Jerry Cotton 3161 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3161 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Am Logan International Airport in Boston, Massachusetts starb ein Mann bei einem Verkehrsunfall. Nachdem die Identität des Opfers feststand, schrillten bei uns alle Alarmglocken: Der Mann war ein gesuchter Auftragskiller gewesen, der in die Stadt gekommen war, um seinen nächsten Job zu erledigen! Doch wir wussten weder, auf wen er es abgesehen hatte, noch, wer sein Auftraggeber war. Der würde nicht untätig bleiben und den nächsten Profikiller losschicken, wenn er erfuhr, dass der erste gestorben war. Daher blieb mir nichts anderes übrig, als in die Rolle des Killers zu schlüpfen und den Mordanschlag zu verhindern. Denn die Zeit lief uns mit jeder Sekunde davon ...

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EPUB

Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Tag, an dem ich zum Killer wurde

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Max Payne«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5833-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Tag, an dem ich zum Killer wurde

Sie kamen näher und näher.

»Mister, bitte warten Sie!«

Die beiden Cops hinter ihm ließen sich nicht abschütteln. Verdammt, woher wussten die, dass er hier war? Er musste untertauchen.

»Bitte bleiben Sie stehen! Hallo, Mister!«

Entschlossen steuerte er auf die großen Glastüren zu. Mit einem letzten nervösen Blick über die Schulter stieß er die Tür auf. Der Wind schlug ihm eiskalt ins Gesicht. Er rannte los. Er musste ihnen entkommen.

Plötzlich verlor er den Halt, mit einem gurgelnden Laut stürzte er auf die Straße. Knochen brachen mit einem lauten, hässlichen Knacken. Alles um ihn herum verschwamm vor seinen Augen. Das Letzte, was er sah, waren zwei helle Lichter, die auf ihn zurasten. Bremsen kreischten. Der Schrei einer Frau gellte über die Straße. Er starb mit diesem Schrei in den Ohren.

Ich saß an meinem Schreibtisch und wünschte mich ganz weit weg. Irgendwohin, mitten in einen Fall. Ermitteln, Spuren verfolgen, die Bösen jagen, das war leider nur die eine Seite der Medaille bei unserer Arbeit beim FBI. Die andere Seite lag gerade vor mir in Form eines Stapels Formulare, die unsere Buchhaltung hartnäckig nach jedem abgeschlossenen Fall einforderte. Leider fiel mir keine passende Entschuldigung ein, um mich vor dem ganzen Papierkram zu drücken, und bis Feierabend dauerte es drei Stunden. Mit einem resignierten Seufzen nahm ich die ersten Unterlagen aus der Mappe. Ich hatte noch nicht das erste Blatt ausgefüllt, als Phil in meiner offenen Bürotür auftauchte.

»Schwer beschäftigt, nehme ich an, was?«, fragte er grinsend.

»Ich könnte stundenlang weitermachen, Partner. Und ich weiß, wie sehr du dich danach sehnst, ebenfalls diese aufregende Aufgabe zu erledigen. Bevor du aber jetzt enttäuscht weiterziehst, beim nächsten Fall bist du wieder an der Reihe. Und glaub mir, es wird dir nicht gefallen. Du ahnst ja gar nicht, was unserer Buchhaltung alles Neues eingefallen ist.«

Phils Grinsen wurde breiter. »Na, dann habe ich eine gute Nachricht für dich: Der Chef will uns sehen und zwar sofort.«

Gegen die Wünsche des Assistant Director High, Leiter der Field Operation Section East, war selbst der eifrigste Sachbearbeiter aus der Buchhaltung machtlos. Dankbar legte ich das Formular zu den übrigen in die Mappe und stand auf. Mit etwas Glück wartete auf Phil und mich ein neuer Fall, und der Papierkram würde noch eine Weile auf meinem Schreibtisch liegen bleiben.

Ich nahm mein Jackett vom Wandhaken. »Dann mal los, Phil, wir wollen den Chef nicht warten lassen!«

»Ah, Jerry, Phil, kommen Sie herein«, begrüßte uns Mr High kurz darauf. Er saß hinter seinem Schreibtisch, unterschrieb etwas und legte dann den Füller zur Seite. Sein schmales Gesicht sah müde aus, offenbar forderte mehr als nur ein Fall seine Aufmerksamkeit.

»Ich habe heute Mittag einen Anruf aus Boston, Massachusetts erhalten. SAC Galston vom dortigen Field Office hat um Unterstützung gebeten.«

Norman Galston hatte seine Polizeikarriere als Streifenpolizist begonnen, erinnerte ich mich. Kein Verwaltungsbeamter, sondern ein Mann aus der Praxis. Galston würde nicht ohne triftigen Grund Washington um Hilfe bitten. Phil gingen wohl ganz ähnliche Überlegungen durch den Kopf.

»Wir kennen SAC Galston gut, Sir. Der lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen«, sagte er.

»Ja, er ein ausgezeichnetes Gespür dafür, worauf es bei Ermittlungen in einem Fall ankommt«, ergänzte ich.

Mr High nickte zustimmend. »Das sehe ich genauso, und gerade deshalb macht mir sein Anruf besonders große Sorgen.«

»Worum geht es konkret?«, fragte ich.

»Vorgestern, am Sonntagabend, starb ein Mann bei einem Verkehrsunfall am Logan International Airport. Er übersah eine Glatteisfläche, rutschte aus und stürzte auf die Straße. Ein Autofahrer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und erfasste den Mann, er war sofort tot. Das Bostoner Police Department stellte anhand des Führerscheins und der Kreditkarten schnell fest, dass es sich bei dem Toten um Michael Duncan handelte, einen freiberuflichen Finanzberater aus Los Angeles.«

»Klingt nach einem Unfall, wie er zu Tausenden tagtäglich in den Staaten passiert«, sagte Phil, in seiner Stimme schwang Ungeduld mit.

»Da gebe ich Ihnen recht, Phil. Aber der Tote nutzte eine falsche Identität. Tatsächlich stimmen Name, Geburtsort und Geburtsdatum, allerdings starb Michael Duncan bereits im Alter von drei Jahren.«

Phil lächelte. »Zu jung für einen Finanzberater, selbst für einen aus Hollywood.«

Mr High warf meinem Partner für diese launige Zwischenbemerkung einen tadelnden Blick zu, offenbar war unser Chef noch nicht fertig mit seinem Bericht.

»Die Polizei wandte sich ans FBI«, fuhr er fort, »und unsere Kollegen in Boston wurden in der CODIS-Datenbank fündig.«

Das Combined DNA Index System war die nationale DNA-Datenbank, die wir beim FBI betreuten. CODIS hatte in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass DNA-Funde endlich auch über die Grenzen von Bundesstaaten hinaus miteinander verglichen werden konnten.

»Wir haben den Toten bereits in unserer Datenbank?«, fragte ich.

»Ja, Jerry«, bestätigte Mr High, »die DNA des Toten stimmt mit einem DNA-Fund überein, der im letzten Jahr im Zusammenhang mit dem Mord an Sir Walter Felbs steht.«

»Sir Walter? Das Attentat auf den britischen Botschafter in Washington?«, war ich erstaunt.

»Ganz genau«, unser Chef lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, »wir haben also in Boston einen Toten, der mit einer falschen Identität unterwegs war und der offensichtlich mit einem der spektakulärsten Mordfälle des letzten Jahres zu tun hatte. Einem Mord, der übrigens noch nicht aufgeklärt ist, aber das nur am Rande. Special Agent in Charge Galston hat mich um Hilfe gebeten. Ich möchte, dass Sie beide nach Boston fliegen. SAC Galston befürchtet, dass dieser Duncan, oder wie immer er wirklich hieß, nicht zufällig nach Massachusetts gekommen ist. Ich habe Dorothy gebeten, alles Nötige zu veranlassen. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.«

Mr High setzte sich wieder gerade hin und nahm ein weiteres Blatt aus einer Aktenmappe. Für Phil und mich war das das Zeichen, dass unsere Besprechung zu Ende war.

Wir standen auf und verließen sein Büro. Dorothy Taylor, Mr Highs Sekretärin, hatte in ihrer gewohnten Effizienz bereits alles vorbereitet. Alles andere hätte mich auch gewundert. Zwei Umschläge lagen griffbereit auf ihrem Schreibtisch. Im Headquarter gab es eine Menge Frauen, die vorwiegend in strengen Businesskostümen und Hosenanzügen herumliefen, äußerst korrekt, aber nicht gerade attraktiv. Die gut aussehende Dorothy scherte sich nicht um den hier üblichen Dresscode. Heute trug sie einen wollweißen Blazer, der zusammen mit dem hellblauen Kaschmirrolli zu ihrem dunklen Teint passte.

»Ach, Dorothy, wenn ich Sie sehe, wird mir immer ganz warm ums Herz«, schmeichelte Phil, als wir vor ihrem Schreibtisch standen.

Dorothy schaute von ihrem Monitor hoch. »Nun, dann rate ich Ihnen, Ihren warmen Wintermantel einzupacken, denn in Boston werden Sie auf meine Anwesenheit verzichten müssen.« Dorothys kurzes Lächeln nahm ihrer harschen Antwort die Spitze.

Phil grinste von einem Ohr zum anderen.

»Sie sollten das besser lesen, statt weiter breit lächelnd Zeit zu vertrödeln«, ermahnte Dorothy meinen Partner und tippte mit dem Zeigefinger auf einen der Umschläge. Schluss mit Komplimenten, ran an die Arbeit, sollte das wohl heißen.

»Wann geht es los?«, fragte Phil.

»Sie fliegen um 16:30 Uhr mit einer Maschine der American Airlines nach Boston. Für morgen früh ist ein erstes Treffen im Field Office angesetzt, Boston will sich um Ihre Unterbringung kümmern. Für heute Nacht haben wir Ihnen im Hilton am Flughafen zwei Zimmer reserviert. Wer weiß, ob es bei diesem scheußlichen Wetter nicht zu Verspätungen kommt.«

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr und unterdrückte einen Fluch. 16:30 Uhr Abflug. Ich brauchte eine Viertelstunde, um zu meiner Wohnung zu kommen, und zum Glück lag der Reagan National Airport nur zwei Meilen vom Stadtzentrum entfernt. Trotzdem blieb uns kaum Zeit zum Packen. Dorothy deutete meine Miene richtig. Sie schaute selbst auf die Uhr an ihrem schlanken Handgelenk.

»Ich rate Ihnen, sich zu beeilen«, stellte sie fest, »vor allem, wenn Sie nicht im Berufsverkehr stecken bleiben wollen.«

»Ach, Dorothy, was würden wir ohne Sie tun?«, fragte ich lächelnd.

Für einen Augenblick blitzte es übermütig in ihren Augen, bevor sie lapidar antwortete: »Sie würden weiter über Ihren Reisekostenformularen schwitzen, Jerry. Vielleicht kann ich Ihnen da ausnahmsweise mal unter die Arme greifen. Der Fall hat oberste Priorität.«

***

»Ich hab da ein ganz mieses Gefühl im Bauch, Jerry.« Phil schaute mich vom Beifahrersitz aus nachdenklich an.

Ich wusste, worauf er anspielte. »Geht mir auch so. Erinnere dich: Nur durch Zufall ist der Spurensicherung nach dem Attentat auf den britischen Botschafter eine Zigarettenkippe in die Hände gefallen. Das war der einzige Fehler, den der oder die Täter gemacht haben. Alles andere lief mit militärischer Präzision ab. Wenn dieser, nennen wir ihn der Einfachheit halber weiter Duncan, damit tatsächlich zu tun hatte, war das kein kleiner Fisch, sondern ein professioneller Auftragskiller. Dann bahnt sich da in Boston eine größere Sache an.«

»Aber Duncan ist tot, außerdem könnte er auf der Durchreise gewesen sein«, gab Phil zu bedenken.

Ich lenkte den Dienstwagen auf den Flughafenparkplatz und steuerte ihn in eine Parklücke. »Duncan hat vielleicht Partner, oder es findet sich Ersatz für ihn. Und er war sicher nicht auf der Durchreise, er wurde vor dem Terminal überfahren, kein Mensch verlässt mitten im Winter das geheizte Terminal, wenn er einen Anschlussflug erreichen muss.«

»Da ist was dran, Jerry.«

Es war schon dunkel, als wir endlich in Boston landeten. Dorothy hatte mit ihrer Befürchtung recht behalten, es kam zu Verspätungen. Zunächst war unser Flugzeug nicht zum Einsteigen bereit gewesen, dann hatten wir ewig auf die Startfreigabe gewartet. Nur anderthalb Stunden hätte der Flug normalerweise gedauert, am Ende brauchten wir mehr als drei Stunden. Ich war froh, als die Maschine mit einem harten Stoß auf der Landebahn aufsetzte.

Während das Flugzeug jetzt langsam zum Terminal dirigiert wurde, schaute ich aus dem Fenster. Der Control Tower verschwamm im Schneetreiben. Zwei runde, hohe Betonsäulen und dazwischen, weit oben, der eigentliche Gebäudeteil. Der Tower am Logan International Airport erinnerte mich immer an eine überdimensionierte Werbetafel entlang eines Highways. Heute konnte ich die Räume des Towers durch den Schnee und das grelle Licht der Scheinwerfer kaum erkennen. Was für ein fürchterliches Wetter. Bereits auf dem Flug hatten uns Sturmböen ordentlich durchgeschüttelt. Gut, dass Dorothy daran gedacht hatte, nach Hotelzimmern am Flughafen zu fragen.

»Bin ich froh, dass wir jetzt nicht mit einem Taxi in die Innenstadt fahren müssen. Bestimmt ist der Weg in die City ein einziger Stau.« Phil hatte offenbar meine Gedanken erraten.

»Wenn alles klappt, können wir uns schon in einer halben Stunde einen Drink an der Bar gönnen. Es gibt eine direkte Verbindung zwischen den Terminals und dem Hilton am Flughafen. Wir können also im Trockenen zum Hotel laufen.«

»Wer weiß, wo uns das Field Office morgen unterbringen wird. Bevor es an die Bar geht, werde ich noch einmal nachsehen, ob es zu unserem Fall ein Update gibt.« Phil klopfte mit der flachen Hand auf seine Laptoptasche, die zwischen uns auf dem Mittelsitz lag. Ein weiterer guter Grund für ein Businesshotel, da konnte Phil sicher sein, dass es keine Probleme mit der nötigen Bandbreite ins Netz geben würde.

Phil deutete mit dem Zeigefinger aus dem Fenster. »Ich habe online nachgesehen. Als Duncan ankam, war das Wetter ähnlich furchtbar. Was meinst du, warum unser Freund aus dem heimeligen Terminal auf die Straße gerannt ist?«

»Wenn Duncan das war, was wir vermuten, war er ein Profi. Dann hatte er seine Gründe. Bei einem solchen Schneetreiben wundert mich aber nicht, dass er dabei kurz den Überblick verloren hat und auf die Fahrbahn geraten ist.«

»Hoffentlich verlieren wir hier nicht den Überblick.« Phil seufzte neben mir.

***

Unsere Hoffnung auf neue Details ließ SAC Galston am nächsten Morgen platzen wie eine Seifenblase.

»Sie sind sicher gespannt, alles zu erfahren. Aber ich fürchte, allzu viel können wir Ihnen nicht bieten.« Galston lächelte resigniert. Der Leiter des Field Office hatte Phil und mich direkt nach unserer Ankunft am frühen Morgen in einen Konferenzraum gebeten. Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Die ganze Stadt steht zurzeit Kopf wegen der großen Konferenz in ein paar Tagen. Sie haben sicher davon gehört. Die Jahrestagung des Vereins Americans for Earth.«

Ich sah Phil fragend an, der nickte nur, als sei das alles für ihn ein alter Hut. Phil überraschte mich immer wieder. Wahrscheinlich hatte er gestern Nacht, während ich schon schlief, umfangreich recherchiert, was alles in Boston auf der Tagesordnung stand.

»Ex-Senatorin Elizabeth Warren-Graham, die erste Vorsitzende und Gründerin des Vereins Americans for Earth, kurz AfE, scheut sich nicht, den großen Industriebossen und mächtigen Politikern weltweit auf die Füße zu treten«, referierte Phil. »Sie hat nach ihrer aktiven Laufbahn in der Politik nach wie vor viele Kontakte, und die nutzt sie, um Gelder für ihre Kinderhilfsprojekte zu sammeln. Elizabeth Warren-Graham ist das Gesicht und der Motor des Vereins.«

»Ganz genau«, schnaubte Galston, »und in den kommenden Tagen werden sich hier in Boston Politiker aus Washington und dem Ausland die Klinke in die Hand geben. Dazu kommen etliche Hollywoodstars und Prominente aus der Musikbranche, die die Frau unterstützen. Mir sitzt der Secret Service im Nacken, wir müssen diversen Drohungen nachgehen und dürfen dabei natürlich unsere eigentliche Arbeit in den übrigen Fällen nicht vernachlässigen. Wenn das alles vorbei ist, bin ich urlaubsreif, dann reise ich mit Mrs Galston irgendwohin, wo es ruhig, einsam und warm ist.«

»Und jetzt, sozusagen on top, noch dieser Duncan«, warf ich ein.

»Deswegen haben ich Sie beide rufen lassen, Inspektor Cotton. Wir müssen wissen, wer Duncan war, was er in Boston wollte und ob er womöglich nur Teil eines größeren Teams war, das demnächst in unserer Stadt zuschlagen wird. Himmel, in den nächsten zwei Wochen haben wir, zusätzlich zu allen Zielen, die es in Boston immer gibt, mehr als ein Dutzend neue potenzielle Zielpersonen. Ich werde Ihnen die Special Agents Susan Stanwell und Ricardo Vidal zur Seite stellen. Beide sind bestens mit dem Duncan-Fall vertraut. Wenn Sie nichts dagegen haben, lasse ich sie hereinrufen.«

Phil und ich nickten zustimmend. SAC Galston griff zum Telefon und gab die entsprechende Anweisung weiter. Keine zwei Minuten später klopfte es an der Tür zum Konferenzraum.

Agent Stanwell war um die dreißig Jahre alt, sie wirkte ruhig und selbstbewusst. Das haselnussbraune Haar trug sie modisch kurz geschnitten, sie war schlank, und ihr Gesicht wäre wirklich hübsch gewesen, wenn es nicht diesen abweisenden, unterkühlten Ausdruck gehabt hätte. Stanwell trug einen dunkelblauen Hosenanzug von der Stange und eine weiße Bluse, dazu flache schwarze Halbschuhe. Offenbar war ihr ein schneller Spurt lieber als ein modisches Statement mit High Heels.

Ihr Partner Vidal hätte jederzeit als Bodyguard bei einem kolumbianischen Drogenboss anheuern können. Sein mächtiger Brustkorb und die muskulösen Oberarme drohten fast, den Designeranzug zu sprengen. Der Anzug hatte sicher mehr als ein Monatsgehalt gekostet. Vidal hatte einen sorgfältig gestutzten Dreitagebart und sein schwarzes Haar war mit Gel zurückgekämmt. Jede Wette, dass er, wenn er nicht gerade zu seinem Chef gerufen wurde, auch in Gebäuden am liebsten eine dunkle Sonnenbrille trug.

Bei allen äußerlichen Unterschieden hatten die beiden Agents eines gemeinsam: Beide zeigten einen trotzigen Gesichtsausdruck. Wut lauerte bei ihnen direkt unter der Oberfläche, kaschiert von einer dünnen Schicht Höflichkeit.

»Agent Stanwell, Agent Vidal, das sind die Inspektoren Cotton und Decker aus dem Headquarter in Washington«, stellte uns SAC Galston vor. Ob ihm die abweisende Haltung seiner beiden Mitarbeiter auffiel? Er ließ sich jedenfalls nichts anmerken.

Stanwell und Vidal gönnten uns ein kurzes Nicken zur Begrüßung. Phil und ich verzichteten auf einen Händedruck. Ich sah Phil an, dass ihm das Verhalten der beiden Bostoner ebenfalls aufgefallen war.

»Inspektor Cotton und Inspektor Decker werden sich in den nächsten Tagen ausschließlich mit dem Duncan-Fall beschäftigen. Ich möchte, dass sie von Ihnen beiden jede Unterstützung erhalten, die sie benötigen«, erklärte Galston. Er schaute in Phils und meine Richtung. »Ich habe veranlasst, dass für Sie zwei Schreibtische in einem Büro vorbereitet werden. Agent Stanwell und Agent Vidal werden Ihnen alles zeigen. Wenn Sie noch etwas wünschen, melden Sie sich bitte bei mir.«

Zwei nettere Kollegen wären ganz angenehm, schoss es mir durch den Kopf. Kollegen, die nicht ein Gesicht machten, als hätte ich mich gerade auf ihren Lieblingshamster gesetzt.

***

Er rieb sich die schweißfeuchten Hände an seiner Hose trocken. Es war ganz einfach, er musste nur diesen einen Anruf hinter sich bringen. Wie bei einer Lawine in den Rockies würde ein einzelner kleiner Stein genügen. Ein Stein, aus dem eine vernichtende Lawine wurde. Sein Anruf war dieser kleine Stein. Wenn er jetzt zum Hörer griff, gab es für ihn kein Zurück mehr. Er atmete einmal tief durch, dann wählte er die Nummer.

»Und? Haben Sie das Geld?« Die heisere Männerstimme verzichtete auf jede Begrüßungsfloskel.