Jerry Cotton 3149 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3149 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ted "Caruso" Aponte war einer der Big Bosse im organisierten Verbrechen an der Ostküste. Nach einer Verhaftungswelle des FBI lieferte er mehr Beweise als alle anderen, die ihn ebenfalls verraten und hinter Gitter bringen wollten. Die Justiz gewährte Aponte durch seine Aussage das Privileg, lediglich nach Italien, in die Heimat seiner Großeltern, ausgewiesen zu werden. Als der Mann schließlich aus dem Exil zurückkehrte, um seine kriminellen Machenschaften in den Staaten wiederaufzunehmen und sich möglicherweise an seinen früheren Widersachern zu rächen, hefteten Phil und ich uns an seine Fersen. Und ein toter Sheriff war bei unseren Ermittlungen erst der Anfang ...

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Mann aus dem Nichts

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: sanjeri/iStockphoto

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5427-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Mann aus dem Nichts

Das Gewehr ruhte auf Matthew Gormans gestrecktem rechtem Arm, während er den Hang hinaufrobbte. Der Vorderschaft lag im sicheren Griff seiner Rechten, die schwere Großwildwaffe schien flach über dem Waldboden dahinzuschweben wie ein eigenständiges Wesen. So hatte er es einst bei den Marines gelernt, genau wie sein Jagdpartner Derek Lamberton.

Derek robbte fünf Schritte links von ihm. Sie erreichten die Anhöhe. Die Position bot einen hervorragenden Überblick. Gorman und Lamberton stellten sich auf stundenlanges Warten ein. Grizzlys, Elche oder Berglöwen kamen nicht wie bestellt.

Doch die beiden Jäger hatten gerade ihre Gewehre in Anschlag gebracht, als sich auf zehn Uhr ein Schatten aus den Baumreihen löste. Ein riesiger Grizzly. Arglos tappte er voran.

Aus dem Dickicht gegenüber zuckten plötzlich Mündungsblitze. Die Schüsse klangen wie Ohrfeigen. Schallgedämpfte Sniper Rifles.

Die beiden Jäger handelten wie die Marines, die sie einmal waren. Sie feuerten zurück.

Über die Beurteilung der Lage waren sie sich einig, ohne einen Blick, geschweige denn Worte wechseln zu müssen. Die Schüsse der Scharfschützengewehre fielen von der anderen Seite eines v-förmigen Taleinschnitts.

Der Hang dort drüben war dichter bewachsen, das Dickicht zwischen den Laubbäumen ideal für Heckenschützen, die eine heimtückische Attacke planten.

Die Mündungsblitze glühten in unregelmäßiger Folge auf.

Gorman, ein hagerer, hochgewachsener Mann mit militärisch kurzem grauem Haar, setzte nach den ersten Schüssen nun das Zielfernrohr ein, um den Zielbereich besser zu erfassen. Derek Lamberton, stämmig und rothaarig, folgte dem Beispiel seines Jagdgefährten.

Wie auf ein unausgesprochenes Kommando drückten beide Männer zwei-, dreimal hintereinander ab. Matthews Nosler M48 mischte sich mit scharfen und peitschenden Schüssen in die harten Schläge der Weatherby Mark V seines Freunds.

Dann zogen beide Männer rasch den Kopf ein. Denn die Reaktion der Scharfschützen folgte prompt. Ihr Kugelhagel verstärkte sich. Matthew fluchte innerlich. Natürlich war der Grizzly jetzt verschwunden. Was für Mistkerle waren es, die ihn und seinen Freund hier mit heißem Blei empfingen?

All right, Blei passte nicht ganz.

Die Projektile, die über sie hinwegsengten, hatten das unverwechselbare Hochrasanzsingen jener Vollmantelgeschosse, die ihnen damals in den Dschungeln von Panama und Grenada um die Ohren geflogen waren.

Also Jägerhasser? Militante Tierschützer? Oder andere Jäger, die sich die Konkurrenz vom Hals halten wollten? Möglich war alles. Trotzdem hielt Matthew solche Erklärungen für unwahrscheinlich. Selbst die radikalsten Typen wurden nicht mal eben zum Mörder.

Und mit abschussreifem Wild konnte man Derek und ihn auch nicht verwechseln. Immerhin hatten sie ihre dunkelgrünen Outdoor-Anzüge mit den vorgeschriebenen orangefarbenen Markern versehen.

Im Übrigen befanden sie sich im freien Jagdgebiet des Bighorn National Forest, Wyoming. Da liefen keine Anfänger herum, da achteten Profis normalerweise darauf, sich nicht gegenseitig zur Strecke zu bringen.

Das Feuer vom jenseitigen Hang war verstummt. Für den Moment schienen die Heckenschützen nachdenklich geworden zu sein. Hatten sie nicht mit Gegenwehr gerechnet?

Die Frage erübrigte sich, noch während Matthew sie sich stellte.

Drüben im Dickicht machten sie weiter. Das aufglühende Stechen der Mündungsblitze wurde begleitet von den schwachen, unbedeutend klingenden Schussgeräuschen.

Doch Matthew und Derek machten sich nichts vor. Wer es mit einem ausgefuchsten Sniper zu tun bekam, war meist tot, bevor er den Schuss hören konnte. Insofern mangelte es den Kerlen auf der anderen Seite des Tals an Können, an Erfahrung oder an beidem. Ihre Kugeln schnatterten und zwitscherten durch das Blattwerk des Unterholzes, ohne Schaden anzurichten.

Unvermittelt mischte sich eine andere Waffe in den Kugelhagel. Die Schüsse klangen dumpfer, und die Abstände ließen zweifelsfrei darauf schließen, dass es sich um einen Unterhebelrepetierer handelte. Eine Winchester also.

Die beiden Jäger ließen sich dadurch nicht irritieren. Sie gaben sich ein Zeichen, indem sie einen Blick wechselten, und luden ihre Jagdgewehre nach. Die Magazine fassten nur jeweils vier Schuss. Doch es musste reichen, zumal die Zielfernrohre ihren Zweck erfüllten. Sie richteten die Optik auf den ungefähren Bereich, in dem die Kerle lauerten.

Sie schienen zu dritt oder zu viert zu sein. Natürlich waren sie schlau genug, nicht zweimal von derselben Stelle aus zu schießen. Und ihre Stellungswechsel mussten wohlkalkuliert sein, damit sie sich nicht gegenseitig ins Gehege gerieten. Gleichzeitig mussten sie darauf achten, dass sie nicht die vorherige Schussposition eines ihrer Kumpane einnahmen.

Gorman und Lamberton feuerten gezielt. Laufschwenks um Bruchteile eines Inches genügten, um das Fadenkreuz in einen versiegenden Mündungsblitz zu richten. Noch bevor das Aufglühen vollständig erloschen war, zogen sie durch. Die Jagdgewehre erledigten ihre Arbeit mit tödlicher Präzision.

Kurz nacheinander schraubten sich zwei Silhouetten wie torkelnd aus dem Dickicht empor. Die Gewehre fielen ihnen weg. Es war bereits kein Leben mehr in ihnen, als sie in das Buschwerk kippten. Zwei weitere Gestalten tauchten auf und suchten in wilder Flucht das Weite.

Die Winchester war zu diesem Zeitpunkt längst verstummt. Den beiden Jägern war es unter dem Feuer ihrer Gegner nicht einmal aufgefallen.

Drüben waren die Fliehenden nur noch schattenhaft zu erkennen. Als hätten sie den Teufel im Nacken, arbeiteten sie sich durch das Unterholz, den Hang hinauf. Im nächsten Augenblick waren sie hinter der Hügelkuppe verschwunden.

Die Stille, die nun eingekehrt war, hatte nichts Natürliches. Matthew Gorman und Derek Lamberton kannten das. Es lag daran, dass die Vögel verstummt waren. Auch die restlichen Tiere des Waldes befanden sich in einer Art Schockstarre. Nichts rührte sich, und nichts raschelte mehr.

***

Der Anflug auf den Sheridan County Airport in Wyoming war ein Erlebnis – selbst für Phil und mich und unsere Freunde vom Forensiker-Team. Was Flughäfen anbelangte, hatten wir schon so ziemlich alles gesehen, was die Welt zu bieten hat. Aber der Sheridan Airport war einmalig, klein und fein und eingebettet in eine atemberaubende Landschaft.

Von unseren Sitzplätzen in der Zubringermaschine, einem Dornier 328 Jet der Key Lime Air, konnten wir nach vorn durch die Cockpitfenster blicken, als die Piloten die Nase des eleganten Fliegers zur Landung senkten.

Im Sonnenschein der letzten Oktoberwoche erstreckte sich der Runway in die weite Ebene nordwestlich der Stadt. Es war wie das gestochen scharfe Bild eines rechteckigen Zeigefingers aus Asphalt, der uns auf eine imposante Kulisse am westlichen Horizont aufmerksam machen wollte.

Die Prärie ging dort in mächtige Bergmassive über. Die Bighorn Mountains erhoben sich mit schneebedeckten Drei- und Viertausender-Gipfeln und ließen ahnen, was Siedler vor hundertfünfzig Jahren bei ihrem Anblick empfunden haben mochten.

Eine unüberwindliche Barriere, diese schroffen Bergformationen. So wirkten sie auch heute noch. Doch mit unserer Maschine wäre es ein Leichtes gewesen, mal eben hinüberzuhüpfen und die nächste große Hürde, die Rocky Mountains, in Angriff zu nehmen.

Linienmaschinen hatten uns von Washington D. C. nach Denver, Colorado gebracht. Dort hatte Mr Highs Sekretärin Dorothy Taylor bei der Regionalfluggesellschaft Key Lime Air einen Charter-Jet für uns gebucht. Ein Prachtexemplar, wie sich herausstellte.

Die Dornier 328 stammte aus Germany und war für uns der Mercedes unter den dreißigsitzigen Kurzstreckenflugzeugen. Nicht von ungefähr, hatte doch Daimler-Benz zu den Eignern der Herstellerfirma gehört. Die Maschine galt als Meisterwerk in puncto Technik, Zuverlässigkeit und Komfort.

Nachdem wir vor den kastenförmigen dunkelroten Backsteingebäuden des Malcolm Wallop Terminal ausgestiegen waren, schlenderten Phil und ich ein Stück von der schlanken Front des zweistrahligen Hochdeckers weg. Ich zog mein Handy aus der Jackentasche und gab den Kurzwahlcode für die Nummer des Chefs ein.

Während sich die Verbindung aufbaute, marschierten die Forensiker an uns vorbei, auf das Terminalgebäude zu – bis auf einen.

Dr. Gerold M. Willson, Medical Examiner und inoffizieller Chef unseres Scientific Research Teams, schwenkte von der Treppe weg nach links, zum Heck der Maschine. Männer in signalroten Overalls luden dort Ausrüstung und privates Gepäck auf die Ladeplattform eines Elektrokarrens.

Dr. Mai-Lin Cha, Dr. Frederik George Fortesque und Concita Mendez steuerten unterdessen auf das Terminal zu. Die vier Fachleute, jeder eine Koryphäe auf seinem Gebiet, würden uns bei unserem Einsatz in Wyoming von Anfang an unterstützen. Mr High hatte es angeordnet. Er wusste, was er tat, und die Forensiker wussten, was auf sie zukommen konnte.

Dorothy meldete sich, und ich sagte ihr, dass wir mit beiden Beinen auf dem Boden von Wyoming standen. Nach einem gewohnt knappen »Viel Glück« verband sie mich mit unserem direkten Vorgesetzten, Mr High, Assistant Director und Leiter der Field Operation Section East.

»Wir sind gerade gelandet, Sir«, teilte ich ihm mit. »Allerdings ist noch kein Empfangskomitee in Sicht.«

»Vielleicht habe ich die Erklärung dafür«, erwiderte der Chef. »Unsere Informanten haben gemeldet, dass die Zielperson in Sheridan eingetroffen ist und den erwarteten Kontakt aufgenommen hat. Wahrscheinlich sind sie jetzt schon zur Wind River Reservation unterwegs.«

Ich bedankte mich für die Information und fügte hinzu: »Wir nehmen Verbindung mit dem Sheriff’s Office auf, falls sich hier niemand blicken lässt.«

»Sheriff Meldrick und seine Deputys haben wahrscheinlich alle Hände voll zu tun«, erwiderte Mr High. »Er wird versuchen, eine lückenlose Überwachung auf die Beine zu stellen, bis Sie und Phil übernehmen.«

Als ich das Gespräch beendete, kam einer der Männer in Signalrot auf uns zu. Er hatte indianische Gesichtszüge und sah aufgebracht aus. Das Namensschild auf seiner Brusttasche wies ihn als Bruce Longfeather, Dispatcher aus. Nachdem er Phil mit einem Blick gestreift hatte, sprach er mich an.

»Sie sind der Einsatzleiter?«, fragte er.

»Wenn man so will«, antwortete ich, um das Gespräch abzukürzen. Als Vorgesetzter der Forensiker fühlte ich mich eigentlich nicht. Und Phil und ich waren FBI-Inspektoren und Dienstpartner.

»Dann rufen Sie Ihren Erbsenzähler zurück!«, verlangte Longfeather. Er deutete mit dem Daumen über die Schulter und unterstrich seine Forderung mit hektischen Handbewegungen. »Jetzt sollen wir alles noch mal umpacken, das Unterste nach oben, weil es da angeblich Glasbruch geben könnte. Dabei passen wir immer auf. Er sagt, Sie sind der Boss. Bei Ihnen soll ich mich beschweren.«

»Doktor Willson ist Gerichtsmediziner mit Leib und Seele«, bremste ich Longfeathers empörten Redefluss. »Deshalb liegen ihm seine Arbeitsmittel natürlich besonders am Herzen. Denken Sie an Reagenzgläser, Glaskolben und solche Sachen. Die muss man ja nur scharf ansehen, dann sind sie schon kaputt. Nehmen Sie es ihm also nicht übel.«

»Das sind seine Schätzchen«, fügte Phil hinzu. »Versuchen Sie, etwas Verständnis dafür zu haben. Können Sie nicht ein paar Sachen beiseite räumen, damit er sehen kann, dass alles in Ordnung ist?«

Der Dispatcher runzelte die Stirn, dann grinste er. »Der Mann ist nicht verheiratet, stimmt’s?«

»Geschieden«, antwortete ich.

Longfeather nickte nur. Das erklärt alles, sagte sein Blick. Er zwinkerte uns verschwörerisch zu. Wir klopften ihm auf die Schulter, bevor er sich abwandte. Gleich darauf sahen wir, dass er und seine Kollegen auf Willson eingingen. Die Hektik ließ nach.

Phil und ich liefen auf das Terminalgebäude zu.

Die Zielperson, um die es hier in Sheridan ging, hieß Ted Caruso Aponte. Eine frühere große Nummer im organisierten Verbrechen New Yorks und der umliegenden Ostküste. Unsere FBI-Kollegen hatten ihn mit erdrückenden Beweisen in die Enge getrieben, und er hatte sich umdrehen lassen.

Reihenweise hatte er seine ehemaligen Komplizen der Justiz ausgeliefert. Dafür hatte er mit Kusshand das Zeugenschutzprogramm in Anspruch genommen, und seine Existenz als Caruso Aponte war von einem Tag auf den anderen erloschen.

Niemand außer einer Handvoll FBI-Agents und Federal Attorneys wusste, dass Aponte nach Sizilien gebracht worden war. Dort war er im brodelnden Hexenkessel von Palermo untergetaucht. Das war inzwischen mehr als zehn Jahre her. Unter seinem neuen Namen Frank Solano lebte er mal in heruntergekommenen Hinterhofwohnungen der Großstadt und mal in der Abgelegenheit und der Verschwiegenheit sizilianischer Bergdörfer.

Jetzt war er dem Ruf eines alten Freunds gefolgt. Der Mann hieß Vincent Curtin, wohnte in Sheridan und hatte Solano alias Aponte offenbar davon überzeugt, dass hier im Norden von Wyoming das Geschäft seines Lebens auf ihn wartete. Jedenfalls hatte Curtin seinen alten Kumpel dazu gebracht, aus den Zwängen des Personenschutzes auszubrechen.

Letzterer war aber so wasserdicht gewesen, dass seine Todfeinde von der Mafia ihn nicht entlarvt hatten. Deshalb hatte er ihnen auch nicht auffallen können, als er in Rom in eine Maschine nach New York stieg. Nur wenige Auserwählte unter unseren Verbindungsleuten kannten Ted Caruso Aponte unter seiner heutigen Identität.

Sie waren es auch gewesen, die seine Internetverbindung mit Vincent Curtin in Wyoming aufgedeckt hatten. Die Bekanntschaft der beiden Männer reichte zurück in die Anfänge des öffentlichen Webs. In einem Forum für New-York-Fans, betrieben vom damaligen Online-Pionier CompuServe, hatten sie sich kennengelernt.

Beiträge in solchen Foren konnten damals nur unter Nicknames gepostet werden. Aponte hatte sich Millbilly genannt, und Curtin hatte sich als Fiddler registrieren lassen. Unter diesen Aliasnamen hatten sie auch heute wieder Verbindung aufgenommen, allerdings per E-Mail, nachdem Curtin eine Suche nach Millbilly gestartet und den früheren Kumpel in Sizilien aufgespürt hatte.

Noch wussten wir nicht, was Curtin mit Caruso, seinem alten Freund und Kupferstecher, in Wyoming vorhatte. Doch was es auch sein mochte, sobald seine Mafiafeinde erfuhren, wo er sich aufhielt, würde im Sheridan County ein Krieg ausbrechen. Genau darauf wollte das FBI vorbereitet sein.

Phil und ich waren im Begriff, das Empfangsgebäude zu betreten, als das Wummern eines Achtzylinders hinter dem Abfertigungsgebäude hervorbrach. Es steigerte sich zum Donnern, als der Fahrer uns sah und Gas gab. Zwei Sekunden später erstarb der markige Motorensound unmittelbar vor uns.

Hinter dem mannshohen Chromstahl-Kühlergrill eines dunkelbraunen Chevrolet Tahoe schwang die Fahrertür auf. Der Mann, der heraussprang, war groß und blond und breitschultrig, trug eine Uniform in den Farben Braun und Beige. Seinen breitkrempigen weißen Stetson rückte er zurecht, kaum, dass seine Stiefelsohlen Bodenkontakt hatten.

Mit drei Schritten war er bei uns, salutierte militärisch und stellte sich vor: »Deputy Sheriff Charles Wallace, Sheridan Sheriff’s Department. Stellvertreter von County Sheriff Arnold Meldrick. Ich nehme an, Sie sind die Gentlemen vom FBI.«

Phil und ich bestätigten es, nannten ihm unsere Namen und zeigten ihm der Ordnung halber unsere Dienstausweise. Wallace winkte ab und hielt sich nicht mit einer langen Vorrede auf.

»Wir haben eine neue Lage«, sagte er. »Sheriff Meldrick ist wegen der beiden Zielpersonen unterwegs.«

»Heißt das, er verfolgt sie?«, fragte ich.

»Nicht unbedingt«, erwiderte der Deputy. »Die gute Nachricht ist, er weiß, wohin sie fahren. Deshalb nimmt er eine Abkürzung durch das Hügelland.«

»Und die schlechte Nachricht?«, erkundigte sich Phil pflichtgemäß.

Wallace presste die Lippen zusammen. »Er meldet sich nicht mehr«, sagte er dann.

***

Es gab drei Möglichkeiten. Entweder hatte ihn die Kugel gestreift. Oder sie steckte noch in seinem linken Oberschenkel. Oder sie hatte sein Bein durchschlagen. So oder so waren die Schmerzen erträglich. County Sheriff Meldrick fluchte leise vor sich hin, während er durch das Unterholz humpelte.

Er war ein untersetzter, kräftig gebauter Mann mit glatt zurückgekämmtem dunklem Haar. Sein markanter Gesichtsschnitt, stahlblaue Augen und ein kantiges Kinn drückten Energie und Entschlossenheit aus – trotz seiner Wunde.

Das Bein wollte Ruhe, völlig klar. Es würde nicht mehr lange mitmachen. Bei jedem Auftreten mit dem linken Fuß stieg ein dumpfes, taubes Gefühl auf, das seinen Körper bis zum Hals ausfüllte. Er sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass er seinen Dienstwagen bald erreichte.

Während er sich mühsam humpelnd am Rand des unbefestigten Fahrwegs fortbewegte, gelang es ihm immerhin, das Röhrenmagazin der Winchester nachzuladen. Die Smith & Wesson 69 in seinem Gürtelhalfter hatte er nicht benutzt, sie war noch vollständig geladen.

Wenn er erst einmal hinter dem Lenkrad des Offroader saß, würde alles besser werden, weil er das linke Bein zum Fahren nicht brauchte. Der Wagen war ein Ford Explorer mit automatischem Getriebe. Er würde also hoffen, dass er möglichst bald aus dem Funkloch herauskam und Verbindung mit Charlie Wallace aufnehmen konnte.

Augenblicke später sah er Bruchstücke von weißem Lack durch Buschwerk und Baumreihen schimmern. Es war das Logo des Sheriff’s Department auf dem Dunkelbraun des Karosserielacks. Er hatte den Explorer in einer Schneise am Rand des Forstwegs zurückgelassen, als er die Bewegungen der Männer im Dickicht entdeckt hatte.

Im Fahrzeug wäre er ein leichteres Opfer gewesen.