Jerry Cotton 3174 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3174 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Nach einem Software-Update der Fingerabdruck-Datenbank des FBI, die sehr viel genauere Zuordnungen selbst von undeutlichen Fingerabdrücken ermöglicht, tauchte bei drei ungeklärten Tötungsdelikten in verschiedenen Bundesstaaten ein identischer Fingerabdruck auf. Die Morde wurden, einer pro Jahr, immer Mitte April begangen. Es war Ende März, als Phil und ich die Mordserie auf den Tisch bekamen. Ein Tatmuster war nicht zu erkennen, weder in der Herangehensweise des Serienkillers noch in der Opferwahl. Mr High hatte seine besten Leute darauf angesetzt, denn ein weiterer Mord war zu erwarten ...

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EPUB

Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Monster aus dem Bayou

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Shrooms«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6287-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Monster aus dem Bayou

Sie gingen Händchen haltend am Ufer des Ohio River entlang. Dort, wo es am einsamsten war.

»Warum bist du plötzlich so schweigsam, Darling?«, fragte Ellen.

Warren blieb stehen und zog sie eng an sich. »Willst du meine Frau werden?«, fragte er mit angespannter Miene.

Es traf sie wie ein Schlag. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf. »J-ja, natürlich will ich das«, erwiderte sie schluchzend.

Warren erstarrte. Er riss die Augen weit auf und stieß sie von sich. »Dann … dann kann ich dich nicht töten«, stammelte er und rannte los.

Ellen starrte auf das Bowiemesser in seiner Rechten. Völlig verstört taumelte sie zu ihrem Auto. Auf dem Rückweg nach Steubenville kam sie von der Straße ab. Ihr Wagen schleuderte direkt auf einen Baum zu! Sie schrie entsetzt. Schon folgte der Aufprall. Und mit ihm die Dunkelheit.

»Du grinst ja heute wie ein Honigkuchenpferd«, stellte Phil fest, nachdem er in meinen Jaguar gesprungen war. »Woher die gute Laune? Haben deine Yankees mal wieder gewonnen? Oder hast du deinen Geburtstag vorverlegt?«

Mein Grinsen verstärkte sich. »Ich habe mich ausnahmsweise mal nicht beim Rasieren geschnitten. Wenn das kein Grund zur Freude ist …«

»Natürlich, klar. Wusstest du, dass sie dich im ganzen J. Edgar Hoover Building nur Scarface Cotton nennen?« Phil kicherte. »Nein, ich hab’s. Was ich da sehe, ist dein Genießerlächeln. Du hattest heute Nacht Damenbesuch.«

»Schon möglich«, gab ich zu.

»Ah, wusste ich’s doch. Wie heißt die Lady denn?«

»Sylvia.«

Ich bog in die Pennsylvania Avenue ein, das eben erwähnte J. Edgar Hoover Building war bereits in Sichtweite.

»Wo habt ihr euch getroffen? Du wirst ihr ja kaum über die Straße geholfen haben.«

Ich grinste erneut. »Definitiv nicht. Zwei Jahre jünger ist sie schon. Ich bin gestern Abend noch auf einen Drink ins Miller’s gegangen. Da saß sie neben mir an der Bar. Wir haben festgestellt, dass wir beide Yankees-Fans sind …«

Phil gähnte demonstrativ. »Keine Frau für mich also. Ich glaube, du brauchst sie mir gar nicht vorzustellen. Trefft ihr euch wieder?«

»Kann schon sein. Sie hat mir auf jeden Fall ihre Handynummer gegeben. Und gesagt, dass sie sich freuen würde, wenn ich mich melde.«

»Ist sie dein Typ?«

Ich fuhr den Jaguar in die Tiefgarage des Washingtoner FBI-Hauptquartiers. »Sie ist nett …«

»Verstehe. Also nicht dein Typ. Klassischer One-Night-Stand. Wahrscheinlich kann man mit ihr toll über Baseball und die Yankees reden. Aber das war’s dann schon.«

»Du irrst dich. Sie weiß auch extrem viel über Country- und Folkmusik. Allerdings hat sie mir damit fast ein Ohr abgekaut, obwohl mich das nicht so wahnsinnig interessiert.«

»Sie hat dich genervt.« Phil grinste breit.

Wir fuhren mit dem Aufzug hoch. Dorothy Taylor ließ uns gar nicht erst in unsere Büros. Mr High erwartete uns bereits.

»Guten Morgen Jerry, guten Morgen, Phil«, begrüßte uns der Assistant Director. »Nehmen Sie bitte Platz.«

Wir setzten uns.

»Wie Sie wissen, hat jeder Bundesstaat seine eigene DNA-Datenbank«, begann Mr High ohne Umschweife.

»SDIS«, erwiderte ich.

»Ja, die State DNA Index Systems. Die Gesetze der einzelnen Bundesstaaten diesbezüglich variieren stark, sodass unsere eigene nationale DNA-Datenbank CODIS nicht auf jedes SDIS-System Zugriff hat. DNA-Abgleiche können in der Regel nur erfolgen, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt. Aber das ist Ihnen ja bestens bekannt.«

Wir nickten.

»Nach entsprechenden Gesetzesänderungen in Maine, Kentucky und Vermont haben sich auch diese Bundesstaaten CODIS angeschlossen. Damit haben wir uneingeschränkten Zugriff darauf«, fuhr Mr High fort. »Der Abgleich mit den neuen SDIS-Datenbanken hat zwei besorgniserregende Übereinstimmungen ergeben, die auf das Wirken eines Serienkillers schließen lassen. Jerry, Phil, Sie werden sich um die Sache kümmern.«

»Natürlich, Sir«, gab ich zurück. »Um was genau geht es?«

»Ich habe Dorothy die jeweiligen Untersuchungsakten zusammenstellen und die Aktualität abklären lassen. Sie finden sie auf Ihren Rechnern. Im Wesentlichen haben wir nun drei ungelöste Mordfälle innerhalb der vergangenen fünf Jahre, bei denen identische DNA auftaucht. Die Morde wurden, einer pro Jahr, in Kentucky, Maine und New York State begangen. Und zwar immer ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, Mitte April. Das ist aber auch schon das einzige erkennbare Tatmuster, ansonsten sind keine weiteren Gemeinsamkeiten ersichtlich, weder in der Herangehensweise noch in der Opferwahl.«

»Wir haben bereits den zweiten April«, murmelte ich. »Sie befürchten, dass der Killer Mitte April erneut zuschlagen könnte. Richtig, Sir?«

Mr High lächelte, auch wenn ihm sicher nicht danach zumute war. »Exakt, Jerry. Und wenn jemand diese Mordserie aufklären und eine neuerliche Bluttat verhindern kann, dann sind Sie beide das.«

»Ich hoffe nicht, dass wir erst mit einem neuerlichen Mord auf die Spur des Täters kommen«, meinte Phil. »Immerhin scheint der Killer ein riesiges Aktionsgebiet zu haben. Drei Morde, drei Bundesstaaten. Und wir wissen noch nicht mal, ob das bereits alle sind. Ich halte das für eine sportliche Aufgabe, in knapp zwei Wochen auch nur eine Spur zu finden.«

»Ich habe vollstes Vertrauen in Sie, Phil, Jerry. Und jetzt an die Arbeit.« Mr High schaute auf die Uhr. »Ich muss gleich zum Meeting mit Director Fuller. Viel Glück, Gentlemen. Und halten Sie mich auf dem Laufenden.«

***

Phil und ich holten uns Kaffee und checkten die Akten gemeinsam an meinem Computer. Der älteste Fall lag fünf Jahre zurück. In Louisville, Kentucky war ein achtundvierzigjähriger Wirtschaftsprofessor namens Gordon Hayward von einem Unbekannten in einem schmutzigen Hinterhof mit siebzehn Stichen in Bauch, Brust und Hals ermordet worden.

»Im Stadtteil Butchertown, wie passend«, sagte Phil. »Hm, der Mord geschah am vierzehnten April, kurz vor neun Uhr abends. Es war dunkel, keine direkten Zeugen. Kein Raubmord, dem Opfer wurde anscheinend nichts gestohlen.«

Ich nickte. »Hayward lehrte an der Lexington University. Und er wohnte in der Nähe von Lexington. Hier, schau, es gibt eine Zeugenaussage, dass Hayward immer mal wieder eine Lady namens Alice Tatum besucht haben soll, die in besagtem Häuserblock wohnt. Aber die stritt das ab, es stand Aussage gegen Aussage, niemand konnte ihr das Gegenteil beweisen.«

»So?«

»Das Louisville Metro Police Department glaubte aber, dass diese Zeugenaussage der Wahrheit entspricht, denn es hatte Miss Tatum schon länger im Verdacht, der Prostitution nachzugehen. Da liegt es auf der Hand, dass der Professor hin und wieder die Liebesdienste der Lady in Anspruch genommen hat, zumal er nachweislich kurz vor seinem Ableben eine Ejakulation hatte. Die lässt sich noch viele Stunden später feststellen.«

Phil strich sich eine Strähne aus der Stirn. »Was hätte ein Typ wie dieser Hayward sonst in dieser schmutzigen Gegend zu suchen gehabt? Er hat anscheinend zur Upper Class Lexingtons gehört. Seiner Frau war völlig schleierhaft, was er in Louisville zu suchen hatte. Sie vermutete ihn ganz woanders. In diesem Fall läge ein eifersüchtiger Kunde von Tatum nahe, auch wegen der Brutalität der Tat. Oder ein Täter, der Besucher von Prostituierten hasst …«

»… wenn es sich nicht um einen Serienkiller handeln würde«, meinte ich. »Der kann ein völlig anderes Motiv haben. Die DNA des Killers wurde unter den Fingernägeln von Hayward gefunden, er konnte ihn vor seinem Tod kratzen.«

»Laut eigener Aussage hatte Miss Tatum damals keinen festen Freund, der möglicherweise ebenfalls als Täter infrage gekommen wäre. Okay, wie sieht’s mit dem zweiten Fall aus, Jerry?«

Ich klickte auf die Datei. »Alna, Maine, vor vier Jahren«, sagte ich und überflog das Protokoll, während uns Phil neuen Kaffee holte.

»Und?«, fragte er, als er sich wieder neben mich setzte.

»Sehr unappetitlich«, antwortete ich. »Das Opfer war der dreiundfünfzigjährige farbige Holzarbeiter Tim Weiner. Sein abgeschnittener Kopf wurde hinter dem Antriebsrad einer Dampflokomotive im Wiscasset, Waterville and Farmington Railway Museum in Alna im Lincoln County gefunden. Der dazugehörige Körper ist bis heute verschwunden. Weiner hat sich stark für den weiteren Ausbau des historischen Eisenbahnmuseums engagiert. Er muss den Killer vor seinem Tod noch gebissen haben, an seinen Zähnen wurde fremdes Blut gefunden.«

»Hm. Tatsächlich eine völlig andere Vorgehensweise«, bemerkte Phil und nahm einen ordentlichen Schluck Kaffee. »Hayward war doch weiß, nicht wahr?«

»Ja.«

»Serienkiller morden normalerweise innerhalb ihrer Ethnie. Aber Weiner war schwarz und ein einfacher Arbeiter, ganz im Gegensatz zu Hayward. Wo ist die Verbindung zwischen den beiden?«

»Möglicherweise ging Weiner ebenfalls zu Prostituierten. Moment …« Ich scrollte nach unten. »Zumindest steht hier nichts davon. Das muss allerdings nichts heißen.«

»Stopp mal, Jerry. Schau, hier …« Phil deutete mit ausgestrecktem Finger auf den Bildschirm. »Die Aussage von Mrs Weiner. Sie beschreibt ihren Mann als … scroll weiter … ja, als liebevollen Familienmenschen, dem seine drei Enkel alles galten. Geht so einer zu Prostituierten?«

»Da haben wir schon ganz andere bürgerlich-biedere Fassaden erlebt, hinter denen sich Straftäter und manchmal sogar Monster verbargen.«

»Stimmt, Jerry. War auch nur eine hypothetische Frage.«

Ich nickte. »Schon klar. Also, Weiner wurde in einer einsam stehenden Feldscheune rund zwei Meilen außerhalb von Alna getötet, am vierzehnten oder fünfzehnten April. Sein Kopf hinter dem Antriebsrad wurde erst eine gute Woche später gefunden, deswegen konnte der Todestag nicht mehr exakt festgestellt werden. Alle Spuren verliefen im Sand, es gab nicht mal einen Verdächtigen, obwohl das Wiscasset Police Department eine groß angelegte Speichelprobe zur DNA-Gewinnung unter der Bevölkerung in weitem Umkreis durchgeführt hat. Ist es sinnvoll, dort anzusetzen?«

Phil schüttelte den Kopf. »Eher nicht.«

»Denke ich auch. Schauen wir uns den dritten Fall an.«

Er führte uns nach Saratoga Springs im Bundesstaat New York. Die vierundzwanzigjährige, im vierten Monat schwangere Kathleen Chen war am 17. April vor einem Jahr im Kayaderosseras Creek aufgefunden worden, wo sie schon zwei, drei Tage gelegen hatte, voller Schlafmittel, tödlichem Gift und einem Schwert im Bauch.

»Das muss einer von den ganz bösen Jungs sein«, stellte Phil fest. »Ein Psychopath, der seine Opfer zutiefst hasst, wenn er ihnen solche schlimmen Dinge antut.«

Nichts passte zu den beiden anderen Fällen, außer dem Datum, das für den Killer eine besondere Bedeutung zu haben schien, und der Täter-DNA, da Blut an der aus dem Wasser ragenden Schwertklinge sichergestellt worden war. Wahrscheinlich hatte er sich geschnitten. Ein für uns glücklicher Zufall, weil sich die Schwertspitze, die aus dem Rücken ausgetreten war, in einer Wurzel verhakt und so ein Abtreiben der Leiche oder ein Absinken verhindert hatte. Das hatte der Killer so sicher nicht beabsichtigt. Andererseits schien er ziemlich sorglos mit seinen DNA-Spuren umzugehen. Ein Zeichen mangelnder Intelligenz? Oder wusste er, dass seine DNA nirgendwo gespeichert war?

Das galt zumindest für die Fingerabdrücke am Griff, die in keiner Datenbank gelistet waren. Der Killer war also noch nie legal im Ausland gewesen. Und er stammte aus einem Bundesstaat, der keinen Fingerabdruck für den Führerschein verlangte. Dass der Killer einen besaß, nahmen wir als gegeben an, da er sich zumindest im gesamten Osten des Landes bewegte.

»Und was ist mit den beiden Jahren zwischen dem zweiten und dritten Mord?«, fragte Phil. »Hat der Killer eine Pause eingelegt, oder wissen wir nur noch nichts von den entsprechenden Taten?«

»Ich tendiere zu Letzterem. Möglicherweise hat er die Morde in Bundesstaaten begangen, auf die CODIS noch keinen Zugriff hat …«

»Welche wären das, Jerry?«

»Beispielsweise Rhode Island, Delaware und Mississippi. Mehr fallen mir auf die Schnelle nicht ein. Es kann natürlich auch sein, dass der Killer bei diesen beiden Morden keine DNA-Spuren hinterlassen hat. Wir brauchen eine Liste aller ungeklärten Morde landesweit, die in den besagten Jahren Mitte April begangen wurden.«

»Klar. NCIC?«

»Was sonst, Phil?«

»Ich bin dafür, die Suche auf März, April und Mai der jeweiligen Jahre auszudehnen«, schlug mein Partner vor. »Ich meine, vielleicht wurden die Leichen ja erst viel später aufgefunden, sodass der Todeszeitpunkt nur noch ungefähr festgestellt werden konnte. Da können die Angaben gleich um einige Wochen variieren.«

»Du hast recht.«

Ich aktivierte meinen Zugang zum National Crime Information Center per Passwort. Der FBI-Dienst in Clarksburg verfügte unter anderem über alle jemals gespeicherten Kriminalakten mit Namen, Fingerabdrücken, Polizeifotos und weiteren Angaben zur Person, ohne DNA-Daten allerdings, die laut Gesetz extra behandelt werden mussten.

Ich suchte mit Schlagworten und fand siebzehn Fälle. Erstaunlich viele. Neun Fälle eliminierten wir sofort, da jeweils der genaue Todeszeitpunkt feststand und weit vom 14. April entfernt war. Ein Fall elektrisierte uns förmlich, weil er unsere Zeitvorgaben nahezu perfekt erfüllte. Außerdem wies er eine ähnlich grausame Vorgehensweise auf. 14. April, vor drei Jahren.

Im Süden Louisianas, bei Lafitte, mitten im Bayou also, war die sechsundzwanzigjährige schwangere Eunice Salinger erschossen und ihre jüngere Schwester Grace ungefähr zur gleichen Zeit gefesselt in einem Sumpfloch erstickt worden. Farmerstöchter, die hart auf den Feldern gearbeitet hatten und höchstens am Wochenende in die Stadt gegangen waren, um sich zu amüsieren. Ein Fischer hatte die Schüsse gehört und einen Mann fliehen sehen, ohne aber eine genaue Beschreibung abgeben zu können. Passende DNA-Spuren existierten allerdings nicht, wie ein CODIS-Abgleich ergab.

»Hm, die beiden sahen sich kaum ähnlich«, meinte Phil, als er die Fotos der Schwestern betrachtete. »Und das liegt nicht nur daran, dass Eunice schwarzhaarig und Grace blond war. Hier, laut Aussage ihrer Mutter, die Witwe ist, hat sich Eunice aber erst kurz vor ihrem Tod die Haare färben lassen. Ob das eine Bedeutung hat?«

»Keine Ahnung. Sie hat auch nie über den Vater ihres Kindes gesprochen. Hier steht, dass nach einem Bekannten von Grace gefahndet wurde, den sie wohl kurz vorher kennengelernt hat. Der war plötzlich wieder verschwunden. Es gab keine Hinweise darauf, wie er aussah und wo sie sich begegnet sind. Keine Fotos, keine Anrufe, kein WhatsApp-Chat. Sie hat ihn nur drei-, viermal ihrer Mutter gegenüber erwähnt. Als Joe.«

»Auf jeden Fall wieder eine Schwangere, doch dieses Mal ein Doppelmord. Der Killer bleibt sich treu. Diese Taten passen wieder nicht zu den anderen, wenn wir von den Schwangerschaften mal absehen. Das kann Zufall sein. Wenn hier nicht ebenfalls unser Psychopath am Werk war, dann gebe ich sofort meine Marke zurück und will niemals ein Fed gewesen sein.« Phil wirkte angespannt.

Ich nickte und trank meinen Kaffee aus. »Sehe ich auch so. Dann können wir die fünf anderen April-Fälle dieses Jahres eliminieren, zumal vier im Mittelwesten und an der Westküste passiert sind. Der Killer scheint sich tatsächlich nur im Osten zu bewegen. Okay, dann bleibt der April von vor zwei Jahren. Da haben wir seltsamerweise gar nichts. Zwei Fälle, die eindeutig Ende März passiert sind, einer in Oregon, einer in Kalifornien. Zu weit weg. Dann haben wir nur noch den Mord an Patricia Stoddard am ersten Mai in East Liverpool im Columbiana County.«

Phil nickte bedächtig. »Ohio. Würde von der Geografie her passen. Osten. Lass mal sehen. Das Opfer war dreiundvierzig und verheiratet. Die Frau wurde erstochen am Ufer des Ohio River aufgefunden. Nur erstochen, nicht ganz so grausam getötet wie die anderen. Aber auch hier gibt’s wieder einen von den anderen abweichenden Opfertypus. Könnte also ebenfalls passen. Wenn dem so sein sollte, dann macht mich das verrückt. Nach welchem Muster sucht der Irre seine Opfer aus? Nach dem Zufallsprinzip?«

»Glaube ich nicht, Phil. Irgendetwas verbindet sie. Wir wissen nur noch nicht, was. Bei Patricia Stoddard bin ich mir unsicher. Das könnte eine ganz normale Beziehungstat sein. Mister Stoddard hatte seine Frau in Verdacht, seit ungefähr anderthalb Wochen einen Geliebten zu haben. Laut seiner Aussage hat sie sich ab diesem Zeitpunkt sehr seltsam verhalten. Abends länger weggeblieben, neues Parfüm, so was eben. Zudem hat sie wohl Spaziergänge in freier Natur gehasst und war nie zuvor am Ufer des Ohio.«

Phil lachte auf. »Und ich dachte immer, Frauen gehen viel intelligenter fremd als Männer. Vielleicht hat Mister Stoddard auch nur die Geschichte vom Pferd erzählt. Dummerweise ist er selbst unter Mordverdacht geraten, weil Nachbarn von häuslicher Gewalt, ständigem Streit und Trennungsabsichten berichtet hatten. Man konnte ihm aber nicht das Geringste nachweisen.«

»Eben. Der Killer könnte in dem Jahr einen Mord begangen haben, bei dem die Leiche noch gar nicht entdeckt wurde«, spekulierte ich weiter. »Oder etwas hat ihn daran gehindert, Mitte April zuzuschlagen …«

»Du meinst, dass er die Tat am ersten Mai nachgeholt hat, Jerry?«

»Ja.«

»Das passt dann aber nicht zur Wichtigkeit des vierzehnten Aprils für den Killer.«

Ich massierte mir die Nasenwurzel. »Wie wichtig dieses Datum wirklich für ihn ist, wissen wir ja noch gar nicht. Bisher ist das lediglich eine Annahme. Du sagtest vorhin, dass Stoddard nicht ganz so grausam wie die anderen ermordet wurde. Denk an Professor Hayward, der ebenfalls nur erstochen wurde …«

»Das kannst du ja wohl kaum vergleichen. Die Frau hat einen gezielten Stich ins Herz bekommen, der Professor gleich siebzehn im gesamten Oberkörper. Das würde ich durchaus als brutales Gemetzel bezeichnen, was bei Mrs Stoddard nicht stattgefunden hat.«

»Ja. Und doch …«

»Was überlegst du, Jerry?«

»Da man Mister Stoddard nichts nachweisen konnte, könnte seine Geschichte mit dem Geliebten stimmen. Unser Killer? Möglicherweise liege ich ja falsch. Ich werde trotzdem noch mal im NCIC suchen. Vielleicht gibt’s in Ohio Mordversuche zum passenden Zeitpunkt Mitte April, die uns eventuell weiterhelfen könnten. Was hältst du von der Idee?«

»Preisverdächtig. Also leg los.«

Kurze Zeit später hatte ich das Ergebnis. Drei Fälle, die alle nicht passten: eine Frau in Canton, die bei einer Bandenschießerei schwer verletzt worden war, ein zurückgewiesener Einwanderer, der auf dem Bostoner Flughafen einen Wachmann angegriffen und fast getötet hatte, eine Betrunkene in Springfield, die mit dem Küchenmesser auf ihren Sohn eingestochen hatte.

»Von wegen preisverdächtig«, knurrte ich. »Und trotzdem sagt mir mein Instinkt, dass an der East-Liverpool-Sache etwas dran sein könnte. Möglicherweise finden wir in den lokalen Polizeiprotokollen, aus denen keine Kriminalakten wurden, doch einen Hinweis …«