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Mich erreichte ein dringender Anruf aus der Justizvollzugsanstalt von Rock Hill, South Carolina. Der Häftling Jim Young, den ich vor Jahren wegen Mordes verhaftet hatte, lag im Sterben. Young litt an Krebs und behauptete, einen Mittäter gehabt zu haben, der äußerst gefährlich sei: Brady, ein Drogendealer, der das ganze Land vergiften wolle! Mehr als einen Namen bekam ich aus Young nicht heraus, dann fiel er ins Koma und starb kurze Zeit später. Und es dauerte nicht lange, bis sich die Ereignisse überschlugen ...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Die Zombie-Droge
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: (Film) »T2: Trainspotting«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4898-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Zombie-Droge
Der Mann fasste den Messergriff fester. Er hatte niemals zuvor getötet. Aber jetzt musste er zustechen. Der Befehl war eindeutig gewesen.
Die Frau rang nach Luft, stolperte weg von ihm. Die verzweifelten Hilfeschreie seines Opfers berührten ihn nicht. Jede menschliche Empfindung war ausgeschaltet. Der Mann mit dem Messer funktionierte wie ein Roboter. In dem langen, schlauchartigen Raum konnte ihm die Frau nicht entkommen. Sie riss die Arme hoch, um Gesicht und Hals vor der scharfen Klinge zu schützen.
Vergeblich. Sie konnte nicht entkommen, denn man hatte sie mit dem Mann hier eingeschlossen.
Der Mörder stach zu. Der Angriff war präzise. Er fühlte weder Zorn noch Hass. Die Frau war ihm völlig unbekannt. Sekunden später krümmte sie sich blutüberströmt auf dem Boden. Der Mann mit dem Messer stand unbeweglich wie ein Zinnsoldat und beobachtete, wie das Leben aus dem Körper vor ihm wich.
Die Wissenschaftler in den weißen Kitteln nickten einander hinter der Glasscheibe zu. Das Experiment war zu ihrer vollen Zufriedenheit ausgefallen.
Es war heiß in South Carolina, aber davon war in der Krankenabteilung des Rock Hill Prison nichts zu merken. Eine Klimaanlage sorgte dafür, dass sich der penetrante Geruch von Desinfektionsmitteln überall verbreitete. Phil und ich saßen auf einer Metallbank, die am Boden festgeschraubt war. Zu beiden Seiten des Ganges befanden sich Sicherheitstüren, außerdem gab es eine umfassende Kameraüberwachung.
Ein Krankenpfleger mit Bodybuilder-Figur schob einen Patienten im Rollstuhl vor sich her. Der Gefangene trug einen orangefarbenen Overall, Handschellen und Fußfesseln. Die Häftlinge in diesem Teil der Strafanstalt waren krank, hatten aber ausnahmslos schwerste Verbrechen begangen. Die meisten von ihnen waren Mörder.
»Ich frage mich, was Jim Young uns zu sagen hat«, murmelte Phil.
»Ja, und warum er zehn Jahre lang damit gewartet hat«, stimmte ich zu. »Er hätte sein Gewissen schon erleichtern können, als wir ihn damals verhaftet hatten.«
Es war fast auf den Tag ein Jahrzehnt her, seit Young in die Mündung meiner Dienstwaffe geblickt und sich ergeben hatte. Der Verbrecher hatte zu einer Gang gehört, die damals die gesamte Ostküste mit billigen Drogen überschwemmt und rivalisierende Banden mit schweren Waffen bekämpft hatte.
Phil und ich waren seinerzeit einigen Hinweisen nachgegangen und hatten Young in einer Autowerkstatt in der South Bronx stellen können. Verurteilt worden war er letztlich in South Carolina, weil er dort die meisten seiner Straftaten begangen hatte.
Und am Vormittag waren wir von Washington aus hierhergeflogen, weil Young sich mir angeblich anvertrauen wollte. Es gab keine andere Person beim FBI oder dem Police Department, mit der er zu sprechen bereit war.
Wir warteten bereits eine Viertelstunde, als ein Glatzkopf im weißen Kittel auf uns zutrat. Er stellte sich als Dr. Tremaine vor. Phil und ich nannten ebenfalls unsere Namen und zeigten unsere Dienstausweise.
»Sie haben bei mir angerufen, nicht wahr?«, vergewisserte ich mich.
Der Mediziner nickte. »Richtig, Inspektor Cotton. Ich behandele Jim Young seit längerer Zeit. Unter uns gesagt ist es ein Wunder, dass er noch lebt. Der Patient leidet an Lungenkrebs, die Metastasen verbreiten sich immer weiter in seinem Körper. Wir können nicht mehr viel für ihn tun. Wir lindern seine Schmerzen mit Betäubungsmitteln, das ist alles.«
»Wenn Young unter dem Einfluss von Opiaten steht, inwieweit kann man seinen Aussagen überhaupt trauen?«, hakte ich nach.
Der Arzt machte eine hilflose Geste. »Das lässt sich schlecht einschätzen. Gerichtsverwertbar sind seine Worte sicher nicht.«
Trotzdem wollte ich mir anhören, was Young zu sagen hatte. Es war nicht meine Art, einem Sterbenden den letzten Wunsch zu verwehren. Außerdem konnte es immerhin möglich sein, dass der Verbrecher einen brauchbaren Tipp für uns hatte.
Young war kein kleiner Fisch, auf sein Konto gingen drei Morde. Eigentlich hatte man ihn schon vor Jahren zum Tode verurteilt. Allerdings zog sich die Vollstreckung hin, weil sein Anwalt immer wieder versucht hatte, aufgrund von Verfahrensfehlern den Prozess neu aufzurollen.
Für Phil und mich gab es keine Zweifel an Youngs Schuld. Wir hatten seine Opfer gesehen, und sein Geständnis war glaubhaft gewesen. Es war Ironie des Schicksals, dass Young durch seine Krankheit vor der Giftspritze bewahrt werden würde.
Dr. Tremaine führte uns in das vergitterte Krankenzimmer des Mörders.
Im ersten Moment hätte ich Young beinahe nicht wiedererkannt. Er lag im Bett und war fast so bleich wie seine Decken. Der Verbrecher musste stark an Gewicht verloren haben. In seinem rechten Arm steckte eine Kanüle, die durch einen Schlauch mit einem Infusionsbeutel verbunden war. Auf diese Weise bekam er offenbar Schmerzmittel.
Young war ein Weißer mit dunklen Augen. Sein Haar war vor zehn Jahren schon schütter gewesen, jetzt hatte man ihm den Schädel kahlrasiert. Youngs Blick war glasig. Doch als er mich erblickte, verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen.
»Agent Cotton, Sie sind hier«, krächzte er.
»Ich bin inzwischen Inspektor, Young. Können Sie sich auch noch an Inspektor Decker erinnern?« Ich deutete auf Phil.
Der Mann drehte den Kopf in seine Richtung. »Ja, ich erkenne Sie auch wieder … Aber ich will mit Inspektor Cotton sprechen. Er war es, der mich damals enttarnt hat. Ich war schwer beeindruckt, weil ich mich vorher so lange verstecken konnte.«
Young sprach sehr leise. Ich musste mich konzentrieren, um jedes Wort zu verstehen. Ich fragte ihn, ob ich das Gespräch mitschneiden durfte. Der Mörder erklärte sich damit einverstanden.
Phil und ich nahmen links und rechts vom Krankenbett auf Besucherstühlen Platz. Dr. Tremaine hielt sich im Hintergrund, nachdem er Youngs Blutdruck gemessen und die Infusion kontrolliert hatte. Er wollte bei der Befragung dabei sein, falls es zu medizinischen Komplikationen kommen würde.
»Was wollen Sie mir sagen, Young?«, fragte ich.
»Drogen«, murmelte er. »Wir sind damals stinkreich geworden, aber das war Kinderkram. Kinderkram, hören Sie? Wir haben das Zeug an Schulen verkauft, das war falsch.«
Ich runzelte die Stirn. Wollte der Täter Geschichten aufwärmen, die sich vor einem Jahrzehnt abgespielt hatten? Ich konnte Phil ansehen, dass er ebenfalls skeptisch war. Wir hatten damals umfassendes Beweismaterial gesammelt und mit Dutzenden von Zeugen gesprochen.
»Sicher, das war falsch«, wiederholte ich. »Aber es hat mehrere Strafprozesse gegeben, in denen die Fakten auf den Tisch gekommen sind.«
»Ich rede nicht von damals«, erwiderte Young matt. »Heute geht die Gefahr von Brady aus. Er will das ganze Land vergiften!«
»Sprechen Sie von Adam Brady?«, hakte ich nach. »Er gehörte damals zu Ihrer Organisation, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Brady war vor zehn Jahren nur ein Wasserträger und Handlanger gewesen«, röchelte Young. Das Sprechen schien ihm immer schwerer zu fallen. »Der Dreckskerl muss dazugelernt haben. Sie … können ihn aufhalten, Inspektor Cotton.«
»Warum haben Sie mit den Informationen hinterm Berg gehalten, bis es Ihnen so schlecht geht wie jetzt?«, wollte ich wissen.
»Sue«, flüsterte er.
Ich beugte mich weiter vor. Nun war ich Young so nahe, dass ich die feinen Schweißperlen auf seiner Stirn deutlich sehen konnte. Unter seinen Augen hatten sich schwarze Schatten gebildet, die Lippen waren rissig.
»Wie will Brady das ganze Land vergiften? Besitzt er eine neue Droge?«, fragte ich, weil Young nicht weitersprach.
Der Mann starrte Richtung Zimmerdecke. Ich fürchtete schon, dass er mich nicht verstanden hatte. Aber dann formte sein Mund ein paar Worte.
»Bradys Handschrift … Er … schafft Killer«, sagte er abgehackt. »Nie … niemand kommt davon.«
Was sollten diese Worte bedeuten? Ich wollte mich vergewissern. Doch Young schien schwächer zu werden. Die letzten Silben waren kaum noch zu verstehen. Dr. Tremaine trat näher und schüttelte den Kopf.
»Der Patient braucht dringend Ruhe«, sagte der Arzt. »Ich kann es nicht verantworten, dass Sie noch länger mit ihm reden.«
Wir hatten keine andere Wahl und fügten uns der Anweisung des Mediziners.
»Rufen Sie mich bitte an, wenn es eine Veränderung gibt!«, bat ich ihn.
Dr. Tremaine nickte und ließ sich meine Mobilfunknummer geben.
»Ich schätze, wir haben hier nur unsere Zeit verschwendet«, sagte Phil, als wir von einem uniformierten Vollzugsbeamten durch zahlreiche Sicherheitsschleusen nach draußen geführt wurden. Die Häftlinge grölten, klapperten mit Blechbechern gegen die Gitterstäbe und riefen uns wüste Beleidigungen hinterher.
»Young machte einen angespannten Eindruck«, erwiderte ich. »Es schien ihm am Herzen zu liegen, dass wir etwas über Bradys Machenschaften erfahren.«
»Was soll Brady überhaupt angestellt haben? Das kapier ich nicht«, meinte Phil trocken. »Ich habe kein Gesicht mehr vor Augen, obwohl wir ihm damals auch begegnet sind. Brady war ein kleiner Fisch, das hat Young richtig erkannt. Wir haben ihn zusammen mit einigen weiteren Komplizen verhaftet, erinnerst du dich?«
Ich nickte.
»Er leistete keinen Widerstand«, fuhr Phil fort. »Und der soll jetzt das ganze Land vergiften wollen? Mit was für einer Droge? Und wieso bringt er angeblich Killer hervor?«
»Vielleicht geht es um eine Substanz, die den Süchtigen besonders aggressiv macht«, vermutete ich.
»Dann sind davon hier in Rock Hill wohl schon Gratisproben verteilt worden«, meinte Phil und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Zellenreihen. Die Insassen beschimpften uns immer noch. Man konnte ihren Hass förmlich spüren.
Mein Smartphone klingelte. Das Gespräch dauerte nur kurz.
»Danke, Doktor Tremaine«, sagte ich und steckte das Handy wieder weg.
Phil schaute mich fragend an.
»Young ist gerade verstorben«, erklärte ich.
***
Wir flogen noch am selben Tag vom Charlotte Douglas International Airport zurück nach Washington. Davor hatte ich angeordnet, dass Youngs Habseligkeiten zur kriminaltechnischen Auswertung nach Quantico geschickt werden sollten. Womöglich konnte das SRT aus den Gegenständen Rückschlüsse auf die Andeutungen des Killers ziehen. Außerdem hatte ich mir vom Gefängnisdirektor eine Liste von Youngs Besuchern geben lassen.
»Sue Finnegan lautete der Name von Youngs Freundin«, stellte ich fest. »Wenn er geschwiegen hat, um sie zu schützen, könnte das ein Grund für sein langes Schweigen sein. Sue hat Young aber seit drei Jahren nicht mehr besucht, jedenfalls erscheint sie seitdem nicht mehr auf seiner Besucherliste.«
Phil hatte im Flugzeug bereits sein Notebook aufgeklappt und checkte die Daten der Frau.
»Sue Finnegan ist vor dreieinhalb Jahren bei einem Autounfall in Virginia ums Leben gekommen, Jerry. Kein Wunder, dass sie nicht mehr im Gefängnis vorbeigeschaut hat.«
»Dann sollten wir uns Brady vorknöpfen. Sitzt er noch hinter Gittern?«
Phil schüttelte den Kopf. »Ich habe mir gerade seine elektronische Strafakte vorgenommen. Brady konnte damals nur Beihilfe zur Herstellung chemischer Drogen nachgewiesen werden. Er bekannte sich schuldig und wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen er wegen guter Führung nur zweieinhalb absitzen musste. Seitdem ist er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten.«
»Oder er hat sich nicht mehr erwischen lassen«, gab ich zurück. »Für mich lautet die Frage, ob es Kontakt zwischen den ehemaligen Komplizen gegeben hat.«
»Falls nicht, sind Youngs letzte Worte wohl eher seinen Schmerzmitteln geschuldet. Von einer brauchbaren Information würde ich dann nicht sprechen«, meinte Phil.
Der Flug von Charlotte nach Washington dauerte knapp anderthalb Stunden. Wir fuhren ins FBI Headquarter zurück und begaben uns in Mr Highs Büro. Kurz darauf saßen wir dem Assistant Director am Konferenztisch gegenüber.
»Also können Sie nicht sicher sein, ob Youngs Informationen Hand und Fuß haben, Jerry?«, wollte der Chef wissen, nachdem wir ihm von unserem Besuch im Gefängnis berichtet hatten.
»Richtig, Sir. Der Sterbende hat einen ehemaligen Komplizen beschuldigt. Sobald wir diesen Mann genauer überprüft haben, sehen wir klarer.«
»Falls das ganze Land vergiftet werden soll, dann hätten wir davon schon durch andere Kanäle erfahren«, warf Phil ein.
Der Chef wiegte den Kopf. »Unter normalen Umständen schon. Aber gerade im Drogenmilieu muss man ständig mit neuen Entwicklungen rechnen. Und Schweigen ist dort ein ehernes Gesetz. Geben Sie mir bitte Bescheid, sobald Sie etwas herausgefunden haben!«
Wir verließen das Büro des AD und grüßten Dorothy Taylor im Vorzimmer freundlich. Als ich an meinem eigenen Schreibtisch war, rief ich zunächst Mai-Lin in Quantico an.
»Ich benötige alle Informationen über den aktuellen Aufenthaltsort von Adam Brady, Mai-Lin. Die Person ist mehrfach vorbestraft und wurde vor vierundvierzig Jahren in Portland, Oregon geboren.«
Die Informatikerin ließ ihre Finger über die Tastatur gleiten, das war deutlich zu hören. »Es gibt nur einen Adam Brady, auf den diese Variablen zutreffen. Er starb bereits vor sieben Jahren.«
»Also kurze Zeit, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde?«, vergewisserte ich mich.
»Das ist korrekt«, gab Mai-Lin zurück. »Brady verbüßte eine Haftstrafe in Rikers und wurde wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Er kam seinen Bewährungsauflagen nach, indem er zunächst regelmäßig Kontakt zu seinem Bewährungshelfer hielt. Aber dann verstarb er bei einem Wohnungsbrand im Apartment eines Freundes.«
»Wo genau?«, hakte ich nach.
»Moment, die Frage kann ich sofort beantworten.« Sie schwieg einen Moment. »Das Feuer brach in Hopewell, New Jersey aus. Ist das von Belang?«
»Möglicherweise«, erwiderte ich nachdenklich.
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«, fragt Mai-Lin.
»Einstweilen nicht«, gab ich zurück und beendete das Gespräch.
Phil hatte über Lautsprecher mitgehört. »Damit dürfte das Thema wohl erledigt sein«, sagte er. »Ein toter Mann kann ganz sicher nicht unser ganzes Land verseuchen. Youngs Fantasie hat ihm einen Streich gespielt, und die Opiate werden ihren Teil dazu beigetragen haben.«
»Ja, möglicherweise. Aber ich will mich vergewissern.«
Mit diesen Worten griff ich erneut zum Telefon und nahm Kontakt mit dem Sheriff’s Office von Hopewell auf. Ich hatte Glück, denn der amtierende Sheriff war schon vor zehn Jahren im Amt gewesen. Ich stellte mich vor und schilderte, worum es ging.
»Ja, ich erinnere mich an den Fall, Inspektor Cotton«, sagte der Mann mit dunkler Reibeisenstimme. »Hopewell ist eine ruhige kleine Gemeinde. Es kommt nicht oft vor, dass wir einen solchen Todesfall zu beklagen haben. Die meisten Menschen sterben hier friedlich im Bett. Das Opfer dieses Brandes war kein Einheimischer, das weiß ich noch.«
»Was genau ist damals vorgefallen, Sheriff?«, wollte ich wissen.
»Gegen Mitternacht wurden Fire Department und Sheriff’s Department alarmiert. Ein Apartment in der Lafayette Street stand in Flammen. Zum Glück lag es in einem Haus, das nur zwei Wohnungen hatte. Das andere Apartment stand leer, und im Erdgeschoss befand sich eine Wäscherei. Die war nachts natürlich geschlossen.«
»Es gab also nur ein Todesopfer?«
»Genau, Inspektor Cotton. Als wir vor Ort eintrafen, hatten die Feuerwehrleute schon mit der Brandbekämpfung begonnen. Der Mieter des Apartments war völlig aufgelöst. Er machte sich Vorwürfe, gab sich eine Mitschuld an dem Unglück.«
»Wie hieß der Mann?«, fragte ich.
»Dave Turner. Ich kenne ihn von Kindesbeinen an, wir sind zusammen aufgewachsen. Er ist ein Einzelgänger, hat sich schon in der Junior Highschool immer abgesondert. Aber ich hätte ihm nicht zugetraut, ein Gewaltverbrechen zu begehen. Es gab auch keine Hinweise auf ein Fremdverschulden.«
»Wissen Sie noch, wie das Feuer entstanden ist?«
»Ja, laut den Brandsachverständigen des Fire Department muss sich das Opfer mit einer brennenden Zigarette auf Turners Bett gelegt haben, Inspektor Cotton. Mir fällt jetzt sogar der Name des Mannes wieder ein. Er hieß Arnold Brady oder so ähnlich.«
»Adam Brady«, berichtigte ich ihn. »Sie erwähnten das Bett, Sheriff. Waren Turner und Brady ein homosexuelles Paar?«
»Diese Frage habe ich mir damals, ehrlich gesagt, auch gestellt. Aber Hopewell ist eine kleine Stadt, hier spricht man nicht so offen über diese Dinge. Ich kann mich nicht erinnern, dass Dave Turner jemals eine Freundin gehabt hatte, von einer Ehefrau ganz zu schweigen. Also, es wäre möglich, dass die beiden Männer etwas miteinander gehabt haben.«
»Woher kannten sich Turner und Brady? Erinnern Sie sich zufällig daran?«
Der Sheriff schnalzte mit der Zunge. »Nein, da muss ich passen. Turner gab an, dass Brady ein Freund von ihm gewesen sei.«
»Weshalb war Turner nicht im Apartment, als das Feuer ausbrach?«, fragte ich.
»Nach Turners Aussage hatte er gemeinsam mit Brady Bier getrunken und ein Baseballspiel im Fernsehen angeschaut. Irgendwann hatten sie nichts mehr zu trinken. Turner ging zu Fuß zum einzigen Spirituosenladen von Hopewell, der rund um die Uhr geöffnet hat. Der Weg dorthin dauert eine Viertelstunde, wenn man ein normales Tempo vorlegt.«
»Turner war also insgesamt mindestens eine halbe Stunde fort«, stellte ich fest. »Und als er zurückkam, brannte das Apartment bereits?«
»Ja, so lautete seine Aussage. Ich hatte keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln. Turner war zwar angetrunken, aber nicht völlig weggetreten. Er selbst hatte überlebt, aber sein gesamtes Hab und Gut verbrannte in dieser Nacht.«
»Lebt Turner immer noch in Hopewell?«, wollte ich wissen.