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Hank Arkin war nach einer Serie von acht bestialischen Morden gefasst, verurteilt und in South Carolina hingerichtet worden. Am Jahrestag seiner Exekution gab es ein neues Mordopfer. Eine Woche später kam es zur gleichen Stunde bereits zum nächsten Mord. Die Taten fanden immer exakt um 21:09 Uhr statt - wie seinerzeit bei Arkin. Kurz nachdem Phil und ich die Ermittlungen aufgenommen hatten und uns fragten, ob wir es tatsächlich mit einem Nachahmungstäter zu tun hatten, schlug der Mörder erneut zu. Und diesmal hinterließ er eine Nachricht für mich: Du kriegst mich nie, Cotton!
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Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Du kriegst mich nie, Cotton!
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: (Film) »Mandroid«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5914-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Du kriegst mich nie, Cotton!
Carol rannte um ihr Leben.
Ihr Heimatort Fort Mill glich einer Geisterstadt, obwohl es nicht spät am Abend war. Aber im Winter wurde es früh dunkel. Und Carols unheimlicher Verfolger nutzte die Finsternis wie einen Tarnumhang.
Carol überquerte den verwaisten Parkplatz im Zentrum. Die junge Frau hatte eine Pechsträhne: Ihr Auto wollte nicht anspringen, ihr Handy-Akku war leer. Und es war keine Menschenseele unterwegs.
Außer dem Mann hinter ihr.
Carol warf einen Blick über die Schulter und sah erneut die schemenhafte Gestalt. Der Abstand zu ihr hatte sich verringert. Ob sie um Hilfe schreien sollte? Doch Todesangst schnürte ihr die Kehle zu.
Am Ende des Blocks machte Carol das Flachdachgebäude mit der Aufschrift Sheriff’s Department aus. Dort war ihre Rettung. Sie wäre beinahe auf dem Neuschnee unter ihren Stiefeln ausgeglitten, ihre Panik trieb sie jedoch vorwärts.
Carol befand sich vor dem Bankgebäude, als ihr Verfolger sie ansprang. Der Mann warf sie zu Boden. Carol schaute in gnadenlose Mörderaugen. Dann schnitt er ihr die Kehle durch.
Die junge Frau starb exakt um 21:09 Uhr.
»Was sagt Ihnen der Name Hank Arkin?«, fragte Mr High Phil und mich, nachdem er uns zu einer Besprechung in sein Büro gebeten hatte.
Wir saßen am Konferenztisch, draußen vor den Fenstern des FBI Headquarter kämpften die Washingtoner Autofahrer mit dem immer dichter werdenden Schneegestöber.
»Arkin war ein Serienmörder, der sechs jungen Frauen die Kehlen durchgeschnitten hat«, erwiderte ich. »Unseren Kollegen in South und North Carolina gelang es nach monatelanger Ermittlungsarbeit, den Killer zu verhaften. Arkin wurde für schuldfähig erklärt und durch eine Jury zum Tode verurteilt. Er müsste vor ungefähr einem Jahr hingerichtet worden sein.«
Der Chef nickte. »Ich muss Sie korrigieren, Jerry. Arkin starb vor genau zwölf Monaten in der Broad River Correctional Institution von South Carolina an einer Giftspritze. Der 10. Februar ist sein Todestag.«
»Und heute ist der 11. Februar«, stellte Phil fest. »Weshalb ist dieses Datum von Bedeutung?«
Mr High wandte sich ihm zu. »Weil am gestrigen Tag eine junge Frau im Grenzgebiet zwischen South und North Carolina ermordet wurde. Der Täter hat ihr die Kehle durchgeschnitten. Und auch sonst trägt diese Bluttat Arkins Handschrift.«
Ich warf dem Assistant Director einen fragenden Blick zu.
»Das Opfer, Carol Darwell, starb exakt um 21:09 Uhr«, fuhr er fort. »Es war eine Marotte von Arkin, den Frauen stets um diese Zeit das Leben zu nehmen. Wir sprechen hier von Täterwissen.«
»Wurde der Todeszeitpunkt nicht während des Mordprozesses erwähnt?«, fragte ich. »Wir wissen, dass gerade Serienkiller eine Art Fangemeinde haben. Wenn ein Arkin-Bewunderer im Publikum gesessen hat, könnte er dieses wichtige Detail aufgeschnappt haben. Und jetzt nutzt er den Jahrestag, um seinem toten Idol zu huldigen.«
Phil stimmte mir zu. »Wenn wir herausfinden, wer von der genauen Tatzeit gewusst hat, können wir den Kreis der Verdächtigen stark eingrenzen.«
»Vor Gericht wurde diese Besonderheit nicht erwähnt«, erklärte Mr High. »Außerdem wurden zahlreiche Details der Morde unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgetragen, um Nachahmungstäter gar nicht erst mit Informationen zu versorgen. Es ist leider nicht zu ändern, dass Serienkiller ihre Fans haben. Diese Leute dürfen einfach keine Chance erhalten, ihren Vorbildern nachzueifern.«
Ich nickte. »Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Sir. Wir sollten Arkins Kontakte überprüfen. Er wurde gewiss im Gefängnis besucht. Oder einer seiner Freunde möchte in seine Fußstapfen treten. Auf jeden Fall wollte der neue Täter eine Botschaft senden, indem er den Zeitpunkt des Mordes so gewählt hat. An einen Zufall glaube ich nicht.«
»Natürlich dürfen wir auch diese Möglichkeit nicht ausschließen«, erwiderte Mr High. »Allerdings ist die Tötungsart die gleiche wie bei Arkins Morden. Dem Opfer wurde die Kehle durchgeschnitten. Ich beauftrage Sie und Phil mit der Leitung der Ermittlungen. Der Täter hat in demselben Gebiet zugeschlagen, wie Arkin es einst getan hat. Wir sollten die Fahndung zunächst auf die Grenzregion zwischen South und North Carolina konzentrieren. Immerhin haben wir eine Videoaufnahme des Killers.«
Phil und ich tauschten einen überraschten Blick. Damit hatten wir nicht gerechnet.
Der Chef griff zur Fernbedienung und betätigte den Beamer, der an der Wand hing. »Carol Darwell starb vor einem Gebäude der Carolina Regional Bank in Fort Hill«, erläuterte der er. »Das Verbrechen wurde von der Überwachungskamera aufgezeichnet. Da eine Zeitleiste mitläuft, kennen wir den genauen Todeszeitpunkt.«
Die grobkörnigen Schwarzweißaufnahmen waren von schlechter Qualität, trotzdem konnte man gut sehen, was in dem kurzen Video geschah: Eine junge Frau hetzte über den verschneiten Bürgersteig. Ihre Bewegungen waren hektisch, sie wurde offenbar von Todesangst vorwärtsgetrieben. Und dann holte sie das Schicksal in Gestalt eines Vermummten ein.
Der Kerl war schwarz gekleidet und hatte das Gesicht mit einer Sturmhaube maskiert. Auch seine Hände steckten in dunklen Handschuhen. Er packte Carol Darwell an der Schulter und zog mit der anderen Hand ein Messer hervor. Im nächsten Moment spritzte Blut. Die Frau taumelte einen Schritt vorwärts. Der Täter ließ von ihr ab. Sie drehte sich halb um die eigene Achse und fiel in den Schnee. Im Handumdrehen bildete sich eine große Blutlache unter ihr. Der Mörder wischte die triefende Klinge mit einem Taschentuch ab, steckte die Waffe wieder ein und machte auf dem Absatz kehrt. Im nächsten Moment war er verschwunden.
Auch für uns war es ungewohnt, einen Mord vor laufender Kamera mitansehen zu müssen.
Als Phil zu sprechen begann, konnte man ihm sein Entsetzen deutlich anhören. »Wie feige! Besteht eine Chance, dass sich Fremd-DNA an der Leiche befindet, Sir?«
»Die kriminaltechnische Untersuchung von Carol Darwells Kleidung läuft bereits zur Stunde, aber ich habe in der Hinsicht keine großen Hoffnungen. Immerhin konnte man erkennen, dass der Täter höchstens mittelgroß und von normaler Statur ist.«
»Leider hat er sich so gut getarnt, dass man nicht mal seine Hautfarbe erkennen kann«, meinte ich. »Es könnte sich sowohl um einen Weißen als auch um einen Farbigen, einen Latino oder einen Asiaten handeln.«
»Übrigens befindet sich das Sheriff’s Department von Fort Hill nur einen halben Block weit westlich vom Tatort«, teilte uns der Chef mit. »Ich vermute, dass das Opfer in diese Richtung geflohen ist.«
»Der Killer hatte jedenfalls keine Hemmungen, auf offener Straße und vor möglichen Zeugen zuzuschlagen«, stellte ich fest. »Wir müssen ihn so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen!«
***
Messer genoss den Triumph. Es hatte sich in sein Versteck zurückgezogen und reinigte die Stichwaffe besonders gründlich, beinahe zärtlich. Es hatte beschlossen, sich selbst nur noch Messer zu nennen. Der Taufname spielte keine Rolle mehr. Messer wollte völlig in der Rolle aufgehen, die es für sich selbst geschaffen hatte.
Messer war der Tod.
Es staunte darüber, wie einfach die Tat vor der Bank von Fort Mill gewesen war. Was wohl Hank Arkin sagen würde, wenn er davon erfuhr? Messer fühlte sich ihm immer noch nah, obwohl seine Hinrichtung bereits ein Jahr zurücklag.
Doch was hatte das schon zu bedeuten? Messer spürte eine tiefe innere Verbundenheit mit dem Serienkiller. Für Messer war er gar nicht gestorben. Seine äußere Hülle vermoderte auf dem Gefängnisfriedhof, ja. Aber Messer glaubte fest an die Seelenverwandtschaft mit Arkin.
Nachdem es die Klinge gereinigt hatte, holte Messer eine Blechkassette hervor. Darin befanden sich einige Erinnerungsstücke. Am wertvollsten waren die Fotos, die Messer gemeinsam mit Arkin zeigten. Es schloss die Augen, um diese kostbaren Momente noch einmal zu erleben.
Blut und Macht.
Messer hatte Hank Arkins Worte wie ein Schwamm aufgesogen. Es war gelehrig gewesen, als die Mordserie damals begonnen hatte. Arkin war von den Feds gejagt worden wie ein wildes Tier, was nach Messers Meinung ein passender Vergleich war.
Ein gefährliches Raubtier.
Das war es, was auch Messer sein wollte. Einige Zeit später machte es die Kassette wieder zu. Die Erinnerungen würden Messer jetzt nicht weiterhelfen. Es musste die Zukunft planen, die nächsten Taten. Es konnte sich nicht mit dem einen Mord an dieser dummen Gans zufriedengeben. Alles hatte reibungslos geklappt, war fast zu einfach gewesen.
Plötzlich klingelte das Handy.
Messer zuckte zusammen. Damit hatte es nicht gerechnet. Für einen Moment wurde es von Furcht überwältigt. Ob die Feds schon auf Messers Fährte waren? Aber das FBI würde wohl kaum anrufen, sondern sofort mit schwer bewaffneten Agents den Unterschlupf stürmen. Oder?
Nach dem dritten Klingeln nahm es das Gespräch an.
»Hallo?«
»Bist du eingepennt?«, raunzte Rollins. Ihm gehörte der Diner, in dem Messer arbeitete. »Du hast heute Spätschicht, wir warten seit einer Stunde auf dich.«
Es hielt einen Moment lang den Atem an. Die alte Furcht kam wieder hoch. Noch vor wenigen Stunden hätte sich Messer um den Job gesorgt. Es gab nicht viel Arbeit im ländlichen South Carolina. Jedenfalls nicht für jemanden wie Messer. Doch inzwischen hatte sich etwas Entscheidendes geändert. Es hatte bewiesen, dass es morden konnte. Rollins war nach wie vor der Boss.
Doch Messer herrschte nun über Leben und Tod.
»Ich hatte heute keine Lust zum Arbeiten.« Messer war selbst überrascht, wie leicht es diesen Satz von sich geben konnte. Wenn sich das Leben erst einmal in eine bestimmte Richtung entwickelt hatte, dann wurde alles einfacher. Dann verschwand die Angst, die Sorge um das Morgen. Jetzt zählte nur die Macht, die Messer erlangt hatte. Es konnte Blut vergießen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und das würde wieder geschehen. Arkin war gewiss sehr stolz auf Messer.
»Deine Lust ist mir egal«, knurrte Rollins schlecht gelaunt. »Du wirst sofort hier antanzen, kapiert?«
»Sie können sich Ihren lausigen Job an den Hut stecken.« Mit diesen Worten beendete es das Telefonat. Langsam stieß Messer die Luft aus den Lungen. Es konnte spüren, wie sich der Kreislauf wieder halbwegs beruhigte. Viel zu lange war es herumgestoßen worden und hatte sich alles gefallen lassen. Damals, als es noch nicht den neuen Kampfnamen trug. Es kam Messer so vor, als wäre das alte Leben Jahrzehnte her. Dabei hatte es erst mit dem Tod dieser eingebildeten Zicke vor dem Geldautomaten geendet.
Messer redete sich ein, dass das Opfer den Tod verdient hatte. Es kannte diese Art von hübschen jungen Frauen. So jemanden wie Messer behandelten sie stets wie Luft, ihre Blicke war leer und in die Ferne gerichtet. Sie bemerkten es überhaupt nicht.
Plötzlich kam Messer eine Idee. Bald wollte es wieder zuschlagen, schon am kommenden Abend. Es musste sich sowieso gedulden, bis es erneut 21:09 Uhr war. Also blieb genügend Zeit zur Vorbereitung. Es grinste bei dem Gedanken an das Leid der nächsten Opfer.
Mitleid war für die Schwachen, das hatte Messer von Arkin gelernt. Es wollte um jeden Preis in die Fußstapfen des großen Vorbilds treten. Heute war nur der erste Schritt erfolgt.
Arkin hatte sechs Frauen ins Jenseits befördert.
Messer wünschte sich eine zweistellige Opferzahl. Außerdem war Arkin ein Schnitzer passiert, den es auf jeden Fall vermeiden wollte. Daran änderte auch die größte Bewunderung für den Serienmörder nichts. Der Killer hatte sich erwischen und hinrichten lassen.
Das sollte Messer auf gar keinen Fall passieren.
***
Die Kollegen im Headquarter hatte für Phil und mich noch einen Flug nach Columbia ergattern können. Und es schneite viel weniger als vor einigen Stunden, sodass die Maschine vom Reagan National Airport auch startete. Der Flug zur Hauptstadt von South Carolina verlief ohne nennenswerte Ereignisse.
Am Flughafen wurden wir von einem jungen Agent erwartet, der uns zum Field Office brachte. Dort begrüßte uns Special Agent in Charge Bruce Waters.
Der bullige, glatzköpfige Afroamerikaner bat uns darum, in seinem Büro Platz zu nehmen. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass wir uns noch einmal mit Arkin befassen müssen. Der Bursche macht sogar aus seinem Grab heraus noch Ärger. Sie gehen also von einem Nachahmungstäter aus?«
Ich nickte. »Sie kennen die Fakten, SAC Waters. Sowohl die Tötungsmethode als auch der Zeitpunkt des Mordes erinnern fatal an die damalige Mordserie. Inspektor Decker und ich hatten seinerzeit nichts mit den Ermittlungen zu tun. Wir haben uns Arkins Akte angeschaut, bevor wir hierher aufgebrochen sind. Von Ihnen erhoffen wir uns Informationen über den Serienkiller, die sich nicht unbedingt in den Protokollen finden lassen.«
Waters lehnte sich in seinem Bürosessel zurück und legte die Stirn in Sorgenfalten. »Dieses Mordjahr werde ich niemals vergessen«, begann er. »Die erste Leiche wurde im März von einer Pfadfindergruppe entdeckt, Arkins letztes Opfer starb am 10. Februar desselben Jahres. Erst nach dem Auffinden der dritten Leiche erkannten wir ein Muster und verstanden, dass wir es mit einem Serienmörder zu tun hatten.«
»Wie kamen Sie darauf, dass Arkin immer zur exakt gleichen Uhrzeit mordete?«, wollte Phil wissen.
»Das war eigentlich ein Zufall. Bei der ersten und der zweiten Toten ging der Gerichtsmediziner von einem Zeitfenster zwischen acht Uhr abends und Mitternacht aus. Doch das dritte Opfer starb, während es mit seinem Freund telefonierte. Um exakt 21:09 Uhr wurde der Frau die Kehle durchgeschnitten. Der Zeuge sagte später aus, dass er dieses grässliche Geräusch niemals würde vergessen können.«
»Das Telefonat wurde also durch den Mord beendet?«, vergewisserte ich mich. »Dieses Detail fehlt in den Akten.«
»Arkin hat später im Verhör zugegeben, dass er mit diesem genauen Tatzeitpunkt eine Absicht verfolgt hat«, sagte Waters. »Die Neun ist angeblich seine Glückszahl. Er träumte davon, als der Nine-nine-nine Killer in die Geschichte einzugehen. Also ein Spitzname wie der ZodiacKiller oder ähnliche Straftäter.«
»Aber wieso neun-neun-neun?«, wunderte sich Phil. »Wenn Arkin die Taten um neun Uhr neun abends begangen hat, ist das doch nur zweimal die Neun.«
Waters nickte grimmig. »Schon richtig, Inspektor Decker. Arkin hatte vor, insgesamt mindestens neunhundertneunundneunzig Frauen zu töten. ›Irgendwann muss man ja mal beginnen‹, sagte er damals im Verhör zu mir. Ich bin wirklich froh darüber, dass dieser Mann keinen Schaden mehr anrichtet.«
»Sie erkannten also nach dem dritten Mord Arkins Muster?«, hakte ich nach.
»Ja, Inspektor Cotton. Zunächst war das nur eine Arbeitshypothese. Allgemein stand schon fest, dass er nachts tötete. Aber das war mir zu vage. Außerdem war unser Täter mobil.«
»Laut den Akten hatte Arkin einen Aktionsradius von ungefähr hundert Meilen, davon zwei Drittel in South Carolina und ein Drittel in North Carolina«, stellte ich fest. »Er hat nur zwei Morde in North Carolina begangen, die restlichen Taten hier bei Ihnen.«
»Nach dem ersten Mord ermittelte die Highway Patrol«, erwiderte Waters. »Aber nachdem das zweite Opfer in North Carolina sterben musste und offenbar dieselbe Waffe verwendet worden war, übernahmen wir den Fall.«
»Wir haben Fotos von dem Messer gesehen«, sagte Phil. »Ein Jagdmesser mit Sägeklinge. So eine Stichwaffe wurde auch bei dem neuesten Fall benutzt. Vor Arkins Verurteilung druckten die Zeitungen zahlreiche Fotos von seinem Messer ab. Deshalb dürfte es für den Nachahmungstäter kein Problem gewesen sein, sich eine solche Waffe zu beschaffen.«
Der SAC nickte. »Richtig, Inspektor Decker. Zumal man hier im ländlichen Süden im jedem Baumarkt und in jedem Eisenwarengeschäft ein Jagdmesser bekommt.«
»Vermuten Sie, dass der jetzige Täter Arkin persönlich gekannt hat?«, wollte ich von Waters wissen.
»Das ist jedenfalls eine einleuchtende Erklärung, Inspektor Cotton. Arkin war auf den ersten Blick ein netter Mensch, bevor man in seine inneren Abgründe geschaut hat. Er verstand es, sich überall beliebt zu machen.«
»Er war so eine Art Allround-Handwerker, nicht wahr?«, fragte ich.
»Ja, richtig. Arkin besaß einen alten Ford Pick-up, mit dem er durch die Gegend fuhr und nach Reparaturaufträgen Ausschau hielt. Er verstand sich meisterhaft darauf, selbst uralte Landmaschinen wieder zusammenzuflicken und ans Laufen zu kriegen. Viele kleine Farmer können sich keine neuen Gerätschaften leisten. Arkin war deshalb sehr beliebt. Trotzdem brachte uns ausgerechnet die Zeugenaussage eines Farmers letztlich auf seine Spur.«
»Sie sprechen von Sean McNeal«, erwiderte ich. »Bekommt er Polizeischutz? Ich könnte mir vorstellen, dass sich der Arkin-Fan an ihm rächen will. Immerhin ist es McNeal zu verdanken, dass sein Idol verhaftet und hingerichtet wurde.«
»Daran habe ich auch schon gedacht, Inspektor Cotton. Ich rief McNeal deswegen an. Aber er behauptet, keine Angst zu haben und jeden Verdächtigen mit seiner Schrotflinte zur Hölle jagen zu wollen.«
»McNeal passt nicht in das bisherige Tötungsschema, weil er ein Mann ist«, meinte ich nachdenklich. »Trotzdem sollten wir kein Risiko eingehen. Wenn er keinen direkten Personenschutz will, dann lassen Sie bitte trotzdem seine Farm durch Agents im Auge behalten. Wir müssen damit rechnen, dass ihm der neue Killer einen Besuch abstattet.«
»Ich kümmere mich darum«, versprach der Special Agent in Charge.