Jerry Cotton 3135 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3135 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Bei der Explosion eines leer stehenden Hauses am Stadtrand von Ludington, Michigan wurde ein älterer Mann am Kopf verletzt. Die FBI Resident Agency in Grand Rapids glaubte nicht, dass es sich um einen Streich von Jugendlichen handelte, der außer Kontrolle geraten war. Denn ein Erpresser hatte mit einem Sprengstoffanschlag auf das örtliche Pumpspeicherwerk gedroht und offenbar jetzt unter Beweis gestellt, dass er tatsächlich über die nötige Menge an C4 verfügte. Warum sich der Täter allerdings ausgerechnet das abgelegene Werk ausgesucht hatte, war nur eine der vielen Fragen, die Phil und ich beantworten mussten. Denn die Frist, die der Erpresser genannt hatte, lief gnadenlos ab ...

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Tödlicher Befreiungsschlag

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Man on Fire«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5057-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Tödlicher Befreiungsschlag

Das Haus stand seit Langem leer. Michael Mullins hatte es auf einer seiner ziellosen Wanderungen am Rand des Manistee National Forest entdeckt. Niemand schien sich darum zu kümmern. Schade eigentlich. Mullins konnte fast zusehen, wie es mehr und mehr verfiel. So würde es ihm eines Tages selbst ergehen, wenn er nicht aufpasste. Nicht stehen bleiben, dachte er. Niemals stehen bleiben.

In dem Augenblick flog das Haus in einer riesigen Staubwolke in die Luft.

Mullins hustete, keuchte. Ein Balken traf ihn am Kopf.

Das war das Letzte, was er fühlte. Er verlor das Bewusstsein und stürzte zu Boden.

Phil und ich waren auf dem Weg nach Michigan. Bei der Zwischenlandung auf dem Detroit Metro Airport genehmigten wir uns einen schnellen Kaffee, um dann weiter nach Grand Rapids zu fliegen.

Ein Erpresser drohte mit einem Sprengstoffanschlag auf das Pumpspeicherwerk in Ludington. Und jetzt hatte er ein Haus in die Luft gesprengt, ganz offensichtlich, um klarzumachen, dass er tatsächlich über den nötigen Sprengstoff verfügte.

Zuständig für die Kleinstadt Ludington war FBI Resident Agent Ian Rutledge. Er war deutlich älter als wir alle, hatte einen Bierbauch und fragte mit einem Augenzwinkern, ob wir zum Angeln nach Michigan gekommen wären.

»Klar«, sagte ich, »wenn wir hier fertig sind.«

»Okay, er hat was in die Luft gesprengt«, sagte Rutledge. »Aber so ein Pumpspeicherwerk ist eine ganz andere Größenordnung als ein altes, schäbiges Holzhaus. Wie sprengt man so ein gewaltiges Bauwerk in die Luft?«

»Mit C4«, antwortete ich. »Ein benutzerfreundlicher Plastiksprengstoff. Man kann ihn sogar selbst herstellen. Die Anleitung dazu zirkuliert frei im Netz.«

»Die stammt aus dem Cookbook«, bestätigte Phil. »Aber ob die was taugt, ist eine andere Frage. Wer alles ausprobiert, was in dem Kochbuch steht, der ist bald ein toter Mann.«

»Der Erpresser ist in diesem Fall kein Risiko eingegangen. Er hat militärisches C4 aus Armeebeständen benutzt.«

»Woher wissen Sie das?«, fragte Rutledge.

Überreste des Verpackungsmaterials, die die Kollegen vor Ort nach der Sprengung gefunden hatten, und die chemische Zusammensetzung des Sprengstoffs belegten das eindeutig.

»Wir glauben, dass der Sprengstoff im Darknet angeboten und gekauft worden ist«, gab ich zurück. »Wir haben nach einem anonymen Hinweis entsprechendes Material in Pennsylvania und West Virginia sicherstellen können. Leider ohne die Besitzer. Die hatten sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Deswegen sind wir hier.«

»Der Sprengstoff, den Sie sichergestellt haben – sind das größere Mengen?«, fragte Rutledge.

»Ja. Insgesamt etwa zweihundert Pfund. Aber das ist nur ein kleiner Teil dessen, was tatsächlich unterwegs ist. Der Anbieter im Darknet, von dem wir glauben, dass er den Sprengstoff verkauft hat, hat über zehntausend Pfund C4 angeboten.«

Mit dieser Menge Sprengstoff konnte man gewaltigen Schaden anrichten. Ich erinnerte mich an den großen Bombenanschlag in Saudi-Arabien vor einigen Jahren. Dabei war ein achtstöckiger Wohnblock dem Boden gleichgemacht worden. Die Terroristen hatten damals fünfhundert Pfund C4 verwendet. Und die Autobombe, die sie eingesetzt hatten, war zum Zeitpunkt der Explosion etwa zwanzig Yards von dem Wohnblock entfernt gewesen.

Ich konnte mir vorstellen, was passierte, wenn man eine solche Bombe dort einsetzte, wo sie am meisten zerstörte, nämlich direkt im Ziel.

Rutledge kratzte sich am Kopf. »Wie viel Sprengstoff ist jetzt bei der Explosion in Ludington zum Einsatz gekommen?«

»Höchstens ein paar Pfund«, gab ich zurück. »Die genaue Menge kennen wir nicht.«

Rutledge hob die Augenbrauen. »Und die reichen aus, um ein ganzes Haus in die Luft zu sprengen?«

»Ja, die reichen aus«, sagte Phil. »Aber Sie müssen natürlich bedenken, was für eine Art von Haus das gewesen ist: ein fünfzig Jahre altes, nicht besonders stabiles Holzhaus. Um das zu zerlegen, hätte auch eine Motorsäge ausgereicht.«

Rutledge lachte, wurde jedoch sofort wieder ernst.

»Mit der großen Menge Sprengstoff, die im Umlauf ist, ist nicht zu spaßen«, meinte ich. »Und es wird vermutlich nicht bei einem Sachschaden bleiben. Wir müssen den Sprengstoff so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen!«

***

Ludington hatte gut achttausend Einwohner und lag direkt am Lake Michigan. Wir waren in einem der Hotels direkt am Seeufer untergebracht.

Phil betrachtete die Hinweisschilder. »Snyder’s Lakeshore Inn, Miller’s Lakeside Motel, VenturaMotel, Stearns … Wie viele Hotels und Motels gibt es hier eigentlich?«

»Etwas über zwanzig«, sagte Rutledge.

»Und die sind irgendwann wirklich ausgebucht?«

»In der Hauptsaison schon, Inspektor Decker.«

»Was wollen denn die ganzen Leute hier?«

»Angeln«, gab Rutledge grinsend zurück.

Das Pumpspeicherwerk von Ludington war eine eindrucksvolle Anlage. Wir trafen Herman Rhodes, den Direktor, in seinem Büro. Von seinem Fenster aus hatten wir einen freien Blick über den Lake Michigan.

»Groß wie ein Meer«, sagte Phil. »Man kann das andere Ufer nicht sehen.«

Rhodes zeigte uns den Erpresserbrief. Es war tatsächlich ein Brief, keine E-Mail, gerichtet an das Kraftwerk Ludington. Der Brief war am Tag zuvor mit der Post zugestellt worden.

»Die Adresse ist unvollständig«, sagte der Direktor. »Aber die Post hat uns trotzdem gefunden.« Das war kein Wunder, denn weit und breit gab es kein weiteres Kraftwerk. »Das spricht dafür, dass das Schreiben von jemandem stammt, der sich nicht in der Gegend auskennt. Von jemandem, der nicht im Werk arbeitet.«

Ich sah Phil an. Der schüttelte nur leicht den Kopf.

»Das besagt gar nichts«, widersprach ich. »Es kann sehr wohl jemand aus dem Werk gewesen sein. Der Absender könnte es darauf angelegt haben, Sie das glauben zu lassen.«

Der Direktor hielt es für unwahrscheinlich, dass einer seiner Mitarbeiter dahintersteckte. »Wir sind ein gutes Team. Wir leisten hervorragende Arbeit, und ich kann mich auf jeden meiner Leute verlassen.«

»Das ist immer gut«, sagte ich. Aber mir war auf dem Weg zum Büro aufgefallen, dass nicht nur die Anlage etwas in die Jahre gekommen war, sondern auch die Angestellten. Ich hatte zwar niemanden gesehen, der missmutig oder unwillig ausgesehen hatte, aber andererseits fehlte ein gewisser Schwung, eine Aufbruchsstimmung, wie man sie in jungen Unternehmen häufig antrifft.

Der Direktor erzählte, wie sehr sich die Belegschaft für die Belange der Gemeinde einsetzte. Er lobte den freiwilligen Arbeitseinsatz für den Naturschutz und die enge Zusammenarbeit mit dem Fremdenverkehrsamt. »Wir haben einundvierzig Mitarbeiter, und ich würde für jeden einzelnen von ihnen die Hand ins Feuer legen.«

Der Erpresserbrief war mit der Schreibmaschine geschrieben, mit einer elektrischen Schreibmaschine immerhin. Das war in gewisser Weise leichtsinnig, und es würde keine große Mühe bereiten, die Schreibmaschine zu identifizieren – wenn wir sie denn fanden. Aber bis dahin war es noch ein weiter Weg.

»Der Betrag«, sagte Rutledge. Er deutete auf den Erpresserbrief. »200.000 Dollar. Das ist eine vergleichsweise bescheidene Summe. Das deutet meiner Meinung nach eher darauf hin, dass wir es mit einem Amateur zu tun haben.«

Ich schüttelte den Kopf. »Der C4-Sprengstoff spricht dagegen«, sagte ich.

Der Direktor runzelte besorgt die Stirn. »Die Frage ist jetzt, wie wir die Anlage schützen können. Wir haben zusätzliches Security-Personal kommen lassen, aber bei der gewaltigen Ausdehnung des Geländes können wir nicht alles absichern. Wir müssen uns auf die Schwachstellen konzentrieren. Und die größte ist natürlich genau hier, wo wir jetzt stehen. Hier im Kraftwerk.«

»Der Schutz der Anlage ist eine Sache«, gab ich zu bedenken, »der Umgang mit der Erpressung eine andere.«

»Ja, ich weiß, natürlich. Mit dem Erpresser verhandeln und diese Dinge. Aber wie soll ich mit ihm verhandeln, wenn er gar nicht mit mir spricht?« Rhodes hob hilflos die Schultern. »Wenn er mir nur einen Brief mit einer Geldforderung schickt und sonst nichts. Keine Angaben darüber, wann und wo die Übergabe erfolgen soll …«

»Mister Rhodes, eines unserer Grundprinzipien ist, dass wir uns nicht erpressen lassen!«, sagte Rutledge.

»Prinzipien helfen uns nicht weiter«, widersprach ich. Ich deutete auf den Metallkoffer neben mir. »Hier in diesem Koffer sind 200.000 Dollar. Wenn der Erpresser sie haben will, dann soll er sie sich holen.«

Rutledge starrte mich an. »Sie haben tatsächlich 200.000 Dollar mitgebracht?«

Ich zuckte die Schultern. »Vielleicht ja, vielleicht nein. Wenn Sie jetzt der Erpresser wären, dann hätten Sie nichts anderes als mein Wort dafür, dass es so ist.«

»Wenn ich der Erpresser wäre, dann würde ich das Geld sehen wollen. Dann würde ich von Ihnen verlangen, dass Sie den Koffer aufmachen«, konterte Rutledge.

»Dann mache ich den Koffer auf«, sagte ich.

»Und dann?«

Phil hatte begriffen, was ich meinte. »Dann sind Sie verloren, Agent Rutledge«, sagte er. »Wenn Sie wirklich sehen wollen, ob echtes Geld in der Tasche ist, dann müssen Sie Jerry so nahe kommen, dass er Sie aus dem Anzug haut.«

Rutledge gab nicht auf. »Aber ich bin natürlich bewaffnet.«

»Ich auch«, sagte ich. Ganz so einfach, wie ich es dargestellt hatte, war die Geschichte natürlich nicht. Fest stand aber, dass bei jeder Erpressung die Übergabe des Geldes der Schwachpunkt war. Das wollte ich ausnutzen, und zwar so schnell wie möglich. Bis jetzt konnte der Erpresser nicht wissen, dass sich das FBI eingeschaltet hatte. Bis jetzt glaubte er wahrscheinlich, dass er es nur mit den Leuten vom Kraftwerk und allenfalls mit dem örtlichen Police Department zu tun hatte.

Direktor Rhodes erhob sich und bot uns eine Führung durch die Anlage an.

»Als es gebaut wurde, war es das größte Pumpspeicherwerk der Welt«, sagte er auf dem Flur. »Heute ist es immerhin noch das zweitgrößte in den USA.«

Wir hatten uns vorbereitet, sodass die Dinge, die Rhodes uns vorführte, nicht vollkommen neu für uns waren, aber dennoch waren wir von den Ausmaßen der Anlage beeindruckt. Wir standen auf der Besucherplattform und blickten hinunter auf den Speichersee.

»Der See ist 842 Acres groß und fasst 27 Milliarden Gallons Wasser. Der Seespiegel liegt 363 Fuß über dem Wasserspiegel vom Lake Michigan …«

»Eindrucksvoll«, sagte ich. Weniger eindrucksvoll waren die Sicherheitsvorkehrungen. Das Gelände war mit einem sechs Fuß hohen Maschendrahtzaun umgeben, und weder die drei Reihen einfacher Stacheldraht noch die postkartengroßen blau-weißen Schilder mit der Aufschrift Zutritt verboten würden jemanden daran hindern, unerlaubt in dieses Gelände einzudringen.

Rhodes erklärte indessen, wie die Anlage funktionierte. Die Technik war simpel. Nachts, wenn der Stromverbrauch niedrig war, wurde Wasser vom Lake Michigan in das Speicherbecken hinaufgepumpt. Bei Tag wurde das Wasser über die sechs großen Turbinen zurück in den See geleitet. Dabei wurde eine ungeheure Menge Strom erzeugt. Das Kernstück der Anlage waren die Turbinen.

Während der Direktor die technischen Details erläuterte, stieß mich einer der Techniker an.

»Ich wüsste schon Leute, die als Erpresser in Frage kämen …«, raunte er mir zu. »Denver …«

»Darüber würde ich gern mehr wissen«, sagte ich leise.

»Nicht jetzt, nicht hier.«

Ich gab ihm meine Karte.

***

Das Spectrum Health Hospital lag mitten in Ludington. Hierher hatten sie Michael Mullins gebracht, als er bei der Explosion verletzt worden war. Der Mann hatte einen Kopfverband, aber abgesehen davon machte er einen munteren Eindruck. Er saß aufrecht im Bett und hörte Musik. Er nahm die Kopfhörer ab, als wir das Krankenzimmer betraten. Wir stellten uns vor.

»Oh, das FBI!« Er war beeindruckt.

»Bei Sprengstoffverbrechen wird das FBI in der Regel eingeschaltet.« Ich verschwieg, wie hoch wir den Fall aufgehängt hatten.

Mullins nickte. »Hoffentlich kriegen Sie den Kerl. Das hier, das war der Balken.« Er deutete auf seinen Kopfverband. »Dieses verdammte Ding hat mich am Kopf getroffen, und ich bin zu Boden gegangen. Und als ich wieder zu mir kam, lag ich schon im Krankenwagen und war auf dem Weg hierher.«

»Sie haben großes Glück gehabt«, sagte Rutledge.

»Naja, wie man’s nimmt. Noch größeres Glück hätte ich gehabt, wenn mich der Balken gar nicht erst getroffen hätte. Aber man kann nicht alles haben, nicht wahr?«

Ich stimmte ihm zu. Ich wusste inzwischen, dass Mullins sechsundfünfzig Jahre alt war, ledig und dass er keinen näheren Angehörigen hier in der Gegend hatte.

»Sie kommen nicht aus Ludington?«, fragte ich.

»Nein. Ich bin nicht mal aus Michigan. Ich komme aus West Virginia. Ich bin erst vor gut einem halben Jahr hierhergezogen.«

»Warum ausgerechnet nach Michigan?«, fragte ich aus reiner Neugier.

»Was glauben Sie? Weil mir die Gegend so gut gefällt?« Der Mann lachte. »Nein, ich habe geerbt. Die Tante meines Vaters, von deren Existenz ich bis dahin gar nichts gewusst hatte, hat mir ein kleines Haus in Ludington vermacht. Und da habe ich mir gesagt: Das ist ein Wink des Schicksals. Du brichst deine Zelte im Osten ab und ziehst nach Ludington.«

»Eine Entscheidung, die Sie nicht bereut haben«, vermutete Phil.

»Oh doch, diese Entscheidung habe ich bereut«, sagte Mullins seufzend. »Schon nach einer Woche habe ich gewusst, dass es ein großer Fehler war. Ich hätte meinen Job niemals aufgeben dürfen. Und jetzt sitze ich hier und bin arbeitslos. Zu alt, heißt es.«

Ich nickte. »Verstehe.«

»Aber insofern ist diese Explosion vielleicht doch ein glücklicher Zufall für mich gewesen. Die Zeitung hat darüber berichtet, und sie haben natürlich auch geschrieben, dass ich keine Arbeit habe. Und heute habe ich schon drei verschiedene Angebote bekommen von Leuten, die mich einstellen wollen.«

»Als was haben Sie denn vorher gearbeitet?«, wollte ich wissen.

»Als Elektroingenieur. Ich war in einer Brunnenbohrfirma für die Elektrik zuständig.«

»Wenn Sie Elektroingenieur sind, wäre dann nicht das Pumpspeicherwerk ein möglicher Arbeitgeber?«, fragte Phil.

»Nein, nicht wirklich. Natürlich habe ich mich auch dort beworben, aber ich habe ja keinerlei Erfahrung mit Kraftwerken.«

»Das ist schon ein merkwürdiger Zufall, dass Sie ausgerechnet in dem Moment an dem alten Haus vorbeigegangen sind, als es explodiert ist«, sagte Phil.

Ich warf meinem Partner einen besorgten Blick zu. Aber der Mann schien nicht zu bemerken, worauf diese Frage hinauslief.

»Ja, das war schon ein Zufall«, sagte er, nicht besonders beunruhigt. »Ich habe viel Zeit, weil ich ja keine Arbeit habe, und diese Zeit nutze ich dazu, ausgedehnte Spaziergänge zu unternehmen. Wenn Sie nicht von hier sind, dann wissen Sie das wahrscheinlich nicht, aber die Umgebung von Ludington ist ausgesprochen hübsch. Die vielen Wälder, die kleinen Seen …«

»Aber da, wo dieses Haus stand, da war kein Wald und auch kein See«, bohrte Phil nach.

Mullins betastete seinen Kopfverband. »Nein, natürlich nicht. Aber man muss erst mal dahin kommen, wo es schön ist.«

»Dazu könnte man ein Auto benutzen«, erwiderte Phil.

»Ja, wenn man eins hat. Ich habe kein Auto, das kann ich mir nicht leisten.«

»Der Rucksack«, sagte ich. »In dem Polizeibericht steht, dass Sie einen Rucksack dabeihatten. Einen leeren Rucksack.«

»Ja, da war mein Lunch drin.«

»Die Explosion hat sich am Vormittag ereignet …«

»Um elf Uhr, ja, Inspektor Decker. Ich hatte Hunger bekommen, und da habe ich eine Pause gemacht und meine Sandwiches gegessen.«

Das mochte richtig sein oder falsch. Wenn er tot gewesen wäre, hätten wir seinen Mageninhalt untersucht. So waren wir auf sein Wort angewiesen.

»Mister Mullins, ich habe hier eine Karte von Ludington und Umgebung mitgebracht.« Phil faltete das Blatt auseinander. »Können Sie uns zeigen, welchen Weg Sie gegangen sind?«

»Welchen Weg? Oh, das ist nicht so einfach. Ich kann es versuchen, aber mit Landkarten kenne ich mich nicht so aus. Ich bin einfach losgegangen, ganz spontan, in irgendeine Richtung. Das mach ich meistens so. Und irgendwann am Ende, wenn ich keine Lust mehr habe, kehre ich einfach um.«

Phil deutete auf die Karte. »Das hier, Mister Mullins, das ist Ihr Haus. Und das da drüben, das ist die Stelle, an der sich die Explosion ereignet hat und wo der Notarzt Sie eingesammelt hat. Ich nehme an, Sie sind zuerst hier entlanggegangen, Richtung Süden, und dann …«

Es hatte keinen Zweck. Mullins konnte mit der Karte nichts anfangen. Streng genommen brauchte man auch keine. Alle Straßen waren schachbrettartig angelegt und verliefen entweder in nord-südlicher oder in ost-westlicher Richtung.

»Jedenfalls sind Sie am Ende zu diesem Haus gekommen«, sagte ich. »Zu dem Haus, das explodiert ist.«

»Ja, das ist richtig.«

»Nun liegt dieses Haus aber nicht direkt an der Straße, sondern gut fünfzig Yards davon entfernt. Und die Leute von der Ambulanz sagen, sie haben Sie hier aufgefunden, auf halbem Weg zwischen dem Haus und der Straße.«

Mullins nickte. »Ich war neugierig geworden, Inspektor Cotton.«

»Neugierig?«, fragte ich schnell.

»Nun ja, das Haus steht ja schon so viele Monate leer, und es hat immer genau gleich ausgesehen, aber jetzt war auf einmal etwas anders. Die Haustür war sonst immer geschlossen gewesen, und jetzt stand sie plötzlich einen Spalt weit offen. Da habe ich gedacht: Sieh mal nach, was da los ist. Und da bin ich also auf das Haus zugegangen, und im nächsten Moment ist mir alles um die Ohren geflogen.«

»Haben Sie vor der Explosion irgendetwas Auffälliges bemerkt? Außer der offenstehenden Tür, meine ich.«

Mullins sah mich mit großen Augen an und schüttelte den Kopf.

»Sie haben also niemanden gesehen oder gehört?«

Nein, hatte er nicht.

»Schade«, sagte ich.

Auf dem Flur, wir waren schon auf dem Weg nach draußen, sprach mich Rutledge an.

»Wir haben natürlich Mullins’ Schuhe sichergestellt«, sagte er. »Wir haben zunächst dasselbe gedacht wie Sie, dass der Mann die Bombe selbst gelegt hat und dann bei der Explosion zu Schaden gekommen ist.«

»Und? Haben Sie Hinweise darauf gefunden?«, fragte Phil.