Jerry Cotton 3164 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3164 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Cyberangriff auf das Bostoner Energieuntnernehmen Lightning Energy hatte zu einem fünfstündigen Blackout in mehreren Städten an der Ostküste geführt - mit dramatischen Folgen: Ausgefallene Ampelanlagen hatten Massenkarambolagen verursacht, Notstromaggregate in Krankenhäusern waren ausgefallen, in einer U-Bahn war es zu tumultartigen Szenen gekommen. Mai-Lin, unsere Computerspezialistin, hatte die DDos-Attacke bis zum Massachusetts Institute of Technology in Cambridge zurückverfolgen können. Bevor Phil und ich uns richtig auf dem Unicampus umsehen konnten, geschah der nächste Stromausfall und tauchte die Welt in tiefste Dunkelheit ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2018

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Angriff aus dem Nichts

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: gorondenkoff/iStockphoto

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5836-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Angriff aus dem Nichts

Nur der Schein des Bildschirms erhellte den Raum. Er tauchte das Gesicht des Mannes in fahles Licht. Seine Hände, die in schwarzen Handschuhen steckten, flogen über die Tastatur und ließen Reihen von Ziffern und Zeichen über den Monitor tanzen. In diesem Moment dachte er nicht mehr darüber nach, was er tat. Seine Skrupel waren verraucht.

Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass er bald zum Ende kommen musste. Sie hatten den Zeitpunkt strategisch gewählt, um den größtmöglichen Schaden anzurichten. Aber es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne aufging und wieder Leben auf dem Campus einkehrte. Plötzlich ballte der Mann seine Hand zu einer Siegesgeste.

Der Angriff lief.

Beim Gedanken daran, was das bedeutete, bekam er eine Gänsehaut.

Jonathan Waters war früh ins Büro gekommen. Er musste ein Zeichen setzen. Die Zahlen standen schlecht, es ging schon seit einer Weile bergab mit der Firma. Das wussten auch die Mitarbeiter. Waters war zum Geschäftsführer ernannt worden, um das zu ändern. Da sah es gut aus, wenn er als Erster auf der Arbeit war.

Wobei es noch einen anderen Grund gab, weshalb er bereits um halb sechs morgens im Büro war. Er wollte auf keinen Fall verpassen, wie es anfing. Denn heute würde sich das Blatt wenden.

Waters kam mit einer Tasse dampfenden Kaffees aus der Küche, als die Deckenlampe in seinem Büro zu flimmern begann. Auch die Schreibtischlampe flackerte, erlosch kurz, leuchtete dann wieder. Ein elektrisches Surren lag in der Luft. Waters ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und nahm vorsichtig den ersten Schluck Kaffee. Das Getränk war genauso, wie er es mochte: so heiß, dass man sich fast die Zunge verbrannte.

In seinem Drehstuhl wandte er sich zum Fenster hinter dem Schreibtisch um, von dem aus er die Essex Street überblickte. Im Gebäude gegenüber, in dem sich Versicherungsbüros befanden, brannte bereits Licht in den ersten Fenstern. Oder besser gesagt: Es flackerte. Auch die Straßenlaternen leuchteten nicht mehr gleichmäßig, sondern mal heller, mal dunkler. Zwischendurch setzten sie ganz aus.

Waters warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Kettenreaktion einsetzen würde. Die Zeit spielte für ihn: Je später es wurde, desto mehr Menschen standen auf, schalteten ihre Lampen an, ihre Kaffeemaschinen und Toaster, ihre Fernseher und Computer. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Stromnetze vollends kapitulierten.

Blackout.

Waters setzte die Kaffeetasse erneut an, als es im Zimmer dunkel wurde. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus, um eine bessere Sicht auf das Schauspiel zu haben. Das Gebäude gegenüber war in Dunkelheit getaucht. Hier und da gingen Fenster auf, Menschen steckten die Köpfe heraus.

Auch das Licht der Straßenlaternen war erloschen, und die Ampeln an der Kreuzung leuchteten nicht mehr. Zwar würde noch eine Weile vergehen, bis die Bostoner Rushhour ihren Höhepunkt erreichte, aber schon jetzt bildeten sich Schlangen von Autos vor der Kreuzung. Waters hörte Bremsen quietschen und Hupen tönen. Keine Minute später verkündete ein lautes Krachen den ersten Unfall.

Waters wandte sich nach links. Aus der im Dunkeln liegenden South Station Boston strömten Menschen. Er konnte sich das Chaos im Inneren des Bahnhofs lebhaft vorstellen.

Er hatte genug gesehen. Waters schloss das Fenster und schaltete das kleine, batteriebetriebene Radio auf seinem Schreibtisch an, das er extra mitgebracht hatte.

Die Moderatorin klang aufgeregt. »… betroffen von dem Stromausfall ist nicht nur ganz Massachusetts. Auch in Connecticut, New Hampshire und Rhode Island ist es zu Ausfällen gekommen. Die Polizei konnte uns zu den Ursachen bislang nichts sagen. Sie bittet die Bevölkerung, Ruhe zu bewahren, möglichst das Haus nicht zu verlassen und die Autos in der Garage zu lassen.«

Waters lächelte.

»Zwar wollte die Polizei uns das nicht offiziell bestätigen«, fuhr die Moderatorin fort, »aber unsere Quellen sagen, dass hinter dem Blackout ein Hackerangriff auf das Stromnetz stecken könnte. Möglicherweise handelt es sich sogar um einen Terroranschlag. Wenn es neue Entwicklungen geben sollte, erfahren Sie es bei uns …«

Waters fuhr sich durchs Haar. Alles lief nach Plan. Und der nächste Schritt war schon vorbereitet. Er warf einen bedauernden Blick in seine halbleere Tasse. Das Einzige, was er vergessen hatte, war eine Thermoskanne Kaffee.

***

Ich hätte das Ding am liebsten aus dem Fenster des Jaguar geworfen. Genervt tippte ich auf dem Touchscreen meines Smartphones herum, dann drückte ich die Knöpfe an der Seite. Aber es tat sich nichts. Der Bildschirm blieb eingefroren. Das Handy hatte mir in vielen Einsätzen gute Dienste erwiesen. Aber in den letzten Tagen streikte es immer häufiger. Als ich vorhin meine dienstlichen E-Mails hatte abrufen wollen, hatte es komplett den Geist aufgegeben.

Ich stand an der üblichen Ecke, um Phil abzuholen, der sich heute Morgen ein wenig verspätete. Als mein Partner schließlich einstieg, warf ich ihm das Smartphone auf den Schoß.

»Hey«, protestierte Phil. »Ich weiß, dass ich zu spät bin, aber das ist kein Grund, mich mit Handys zu bewerfen.«

Ich wusste, dass er nur einen Scherz machen wollte, aber dafür hatte ich gerade einfach keinen Nerv.

»Mein Handy spinnt sein Tagen. Kannst du mal versuchen, es wieder zum Laufen zu bringen?«

Phil kannte sich besser mit Technik aus als ich. In Einsätzen war er derjenige, der immer seinen Laptop dabeihatte. Doch vor meinem Handy musste auch er kapitulieren. Nachdem er ein paarmal erfolglos darauf herumgedrückt hatte, zuckte er mit den Schultern.

»Lässt sich nicht mal neustarten«, meinte er. »Ist wohl ein Fall für Mai-Lin.«

Jetzt musste ich wider Willen doch lachen. Dr. Mai-Lin Cha war die Computerexpertin und Mathematikerin des Scientific Research Team in Quantico. Sie hatte sicher Wichtigeres zu tun, als sich um mein Handy zu kümmern.

»Ein Fall für Mai-Lin wäre es nur, wenn sich herausstellen sollte, dass sich irgendein ausländischer Geheimdienst auf mein Smartphone eingehackt hat.«

»Das kann ich mir kaum vorstellen«, brummte Phil.

»Ich vermute eher, dass das Gerät das Zeitliche segnet, weil es im Einsatz ein paarmal zu oft einen Schlag abgekriegt hat.«

»Oder weil der Besitzer nicht fachgerecht damit umgegangen ist«, sagte Phil grinsend. »Vielleicht solltest du die gesamte Technik künftig mir überlassen.«

Ich lachte, wieder etwas besser gelaunt. »Dann müsstest du uns in Zukunft ja auch zur Arbeit fahren. Nein, lass mal gut sein. Ich bin sicher, unsere IT-Abteilung kriegt das Ding wieder hin.«

***

Im FBI-Hauptquartier im J. Edgar Hoover Building fing uns Dorothy Taylor, die Sekretärin unseres Chefs, bereits auf dem Flur ab.

»Mister High erwartet Sie«, sagte sie.

Phil und ich tauschten einen Blick. Das konnte nur bedeuten, dass er einen neuen Fall für uns hatte. Angesichts der Tatsache, dass ich ansonsten einen Bericht zu unserem letzten Fall hätte fertigstellen müssen, kam mir das gelegen. Den Papierkram ließ ich nur zu gern noch ein paar Tage liegen.

Im Büro von Assistant Director High bot sich uns die nächste Überraschung. Denn nicht nur unser Chef erwartete uns, sondern auch Mai-Lin, die per Videokonferenz zugeschaltet war. Phil und ich ließen uns auf die Besucherstühle gegenüber von Mr Highs Schreibtisch nieder.

»Sie haben wohl schon von Jerrys Problemen mit seinem Handy gehört«, witzelte Phil. »Hat sich etwa doch jemand eingehackt?«

»Was?«, fragten Mr High und Mai-Lin fast gleichzeitig. Beiden stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.

Ich hob beschwichtigend die Hände. »Phil macht nur einen Scherz. Mein Handy funktioniert seit einigen Tagen nicht richtig. Aber ich vermute, dass irgendein technisches Problem dahintersteckt.«

Mr High sah nicht beruhigt aus. »Besser, Sie geben das Telefon sofort in die IT-Abteilung, Jerry. Die Kollegen werden überprüfen, ob sich darauf Schadsoftware befindet. Eigentlich sollten unsere Diensttelefone gegen Cyberangriffe geschützt sein. Aber man weiß ja nie …«

»Ich habe wirklich nur einen Scherz gemacht, Sir«, murmelte Phil mit rotem Kopf.

»Sicher ist sicher«, sagte unser Chef. »Geben Sie das Smartphone gleich Dorothy. Sie wird alles Weitere veranlassen und Ihnen ein Ersatzhandy besorgen, Jerry. Und jetzt zum eigentlichen Grund, warum ich Sie beide gerufen habe. Sie haben sicher von dem Blackout vor drei Tagen an der Ostküste gehört.«

Phil und ich nickten. Auch die Washingtoner Medien hatten über den Stromausfall am vergangenen Freitag in Massachusetts, Connecticut, New Hampshire und Rhode Island berichtet. Er hatte fast fünf Stunden gedauert und dramatische Folgen gehabt: Ausgefallene Ampelanlagen führten zu Massenkarambolagen. In einer vollen U-Bahn, die in einem Tunnel stecken geblieben war, brach eine Massenpanik aus, bei der mehrere Menschen verletzt wurden. In einem Krankenhaus in Springfield fiel das Notstromaggregat aus, sodass Patienten mit dem Helikopter in andere Kliniken geflogen werden mussten.

Einige Medien hatten zunächst über einen Terroranschlag spekuliert. Mittlerweile hieß es aber, dass technische Probleme eines großen Energielieferanten zu dem Blackout geführt hatten.

»Die Ursache des Stromausfalls wurde bisher nicht öffentlich gemacht«, sagte Mr High. »Denn es handelt sich um ein hochsensibles Thema: Der Blackout wurde durch einen Cyberangriff auf das Bostoner Energieunternehmen Lightning Energy ausgelöst.« Er wandte sich an Mai-Lin. »Agent Cha, können Sie Jerry und Phil bitte die technischen Hintergründe erklären?«

Mai-Lin nickte eifrig. »Es war eine sogenannte DDoS-Attacke. Das bedeutet Distributed Denial of Service, also eine verbreitete Verweigerung des Dienstes. Dabei schicken die Angreifer, vereinfacht gesagt, massenhaft elektronische Anfragen an den Zielserver. Irgendwann ist er so überlastet, dass er den Dienst einstellt.«

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Genau das ist im Fall von Lightning Energy passiert. Der Hauptserver stürzte ab. Dadurch wurde die Verbindung zum Industriesteuerungssystem getrennt, das die Energieverteilung regelt. Das System fuhr herunter – mit den uns bekannten fatalen Konsequenzen.«

Mit einem Blick auf unsere ratlosen Gesichter fügte Mr High erklärend hinzu: »Das bedeutet, Lightning Energy hat die Stromversorgung eingestellt.«

»Das heißt, eine große Gruppe von Cyberkriminellen hat Lightning Energy angegriffen?«, fragte Phil.

Mai-Lin schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. In der Regel nutzt der Angreifer bei DDoS-Attacken ein sogenanntes Botnetz. Das ist ein Verbund von Computern, die mit einem Virus infiziert sind, durch den die Hacker sie fernsteuern. Oft umfasst ein Botnetz mehrere Tausend bis Zehntausend Computer. Auch Ihre privaten Laptops könnten Teil eines Botnetzes sein, wenn Sie keinen ausreichenden Virenschutz haben.«

»Gilt das auch für Handys?«, fragte ich und rutschte unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her.

Mai-Lin lächelte mir beruhigend zu. »Auch Smartphones können gehackt werden, Jerry. Allerdings halte ich das in Ihrem Fall für unwahrscheinlich. Alle Diensthandys und -computer des FBI sind aufwendig geschützt. Außerdem laufen die Viren auf infizierten PCs meist im Hintergrund, sodass die Besitzer nichts davon merken.«

Das erleichterte mich ein wenig.

»Bevor wir uns in technischen Details verlieren, übernehme ich mal wieder«, schaltete sich Mr High ein. »Lightning Energy ist der größte Stromlieferant in Massachusetts und gehört auch zu den wichtigsten Anbietern in Connecticut, New Hampshire und Rhode Island. Als das Unternehmen keinen Strom mehr lieferte, kam es zu einer Kettenreaktion: Die anderen Energieunternehmen konnten den Ausfall für kurze Zeit kompensieren. Doch bald waren sie so überlastet, dass sie nach und nach ebenfalls den Dienst einstellten. Das führte zu dem Blackout.«

»Der Angriff begann um fünf Uhr morgens, als bei Lightning Energy nur die Notbesetzung in der IT-Abteilung anwesend war«, ergänzte Mai-Lin. »Und die bestand unglücklicherweise aus einem neuen Mitarbeiter, der mit der Situation komplett überfordert war.«

»Ausgerechnet«, murmelte Phil.

»Er versuchte etwa eine Stunde lang erfolglos, den Angriff zu stoppen«, berichtete Mai-Lin weiter, »bevor er seine Kollegen zu Hilfe rief. Nach einigem Hin und Her taten sie das einzig Richtige und nahmen den Server vom Strom. Ihn anschließend zu rebooten, dauerte allerdings seine Zeit. Insgesamt vergingen dadurch fast fünf Stunden, bis der Stromausfall beendet war.«

Mr High lehnte sich auf seinem Stuhl nach vorne und sah erst mich, dann Phil an. »Sie haben sicher in den Nachrichten gesehen, zu welchen Folgen dieser fünfstündige Blackout geführt hat. Es ist kaum auszudenken, was passieren würde, wenn ein solcher Stromausfall mehrere Tage andauern sollte. Die Notstromversorgung in Krankenhäusern käme an ihre Grenzen. Der Verkehr würde komplett zusammenbrechen, ebenso die Wasserversorgung. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis es zu Plünderungen und schlimmeren Straftaten käme. Für die Polizei wäre es kaum möglich, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.«

Mr High ließ seine Worte wirken, ich wartete, dass er weitersprach.

»Es gibt seit Längerem Befürchtungen, dass terroristischen Gruppen aus dem Ausland einen solchen Angriff auf das öffentliche Leben in den Vereinigten Staaten planen«, fuhr er schließlich fort. »Aufgrund dieser Dimension und weil mehrere Bundesstaaten von dem Ausfall betroffen waren, haben wir den Fall vom Field Office Boston übernommen.«

»Aber wie können Jerry und ich bei den Ermittlungen helfen?«, warf Phil ein. »Wir sind schließlich keine IT-Experten, die Verbrecher im Internet jagen können.«

Mai-Lin schaltete sich ein. »Das ist auch gar nicht nötig, denn die Jagd im Internet ist so gut wie beendet. Die Kollegen der Cyber Squad im Field Office Boston haben mich unmittelbar nach dem Angriff gebeten, die DDoS-Attacke zurückzuverfolgen. Wegen der Tausenden Computer im Botnetz ist das extrem schwer. Mit einigem Aufwand ist es mir dennoch gelungen, den steuernden Server hinter dem Botnetz zu finden.«

»Sie wissen also, wer der Hacker ist?«, fragte ich.

Mai-Lin nickte. »Der Angreifer, der den Server steuerte, hat ein sogenanntes VPN-Netz genutzt. Solche Netze verschleiern die IP-Adresse des Nutzers, also quasi die Anschrift seines Computers. Deshalb werden VPN-Netze gerne bei illegalen Aktivitäten genutzt.«

Davon hatte ich schon einmal gehört.

»Allerdings bieten auch sie keine völlige Anonymität: Denn die Anbieter speichern in der Regel die IP-Adressen ihrer Nutzer. Und unser Angreifer war dumm genug, einen Anbieter zu wählen, der in den USA sitzt. Wir haben heute Morgen durch einen richterlichen Beschluss erwirkt, dass uns die Firma die IP-Adresse des Angreifers mitteilen musste.«

»Und?«, fragte ich gespannt. Wie so oft schien unsere Computerexpertin mehr daran interessiert zu sein, die technischen Details zu erklären, als zum Punkt zu kommen.

Mr High ergriff das Wort. »Die gute Nachricht ist, dass sich der Angriff eindeutig zu einem Computer zurückverfolgen lässt. Er befindet sich im Massachusetts Institute of Technology. Die schlechte Nachricht ist, dass es sich um einen öffentlichen PC handelt, der im Informatiklabor des MIT steht.«

Ich sog scharf die Luft ein. Der Angriff war auf dem Campus einer renommierten amerikanischen Universität begangen worden.

»Sind Sie ganz sicher, dass der Angriff von diesem PC ausging?«, fragte ich Mai-Lin.

Sie nickte entschieden. »Zweifelsfrei. Um ehrlich zu sein, war ich selbst überrascht, wie eindeutig ich den Angriff zurückzuverfolgen konnte, als ich erst einmal das Botnetz durchdrungen hatte. Diese geringe Komplexität spricht dafür, dass die Attacke kein Werk eines hochprofessionell arbeitenden Hackerkollektivs ist. Hier scheint ein Anfänger am Werk gewesen zu sein, der nicht alle Eventualitäten bedacht hat.«

»Das klingt eher nicht nach einer terroristischen Gruppe, oder?«, mutmaßte ich.

Mr High schüttelte den Kopf. »Agent Cha hat keine Hinweise auf einen Angriff aus dem Ausland gefunden. Außerdem gibt es kein Bekennerschreiben, wie sie Terrororganisationen häufig hinterlassen. Dennoch sollten wir einen terroristischen Hintergrund nicht völlig ausschließen. Extremisten könnten sich in die Uni eingeschleust haben. Oder es könnte sich um einen fanatischen Einzeltäter handeln.«

Ich schluckte bei dem Gedanken.

»Allerdings gibt es noch einen anderen denkbaren Hintergrund«, fuhr Mr High fort. »Die Kollegen des Field Office Boston haben bereits den Geschäftsführer von Lightning Energy, James Tyler, befragt. Er vermutet das Konkurrenzunternehmen Power Connect hinter dem Angriff. Power Connect sitzt ebenfalls in Boston und wirbt laut Tyler in letzter Zeit aggressiv Kunden bei Lightning Energy ab. Es könnte sich bei dem Angriff also auch um Wirtschaftssabotage handeln.«

»Allerdings gibt es für diese Theorie bislang technisch keine Anhaltspunkte«, warf Mai-Lin ein.

»Wie Sie sehen, kommen wir in diesem Fall mit der Technik allein nicht weiter«, sagte Mr High. »Deshalb möchte ich, dass Sie beide nach Massachusetts reisen und vor Ort ermitteln. Die Präsidentin des MIT, Mariana Gonzales, hat uns bereits die volle Unterstützung der Hochschule zugesagt. Agent Cha steht Ihnen natürlich von Quantico aus mit ihrer technischen Expertise zur Seite.«

Ich nickte Mai-Lin dankbar zu und vermutete, dass wir ihre Hilfe in diesem Fall noch öfter in Anspruch nehmen würden.

***

Phil und ich nutzten den Flug nach Boston, um das Protokoll der Befragung von James Tyler zu lesen. Lightning Energy gehörte seit der Liberalisierung des Strommarkts zu den größten Energielieferanten in Massachusetts und den umliegenden Staaten. Aber der Energiemarkt war hart umkämpft, es gab viel Konkurrenz. In Boston war vor einigen Jahren das Unternehmen Power Connect gegründet worden, das den anderen Stromanbietern mit Kampfpreisen viele Kunden abgeworben hatte.