord nicht in unseren Zuständigkeitsbereich fällt. Aber die Tatsache, dass Sie Zeuge waren, Jerry, macht mich doch neugierig.«
Ich nickte.
»Bei Elk Mountain in Colorado handelt es sich um einen Berg in den Rocky Mountains, ein paar Autostunden von Denver entfernt. Ferner um eine kleine Ortschaft unweit des eigentlichen Berges.«
»Und das sind alle Möglichkeiten einer Namensübereinstimmung?«, hakte ich nach.
»Soweit es Colorado betrifft, ja«, bestätigte Mr High.
»Und was ist mit dem Camp und dieser … Jackson-Hütte?«, fragte Phil.
Mr High zuckte die Schultern. Darauf hatte er anscheinend keine Antwort.
»Was für eine Art Camp der Mann wohl gemeint hat?«, überlegte Phil laut.
»In den Rockies könnte das alles Mögliche sein«, erwiderte ich. »Ein Jagd- oder Angelcamp, ein Holzfällercamp, vielleicht auch nur ein Campingplatz für Urlauber.«
»Oder ein Camp der Pfadfinder«, erklärte Phil in dem Bemühen, die in der Luft liegende Spannung etwas zu lösen.
»In Anbetracht der Tatsache, dass dieser Mann heute Morgen erschossen wurde, wage ich Letzteres zu bezweifeln«, erwiderte Mr High.
Phil nickte zustimmend. »Es sei denn, das Verhalten der Pfadfinder hat sich seit meiner Zeit maßgeblich geändert.«
»Tatsache ist, dass es unzählige Arten von Camps in den Rocky Mountains gibt, und das wie Sand am Meer«, beendete Mr High unser Geplänkel. »Aber das Metropolitan Police Department wird sich schon darum kümmern.«
»Können wir nicht auch ein wenig dranbleiben?«, erkundigte sich Phil. »Immerhin ist Jerry direkt in die Sache hineingezogen worden.«
Mr High schüttelte bedauernd den Kopf. Er kannte Phil und mich seit Jahren und wusste nur zu gut, dass unser Jagdinstinkt geweckt war.
»Wie gesagt, wir sind nicht zuständig.« Vielsagend hob er die Augenbrauen. »Andererseits ist Wochenende, und auf das, was Sie in Ihrer Freizeit tun, habe ich keinen Einfluss …«
***
Nach diesem Freifahrtschein von Mr High zogen Phil und ich uns in mein Büro zurück und jagten unsere spärlichen Informationen durch den Computer, stießen aber auf nichts, das uns weitergebracht hätte. Eine Jackson-Hütte gab es in und um Elk Mountain nicht, jedenfalls keine, die wir per Computer hätten ermitteln können.
»Ich frage mich auch, was die Sache mit dem Koffer zu bedeuten hatte«, sagte ich schließlich, als ich von einem Ausflug zur Kaffeemaschine zurückkam und einen Becher vor Phil abstellte. »Die Art, wie unser John Doe das Wort sagte, klang so, als hätte er noch etwas anfügen wollen.«
Phil runzelte die Brauen. »Vielleicht hat er Beweismittel in einem Koffer in einem Schließfach deponiert und wollte dir noch sagen, wo du ihn finden kannst, damit du über alles genau Bescheid weißt und es, was auch immer es ist, verhindern kannst.«
»Schon möglich.« Ich grinste schief. »Es wäre nicht das erste Mal, dass uns so etwas passiert. So wild wie seine Mörder auf seine Umhängetasche waren, gehe ich aber davon aus, dass sich die Informationen dort drin befanden. Vielleicht auf einem Laptop, einem USB-Stick oder etwas in der Art. Außerdem habe ich, so wie er über den Koffer sprach, den starken Verdacht, dass etwas anderes dahintersteckt.«
Ich hatte zwar so eine Befürchtung, was die letzten Worte des Mannes bedeuten konnten, doch bevor wir dazu kamen, das Problem genauer zu erörtern, klingelte mein Telefon.
Es war Mr High. »Jerry, kommen Sie bitte in mein Büro, und bringen Sie Phil mit! Wir wissen jetzt, wer der Tote ist.«
***
»Edward Delaney.«
Detective Winters, der in Mr Highs Büro stand, streckte mir den Ausdruck eines Fotos entgegen, das ich umgehend genauer in Augenschein nahm.
»Kein Zweifel«, bestätigte ich. »Das ist der Mann.«
Das Gesicht, das mir von dem Foto entgegenblickte, wirkte allerdings völlig anders als das Gesicht, das ich auf der Straße vor meinem Apartmentgebäude gesehen hatte. Da war nichts zu entdecken von dem gehetzten Ausdruck in den Augen, den eingefallenen, unrasierten Wangen und dem wirren Haar. Der Edward Delaney, den ich hier sah, war salopp, aber gut gekleidet, fröhlich und entspannt. Ein offenes, amüsiertes Lächeln spielte um seine Lippen.
»Wie wurde er identifiziert?«
Detective Winters verzog das Gesicht. »Ich habe ein Foto des toten John Doe an die Washingtoner Zeitungen geschickt, Inspektor Cotton, um es in den nächsten Ausgaben veröffentlichen zu lassen, in der Hoffnung, dass irgendjemand den Toten wiedererkennen würde.«
»Aber die neuesten Ausgaben sind doch noch gar nicht erschienen«, sagte Phil.
»Das ist richtig. Edward Delaney wurde auch nicht aufgrund einer Aussage aus der Öffentlichkeit identifiziert.«
Phil und ich warfen uns einen Blick zu. Detective Winters hätte eigentlich nicht mehr weitersprechen müssen, wir sahen die offensichtliche Lösung schon vor uns.
»Mister Delaney war Reporter. Seine Kollegen beim Herald haben ihn identifiziert.«
Phil fluchte. Auch ich zuckte innerlich zusammen. Ich konnte mir gut vorstellen, was es für ein Schock für die Leute beim Herald gewesen sein musste, plötzlich das Foto ihres toten Kollegen vor sich zu sehen.
»Wenigstens sind wir nun nicht mehr allein auf die letzten Worte Delaneys angewiesen. Jetzt können wir …«, ich zögerte, »… können Sie beim Herald nachfragen, an welcher Sache Delaney zuletzt gearbeitet hat, und sich dann an seinem Arbeitsplatz und in seiner Wohnung umsehen. Ich denke zwar nicht, dass Delaney, so wie er heute Morgen aussah, in den vergangenen Tagen an einem dieser beiden Orte gewesen ist, aber eventuell finden Sie ja trotzdem etwas, das … Ihnen weiterhilft.«
Detective Winters, dem mein Interesse an seinem Fall nicht entgangen war, lächelte amüsiert.
»Was halten Sie davon, wenn Sie mich zum Herald begleiten?«, fragte er. »Immerhin waren Sie Zeuge, wie Delaney ermordet wurde. Wer weiß, welche Ihrer Beobachtungen an zusätzlicher Bedeutung gewinnt, wenn wir mit den Leuten dort reden.«
Er warf Mr High einen kurzen Blick zu, und dieser nickte.
***
Graham Barnes empfing Detective Winters, mich und Phil, der sich uns ebenfalls hatte anschließen dürfen, in seinem verglasten Büro. Von dort hatte er einen unverstellten Blick auf die im angrenzenden Großraumbüro arbeitenden Reporter. Mit einem knappen Nicken bot er uns ein paar Stühle an, und wir nahmen ihm gegenüber Platz.
Barnes, ein schwer gebauter Mittfünfziger mit dichtem, langsam ergrauendem rotem Haar, ließ sich in seinen Schreibtischsessel zurücksinken und verschränkte die Arme über seinem zerknitterten Hemd. Der grüne Schlips um seinen Hals hing, der Situation angemessen, auf Halbmast.
»Also ist es wirklich wahr?«, sagte er resigniert.
Winters bestätigte seine Feststellung.
Barnes schüttelte den Kopf. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Ted. Wer hätte das gedacht?« Wieder ein Kopfschütteln. »Vor nicht mal zwei Wochen habe ich ihn noch hier in diesem Büro gesprochen. Das war kurz bevor er aufbrach, um, wie er sagte, die abschließenden Recherchen für seine neueste Story in Angriff zu nehmen.«
»Was war das für eine Story?«, erkundigte ich mich gespannt.
Barnes hob die Schultern. »Daraus hat er ein großes Geheimnis gemacht. Ich habe natürlich trotzdem nachgehakt, aber er hat mich bloß abgewimmelt. Wie immer. Sagte, es wäre ein sagenhafter Knüller, und ich solle schon mal die Titelseiten für die Tage, wenn nicht gar Wochen nach seiner Rückkehr freihalten, so hochexplosiv sei das Ganze.«
»Sonst wissen Sie nichts?« Ich konnte es nicht glauben. »Und da lassen Sie Ihren Mitarbeiter einfach in der Weltgeschichte herumgondeln und Spesen verursachen?«
Barnes lächelte grimmig. »Ted war freier Mitarbeiter. Er arbeitete auf eigene Faust, auch wenn wir ihm fast all seine Reportagen abgekauft haben, denn er war verdammt gut. Insofern war das nichts Ungewöhnliches.«
»Verstehe.«
»Er besaß mein vollstes Vertrauen, Inspektor Cotton. Ted war ein ausgezeichneter investigativer Reporter. Einer der besten. Und damit meine ich nicht bloß bei dieser Zeitung, sondern im ganzen Land. Wenn er sagte, dass eine Story ein Knüller sei, dann war sie es auch. Und ich konnte mich immer darauf verlassen, dass alles, was er schrieb, Hand und Fuß hatte und bis ins Letzte belegt werden konnte.«
»Mister Delaney hatte also völlig freie Hand«, stellte ich fest.
Barnes’ Gesicht sank in sich zusammen, sodass er auf einmal aussah wie ein extrem betrübter Bassett. »Im Nachhinein ist das natürlich verteufelt bedauerlich, denn nun wissen wir nicht, woran er gearbeitet hat. Und das hätte sicher dabei geholfen herauszufinden, wer ihn getötet hat. Und warum.«
Wir nickten ernst.