Jerry Cotton 3166 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3166 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Aus dem Lake Superior in Michigan wurde eine männliche Leiche geborgen: Cooper Duff, der Sohn eines bekannten Milliardärs und Richters. Die Behörden waren alarmiert, denn der Mord glich dem an einer Prostituierten in Ohio und dem an einem Stricher in Kentucky. Als Phil und ich die Ermittlungen aufnahmen, stießen wir auf die Holy Guardians of the Reborn Virgin, eine zwielichtige Sekte um die charismatische Emely Walsh, die sich für die wiedergeborene Jeanne d’Arc hielt. Nachdem unser Rechtsmediziner Dr. Willson bei einer zweiten Obduktion ein Kreuz entdeckt hatte, das in die Haut zweier Opfer eingebrannt worden war, passierte bereits der nächste Mord ...

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Teufel wohnt im Fleisch

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Das Horror-Hospital«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5915-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Teufel wohnt im Fleisch

Er hatte höllische Schmerzen. Das war alles, was er wahrnahm, als er versuchte, die Augen zu öffnen.

Durch die halb geschlossenen Lider blinzelte er in das Licht der kalten Wintersonne. Verschwommen sah er ein Geflecht von kahlen Ästen und Zweigen, das sich wie ein Dach über ihm wölbte. Dann fiel ihm auf, dass er so gut wie nichts hörte. Panische Angst überfiel ihn. Er glaubte zu wissen, dass er dagegen angehen musste. Er stellte sich vor, wie er den Mund öffnete, um einen Laut zu formen. Doch er war sich nicht sicher, ob es ihm gelang. Er beschloss, das Wort, das er hinausschreien wollte, zu denken. So intensiv, dass es die ganze Welt hören konnte: »Hilfe!«

Eisige Kälte zog über seinen Rücken hinauf bis zum Kopf. Ein weiteres Detail drang in sein Bewusstsein. Er lag auf dem Boden. Und es fühlte sich so an, als sei er nackt. Er spürte jetzt auch den Wind, der scharf über seine Haut strich.

Als er die Hand über sich sah, die einen großen Stein hielt, wusste er, dass es vorbei war. Dass er nicht mal mehr Zeit hatte, zu beten.

»Jonathan Duff«, sagte Mr High. »Haben Sie von dem Mann schon einmal gehört?«

Die Art, wie er den Namen aussprach, ließ erahnen, was er von der dazugehörenden Person hielt. Da der Chef normalerweise mit abfälligen Urteilen sehr zurückhaltend war, musste es einen guten Grund für seine geringe Wertschätzung geben. Und ein ebenfalls gewichtiger Anlass musste es sein, der ihn veranlasste, uns zu dieser späten Stunde in sein Office zu bitten. Es war kurz vor Mitternacht. Dorothy hatte heute lange durchgehalten und Phil und mir schnell zwei Becher mit Kaffee aus dem Automaten abgefüllt, ehe sie den Weg nach Hause angetreten hatte. Ich fragte mich, was wohl ihr Mann davon hielt, dass sie einen Teil ihres Lebens mit Überstunden vergeudete.

Mr High hatte den ganzen Montag auf einem Kongress verbracht, ließ aber keine Spuren von Müdigkeit erkennen. Er war gleich vom Flughafen ins Headquarter gefahren, um hier einige Termine wahrzunehmen. Das Gespräch mit Phil und mir läutete die Schlussrunde ein.

»Nein«, erwiderte ich, »da klingelt nichts bei mir.«

Auch Phil schüttelte den Kopf.

Der Assistant Director lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände im Schoß. »Als Richter in Louisville hat er wegen seiner permanenten Attacken gegen Abtreibungen und alle möglichen Formen von Unzucht von sich reden gemacht. Zudem ist er ein glühender Verfechter der Verschärfung der Gesetze und tritt vehement dafür ein, Kinder ab zehn Jahren strafrechtlich wie Erwachsene zu behandeln. Wenn es nach ihm ginge, würden bei Gericht keine psychologischen Gutachter mehr auftreten. In seinen Augen gibt es keine strafmildernden Umstände.«

»Richter Gnadenlos«, kommentierte Phil.

»Sie werden lachen, genauso nennt man ihn«, gab Mr High zurück. »Sein Rechtsbegriff scheint aus der Zeit zu stammen, als man Pferdediebe am nächsten Baum aufknüpfte. Das trägt ihm die Sympathien vieler Erzkonservativer im Bible Belt ein. Dummerweise hat sein untadeliger Ruf ein paar Kratzer abbekommen. Einige Prostituierte haben behauptet, dass er sie für ausgefallene Schäferstündchen in Anspruch genommen hat und dabei mit dem Geld geizte. Er bestreitet das natürlich.«

»Ich vermute«, sagte ich, »es kommt noch dicker.«

Mr High nickte. »Allerdings, Jerry. Es gab Gerüchte, wonach sich Duffs Sohn Cooper mit merkwürdigen Leuten herumtrieb. Vorgestern Mittag gegen elf wurde Cooper in einem Wald bei Hancock am Michigansee ermordet aufgefunden. Zu dieser Zeit war er vermutlich bereits vier bis sechs Stunden tot. Die Leiche war nackt und völlig entstellt. Man hatte Cooper regelrecht gesteinigt. Da der Tote in einer Lache getrockneten Blutes lag, scheint klar, dass er auch an dieser Stelle umgebracht wurde.«

Phil pfiff durch die Zähne. »Eine geradezu biblische Todesart.«

»Danach sieht es aus«, bestätigte Mr High. »Als hätte ihn jemand bestrafen wollen. Sein Körper war bedeckt von unzähligen Hämatomen, das Gesicht entstellt. Todesursache war vermutlich eine Schädelbasisfraktur über dem linken Ohr. Seine Kleidung lag gefaltet neben ihm. Inklusive der Brieftasche im Jackett. Jetzt kennen Sie den zweiten Teil der Geschichte.«

»Und der erste?« fragte ich gespannt.

»Vor zwölf Wochen wurde eine Prostituierte in Ohio auf die gleiche Weise getötet. Ebenso wie ein homosexueller Stricher in Kentucky drei Wochen später.«

»Glauben Sie, wir haben es mit einem Serientäter zu tun, der Jagd auf Sünder macht?«, fragte Phil.

»Es ist noch zu früh, das mit Gewissheit zu sagen. Es gibt allerdings einen Umstand, der die Plausibilität dieser Annahme stützt. Bei der ersten Leiche gab es einen Zettel, auf den jemand Allahu akbar! gekritzelt hat. Beim zweiten Opfer mehrere solcher Blätter. Was auf einen muslimischen Hintergrund hindeuten könnte.«

Phil und ich brauchten einen Moment, um das alles zu verdauen.

»Wann haben Sie davon erfahren?«, fragte ich schließlich.

»SAC Rick Webster vom Field Office in Kentucky hat mich heute Morgen informiert. Davor hatte er sich mit den Kollegen in Cleveland und Louisville verständigt. Drei Morde in drei Bundesstaaten innerhalb kurzer Zeit. Es wird höchste Zeit, dass wir uns darum kümmern. Zumal der Fall auch politische Dimensionen hat. Ein fanatischer Muslim als Serienkiller! Das wäre Wasser auf die Mühlen vieler Hardliner, die in jedem Fremden eine Bedrohung für Amerika sehen.« Mr High stand auf. Alles Nötige war gesagt.

Phil und ich erhoben uns ebenfalls. Wir hatten einen neuen Auftrag.

Der Chef streckte sich kurz, als wollte er einen ersten Anflug von Müdigkeit vertreiben. »Sie fliegen bereits morgen ins Houghton County und treffen sich dort mit SAC Webster. Um neun Uhr hält Dorothy alle erforderlichen Unterlagen für Sie bereit.«

Als Phil und ich das Büro verließen, sahen wir, wie sich der Chef wieder setzte und über einen Aktenstapel auf dem Schreibtisch beugte. Sein Arbeitstag war längst nicht beendet.

***

Man konnte nicht behaupten, dass Jonathan Duff ein besonders geduldiger Mann war. Selbst jetzt, wo ihm der Tod seines Sohns aus mancherlei Gründen schwer zu schaffen machte, musste er sich beherrschen. Um der Verführung zu widerstehen, diesem Geschmeiß von sensationsgeilen Reportern die Meinung zu geigen. Verdammt, hatten sie denn vor gar nichts Respekt? Nicht einmal vor einem Richter der Vereinigten Staaten, dessen Ruhm weit über die Grenzen von Kentucky hinausging?

Mitleid verlangte Duff nicht. Dieses Gefühl war ihm selbst fremd. Er hielt es für eine Charakterschwäche, Tränen zu vergießen über das Schicksal anderer. Oder für pure Heuchelei. Jeder war sich selbst der Nächste. Das war sein Credo. Und dann gab es da noch die Gesetze, die verhinderten, dass alle diese Egos übereinander herfielen. Sie mussten streng genug sein, um die zweibeinigen Raubtiere zu bändigen. Und es galt, sie mit aller Härte durchzusetzen. Duff liebte Gesetze.

Allerdings nur, wenn er sie gegen andere geltend machen konnte. Zurzeit jedoch sah es so aus, als wolle man ihn auf die Anklagebank zerren. Wegen einiger hysterischer Weiber, die hinausposaunten, er habe sie um ihren verdienten Liebeslohn betrogen.

Schnaufend wischte er sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Der Raum, in dem er den Zeitungsfritzen gegenüberstand, war überhitzt. Irgendein Idiot hatte die Heizung auf tropische Temperaturen hochgedreht. Zwei Frauen und drei Männer starrten Duff erwartungsvoll an. Ein Mann und eine der Frauen standen unmittelbar vor ihm. Sie hielten Mikrofone in der Hand. Die anderen hockten gekrümmt auf ihren Stühlen, bereit, jedes seiner Worte mitzuschreiben. Um ihm hinterher einen Strick daraus zu drehen.

»Wie war noch mal die Frage?« Duff fluchte innerlich. Er war dermaßen erregt, dass er tatsächlich vergessen hatte, worum es gerade ging.

Die Frau mit dem Mikro blies sich eine platinblonde Strähne aus der Stirn und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Entschuldigen Sie, Richter, aber ich dachte, ich hätte mich deutlich ausgedrückt.«

»Vielleicht wären Sie so höflich, es erneut zu probieren, falls das nicht zu viel verlangt ist.«

»Oh, selbstverständlich.« Sie gönnte sich ein kleines mokantes Lächeln. »Ich weiß natürlich, wie furchtbar das alles für Sie sein muss. Trotzdem haben die Menschen das Bedürfnis, zu erfahren, wie es um Sie steht.«

»Was soll das heißen?«, fauchte Duff.

»Wir alle fühlen mit Ihnen, Sir. Der Tod Ihres Sohns ist eine furchtbare Katastrophe. Wir wollen einfach wissen, wie Sie damit fertigwerden.«

»Das geht Sie nichts an!«

»Mit Verlaub«, der Blondschopf erlaubte sich ein winziges Stirnrunzeln, »Sie sind eine Person von öffentlichem Interesse.«

»Was hat das mit meinem Privatleben zu tun?«, fragte der Richter.

»Leider ist es gerade Ihr Privatleben, das den Menschen zu denken gibt.«

Duff unterdrückte den Impuls, der Frau ins Gesicht zu schlagen. Der Mann mit dem Mikro rückte näher an ihn heran. Ein junger, feister Bursche mit dreistem Gesichtsausdruck.

»Reden wir nicht um den Brei herum, Richter«, sagte er. »Erst die Affäre mit den Prostituierten …«

»Eine Erfindung der Medien!«, schnauzte Duff ihn an.

»… und jetzt«, fuhr der Journalist ungerührt fort, »der obskure Tod Ihres Sohns.«

»Sind Sie wahnsinnig!«, brüllte Duff außer sich vor Wut. »Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«

»Nun, es sieht ganz danach aus«, erwiderte der Reporter, »als sei Ihr Sohn Opfer eines Ritualmords geworden.«

Duff schluckte hart. Der Schweiß brach ihm jetzt aus allen Poren. Verdammt! Es war klar, dass sie das vermuten mussten. Aber, wie zum Teufel, kamen sie darauf, ausgerechnet seine Meinung dazu hören zu wollen?

Für Sekunden setzte er sich hilflos den starrenden Blicken seiner Peiniger aus, ehe er sich zu einer Antwort durchrang. »Ihre Spekulationen gehen mich nichts an. Vielleicht interessiert sich ja die Polizei dafür.«

Die Blondine meldete sich zurück. »Das tut sie ganz sicher, Sir.« Sie räusperte sich umständlich. »Die Frage ist nur …«

»Mein Gott, spucken Sie es endlich aus, damit wir diese groteske Veranstaltung beenden können!«

Die Journalistin blickte ihre Kollegen der Reihe nach an, ehe sie sagte: »Wissen Sie, Sir, wir alle hier befürchten, dass Ihr Sohn nicht ganz zufällig zu Tode kam. Dass er sich in den falschen Kreisen bewegte.«

»Das ist eine infame Unterstellung. Und selbst, wenn es so wäre! Es würde nicht rechtfertigen, ihn zu töten, oder?«

Wie auf Verabredung schwiegen alle für einen Moment.

Dann ergriff der Dicke wieder das Wort. »Natürlich nicht, Sir. Das hat auch niemand behauptet.«

Duff war kurz davor, die Fassung zu verlieren. Er fühlte sich überrumpelt und war außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen. Er, vor dem sonst alle zitterten, fühlte sich plötzlich schwach. Er konnte sich nicht erinnern, dass ihm das jemals zuvor passiert wäre. Es war, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.

Sein Gegenüber setzte unbarmherzig nach. »Vielleicht machen wir uns nur Sorgen um Sie, Sir. Ihrem Ruf als oberstem Sittenwächter könnte es schaden, wenn sich herausstellte, dass auch Ihr Sohn in anrüchige Affären verwickelt war.«

Jäh überfiel Duff die Erkenntnis, dass er sich niemals auf dieses Interview hätte einlassen dürfen. Jetzt ging es nur noch um Schadensbegrenzung.

Er warf einen flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr, viel zu schnell, um etwas gesehen haben zu können. »Ich muss sofort los, ein dringender Termin.«

Er schob sich zwischen der Blondine und dem Dicken durch, umkurvte die drei anderen Journalisten und eilte durch die offen stehende Tür in den Gang hinaus.

»Nichts für ungut, Sir«, rief ihm der Dicke hinterher.

Als Jonathan Duff aus dem Gerichtsgebäude trat, schlug ihm kühler Wind entgegen. Für einen Moment hielt er auf den Stufen inne, die zur Straße hinunterführten. Und fragte sich, wann er sich Zeit nehmen würde, um seinen toten Sohn zu trauern.

***

In Hancock erwartete Phil und mich am späten Nachmittag des folgenden Tages eine Überraschung. Im ansonsten menschenleeren Foyer des kleinen Hotels, in dem Dorothy Phil und mich untergebracht hatte, saßen gleich drei Special Agents in Charge. Neben Rick Webster aus Detroit waren da noch Bruce Anthony aus Cleveland im Bundesstaat Ohio und Jack Nicklas aus Louisville in Kentucky. Phil und ich kannten sie alle drei persönlich.

Als Erster schüttelte uns der Farbige aus Cleveland breit grinsend die Hand. »Na, was sagen Sie dazu?«, röhrte er mit seinem tiefen Bass. »Dieser Fuchs Webster hat es doch glatt geschafft, uns hier zusammenzubringen. Ich bin seinem Ruf gleich gefolgt. Schließlich weiß man ja, was man einem alten Kollegen schuldet.« Er zwinkerte SAC Webster verschwörerisch zu. »Auf die Weise komme ich auch mal vom Schreibtisch weg, stimmt’s? Sollen die anderen doch die Arbeit machen.«

»Freut mich«, erwiderte Webster lächelnd, »dass Sie sich Ihr sonniges Gemüt bewahrt haben.«

»Was, um Himmels willen, sollte mich daran hindern?«, fragte SAC Anthony.

»Wir haben uns immerhin ein Jahr nicht gesehen«, erwiderte Webster. »Da kann viel passieren.«

»Und was, bitte? Ich meine, es ist doch immer dasselbe. Mord und Totschlag sowie alle Arten übelster Gaunereien. Davon lasse ich mir die Stimmung nicht verderben.«

Mir war klar, dass diese Flachsereien dem nüchternen Nicklas gegen den Strich gingen. Prompt kam sein Kommentar: »Ihr Frohsinn erscheint mir nicht ganz angemessen, SAC Anthony. Immerhin sind wir nicht zum Vergnügen hier. Übrigens habe ich nur kurz Zeit. Ich muss gleich morgen früh wieder im Flieger sitzen. Wir sollten also schnell zur Sache kommen.« Er wandte sich an Phil und mich. »Sorry, wir haben uns noch gar nicht begrüßt.« Sein Handschlag fiel knapp, aber angemessen aus.

SAC Webster schlug Phil und mir aufmunternd auf die Schultern. »Wir wollen uns von Nicklas’ schlechter Laune nicht anstecken lassen. Trotzdem, er hat recht: Fangen wir an!«

Das Hotel war von der schlichten Sorte. Entsprechend sah das Mobiliar aus. Wir gruppierten uns um einen Tisch mit zerkratzter Glasplatte, den eine Vase mit Plastikrosen zierte. In den durchgesessenen Polstern der Stühle sank man unweigerlich ein. Ein Gefühl, als würde einem die Luft abgelassen.

»Toll«, raunte Phil mir zu, »hoffentlich sind die Zimmer nicht genauso luxuriös.«

Ich übernahm die Gesprächsleitung und bedankte mich bei Webster für seine Initiative. Es war sicher hilfreich, auch von den SACs aus Ohio und Kentucky zu erfahren, wie sie die Lage beurteilten. Die entscheidende Frage war, ob wir es mit einem Serientäter zu tun hatten. Dann waren weitere Morde zu befürchten.

Ich bat zunächst um einige Informationen zu den Opfern.

SAC Anthony machte den Anfang. »Tess Gaynor ging ihrem Gewerbe in einem Wohnwagen nach. Auf einem einsamen Parkplatz am Cuyahoga River, am Stadtrand von Cuyahoga Falls. Der Täter hat sie an einen Stuhl gebunden und in der offenen Tür des Wohnwagens zur Schau gestellt. Auf ihrem Schoß lag eine alte Ausgabe der New York Post. Es sah aus, als läse die Tote gerade Zeitung.« Er hielt kurz inne. Danach hatte seine Stimme einen bitteren Klang. »Gaynor war sechsundzwanzig Jahre alt. Mit sechzehn hatte sie die Schule abgebrochen, landete im Drogenmilieu.«

Ich konnte mir denken, wie ihre Geschichte weiterging.

»Die nächste Station war der Straßenstrich«, fuhr Anthony fort. »Ab dann war ihr Weg vorgezeichnet. Ihre Leiche wurde am Vormittag von einem Familienvater gefunden, der auf dem Platz angeblich nur parken wollte. Vielleicht hatte Mister Stuart aber auch vor, Gaynors Dienste in Anspruch zu nehmen. In dem Fall verspürte er dann wenig Lust, es auszuplaudern.«

»Sind Fundort und Tatort identisch?«, erkundigte ich mich.

Anthony nickte. »Sieht ganz danach aus.«

»Wie im Fall Bloomfield«, ergänzte SAC Nicklas.

»Halten Sie den Familienvater für verdächtig«, fragte Phil Anthony, »selbst der Täter zu sein?«

Der SAC zuckte mit den Schultern. »Nein. Warum hätte er dann die Polizei verständigen sollen? Und warum so spät? Als er sich im Police Department meldete, war Gaynor bereits über fünf Stunden tot. Sie wurde nachts ermordet. Außerdem sieht der Zeuge nicht gerade wie ein muslimischer Fanatiker aus. Eher wie der Prototyp des weißen Durchschnittsamerikaners.«

»Sie spielen auf den Zettel mit der Gebetsformel an?«

»Ja, Inspektor Cotton, der Täter hatte ihn zwischen die Zähne des Opfers gestopft«, erwiderte Anthony. »Eine zynische Verhöhnung. Alles in allem muss Stuart ziemlich geschockt gewesen sein, als er die Tote entdeckte.«

Der SAC aus Kentucky nickte zustimmend. »Das trifft auch auf den jungen Burschen zu, der das Opfer in Louisville auffand, wieder am Vormittag. Hier schlug der Täter ebenfalls nachts zu. Der Zeuge erlitt einen Nervenzusammenbruch. Vermutlich war er mit Said Bloomfield befreundet. Seine Leiche lag blutbefleckt auf einer schäbigen Matratze. Arme und Beine waren so drapiert, als handele es sich um ein Fotoshooting.«

Ich nickte.

»Auf dem entblößten Körper klebten mehrere dieser Allahu-Akbar-Zettel. Bei allen handelte es sich um Kopien. Bloomfield war ein dreiundzwanzigjähriger, polizeibekannter Stricher. Vermutlich empfing er seine Freier in der stillgelegten Fabrik, in der sich der Raum mit der Matratze befand. Er war Muslim. Mutter weiße Amerikanerin, Vater Araber, der den Familiennamen der Mutter angenommen hatte. Hier scheint der Zusammenhang mit muslimischem Fundamentalismus ziemlich plausibel. Ebenso wie die Botschaft.«

»Was genau könnte die sein?«, wollte SAC Webster wissen.

»Na ja, irgendwas wie Du hast gegen die Gebote Allahs verstoßen, und diese Sauerei hier ist deine Strafe!«, antwortete Nicklas, nicht mehr ganz so nüchtern in seiner Art.

»Donnerwetter«, posaunte Anthony, »das haben Sie eindrucksvoll auf den Punkt gebracht. So denken solche Typen wohl.«

»Moment mal«, warf SAC Webster mit skeptische Miene ein, »nur, weil es diese Kritzelei gibt, heißt das nicht, dass der Täter tatsächlich ein fanatischer Muslim ist. Es könnte auch sein, dass man uns auf eine falsche Fährte locken will.«

»Bei Cooper Duff«, sagte ich, »hat man keinen Zettel mit Botschaft gefunden. Handelt es sich in allen Fällen wirklich um ein und denselben Täter?«