Jerry Cotton 3143 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3143 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Bei einem Einsatz hatte ich mich am Arm verletzt. Deshalb schickte mich Mr High kurzerhand in den Urlaub, um mich auszukurieren. Ich entschied mich für Thunder Key, eine winzige Insel vor der Küste Floridas. Die Ferien begannen jedoch alles andere als erholsam, denn die anderen Gäste des kleinen Hotels, in dem ich untergebracht war, hatten mehr als ein dunkles Geheimnis. Ich fing an, ein paar unbequeme Fragen zu stellen. Und bevor mich Phil, der in Washington geblieben war, warnen konnte, dass sich einer der gefährlichsten Syndikatsbosse auf der Insel aufhielt, zog ein furchtbarer Sturm auf, der mich vom Rest der Welt abschnitt und mich dem Mann und seinen Schergen schutzlos auslieferte ...

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EPUB

Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Sturm über Thunder Key

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Into the Storm«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5320-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Sturm über Thunder Key

Wenn er an die Instrumente dachte, mit denen Dr. Tambor ihm zu Leibe rücken würde, bekam Ansel Matthews es mit der Angst zu tun. Doch vor dem, was ihm bevorstand, wenn er die Operation nicht durchführen ließ, hatte er noch mehr Angst.

Er wollte nicht für den Rest seines Lebens ins Gefängnis. Nicht für etwas so Lächerliches wie Hochverrat. Das klang ihm dann doch zu sehr nach finsterem Spätmittelalter und Enthauptungen im Tower von London.

Nein, er wollte frei sein wie ein Vogel und die Früchte seiner Mühen genießen. Aber dafür musste Ansel Matthews aufhören zu existieren.

»Sind Sie bereit?«, erkundigte sich Dr. Tambor.

Matthews warf ein letztes Mal einen Blick in den Spiegel. Er schaute noch einmal in das Gesicht, das ihn die ersten neununddreißig Jahre seines Lebens begleitet hatte.

Dann nickte er. »Ich bin bereit.«

Drei Tage, nachdem mich eine Kugel um Haaresbreite aus dem menschlichen Genpool entfernt hätte, schlenderten Phil und ich auf dem Flughafen Dulles in Richtung der Abflug-Gates. Phil hatte meine Reisetasche genommen, denn mein Arm steckte dick bandagiert in einer Schlinge, die ich um den Hals trug. Glücklicherweise hatte die Kugel des Waffenhändlers, den wir kurz darauf hatten dingfest machen können, meine Brust um ein paar Zoll verfehlt, dafür aber meinen linken Arm erwischt. Und der war nun ruhiggestellt.

Ebenso wie ich.

»Mister High hat recht«, sagte Phil, als wir die Schleuse zu den Gates erreichten. Wir blieben stehen. »Du hast dir etwas Ruhe verdient. Und mit deinem Arm bist du weder für den Außen- noch für den Innendienst zu gebrauchen. Leg mal die Füße hoch. Entspann dich. Lass den lieben Gott einen guten Mann sein!«

Ich verdrehte die Augen. »Du wirst lachen, Phil. Ich habe gar nichts dagegen, dass mir der Chef diesen kleinen Erholungsurlaub verordnet hat.«

»Siehst du! Dann ist doch alles okay.«

Das war es wirklich. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal richtig Ferien gemacht hatte. Manchmal schien es, als wäre ich Woche für Woche im Einsatz, ohne jemals eine Pause einzulegen, doch diesmal kam ich gar nicht darum herum, eine ruhige Kugel zu schieben. Und ich freute mich tatsächlich darauf.

»Ich werde auf die Florida Keys fahren. AD Brocks vom Washington Field Office hat mir von einem kleinen beschaulichen Hotel auf Thunder Key erzählt. Dort werde ich mich an den Strand legen und der Sonne beim Scheinen zusehen. Ich habe mir etwas zu lesen eingepackt. Außerdem wird es mir gut tun, einfach mal am Meer spazieren zu gehen und ab und zu einen Longdrink zu mir zu nehmen. Ohne dass irgendjemand auf mich schießt.«

Phil grinste und hätte mir fast auf die linke Schulter geklopft, doch gerade noch rechtzeitig fiel ihm mein verletzter Arm ein.

»Ich muss los, Phil. Mein Flug nach Miami ist gerade aufgerufen worden.«

Phil drückte mir meine Reisetasche in die rechte Hand. »Na dann, mein Freund: Guten Flug und schöne Ferien. Erhol dich mal richtig!«

***

Nach einem knapp dreistündigen Flug nahm ich in Miami einen Greyhound-Bus, der mich über den Overseas Highway transportierte. Dieser verbindet die der Südküste Floridas vorgelagerten kleinen Inseln wie eine Kette die Perlen am Hals einer schönen Frau. Außerdem ist er die einzige Landverbindung zwischen den Keys und dem Festland.

Ich genoss die Fahrt. Das Gefühl, dicht über das blaue Wasser zu schweben. Die kleinen und größeren Inseln mit ihren Mangroven und Palmen, den sonnenüberfluteten Stränden.

Zufrieden lehnte ich mich in meinem Sitz zurück. Mein Urlaub fing gut an.

Ab und zu schmerzte mein Arm, aber das hielt sich in Grenzen. Ich hatte schon Schlimmeres durchgemacht. Allerdings war der Verband ein wenig störend. Doch das schob ich bei den vielen schönen Ausblicken, die sich mir boten, an den Rand meines Bewusstseins.

Die Räder des Busses wisperten gerade über den Asphalt einer weiteren Brücke, als ich von Sirenen aus meinen Gedanken gerissen wurde. Ich setzte mich gerader auf und spähte aus dem Fenster. Ein Streifenwagen schoss an uns vorbei.

»Vermutlich sind sie auf der Suche nach dem Ausbrecher«, sagte mein Sitznachbar und hob wie zur Erklärung seine Zeitung ein Stück an. Auf der Titelseite prangten das Gesicht eines indianisch aussehenden Mannes sowie eine Schlagzeile, die darauf hinwies, dass ein gewisser Jim Aripeka aus der Everglades Correctional Institution, einem von Floridas Staatsgefängnissen, ausgebrochen war und sich nun auf der Flucht befand. Vermutlich in seine alte Heimat, die Florida Keys. »Der müsste doch verrückt sein, wenn er an einem Ort unterzutauchen versucht, an dem die Cops ihn als Erstes suchen werden.«

Ich zuckte die Schultern – und ein wenig zusammen, als sich meine Wunde bemerkbar machte – und nickte. Insgeheim aber dachte ich, dass genau das ein genialer Schachzug wäre. Wo konnte man sich schließlich besser vor seinen Verfolgern verbergen als an einem Ort, den man kannte wie seine Westentasche?

Doch wie auch immer man die Sache betrachtete, sie ging mich nichts an.

Ausnahmsweise nicht.

Und da der Mann, soweit ich das auf die Schnelle hatte überfliegen können, kein Gewalttäter war, lächelte ich meinen Sitznachbarn nur zustimmend an und wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Wasser und den Inseln zu.

***

Auf Thunder Key verließ ich den Bus.

Ich blieb am Straßenrand stehen, bis sich die Staubwolke, die er bei seiner Abfahrt aufgewirbelt hatte, wieder gelegt hatte. Dann überquerte ich die Straße und ging auf das einsam gelegene Hotel zu, an dem mich der Busfahrer netterweise abgesetzt hatte. Es war das einzige auf Thunder Key: ein angenehm altmodischer Holzbau mit weißen Schindeln, einer umlaufenden Veranda und einem ebensolchen Balkon.

Eine knappe Meile vom Hotel entfernt befand sich ein winziger Ort, der aus nicht mehr als ein paar Häusern bestand, und das war auch schon alles, was die kleine Insel an Zivilisation zu bieten hatte.

Vor meinem Abflug aus Washington hatte ich mich im Hotel erkundigt, ob noch Zimmer frei wären. Trotz der Antwort, es sei keines der Zimmer belegt, da gerade keine Saison sei, hatte ich eines reserviert. Und das war gut so gewesen, wie ich feststellte, als ich in die Hotellobby trat.

Drei Gäste, zwei Männer und eine Frau, saßen in rustikal wirkenden Rohrstühlen und hielten sich an ihren Longdrinks fest. Alle wandten mir ihre Aufmerksamkeit zu, als ich die luftige, sonnendurchflutete Lobby mit den hohen Fenstern und dem sich träge an der Decke drehenden Ventilator durchquerte und zur Rezeption ging.

Die beiden Männer warfen mir interessierte Blicke zu, so als wollten sie mich einschätzen. Die Frau, eine große, schlanke Rothaarige, beäugte mich interessiert über den Rand ihres Glases hinweg und lächelte leicht.

Ich lächelte zurück. Dann betätigte ich die kleine Klingel, die neben dem Gästebuch auf der Rezeption stand.

Ich wartete ein Weilchen, bevor ich erneut klingelte.

Niemand erschien.

Einer der Männer, ein leicht übergewichtiger Endfünfziger in einem hellen Anzug, erhob sich aus seinem Stuhl und ging langsam zur Bar hinüber, die sich am der Rezeption gegenüberliegenden Ende der Lobby befand. Dort begann er, sich einen weiteren Drink zu mixen.

Er blickte zu mir. »Das Hotel ist ausgebucht.«

»Das macht nichts«, erwiderte ich höflich. »Ich habe reserviert.«

Er nickte nachdenklich.

Nun erhob sich der andere Mann und schlenderte auf mich zu. Er war vielleicht fünfzehn bis zwanzig Jahre jünger als der erste und wirkte durchtrainiert und fit. Als er den Tresen erreicht hatte, lehnte er sich auf einen Ellenbogen und schenkte mir ein Lächeln, das so unecht wirkte wie die dritten Zähne von George Washington, die bekanntlich aus Holz gewesen waren.

»Da liegt sicher ein Missverständnis vor«, sagte er und wiederholte dann noch einmal, jedes Wort betonend: »Das Hotel ist ausgebucht.«

Ich hielt mein Lächeln aufrecht. Ich hatte keine Lust auf Ärger. »Das mag schon sein, aber wie ich dem anderen Mister bereits sagte …« Ich zuckte die Schultern.

Der jüngere Mann stieß sich von der Rezeption ab und richtete sich auf. Dabei nahm er den Blick nicht von mir.

»Hören Sie …«, begann er, doch die Stimme der Rothaarigen unterbrach ihn.

»Lassen Sie den Gentleman doch, Mister Wade. Ich bin mir sicher, dass sich alles klären wird, wenn Miss MacCall zurückgekehrt ist.« Sie wandte sich an mich. »Lora MacCall ist die Besitzerin des Hotels. Sie ist gerade fort. Macht ein paar Einkäufe.«

Ich nickte der Frau zu. »Danke, Miss …?«

»Prescott. Della Prescott.«

»Danke sehr, Miss Prescott. Mein Name ist Jerry Cotton.« Mein Blick war durch die hohen Schiebetüren auf der anderen Seite der Lobby gefallen und an einem schön angelegten Garten hängen geblieben. »Ich werde draußen warten, bis Miss MacCall wiederkommt.«

»Das ist eine gute Idee.« Della Prescott wandte sich an den Mann an der Bar. »Wie wäre es, wenn Sie Mister Cotton ebenfalls einen Drink einschenken, Mister Steiner?«

Der übergewichtige Anzugträger nickte bedächtig und sagte dann mit einer Stimme, in der ein leichter europäischer Akzent mitschwang: »Eine gute Idee, Ma’am.« Er schaute mich an. »Was darf es sein?«

»Ein Wasser wäre gut. Ich habe eine lange Fahrt hinter mir. Das macht durstig.«

»Ein Wasser?« Der mit Wade Angesprochene grinste. »Es ist Happy Hour. Sie können ruhig etwas Stärkeres nehmen.«

Ich nahm meine Reisetasche auf und ging hinüber zur Bar. »Nur ein Wasser, bitte.«

Mr Steiner schüttete mir das Gewünschte ein und stellte es vor mir auf die Theke.

»Ein Getränk ist zur Happy Hour frei«, erklärte er. »Sie hätten einen Whisky nehmen sollen.«

Ich hängte mir die Reisetasche über die unverletzte Schulter und ergriff das Glas mit der Rechten. »Danke, aber das ist schon okay so.« Damit verließ ich die Lobby und trat in den Garten hinaus.

Im Schatten einer Palme stand ein gemütlich aussehender Liegestuhl. Ich ließ mich darauf nieder, nahm einen Schluck aus meinem Glas und wartete. Wie lange konnte es schließlich dauern, bis Miss MacCall vom Einkaufen zurückkam?

***

Wie sich herausstellte, dauerte es länger als gedacht. Gut eine Stunde verstrich, bis ich endlich den Motor eines Pick-up-Trucks vernahm, der vor dem Hotel die Auffahrt heraufkam und abbremste. Kurz darauf erstarb das Brummen des Motors.

Es schien, als sei Miss MacCall endlich angekommen.

Ich erhob mich aus dem Liegestuhl und steuerte die Lobby an.

Steiner und Wade hatten wieder in ihren Rohrstühlen Platz genommen und widmeten sich immer noch ihren Drinks. Miss Prescott war verschwunden. Als ich eintrat, senkte Steiner kurz die Zeitung, in der er las, und nickte mir zu. Wade ignorierte mich.

Auch gut.

Die Haupteingangstür öffnete sich, und eine Frau von Anfang dreißig trat ein. Unter den Armen trug sie zwei große Papiertüten, aus denen verschiedene Einkäufe herausschauten: Toast, die Oberteile zweier Milchkartons und einer frischen Dose Folgers Coffee. Die Tür mit der Hüfte hinter sich zuschiebend warf sie einen aufmerksamen Blick in die Lobby und entdeckte mich.

Ihre Stirn legte sich kurz in Falten, als sie mein Gepäckstück sah, dann klarte ihr Gesichtsausdruck auf. »Mister Cotton, nehme ich an.«

Ich stellte meine Reisetasche neben der Rezeption auf den Boden und nickte.

»Einen Moment.« Mit den Einkaufstüten verschwand sie kurz durch eine Schwingtür im hinteren Bereich der Lobby, dann kehrte sie zurück. »Ich habe noch ein paar Sachen im Wagen. Würde es Ihnen etwas ausmachen zu warten, bis ich die in der Küche verstaut habe?« Sie warf einen Blick durch die Gartentüren. »Sie wissen schon … die Hitze.«

»Gehen Sie nur.« Ich klopfte auf meinen bandagierten Arm. »Ich habe Urlaub. Und viel Zeit. Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie helfen?«

Sie schaute ebenfalls auf meinen Arm. »Damit?«

Ihr Lächeln, das von einem amüsierten Blitzen ihrer blauen Augen begleitet wurde, war entwaffnend.

Ich grinste. »Na, dann werde ich Ihnen wenigstens die Tür aufhalten.«

Aus der Ecke mit den Rohrstühlen erklang ein geknurrtes: »Oh, ein Gentleman.«

Wade. Wer sonst?

Ich ignorierte ihn erneut.

Während Miss MacCall die Einkäufe aus dem Pick-up lud, hatte ich Gelegenheit, sie etwas genauer zu betrachten. Sie war mittelgroß, schlank, und das dunkelblonde Haar fiel ihr bis auf die Schultern. All ihre Bewegungen schienen zielgerichtet. Ich fragte mich, ob das immer so war oder nur, wenn sie eine Aufgabe zu erledigen hatte.

Innerlich schüttelte ich den Kopf über mich. Wenn Phil bei mir gewesen wäre, hätte er mich sicher wissend angegrinst. Gut, dass er brav in seinem Büro in Washington hockte und mich nicht aufziehen konnte.

Als Miss MacCall die letzten Tüten in die Küche geschafft hatte, kam sie schließlich wieder und begab sich hinter die Rezeption. Schwungvoll drehte sie mir ein Gästebuch zu und bat mich, mich dort einzutragen.

Ich fragte mich, wann ich das letzte Mal ein Gästebuch gesehen hatte. Das war ein ziemlicher Anachronismus in diesen technisierten Zeiten.

Schnell füllte ich die Spalten mit Angaben zu meiner Person aus und überflog dabei die Einträge über mir.

Mr Steiner hieß mit Vornamen Theodor und kam aus der Schweiz, genauer gesagt aus Zürich, was den leichten Akzent erklärte, den ich wahrgenommen hatte. Der unsympathische Wade hatte seinen vollen Namen mit Lewis T. Wade und seine Heimatstadt mit Boston, Massachusetts angegeben. Beide hatten vorgestern hier im Hotel eingecheckt.

Miss Prescott war einen Tag früher aus San Francisco angereist, allerdings nicht allein, wie ich angenommen hatte, sondern in Begleitung eines gewissen Jacob C. Wrigley. Ich fragte mich, wo der sich während der Happy Hour aufgehalten hatte. Vielleicht war er ja auf die Keys gekommen, um zu fischen, und darum noch unterwegs gewesen. Wenn dem so war, hätte er sich keine bessere Gegend dafür aussuchen können.

Wie auch immer, ich nahm an, ich würde den Gentleman beim Abendessen kennenlernen.

Ich beendete meinen Eintrag, legte den Kugelschreiber in das Gästebuch zurück und drehte es zu Miss MacCall herum.

Sie bedankte sich und reichte mir einen Schlüssel.

»Zimmer vier«, sagte sie. »Es befindet sich im ersten Stock, wie alle Zimmer, und geht nach hinten zum Garten und zum Meer hinaus.«

Ich bückte mich nach meiner Tasche.

»Sie haben wirklich Glück gehabt, Mister Cotton«, fuhr sie fort. »Kurz nachdem Sie anriefen, meldeten sich die anderen Gäste und belegten die übrigen Zimmer. Dass ich um diese Jahreszeit ausgebucht war, ist mir auch noch nie passiert.«

Ich grinste. »Gut für Sie.«

»Abendessen gibt es übrigens in etwa anderthalb Stunden.«

Ich nickte. Dann drehte ich mich um und ging auf mein Zimmer hinauf.

***

Als ich eineinhalb Stunden später zurück in die Lobby kam, winkte mir Miss MacCall von ein paar Tischen in der Nähe der Bar aus zu. »Hierher, Mister Cotton!«

Ich schlenderte zu ihr und nickte Steiner und Wade zu, die bereits an einem größeren Tisch Platz genommen hatten.

»Für Sie habe ich dort drüben gedeckt«, sagte Miss MacCall und wies auf einen einzeln stehenden kleineren Tisch neben einem der Fenster zum Garten.

Ich wollte gerade erwidern, dass mir das sehr gut passte, als eine männliche Stimme hinter mir erklang. »Aber Mister Cotton kann doch auch bei uns sitzen.«

Ich wandte mich um und sah mich einem groß gewachsenen Mann gegenüber, den ich auf Ende dreißig, Anfang vierzig schätzte. In seiner Begleitung befand sich Miss Prescott, was wahrscheinlich auch der Grund war, dass er so zufrieden lächelte. Das hätten wohl die meisten Männer getan, wenn sie mit ihr zum Essen hätten gehen können.

Sein schwarzes Haar war einen Tick zu lang, und auf seinem Gesicht lag ein höfliches Lächeln. Er streckte mir die Hand entgegen. »Jacob Wrigley.«

»Jerry Cotton.«

Wir schüttelten uns die Hände.

»Ich weiß. Meine Verlobte hat mir schon von Ihnen erzählt.« Er machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. »Da haben Sie aber Glück gehabt, dass Sie das letzte freie Zimmer bekommen haben.«

»Nun ja«, erwiderte ich, »wenn man es genau nimmt, habe ich vor Ihnen gebucht. Als ich anrief, war hier noch alles frei.«

Wrigley nickte. »Natürlich. Mein Fehler.« Er deutete auf den Tisch, an dem Steiner und Wade saßen. »Wir haben heute Morgen beschlossen, dass wir zusammen zu Abend essen werden. Da wäre es doch ausgesprochen unhöflich, wenn wir Sie als einzigen anderen Gast nicht dazubitten würden.«

Della Prescott schenkte mir ein strahlendes Lächeln. »Bitte sagen Sie Ja, Mister Cotton.«

Eigentlich war mir nicht danach, mein Abendessen in Gesellschaft zu mir zu nehmen, vor allem nicht, wenn Lewis T. Wade zu besagter Gesellschaft gehörte, aber ich wollte auch nicht unhöflich erscheinen.

Also neigte ich leicht den Kopf in ihre Richtung. »Wer könnte eine Bitte abschlagen, die so charmant vorgetragen wird?«

Sie strahlte mich an.

Ich folgte den beiden, als sie zum Tisch gingen, und zog einen weiteren Stuhl heran, während Miss MacCall neu für mich eindeckte. Dabei ahnte ich nicht, dass dies ein weiterer Schritt war, meinen schönen, ruhigen Erholungsurlaub gänzlich ins Gegenteil umzukehren.

***

Nachdem wir die Vorspeise zu uns genommen hatten, öffnete Wrigley eine Flasche Rotwein, aus der er uns allen einschenkte.

Einen Moment überlegte ich noch, ob ich es riskieren sollte, meine Schmerzmedikation mit Alkohol zu mischen, aber da ich nur eine schwach dosierte Tablette nahm und vorhatte, mich auf ein Glas zu beschränken, entschied ich, dass das schon okay wäre.

Wrigley erzählte tatsächlich, dass er zum Fischen nach Thunder Key gekommen war. »Ich habe gestern ein Boot gechartert, auf dem man wunderbar Hochseeangeln konnte.« Er lehnte sich zurück, schwenkte den Wein in seinem Glas, bevor er einen Schluck nahm und fortfuhr. »Es tut gut, wieder mal länger an der Luft zu sein. Zum Glück sagt meine Verlobte selbst, dass ich ansonsten zu viel arbeite, sonst hätte ich sie sicher nicht zu solch einem für sie langweiligen Urlaub animieren können.«