Jerry Cotton 3138 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3138 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

In Detroit war angeblich die seit über dreißig Jahren verschollene Totenberg Stradivari auf dem Dachboden eines kürzlich verstorbenen Musiklehrers entdeckt worden. Die einzige Person, die das Instrument zweifelsfrei identifizieren konnte, war die ehemalige Stargeigerin Yang Ping. Doch die saß im Creedmoor Psychiatric Center in New York, weil sie ihren Lehrer und Mentor, Professor Jonathan Dixon, den rechtmäßigen Besitzer der Geige, vor zwanzig Jahren auf bestialische Weise umgebracht und Teile von ihm verzehrt haben sollte. Nach mehreren gescheiterten Versuchen war es an Phil und mir, die Frau nach Detroit zu überführen. Dabei erlebten wir nicht nur eine Überraschung ...

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EPUB

Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Kannibalin mit der Geige

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Die rote Violine«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5150-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Kannibalin mit der Geige

Die Kabinenchefin von United Airlines, Flug 554 staunte nicht schlecht: Zwischen den beiden breitschultrigen Hünen in lässig geschnittenen Anzügen kam eine kaum mehr als fünf Fuß große Asiatin die Gangway hinauf. Sie trug Handschellen.

Die Stewardess beobachtete, wie sich die Gruppe zu ihren Plätzen ganz hinten begab, geduldig die Sicherheitsanweisungen über sich ergehen ließ und sich anschnallte. Dann begannen die Probleme.

Die Maschine wartete auf der Startbahn. Aus dem Lautsprecher kündigte die Stimme des Kapitäns an, dass der Take-off in wenigen Augenblicken erfolgen würde. Die Asiatin begann, sich heftig zwischen den beiden Agents hin und her zu werfen. Die Triebwerke heulten auf. Die Frau heulte ebenfalls auf. Die Männer fixierten sie an den Schultern. Mit einem Ruck lösten sich die Bremsen, und die Passagiere wurden in die Sitze gepresst.

Die Asiatin warf sich zur Seite und vergrub ihr Gesicht in den Hals eines der Agents, die sie bewachten.

Auf einmal war da Blut – viel Blut …

Die Maschine wurde schneller, draußen schoss die verspiegelte Front des Flughafengebäudes vorbei.

Erst schrie der verletzte Agent, dann stimmten weitere Passagiere in das Geschrei ein. In dem Moment, als die Panik auf das gesamte Flugzeug überzugreifen drohte, wurden alle in ihre Sicherheitsgurte geworfen, die Maschine ging am Bugrad in die Knie und kam schließlich mit einem Ächzen zum Stehen.

Das Telefon neben der Kabinenchefin klingelte. Sie nahm ab. Während sich die Kolleginnen am hinteren Ende der Maschine aus ihren Sicherheitsgurten schälten, um Erste Hilfe zu leisten, lauschte sie der Stimme des Kapitäns im Hörer.

Er war stinksauer. »Was, zum Henker, ist bei euch da hinten los?«

***

Das große Auditorium des John F. Kennedy Center war bis zum letzten Platz ausverkauft. Kein Wunder, gab doch die deutsche Violinvirtuosin Anne-Sophie Mutter eines ihrer inzwischen selten gewordenen Konzerte in Washington. Phil und ich hatten die begehrten Karten von Mr High bekommen, der gemeinsam mit Director Fuller eine unangekündigte Präsentation im Weißen Haus halten musste, eine Sache, die zu unserem Glück keinen Aufschub duldete.

Mutter gab das 1. Violinkonzert von Johann Sebastian Bach. Obwohl ich nicht viel von klassischer Musik verstehe, wurde mir sofort klar, dass sie eine Ausnahmemusikerin ist. Die Hingabe, mit der sie ihr Instrument bearbeitete, ließ einen an eine wildromantische Liebesnacht denken.

Der Anzugträger neben mir, dessen ausladende Figur locker auch zwei Sitzplätze gefüllt hätte, sah das wohl anders. Sein Kinn war auf die Brust gesunken, und sein dünner Schnurrbart vibrierte rhythmisch, während er im Tiefschlaf geräuschvoll atmete. Seine nicht minder beleibte Frau stierte mit glasigem Blick und offenem Mund auf den Hinterkopf ihres Vordermanns. Sie hatte die Kunst perfektioniert, mit offenen Augen zu schlafen.

Ich tauschte mit Phil einen amüsierten Blick.

Dann fing der Dicke an zu schnarchen. Erst leise, dann mit wachsendem Geräuschpegel. Als sich die ersten Nachbarn irritiert umdrehten, rammte ich ihm den Ellenbogen in die Seite. Er schreckte aus dem Schlaf hoch, schüttelte sich und strich über sein spärliches Haar. Dann beugte er sich zu mir herüber.

»Grandios, nicht wahr?«, flüsterte er verschwörerisch.

Im selben Moment spürte ich das Vibrieren meines Mobiltelefons in der Jacketttasche. Ich warf einen Blick auf das Display: eine knappe Nachricht vom Chef.

Bitte asap ins Büro! Sondereinsatz.

Ich hielt Phil die Nachricht hin. Seine Lippen formten stumm das Wort »Shit«.

Natürlich konnten wir nicht mitten im Konzert aufstehen und den Saal verlassen. Ich lauschte also weiter den Klängen von Anne-Sophie Mutters Lord-Dunn-Raven-Stradivari, fasziniert davon, wie der Klang dieses winzigen Instruments spielend den Saal und die Herzen der Menschen darin erfüllte. Ich versuchte, den entrückten Gesichtsausdruck zu ergründen, den Mutter beim Spielen trug. Welche Strapazen musste jemand erdulden, welche Opfer bringen, bis er ein Musikinstrument in dieser Perfektion beherrschte?

Eine Viertelstunde später gab es eine Pause. Phil und ich stiegen schweren Herzens in den Jaguar und fuhren in die Pennsylvania Avenue.

***

Mr High bat uns an den Konferenztisch in seinem Büro. Überrascht musterte er meinen Anzug. »Heute so förmlich?«

Ich warf ihm einen tadelnden Blick zu.

»Oh, das Konzert, tut mir leid, das hatte ich völlig vergessen. Und wissen Sie was, Jerry? Die Präsentation beim Berater des Präsidenten ist kurzfristig abgesagt worden. Wir saßen schon im Wartezimmer.«

»Tut mir leid, das zu hören, Sir. Um Sie zu trösten, würde ich behaupten, das Konzert sei grässlich gewesen, aber das wäre eine glatte Lüge«, sagte ich.

Mr Highs Augen begannen zu leuchten. »Wussten Sie eigentlich, dass die deutsche Regierung der damals sechzehn Jahre alten Anne-Sophie Mutter ihre Stradivari vorfinanziert hat, weil sie sich selbst das Instrument niemals hätte leisten können?«

»Das war mir nicht bekannt, Sir, aber es war mit Sicherheit die richtige Entscheidung.«

»Womit wir direkt zum Thema kommen, meine Herren: Antonio Giacomo Stradivari.«

Phil und ich sahen den Chef erwartungsvoll an. Er hatte uns doch sicher nicht herbeizitiert, um über einen Geigenbaumeister zu diskutieren, der vor fast dreihundert Jahren verstorben war.

»Ich habe einen etwas ungewöhnlichen Auftrag für Sie beide. Schon mal etwas von der Totenberg-Stradivari gehört?«

Wir mussten passen.

»Es handelt sich um eine der berühmtesten Violinen der Welt. Sie gehörte einst dem polnischen Geigenvirtuosen Roman Totenberg, der sie auf seinem Sterbebett dem amerikanischen Musikprofessor Jonathan Dixon vermachte. Dixon lehrte an der Juilliard School Geige und Komposition.«

Die New Yorker Juilliard School war eine der bedeutendsten Musikhochschulen der Welt und hatte viele Instrumentalvirtuosen hervorgebracht, wie ich wusste. Der Name Dixon brachte etwas in mir zum Klingen, nur konnte ich nicht sagen, was.

»Während sich Dixon vor nunmehr fünfundzwanzig Jahren auf Konzertreise befand, wurde die Geige aus seinem Hotelzimmer gestohlen. Seit dieser Zeit fahndet das FBI nach dem Instrument, mal mehr, mal weniger intensiv.«

»Gab es niemals brauchbare Hinweise?«, wollte Phil wissen. Ich musste ihm recht geben: In einem Vierteljahrhundert musste sich doch der ein oder andere Zeuge gemeldet haben. Aber ich lag falsch.

»Nein. Immer mal wieder werden uns Geigen angeboten, die sich aber schnell als Fälschungen herausstellen«, sagte Mr High. »Sie glauben gar nicht, wie viele gefälschte Stradivaris es gibt. Die Totenberg-Stradivari jedoch blieb verschwunden – bis vor zwei Wochen.«

Jetzt spitzten Phil und ich die Ohren.

»Die frisch gebackene Witwe eines Musiklehrers in Detroit hat nach dem Tod ihres Mannes auf dem Dachboden eine Geige entdeckt, bei der es sich um die besagte Totenberg-Stradivari handeln könnte. Sie hat uns Fotos geschickt. Gemeinsam mit der Juilliard School und einem Restaurator aus New York haben wir die Bilder begutachtet und sind zu dem Schluss gekommen, dass es sich lohnen könnte, das Instrument in Augenschein zu nehmen.«

»Und was haben wir damit zu tun?«, wunderte ich mich. »Sollen wir etwa eine Geige aus Detroit hierherbringen?«

Mr High lächelte nachsichtig. »Nein. Die Sache gestaltet sich leider komplizierter. Die Kollegen des Field Office Detroit werden die Geige nicht nach New York transportieren, weil sie nicht versichert ist. So ein Instrument hat einen Wert von über fünf Millionen Dollar. Ein Kratzer im Lack, und im Field Office gibt es die nächsten zwanzig Jahre keinen kostenlosen Kaffee mehr. Die Versicherung wiederum weigert sich, das Instrument zu versichern, solange die Echtheit nicht bestätigt ist, weil sie das Risiko nicht kalkulieren können.«

»Ein Teufelskreis«, kommentierte ich.

»Aber es gibt eine Lösung«, sagte der Chef strahlend, »und die heißt Yang Ping.«

Wir mussten wohl ziemlich ratlos dreinschauen, jedenfalls dem Heiterkeitsanfall nach zu urteilen, der Mr High heimsuchte. »Yang Ping ist eine chinesischstämmige Geigenvirtuosin, eine ehemalige Meisterschülerin von Professor Dixon. Sie spielte so in etwa in einer Liga mit Anne-Sophie Mutter.«

»Von der habe ich noch nie im Leben etwas gehört«, wunderte sich Phil.

»Sie saßen gerade in einem Konzert mit ihr«, sagte der Chef irritiert.

»Ich meinte diese Yang Ping«, klärte Phil das Missverständnis auf.

»Die können Sie auch nicht kennen«, erklärte Mr High, »denn Miss Ping sitzt seit zwanzig Jahren im Creedmoor in New York.«

Jetzt fiel auch mir ein, woher mir der Name Dixon geläufig war. »Die Kannibalin mit der Geige!«

»Ganz genau«, stimmte Mr High mir zu.

Phil warf mir einen fragenden Blick zu.

Ich klärte ihn auf. »Yang Ping wurde vor Jahren wegen des Mordes an ihrem Mentor Dixon verurteilt. Statt ins Gefängnis brachte man sie direkt in die geschlossene Abteilung des Creedmoor Psychiatric Center. Sie hat Dixon nicht nur getötet, sondern auch Teile seines Körpers gegessen. Die Presse nannte sie damals süffisant ›Die Kannibalin mit der Geige‹.«

»Welche Teile genau hat sie gegessen?«, fragte Phil.

»Ist das von Belang?«, fragte Mr High.

Ich zuckte die Schultern. »Die Genitalien, wenn ich mich recht erinnere.«

Phil sog scharf die Luft ein. »Und was hat das alles mit der Totenberg-Stradivari zu tun?«

»Yang Ping ist so ziemlich die Einzige, die das Instrument zweifelsfrei identifizieren kann, da sie außer Dixon die einzige lebende Person ist, die je darauf spielen durfte«, sagte der Chef.

»Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt …«, sagte ich.

»… dann kommt der Berg eben zum Propheten. So ist es, Jerry. Das ist Ihr Auftrag: Sie beide holen Miss Ping aus dem Creedmoor, bringen die Frau nach Detroit, wo sie die Geige identifiziert, und kommen dann zu viert wieder zurück.«

»Zu viert?«, fragte ich verwundert.

»Sie beide, Yang Ping und die Stradivari.«

Phil bedeckte schützend mit beiden Händen seinen Schoß. »Also, ich weiß nicht …«

Ich jedoch konfrontierte den Chef mit einer naheliegenden Frage. »Warum kümmert sich Steve nicht darum?«

Steve Dillaggio hatte nach unserem Weggang aus New York Mr High als Leiter des Field Office abgelöst. Eigentlich lag der Fall eindeutig in seiner Zuständigkeit. Dass der Chef ausgerechnet uns damit beauftragte, musste einen besonderen Grund haben.

Seiner Antwort stellte Mr High einen tiefen Seufzer voran. Dann aktivierte er das Konferenztelefon auf dem Besprechungstisch. »Glauben Sie mir, das hat er versucht. Aber das erzählt Steve Ihnen am besten selbst.«

***

Steves Freude, nach so langer Zeit wieder einmal etwas mit uns zu tun zu haben, war ihm deutlich anzumerken. Er erkundigte sich ausführlich nach dem Leben in Washington und nach unserem Wohlergehen. Wir wiederum ließen uns berichten, wie es Zeery und den anderen ging.

In meinem Herzen flammte Wehmut auf, auch wenn ich mich an meiner nicht mehr ganz so neuen Wirkungsstätte inzwischen sehr wohl fühlte. Aber der Big Apple war eben ein ganz besonderer Ort. Für jemanden wie mich, der einen großen Teil seines Lebens dort verbracht hatte, würde das auch immer so bleiben.

Schließlich kamen wir auf den Grund unseres Anrufs zu sprechen: die Kannibalin mit der Geige.

»Sir, wären Sie so freundlich und spielen das Video ab?«, bat er den Chef.

Mr High betätigte eine Taste auf der Fernbedienung, und im nächsten Augenblick wurden wir auf dem Großbildschirm durch die verwackelte Aufnahme eines Handys Zeugen eines ziemlich außergewöhnlichen Flugzeugstarts – beziehungsweise dessen Abbruchs.

Nachdem das Bild erloschen war, saßen wir sprachlos am Tisch.

»Was da passiert ist, war noch nicht mal das Schlimmste«, erklärte Steve.

»Sondern? Dein Agent hat die Attacke hoffentlich überlebt?«, fragte ich beunruhigt.

»Das hat er, keine Sorge. Aber die Aufnahme hat bei YouTube eine Million Views bekommen und fast ebenso viele Likes. Soll ich dir ein paar der stubenreineren Kommentare vorlesen, die hinterlassen wurden, Jerry?«

»Danke, ich kann’s mir lebhaft vorstellen. Das FBI hat mal wieder den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen«, bemitleidete ich ihn. »Wie geht’s dem armen Kerl, den die Dame gebissen hat? Er hat doch hoffentlich keine Aversion gegen Knoblauch entwickelt?«

»Der hat italienische Wurzeln wie ich, Jerry. Wir ernähren uns quasi von Knoblauch. Daran ändert auch eine bissige Asiatin nichts.«

»Habt ihr es danach nicht noch mal probiert? Möglicherweise unter Zuhilfenahme von Beruhigungsmitteln?«, fragte ich.

Steve klang ertappt. »Das war bereits der zweite Versuch. Wir hatten sie bis zur Hutkrempe mit Benzodiazepin abgefüllt. Du hast ja gesehen, wie toll das geholfen hat.«

»Okay, und wie weiter?«, fragte ich.

»Wir möchten euch bitten, uns aus der Patsche zu helfen. Erstens warten die Paparazzi hier nur darauf, dass wir uns ein weiteres Mal blamieren. Manchmal stehen hier zwei bis drei Ü-Wagen vor der Tür. Die grüßen meine Männer schon beim Namen. Wir denken, da sollte jemand ran, den die Reporter nicht kennen. Und da dachten wir an euch beide.«

»Wir sind auch keine Unbekannten in New York, Steve«, sagte Phil.

»Die Welt dreht sich weiter, Phil. Von den jungen Burschen heutzutage kennt euch niemand mehr.«

»Und zweitens?«, wollte ich wissen.

»Zweitens finde ich nach dem Vorfall im Flugzeug niemanden, der der Dame näher als drei Yards kommen will. Und langsam fehlen mir auch die Ressourcen, um einen dritten Versuch zu starten. Wenn es wenigstens um ein Kapitalverbrechen ginge. Oder eine schöne Stratocaster. Aber ausgerechnet eine alte Fiedel? Meine Cousine hat mal Geige gespielt – absolut grauenhaft.«

Tja, Steve hatte offensichtlich kein Faible für klassische Musik.

»Außerdem«, wandte der Chef ein, »haben wir hier im Hauptquartier Mittel, die den Kollegen in New York nicht zur Verfügung stehen.«

»Und welche sind das?«, fragte ich.

»Morgen früh um halb sechs geht eine Militärmaschine nach Detroit. Ich habe über meine Beziehungen drei Sitzplätze für Sie reserviert. Der Rückflug geht nachmittags um vier. Das sollte Ihnen genug Zeit geben, um die Überführung abzuwickeln.«

Das bedeutete allerdings eine echte Erleichterung. Keiner der uniformierten Passagiere würde viel darauf geben, eine gefesselte, mit Tranquilizern abgefüllte Asiatin mit Ledermaske neben sich sitzen zu haben. Bei den Marines gehörte so was vermutlich zum Alltag.

»Sie verstehen jetzt, Jerry, warum ich Sie beide aus dem Konzert holen musste?«

Das sah ich ein. Wir würden noch heute Abend nach New York fliegen und uns mit einer Menge Papierkram herumschlagen, bevor wir Yang Ping aus ihrer gemütlichen Gummizelle holen und nach Detroit verfrachten konnten.

»Schade, Steve, bei all dem Stress bleibt uns nicht mal Zeit für ein Wiedersehensbier«, meinte Phil.

Steve lachte. »Ich bin euch beiden jedenfalls was schuldig, wenn ihr mir diesen Kotzbrocken abnehmt.«

»Pass bloß auf, Steve, ich nehm dich beim Wort!«, warnte ich ihn lachend.

***

Die Nacht war tatsächlich kurz. Phil und ich schafften es gerade so auf die Spätmaschine nach New York. Steve holte uns am Flughafen JFK ab und brachte uns ins Field Office, wo wir uns zu dritt die Nacht mit den erforderlichen Formalitäten um die Ohren schlugen.

Als Phil und ich in den Chevrolet Tahoe stiegen, um nach Queens zur Nervenheilanstalt zu fahren, dämmerte bereits der Morgen. Uns blieb wenig mehr als eine Dreiviertelstunde, um unsere Kundin reisefertig zu machen und sie zum Flughafen zu chauffieren.

Falls der Verkehr mitspielte, kein Problem. Ansonsten würde ich Mr High anrufen, der wiederum den Adjutanten des Verteidigungsministers aus dem Bett klingeln würde, und irgendwann, nachdem das FBI einmal die gesamte Befehlskette rauf und runter geirrlichtert war – und nur, falls wir nicht schon zu spät dran waren –, würde im Cockpit einer Lockheed C-130 das Telefon klingeln. Das Gesicht des Kapitäns, wenn er erfuhr, dass er seinen Slot wegen einer Verrückten verlieren würde, die in Detroit eine Geige Probe spielen sollte, wollte ich mir lieber nicht vorstellen.

Die Direktorin des Creedmoor Psychiatric Center, Dr. Elisabeth Ross, war eine relativ junge Frau Anfang dreißig mit einem etwas unvorteilhaften Kurzhaarschnitt und bereits ergrauten Gesicht. Keine Ahnung, ob die Dame immer so aussah oder ob das der kurzen Nacht geschuldet war, aber sie wirkte zwanzig Jahre älter, als der Glanz in ihren Augen nahelegte.

Wir mussten noch einmal einen Stapel Papiere unterschreiben, in denen im Wesentlichen geregelt war, dass das Creedmoor von aller Verantwortung entbunden war, wenn etwas schiefging, womit man dem Wortlaut der Dokumente nach offensichtlich fest rechnete. Das süffisante Lächeln von Dr. Ross, als sie die Unterlagen in ihren Schreibtisch einschloss, entging mir jedenfalls nicht. Ich beschloss, mir jeden Kommentar zu verbieten.

»Miss Ping wurden zehn Milligramm Diazepam verabreicht, das sollte reichen, um sie bis Detroit zu einer unterhaltsamen Reisegenossin zu machen. Nichtsdestoweniger trägt sie eine Maske, um weitere Vorfälle wie bei United Airlines vor ein paar Wochen zu verhindern.«

»Ist sie so sediert überhaupt transportfähig?«, fragte ich.

»Sie ist körperlich nicht eingeschränkt, Inspektor Cotton, nur ruhiggestellt. Ich hoffe, Sie beide sind gut zu Fuß? Wenn sie nicht gerade übt, verbringt Miss Ping viel Zeit mit Sport. Sie könnte Ihnen also durchaus weglaufen, wenn Sie nicht gut auf sie aufpassen.«

Ich lächelte. »Ich denke, da müssen Sie sich keine Sorgen machen, Doktor Ross.«

»Das will ich hoffen. Denn falls doch, dürfen Sie mir und meinem Mann ein schönes Plätzchen in Ihrem Zeugenschutzprogramm besorgen.«

Ich hatte keine Lust, diese Diskussion zu vertiefen. Also stand ich auf und bedeutete ihr, dass wir uns zu Yang Pings Zelle begeben sollten, denn die Zeit drängte. Die Direktorin begleitete uns. Zwei Krankenschwestern, die einen Nacken hatten wie russische Kugelstoßerinnen, schlossen die Tür zu Pings Zelle auf. Unsere Mandantin saß kerzengerade und fertig angekleidet auf ihrem Bett.

Das Erste, was mir auffiel: Die Dame war klein, kaum mehr als fünf Fuß hoch. Sie hatte eine drahtige, muskulöse Figur und machte viel eher den Eindruck einer Turnerin oder Ballett-Diva als einer genialen Geigenvirtuosin. Wie viele Asiatinnen wirkte sie alterslos, obwohl ich ihr wahres Alter kannte.