Jerry Cotton 3151 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3151 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Als die Pfeiler einer halb fertigen Brücke über den Connecticut River abgerissen wurden, fand man darin eine männliche Leiche. Ein DNA-Abgleich und ein Ehering verschafften den ermittelnden Behörden schnell Klarheit über die Identität des Toten: Alan Dooley, der vor zehn Jahren von seiner Ehefrau als vermisst gemeldet worden war. Dooley galt damals als "Mann fürs Grobe" von Patrick "Daddy" Mulligan, seines Zeichens Chef des Bostoner Iren-Clans. Als Phil und ich den Cold Case übernahmen, mussten wir uns nicht nur fragen, ob Dooleys Tod mit dem gescheiterten Bauprojekt zusammenhing, sondern wir stießen auch schnell auf grausame Details des Mordes ...

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Einbetoniert

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Ungebändigt«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5429-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Einbetoniert

Der Mann kämpfte um sein Leben.

Das hatte er schon seit frühester Kindheit getan. Auf Bostoner Straßen musste man sich mit den Fäusten durchsetzen, wenn man nicht untergehen wollte. Und er hatte es geschafft. Die Menschen fürchteten ihn. Aber jetzt war er selbst verletzt und hilflos. Gegen seinen Feind halfen weder Pistole noch Messer.

Denn er steckte in zähflüssigem Beton!

Je mehr er sich bewegte, desto unbarmherziger wurde er nach unten gezogen. Die graue Masse würde ihn bald verschlingen und dann steinhart werden. An seinem Grab konnte niemand Blumen niederlegen, denn es bestand aus einem Brückenpfeiler.

Seine Kräfte erlahmten. Niemand hörte die verzweifelten Hilferufe. Und als er schließlich in der Betonmasse versank, verlor er kurz darauf das Bewusstsein. Er glitt hinüber in die dunkle Welt, aus der es keinen Rückweg gibt.

»Eine Betonleiche?«

Phil stellte diese Rückfrage, als Mr High uns wortlos einige Tatortfotos vorlegte. Wir saßen gemeinsam mit dem Assistant Director am Konferenztisch seines Büros. Draußen vor den Fenstern des FBI-Hauptquartiers herrschte leichtes Schneetreiben. Noch hatte der Winter die US-Hauptstadt nicht fest im Griff, obwohl Blitzeis bereits an einigen Tagen für Verkehrschaos gesorgt hatte.

Mr High nickte. »Arbeiter fanden den Toten beim Abriss einer Brückenruine am Connecticut River. Es hat einige Zeit gedauert, bis die Leiche aus dem Beton herausgehauen werden konnte. Immerhin es uns bereits gelungen, die Identität des Mannes zu klären. Sein Name lautete Alan Dooley. Und er verfügt über ein beachtliches Vorstrafenregister«, sagte der Chef.

»Gab es denn damals keine Verdachtsmomente, was Dooleys Verschwinden angeht?«, fragte Phil.

»Im Zusammenhang mit dem Brückenbau entstand ein Korruptionsverdacht gegen Stephen Moore. Er war zu dem Zeitpunkt schon Senator von Massachusetts und bekleidet dieses Amt bis heute. Die Ermittlungen mussten aus Mangel an Beweisen eingestellt werden. Aber das Auffinden von Dooleys Leiche lässt den Fall in einem anderen Licht erscheinen. Womöglich gibt es einen Zusammenhang«, erwiderte Mr High.

»Einen Rivalen oder Verräter mithilfe von Beton verschwinden zu lassen, ist eine klassische Mordmethode des organisierten Verbrechens«, stellte ich fest.

»Womöglich handelt es sich aber auch um ein Ablenkungsmanöver oder eine Vertuschungstat, die von den wahren Hintergründen ablenken soll, Jerry. Dooley wurde vor fünfzehn Jahren von seiner Ehefrau Sharon als vermisst gemeldet. Seine Spuren verliefen damals buchstäblich im Sand. Ich möchte Sie und Phil bitten, sich dieses Falls anzunehmen.«

Wir nickten synchron.

»SAC Galston in Boston wurde bereits über Ihre baldige Ankunft informiert. Dooley war ein Bostoner Gangster, das dortige Field Office hat öfters mit ihm zu tun gehabt«, fuhr der Assistant Director fort.

»Wir machen uns sofort auf den Weg, Sir«, erwiderte ich.

Als wir das Chefbüro verließen, hatte sich das Schneetreiben vor den Fenstern verstärkt.

»Hoffentlich werde ich mich in Boston nicht erkälten. Wie schön wäre es gewesen, wenn Sie mir einen Schal gestrickt hätten, Dorothy«, scherzte Phil.

Mr Highs Vorzimmerlady trug an diesem Wintertag ein malvenfarbenes Wollkostüm. Sie hob eine ihrer sorgfältig gezupften Augenbrauen.

»Um Ihnen einen Schal zu stricken, müsste ich schon mit Ihnen verheiratet sein, Inspektor Decker«, gab sie zurück. »Und diese Aussicht erscheint mir doch reichlich unrealistisch. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise.«

Der nächstmögliche Flug war bereits für uns gebucht. Zum Glück ließ das Schneetreiben innerhalb der nächsten Stunde nach, sodass der Jet Richtung Logan International Airport starten konnte. Nach knapp zwei Stunden kamen wir in Boston an. Ein junger Agent holte Phil und mich vom Flughafen ab. In Boston lag eindeutig mehr Schnee als in Washington.

»Wenn Dorothy das gewusst hätte, wäre sie vielleicht doch mit den Stricknadeln aktiv geworden«, meinte ich.

»Du bist ein unverbesserlicher Optimist, Jerry«, erwiderte Phil grinsend.

SAC Norman Galston erwartete uns in seinem Büro. Nachdem er uns begrüßt hatte, sagte er: »Wer hätte es für möglich gehalten, dass Alan Dooley noch einmal als Leiche auf der Bildfläche erscheinen würde! Es gab damals in Boston und im gesamten nördlichen Massachusetts etliche Menschen, die ihn wie den Leibhaftigen gefürchtet haben.«

Phil und ich hatten auf den Besucherstühlen des Büros Platz genommen. Vor uns standen zwei Tassen Kaffee.

»Das hört sich so an, als ob es zahlreiche Verdächtige gäbe, die ein Motiv für den Mord an Dooley hatten«, meinte ich.

Galston seufzte. »Allerdings. Die meisten von ihnen hätten sich aber nicht getraut, Dooley auch nur schief anzuschauen. Er hat für Patrick Mulligan gearbeitet, den die Bostoner Unterwelt nur Daddy nennt. Mulligan ist bis heute der unangefochtene King des irischen Mobs unserer Stadt. Und Dooley war sein Mann fürs Grobe, seine rechte Hand.«

»So eine Position schafft Neider. Gab es in Mulligans Organisation niemanden, dem man den Mord an Dooley zugetraut hätte?«, hakte ich nach.

»Doch, vor allem seine unmittelbaren Konkurrenten innerhalb der Organisation, Finnegan und O’Toole, standen damals ganz oben auf unserer Verdächtigenliste. Allerdings hatten wir nicht den geringsten Beweis dafür, dass Dooley überhaupt etwas zugestoßen war.«

»Inwiefern?«

»Er verließ eines Morgens sein Haus und kehrte nie wieder zurück, Inspektor Cotton. Sein Handy konnte nicht geortet werden, sein Wagen wurde nie gefunden und seine Kreditkarten nicht mehr benutzt. Genaugenommen wäre es also ebenso gut möglich gewesen, dass Dooley noch lebt«, stellte der SAC fest.

»Was ist mit dem Korruptionsverdacht gegen Senator Moore? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen diesem Fall und Dooleys Tod?«, fragte Phil.

Galston hob die Schultern. »Bisher haben wir gar nicht in diese Richtung ermittelt, ehrlich gesagt. Meine Kollegen haben seinerzeit den Senator gründlich durchleuchtet, aber keine Anhaltspunkte für Bestechung gefunden. Die Brücke über den Connecticut River war ein Projekt, in das staatliche und private Gelder flossen. Als der Bauunternehmer in Konkurs ging, blieb nur eine Bauruine zurück.«

»Ich verstehe«, sagte Phil nickend.

»Der Senator hatte sich immer sehr für diese Brücke stark gemacht. Aber ihm konnte nie nachgewiesen werden, dass er dabei unehrlich gewesen wäre. Natürlich hatte er auf Wählerstimmen gehofft, aber das ist ja nicht verboten«, sprach der SAC weiter.

»Also hatte der irische Mob bei dem Brückenbau nicht seine Finger im Spiel?«, wollte ich wissen.

»Dooleys Leiche wurde im östlichen Brückenpfeiler gefunden. Logischerweise hat man den Körper dort platziert, als der Beton noch nicht fest geworden war. Die Gussarbeiten wurden im Juni vor fünfzehn Jahren durchgeführt, das habe ich schon überprüft. In dem Monat meldete Sharon Dooley ihren Mann als vermisst.«

»Es gibt mehrere Möglichkeiten, Special Agent in Charge. Entweder ist Dooley bei seinem Boss Mulligan in Ungnade gefallen und er hat seinen Handlanger dort beseitigen lassen«, mutmaßte Phil. »Oder Dooley sollte für Mulligan auf der Baustelle jemanden treffen, wurde aber in einen Hinterhalt gelockt und ermordet.«

»Wir sind uns darüber einig, dass Dooley vielen Menschen verhasst war. Aber wer immer Dooley beseitigen wollte, hätte das auch in Boston tun können. Es kann kein Zufall sein, dass Mulligans Schläger ausgerechnet auf der Brückenbaustelle umgebracht wurde.«

»Da stimme ich Ihnen zu«, erwiderte der SAC.

»Liegt eigentlich schon ein genaues Obduktionsergebnis vor?«, erkundigte ich mich.

Galston blickte in seine Unterlagen. »Dooley hat eine Stichverletzung im Oberkörper erlitten, aber sie war nicht die eigentliche Todesursache. Vermutlich ist er lebendig in den weichen Beton geworfen worden. Rückstände von der Masse in seinem Körper deuten darauf hin, dass er noch gelebt hat, als er in der Gussform versank«, erklärte er.

Phil schüttelte sich. »Eine widerwärtige Art, zu sterben.«

»Und damit werden wir den Mörder nicht davonkommen lassen«, fügte ich hinzu.

***

Wir konzentrierten die Ermittlungen einerseits auf Dooleys ehemaligen Boss Mulligan, andererseits auf Senator Moore. Nach der Unterredung mit SAC Galston rief ich Dr. Mai-Lin Cha, unsere IT-Spezialistin in Quantico, an und brachte sie kurz auf den aktuellen Stand der Ermittlungen.

»Nach offizieller Lesart war die Zahlungsunfähigkeit des Bauunternehmens Sullivan Constructions der Grund für die Einstellung der Arbeiten. Finden Sie bitte heraus, ob es noch eine inoffizielle Version gibt«, bat ich sie. »Diese Firmenpleite hat für viele Menschen einen Absturz in die Arbeitslosigkeit bedeutet. Die damaligen Mitarbeiter tauschten sich womöglich in Internetforen aus oder verbreiteten Gerüchte über den Abbruch des Projekts. Recherchieren Sie alles, was mit der Bauruine zu tun haben könnte.«

Unser Computergenie mit chinesischen Wurzeln versprach, sich so bald wie möglich zurückzumelden. Gleich darauf sprach ich noch mit unserer Finanzexpertin Concita Mendez. Auch ihr erklärte ich, worum es ging.

»War Senator Moore womöglich zeitweise in Geldnot? Benötigte er dringend eine Finanzspritze der Unterwelt? Und warum ist Sullivan Constructions wirklich pleitegegangen? Ging es dabei mit rechten Dingen zu, oder könnte ein Betrug dahinterstecken? Wo sah es mit Dooleys Finanzen aus? Er war ein Gangster, aber hat er seinen Boss eventuell für viel Geld verraten und dadurch sein Todesurteil unterschrieben?«, fragte ich.

Concita lachte.

»Sie haben mir eine Menge Denkanstöße gegeben, Jerry. Und so, wie ich Sie kenne, möchten Sie die Ergebnisse möglichst vorgestern auf dem Tisch haben.«

»Ich weiß, dass bei einem fünfzehn Jahre alten Fall die Recherche nicht einfach ist. Aber ich vertraue ganz auf Ihre Fähigkeiten«, erwiderte ich.

»Dann werde ich alles tun, um Sie nicht zu enttäuschen«, sagte Concita. Ich konnte hören, dass sie schmunzelte. Aber sie nahm ihre Arbeit sehr ernst, und die Latina gehörte zu den besten Finanzexperten des FBI. Wenn es damals verdächtige Geldflüsse gegeben hatte, würde sie es herausfinden.

Wir beschlossen, uns zunächst Daddy Mulligan vorzuknöpfen. Von SAC Galston hatten wir erfahren, dass der Mob-Boss als Tarnexistenz eine Kette von Beauty Spas besaß. Das Field Office Boston hatte uns einen Chevrolet Tahoe zur Verfügung gestellt. In diesem SUV fuhren wir zur Rockmere Street unweit vom Savin Hill Park. Die Gegend war vom gehobenen Mittelstand geprägt. Kein Laie hätte hier die schmutzigen Geschäfte des organisierten Verbrechens vermutet. Und doch unterhielt Mulligan dort ein großes Spa, in dem sich die Firmenzentrale seines Imperiums befand.

Wohlgerüche wehten uns entgegen, als wir das helle, freundliche Gebäude betraten. Ladys und Gentlemen in Bademänteln saßen plaudernd in modern eingerichteten Ruhebereichen und nahmen ihre Fitness-Cocktails zu sich. Den grauen Boston-Winter konnte man in dieser Umgebung zweifellos für ein paar Stunden vergessen. Eine blonde Schönheit in einem kurzen rosa Kittel empfing uns mit einem geschäftsmäßigen Lächeln.

»Womit können wir Ihnen etwas Gutes tun? Wünschen Sie eine Massage, Peeling-Behandlung, Maniküre oder Pediküre?«, fragte sie mit wohltönender Stimme.

Ich zeigte meinen FBI-Ausweis und nannte unsere Namen.

»Wir müssen Mister Mulligan sprechen«, sagte ich. Das Lächeln der Kittelträgerin gefror.

»In diesem Fall machen Sie bitte einen Termin mit seiner Sekretärin aus, aber für diese Woche sehe ich schwarz«, entgegnete sie.

Phil grinste sie an. »Wir können auch lauter sprechen und erklären, dass wir mit einer Morduntersuchung beauftragt wurden. Ich wette, dass Ihr zahlungskräftiges Publikum das sehr interessant finden wird«, meinte er und deutete auf die Gäste, die bereits auf uns aufmerksam worden waren.

Die blonde Schönheit zuckte zusammen. »Folgen Sie mir bitte!«, erwiderte sie mit metallisch klingender Stimme.

Phil und ich wurden in den Verwaltungstrakt geleitet, wo es nicht ganz so glamourös aussah. Vor allem liefen hier Kerle herum, die besser zu einem Wrestling-Event als in einen Beauty Spa gepasst hätten. Es waren die üblichen Schlägertypen mit rasierten Schädeln und tätowierten Armen, die für das organisierte Verbrechen zwischen Ost- und Westküste die Drecksarbeit machten. Sie warfen uns misstrauische Blicke zu, während uns die Kittelträgerin zu ihrem Boss brachte.

Patrick Daddy Mulligan residierte in einem modern eingerichteten Büro. Dennoch war der Endsechziger ein Mob-Boss vom alten Schlag. Ich hatte mir seine FBI-Akte angeschaut, bevor wir aufgebrochen waren. Mulligan hatte sich vom Straßenschläger hochgearbeitet und viel Geld mit Drogen und Schutzgelderpressung verdient. Er war lernfähig, denn seit über dreißig Jahren war es gegen ihn zu keiner Anklage mehr gekommen. Seine Männer hielten dicht und gingen lieber selbst ins Gefängnis als Daddy Mulligan ans Messer zu liefern.

Ob Dooley gegen dieses ungeschriebene Gesetz verstoßen hatte?

Mulligan war ein stämmiger Mann mit kurz geschnittenem weißem Haar und kalten Mörderaugen. Er lächelte, als ob er zwei alte Freunde vor sich hätte.

»Was verschafft mir das Vergnügen, Gentlemen? Wie wäre es mit einem guten irischen Whisky?«, fragte er scheinheilig.

»Nein danke, wir sind im Dienst«, erwiderte ich, zeigte ihm ebenfalls meine Dienstmarke und stellte Phil und mich vor.

»FBI?« Mulligan tat erstaunt. »Ist etwas Schlimmes passiert?«

Ich ging auf die Frage nicht ein. Stattdessen hielt ich dem Mob-Boss ein altes Foto von Alan Dooley hin. Ich hatte es aus seiner Vermisstenakte. Zum Zeitpunkt seines Todes war er dreiunddreißig Jahre alt gewesen. Die Bilder der Leiche waren nicht zu gebrauchen, die Gerichtsmediziner hatten Dooley nur aufgrund seiner DNA identifizieren können. Dennoch war ich mir sicher, dass Mulligan seinen ehemaligen Handlanger sofort erkannte.

Doch er schüttelte den Kopf. »Ich bedaure, Inspektor Cotton. Diesen Mann kenne ich nicht.« Mulligan war ein miserabler Schauspieler. Er versuchte noch nicht einmal, besonders glaubwürdig zu wirken. Er schien sicher zu sein, dass wir ihm nichts anhaben konnten. Und tatsächlich hatten wir momentan keine Handhabe gegen ihn.

Trotzdem wollte ich mich nicht so schnell geschlagen geben. »Wirklich nicht, Mister Mulligan? Denken Sie noch einmal genau nach! Der Name dieser Person lautet Alan Dooley. Er wurde vor fünfzehn Jahren als vermisst gemeldet. Nun haben Arbeiter seine sterblichen Überreste in der Brückenruine am Connecticut River gefunden.«

»Ihr bester Mann verschwand spurlos, das kann Ihnen nicht gleichgültig gewesen sein«, ergänzte Phil.

Mulligan spielte immer noch das Unschuldslamm. »Mein bester Mann? Ich weiß nicht, was Sie damit andeuten wollen. Dieser Kerl hat niemals für mich gearbeitet, weder als Masseur noch als Fußpfleger. Aber jetzt, wo Sie den Namen erwähnen, erinnere ich mich. Es kann sein, dass ich Dooley einige Male flüchtig begegnet bin. Das liegt viele Jahre zurück. Aber wenn er so lange vermisst wurde, ist das auch nicht verwunderlich, oder? Sie können von einem alten Mann nicht verlangen, dass er sich an jede oberflächliche Begegnung erinnert. Wollen Sie mir unterstellen, dass ich etwas mit Dooleys Tod zu tun hätte?«

»Wir unterstellen gar nichts, Mister Mulligan. Allerdings fragen wir uns, wer ein Interesse an Dooleys Tod gehabt haben könnte. Fällt Ihnen jemand ein, der verdächtig wäre?«, fragte ich.

Der Mann, den seine Leute Daddy nannten, grinste frech. »Ich bedaure unendlich, Ihnen nicht weiterhelfen zu können, Inspektor Cotton. Als gesetzestreuer Bürger würde ich die Behörden zu gern bei der Aufklärung dieses abscheulichen Verbrechens unterstützen«, behauptete er.

»Wir haben nicht erwähnt, dass Dooley einem Verbrechen zum Opfer fiel«, blaffte Phil.

Mulligan hob nur seine Augenbrauen. »Nein? Haben Sie das nicht getan? Nun, bei einem natürlichen Tod würde doch das FBI nicht tätig werden. Oder liege ich damit falsch?«

Wir ließen die letzte Frage des Mob-Bosses unbeantwortet. Stattdessen verabschiedete ich mich mit einem Versprechen. »Alan Dooley ist auf qualvolle Art ums Leben gekommen. Und wer immer dafür verantwortlich ist, wird vom FBI zur Rechenschaft gezogen werden.«

***

Als wir wieder im Auto saßen, musste Phil erst einmal Dampf ablassen. »Es ist wirklich zum Haareraufen, dass wir uns von diesem alten Fuchs ungeniert ins Gesicht lügen lassen müssen! Mulligan zeigte nicht die geringste Gefühlsregung. Oder bist du anderer Meinung? Für mich war seine Reaktion ein klares Schuldeingeständnis.«

Ich schüttelte den Kopf. »Mulligan ist ein Unterwelt-Profi. Dooley war nicht sein Sohn, er hat in ihm nicht mehr gesehen als ein williges Werkzeug. Wenn Dooley wirklich so ein gefürchteter und effizienter Schläger war, dann wird Mulligan durch sein plötzliches Verschwinden einen Verlust erlitten haben«, gab ich zu bedenken.

»Es sei denn, Dooley hätte seinen Boss verraten. Aber grundsätzlich hast du recht, Jerry. Uns fehlen Informationen. Vielleicht hat Mulligan Dooley zu dem Senator geschickt, um ihn einzuschüchtern. Doch Moore hat sich gewehrt und die Leiche des Gangsters verschwinden lassen«, mutmaßte Phil.

»Und Mulligan hat den Tod seines Handlangers nicht gerächt?«, wandte ich ein.

»Das wissen wir nicht, Jerry. Angenommen, Mulligan hat dem Senator wenig später einen anderen Schläger auf den Hals gehetzt, um einerseits Dooleys Tod zu rächen und andererseits mehr Geld zu fordern. Moore stellt fest, wie hartnäckig sein Unterweltfeind ist und zahlt zähneknirschend.«

»Ja, so könnte es wirklich gewesen sein. Ich bin gespannt, ob die Witwe uns mehr Informationen liefern kann«, erwiderte ich.

***

Wir fuhren bereits Richtung Roxbury. In diesem ruhigen Bostoner Vorort lebte Sharon Dooley. In den Nebenstraßen war der Schnee nicht geräumt worden, deshalb kamen wir nur langsam voran. Die Witwe wohnte in einem Bungalow. Die anderen Häuser in der Abbotsford Street waren von ähnlicher Bauweise.

Ich klopfte an ihre Tür. Wenig später öffnete eine Frau in einem schwarzen Negligé. Da wir uns nicht angekündigt hatten, war sie von unserem Besuch überrascht. Offenbar hatte sie jemand anderen erwartet.

»Sharon Dooley?«, vergewisserte ich mich.