Jerry Cotton 3142 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3142 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ein Transportflugzeug der Deutschen Bundesbank verschwand vor der Küste von Cape Cod vom Radar. An Bord befanden sich Goldreserven im Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar, die die Bank von der Fed in New York abgezogen hatte. Phil und ich begleiteten die Suchmannschaften, um Flugzeug, Besatzung und Ladung aufzuspüren. Bei unserem Erkundungsflug fielen mir Bergungsschiffe auf, die nicht zum Suchtrupp gehörten. Doch das war nur der Anfang eines waghalsigen Abenteuers, das mich fast das Leben kostete ...

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EPUB

Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Operation Gold

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Three Kings« ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5319-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Operation Gold

Der Kapitän sah überrascht von der In-Flight-Checkliste auf. »Haben wir den Kurs geändert?«

Über das Gesicht des Copiloten huschte ein Lächeln. Seine Finger glitten über die Knöpfe an der Mittelkonsole.

Der Kapitän beugte sich irritiert vor. »Haben wir etwa einen Druckabfall in der Kabine? Und warum springt das Warnsignal nicht an?«

Jemand hämmerte gegen die Cockpittür. Der Kapitän fuhr zusammen, aber sein Copilot schien nicht im Geringsten überrascht.

»Was geht hier vor, Karl?«, fragte der Kapitän mit wachsender Beunruhigung.

Der Copilot betätigte eine Taste über ihren Köpfen. Ein Summen erklang und die Tür hinter ihnen sprang auf. Eine Gestalt, deren Gesicht unter einer Kapuze verborgen war, stürmte ins Cockpit. Bevor der Kapitän Protest einlegen konnte, packte der Vermummte ihn von hinten, umklammerte mit eiskalten Händen seinen Kopf und riss ihn mit einem routinierten Ruck zur Seite. Ein Knacken, als würde ein trockener Ast brechen, war zu hören. Der Körper des Kapitäns erschlaffte und sank in die Gurte.

Der Copilot, der sich währenddessen beeilt hatte, aus dem Fenster zu starren, zog die vier Gashebel der Maschine zurück. Die Triebwerke wurden leiser.

»Noch drei Minuten«, informierte er den Vermummten.

Rick Gunnarsson stand im Führerhaus am Steuerrad der Molly und sah das Schlauchboot auf sich zukommen. Die Nacht war klar und windstill, Möwen kreisten kreischend im Mondlicht über der Barkasse in der Hoffnung, von seinem spärlichen Fang würde etwas für sie abfallen.

Er ahnte, was die Leute im Boot von ihm wollten. Sie hielten direkt auf die Molly zu. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, so zu tun, als handle es sich hier um ein zufälliges Zusammentreffen. Das Schlauchboot war unbeleuchtet. Darin stand aufrecht eine vermummte Gestalt.

Gunnarsson hatte allerhöchstens ein paar wenige Minuten, bis sie anlegten. Mit festem Griff umklammerte er sein Handy. Hier draußen gab es keinen Empfang, aber den benötigte er gar nicht. Martha würde wissen, wo sie suchen musste.

Er konnte den Außenborder des Schlauchboots hören. Gunnarsson hob den Kreiselkompass aus seiner Verankerung. Er ließ das Handy in die Vertiefung darunter gleiten. Dann rastete das Instrument wieder in seine Halterung ein.

Das Motorengeräusch des Außenborders erstarb. Etwas rumpelte an Steuerbord, sie machten fest. Der Kapitän der Molly verließ das Steuerhaus, um seine »Gäste« zu begrüßen, obwohl ihm diese Bezeichnung wie Hohn vorkam. Mit grimmiger Miene, die das flaue Gefühl im Magen kaschieren sollte, trat er an die Reling. Ausgerechnet jetzt machten sich wieder die Phantomschmerzen in den drei Zehen bemerkbar, die ihm vor fünfundzwanzig Jahren erfroren waren. Die vermummte Gestalt schwang sich leichtfüßig an Deck und stand mit einem Mal vor ihm.

»Es ist üblich, um Erlaubnis zu bitten, bevor man ein fremdes Schiff betritt«, raunte er und versuchte dabei möglichst selbstbewusst zu klingen.

Der Vermummte streifte seine Haube ab. Was Gunnarsson zu Gesicht bekam, erstaunte ihn. Viel Zeit, seine Bewunderung zu äußern, bekam er allerdings nicht. Seine Faszination schlug in abgrundtiefe Angst um, als die Gestalt mit einem kalten Lächeln ihre Arme nach ihm ausstreckte.

Ihre Hände glänzten silbern im Mondschein. Hochpräzise, aber tödliche Werkzeuge.

***

Mein Tauchcomputer gab ein Vibrieren von sich. Das war seine Art, mir mitzuteilen, dass er hier unten auf mich aufpasste. Ich betätigte eine Taste. Die Tauchtiefe betrug dreihundert Fuß. Nun forderte das Gerät mich auf, einfache Berechnungen durchzuführen. 1+4, 5-2, 3x3. Falls meine Ergebnisse fehlerhaft waren oder ich zu lange für die Antworten benötigte, nahm es an, ich litte unter der Taucherkrankheit – nicht ungewöhnlich, wenn man die ersten Male mit einem Sauerstoff-Stickstoff-Helium-Mixin so großen Tiefen tauchte –, und würde mir den Aufstieg befehlen.

Ich fühlte mich normal, von unangebrachter Euphorie war nichts zu bemerken. Dennoch würde ich nicht wie geplant bis zum Boden, der noch einmal etwa hundert Fuß unter mir lag, hinabsinken. Denn direkt vor meiner Maske schob sich ein Fenster zur Seite. Hinter dem dicken Panzerglas erschien Phils fröhliches Gesicht. Er legte die Spitzen von Daumen und Zeigefinger zusammen, spreizte die anderen Finger ab und zog die Augenbrauen fragend hoch. Ob es mir gut ging? Ich antwortete ebenfalls in Zeichensprache, es sei alles okay.

Er reckte den Daumen nach oben. Bat er mich tatsächlich, aufzusteigen? Oder hatte er das Zeichen dafür versehentlich verwendet? Ich nahm eine Kunststofftafel zur Hand, die an meiner Tarierweste befestigt war, und kritzelte ein großes Fragezeichen darauf.

Phil verschwand für einen Augenblick vom Fenster. Wenige Sekunden später wurde eine Notiz von außen an die Scheibe gepresst. Mr High will uns sehen – dringend!

Eine halbe Stunde und vier Safety-Stopps später durchstieß ich die Wasseroberfläche des Tauchtanks in Quantico, einem von zweien in den USA – der andere war den Navy Seals vorbehalten –, in denen man das Tauchen bis an die Grenzen des Menschenmöglichen trainieren konnte.

Phil erwartete mich bereits. Er reichte mir ein Handtuch, während man mir die Flaschen vom Rücken hob. »Wie war’s?«, fragte er.

»Respekteinflößend zu wissen, welcher Druck von oben auf einem lastet«, antwortete ich etwas atemlos.

»Das Gefühl kenne ich allzu gut«, ertönte eine Stimme hinter mir. Unser Chef stand dort, die Hemdsärmel hochgekrempelt und mit einem Lächeln im Gesicht. »Ich hoffe, Sie haben nicht allzu viel Wasser geschluckt, Jerry.«

»Ich bin eine Wasserratte, Sir, das wissen Sie doch.«

»Das ist gut. Denn Sie beide werden bald mehr als genug Salzwasser unter dem Kiel haben.«

Kurz darauf saßen Mr High, der eigentlich wegen einer Strategiebesprechung nach Quantico gekommen war, Phil, dessen Laptop von Mai-Lin ein paar neue Programme aufgespielt bekam, und ich in einem Konferenzraum im ersten Stock des Hauptgebäudes der FBI Academy. Der heiße Kaffee tat gut, vor allem, weil mein Körper nach eineinhalb Stunden im Tauchbecken ziemlich ausgekühlt war.

Der Chef aktivierte das Videokonferenzsystem. Eine junge Frau mit Afrolook erschien auf dem Bildschirm und kündigte an, uns direkt durchzustellen. Wenige Augenblicke später wurde ihr Konterfei durch das eines kantigen Mittfünfzigers abgelöst, dessen Oberlippe ein ergrauter Schnauzbart zierte.

»Hallo, Ethan«, begrüßte er kumpelhaft unseren Vorgesetzten.

»Meine Herren, ich darf Ihnen Joe O’Connell vorstellen, Chefermittler beim NTSB.«

Gemeint war das National Safety Transportation Board. Phil und ich nannten unsere Namen und Dienstränge. Bei der Erwähnung des NTSB schwante mir bereits, dass eine größere Katastrophe vorgefallen sein musste, denn die Behörde war unter anderem mit der Untersuchung von Bahn- oder Flugunfällen betraut. Mr High bat O’Connell, die Sitzung zu eröffnen.

»Heute Nacht, etwa gegen zwei Uhr dreißig, ist eine Frachtmaschine von Germania Airways vor Cape Cod vom Radar verschwunden. Die Maschine hatte eine heikle Fracht geladen: dreißig Tonnen Goldbarren.«

Phil pfiff durch die Schneidezähne. »Wie steht der Goldpreis im Moment?«, wollte er wissen.

»Bei etwa 1.200 US-Dollar die Unze«, erklärte Mr High.

»Heiliger Strohsack«, entfuhr es mir, »das ist mehr als eine Milliarde Dollar! Hat ein Ölscheich im Nahen Osten kalte Füße bekommen, seine Konten im Land der Freien würden doch noch eingefroren werden?«

Unser Chef schüttelte den Kopf. »Mitnichten. Das Gold gehört der Deutschen Bundesbank. Die Deutschen haben bereits letztes Jahr damit begonnen, ihre im Ausland eingelagerten Goldreserven zurückzuholen. Diese Maschine war eine von einem guten Dutzend, die den Abtransport durchführen. Und nun ist sie mitsamt ihrer wertvollen Fracht verschwunden.«

Von der Verlagerung der Goldreserven hatte ich gelesen. Einige hundert Tonnen Gold ausländischer Notenbanken waren seit dem Zweiten Weltkrieg bei der Fed in New York und anderen ausländischen Notenbanken eingelagert. Und unsere europäischen Verbündeten hatten vor kurzem beschlossen, ihr Edelmetall lieber wieder im heimischen Tresor aufzubewahren, wo sie die Barren von Zeit zu Zeit herausholen und liebkosen konnten.

»Gibt es keine Möglichkeit, das Flugzeug zu orten?«, fragte ich.

»Der Transponder, mit dem alle Verkehrsflugzeuge ausgestattet sind, hat kurz nach dem Start den Sendebetrieb eingestellt«, erwiderte O’Connell. »In Höhe von Provincetown verschwand die Maschine vom Radar.«

»Irgendwelche Anomalitäten im Funkverkehr?«, fragte Phil.

»Wir werten die Funkprotokolle noch aus«, antwortete O’Connell.

»Wie stehen die Chancen, dass die Maschine und ihre Fracht doch noch wohlbehalten irgendwo auftauchen?«

O’Connell seufzte. »Bei null, Inspektor Cotton. Ich würde das den Angehörigen zuliebe so noch nicht in einer Pressekonferenz äußern. Aber meine Erfahrung sagt mir, dass die Fracht und die bemitleidenswerten Seelen an Bord bereits irgendwo auf dem Meeresgrund vor Cape Cod liegen.«

»Ein technisches Problem also? Oder eher eine misslungene Entführung?«, spekulierte ich.

»Wir wissen im Moment viel zu wenig, um uns in eine Richtung festzulegen. Genauso gut kann es einen Zusammenstoß mit einer Drohne gegeben haben, einen Vorfall mit einem Schwarm Zugvögel oder eine Kombination aus einem halben Dutzend Ereignissen. Wir schließen nichts aus«, sagte O’Connell. Er riskierte einen Blick auf seine Uhr. »Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen? Sie werden verstehen, dass ich hier alle Hände voll zu tun habe.«

»Danke, Joe, dass Sie sich bei Ihrem vollen Terminkalender die Zeit genommen haben, mit uns zu sprechen. Viel Glück für die weiteren Ermittlungen.«

O’Connell nickte geschäftsmäßig, dann verschwand sein Schnurrbart vom Display.

»1,2 Milliarden Dollar sind eine Hausnummer«, beendete ich die Pause, die im Anschluss an das Gespräch entstanden war.

»So ist es, Jerry. Und darum habe ich mehr als gelinde Zweifel, dass es sich hier um einen klassischen Flugunfall handelt«, sagte Mr High.

»Sie wollen also, dass wir nach Cape Cod reisen und uns die Sache ansehen?«, fragte Phil.

»Zuerst fliegen Sie nach Boston«, sagte Mr High, »denn das dortige Field Office ist für die Region zuständig. Special Agent in Charge Galston erwartet Sie beide. Von Boston aus machen Sie sich auf den Weg nach Cape Cod. Ich möchte, dass Sie als Vertreter des FBI die Suche begleiten und das Heft in die Hand nehmen, sobald sich herausstellt, dass die Maschine nicht technischer Probleme, des Wetters oder anderer Lappalien wegen abgestürzt ist.«

»Sie halten einen normalen Flugzeugabsturz für so abwegig?«, fragte Phil.

»Entweder ist das ein tragischer Zufall«, sagte Mr High, »oder der größte und ungewöhnlichste Bankraub, der je in den Vereinigten Staaten verübt wurde.«

***

Special Agent in Charge Galston schüttelte uns am Ausgang des Ankunftsterminals im Bostoner Flughafen enthusiastisch die Hände. »Schön, dass es Sie beide so schnell wieder zu uns führt, Inspektor Cotton. Auch wenn die Umstände natürlich nie besonders angenehm sind.«

Der Leiter des Field Office fuhr uns in sein Büro nach Chelsea. Er stellte uns für die wenigen Stunden, die wir uns hier aufhalten würden, einen Schreibtisch in seinem eigenen geräumigen Büro zur Verfügung. Während Phil seinen Laptop hochfuhr, drückte Galston uns schon den ersten Stapel Unterlagen in die Hand.

Er zog sich einen Stuhl heran und begann mit seinen Ausführungen. »Auf dem ersten Blatt finden Sie zwei Kontakte: Der eine ist Joe O’Connell, Chefermittler des NTSB, der von staatlicher Seite her mit der technischen Aufklärung des Unglücks betraut ist.«

»Den haben wir bereits kennengelernt«, sagte Phil.

»Das ist gut. O’Connell ist ein mit allen Wassern gewaschener alter Haudegen der Fliegerei. Wenn der etwas sagt, können Sie sich darauf verlassen, dass es Hand und Fuß hat. Der zweite Mann auf der Liste ist ein gewisser Thomas Stadler, Sicherheitschef der Bundesbank in Frankfurt. Er kennt alle Details des Goldtransports. Die Zeitverschiebung beträgt sechs Stunden, aber er hat zugesagt, man könne ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen.«

Galston griff hinter sich und breitete anschließend eine topografische Karte von Cape Cod und der näheren Umgebung auf dem Tisch aus. Mit einem roten Marker zog er einen Halbkreis mit dem ungefähren Durchmesser von hundert Meilen um die im Südosten von Massachusetts gelegene Halbinsel.

»Das ist hier der momentan vermutete Radius der Absturzstelle«, sagte er.

»Wir gehen also davon aus, dass die Maschine nicht entführt wurde und heimlich auf einem abgelegenen Flugfeld gelandet ist?«, fragte ich.

»Nein. O’Connell geht von einem Absturz aus, und daran orientieren wir uns. Ich könnte zwei Agents hier in Boston abstellen, aber ich befürchte, das hilft Ihnen beiden nicht viel weiter, denn die Suche wird in Chatham auf Cape Cod koordiniert«, entschuldigte sich Galston.

Wir erklärten ihm, falls wir Hilfe benötigten, würden wir seine Agents gesondert anfordern, aber einstweilen würden nur Phil und ich nach Chatham fliegen.

Galston legte einen weiteren Stapel Papiere vor. »Hier ist das, was wir von der Flugüberwachung hereinbekommen haben. Ich habe darum gebeten, dass sie es in eine Sprache übersetzen, die auch FBI-Beamte verstehen können. Ich hoffe, das trifft auch zu.«

Ich überflog die Daten. Im Wesentlichen enthielten sie Informationen, die uns bereits vorlagen, zum Beispiel, dass das Signal des Sekundärradar-Transponders, der in kurzen Abständen die genaue Position der Maschine an die Bodenstationen übermittelte, fast im selben Moment abgebrochen war, als die Maschine vom Festland weg aufs offene Meer hinausgeflogen war.

Des Weiteren lag eine teilweise Abschrift des Funkverkehrs mit den Flugsicherungen in Boston und New Haven vor. Mit keinem Wort war die Rede von technischen Problemen, überraschend schlechtem Wetter oder sonstigen ungewöhnlichen Vorfällen. Es schien ein völlig normaler Flug gewesen zu sein – bis die Maschine von einem Moment auf den anderen spurlos vom Radar verschwunden war.

»Wie viele Menschen waren an Bord?«, fragte ich.

Galston fuhr sich über die Stirn. »Sehen Sie, Inspektor Cotton, da ist schon das erste Problem. Der Transport wurde von einer Spezialeinheit der deutschen Polizei gesichert. Aber diese Einheit operiert geheim, und wir bekommen keinerlei Informationen darüber, wer oder wie viele Mitglieder der Einheit an Bord waren. Die Kollegen in Deutschland haben uns aber versichert, dass jeder Einzelne dieser Elitepolizisten über jeden Zweifel erhaben ist. Kabinenpersonal gibt es bei diesen Frachtflugzeugen natürlich nicht. Nur die beiden Piloten.«

Ich seufzte. Wenn man uns wichtige Details vorenthielt, gefährdete das den Ermittlungserfolg bereits in diesem frühen Stadium. Ich schlug vor, dass Phil und ich über Europol noch einmal versuchen sollten, mehr Informationen über diese ominöse Spezialeinheit zu bekommen. Zu den Piloten gab es eigene Informationsblätter, auf denen Namen, Adressen, nahestehende Angehörige und der berufliche Werdegang inklusive bereits abgeleisteter Flugstunden vermerkt waren.

»Welche Beteiligten haben Sie bereits durchleuchtet, Special Agent in Charge Galston?«, fragte ich.

»Noch niemanden persönlich. Wir haben bisher so viele Informationen wie möglich zusammengetragen und aufbereitet. Aber wenn Sie mir sagen, wessen Privatleben wir auf den Kopf stellen müssen, nur her damit! Wir legen sofort los.«

»Wir benötigen die Namen und Hintergründe aller am Transport beteiligten Menschen. Fahrer, Bankangestellte, Ladepersonal, Caterer, Logistikunternehmen, Sicherheitsleute. Jeder, der direkt oder indirekt mit dem deutschen Gold in Berührung gekommen ist, muss auf diese Liste. Sie müssen mit allen sprechen.«

Galston blies die Backen auf. »Das kann dauern, Inspektor Cotton«, entgegnete er.

»Dann sollten Sie keine Zeit verlieren und sofort mit der Arbeit beginnen«, entgegnete ich.

Ich wusste, dass diese Art Arbeit bei den Agents im Field Office nicht allzu beliebt war, aber sie musste nun mal gemacht werden. Das mussten wir Galston nicht erklären, denn dafür war er schon viel zu lange dabei.

Er erhob sich von seinem Stuhl. »Dann mache ich mich auf den Weg. Wann fliegen Sie beide nach Chatham?«, wollte er wissen.

»Morgen in aller Frühe«, antwortete Phil nach einem Blick auf die Bordkarten.

Galston studierte seine Armbanduhr. »Soll ich Ihnen noch ein Hotel buchen für ein paar Stunden Schlaf?«

Wir lehnten dankend ab. Für diese Nacht hatten wir genug Arbeit.

Und schlafen konnten wir auch morgen früh im Flieger.

***

Wir taten auf dem Flug von Boston nach Chatham am nächsten Morgen kein Auge zu. Die Maschine, eine altersschwache ATR, schüttelte sich wie ein nasser Hund, während wir eine Gewitterfront umflogen, mit zu geringem Abstand, wie es schien. Phils Kopf sank immer mal wieder auf die Brust, aber beim nächsten Luftloch schrak er hoch. Ich hatte die zweifelhafte Ehre, mit dem Rücken zur Cockpitwand zu sitzen. Solche Flugzeuge wurden heute gar nicht mehr gebaut.

Chatham Airport war kaum mehr als eine Baracke neben einem Rollfeld samt einem ziemlich kurz geratenen Runway. Der Pilot musste nach dem Aufsetzen ganz schön in die Eisen steigen, um den Vogel vor dem Ende der Landebahn zum Stehen zu bringen.

Die Propeller kamen zum Stillstand, die Tür, die zugleich als Gangway diente, wurde heruntergelassen, und wir begaben uns nach draußen. Der Wind zerrte an unserer Kleidung, ein paar Regentropfen fielen.

Phil und ich wurden bereits erwartet. Auf dem Rollfeld stand ein Mann in der typischen Uniform der Küstenwache mit einem weißen Helm auf dem Kopf, wie ihn Helikopterpiloten trugen. Er streckte uns eine Hand im Lederhandschuh zur Begrüßung hin. Er musste gegen den Wind und den Maschinenlärm anbrüllen.

»Inspektor Cotton und Inspektor Decker? Willkommen in Chatham, ich bin Deputy Chief Hunter von der Emergency Service Unit. Man hat mich beauftragt, Sie hier in Empfang zu nehmen. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug.«

»Ein wenig holprig«, brummte Phil.

»Warten Sie, bis wir mit dem Apache draußen auf dem Meer sind. Ich hoffe, Sie fahren gern Achterbahn«, lachte Hunter.

Phil und ich tauschten einen beunruhigten Blick. Das konnte ja heiter werden.