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Über dem Golf von Mexiko braute sich ein schweres Unwetter zusammen, das in den kommenden Tagen Alabama, große Teile von Louisiana und Texas beherrschen würde. Ein Wettlauf um die letzten Lebensmittelvorräte in den Geschäften begann. Auf einem Supermarktparkplatz kam es zu einem Amoklauf: Der Schütze tötete neun Menschen. Und wir mussten ihn fassen, bevor der Tropensturm über uns hereinbrach!
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Im Auge des Sturms
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: (Film) »Twister«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6426-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Im Auge des Sturms
Belinda Scott erschauderte, als sie vor die Türen des River Oak Shopping Center trat. Es regnete immer noch. Ein Sturm war aufgekommen. Schwarze Wolken schoben sich bedrohlich über das Firmament. Instinktiv presste Belinda den Papierbeutel mit dem wertvollen Inhalt fester an den Oberkörper. Sie setzte einen Fuß ins Freie und war auf der Stelle nass bis auf die Haut. Strähnig hing ihr das schwarze Haar ins Gesicht.
Mit aufheulendem Motor kam ein weißer SUV auf das Gelände des Einkaufcenters geprescht. Belinda machte einen Satz, um sich aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Prompt rutschte sie aus und ließ die Tüte los. Das Papier riss. Im Nu waren die Verpackungen aufgeweicht. Milchpulver rieselte auf den glänzenden Asphalt und bildete unansehnliche Flecken.
Mit quietschenden Reifen kam der Wagen zum Stehen. Belinda sah, wie das Seitenfenster auf der Fahrerseite hinunterglitt.
»Hast du keine Augen im Kopf?«, schrie sie in Richtung SUV.
Eine Antwort blieb aus.
Der V8-Motor blubberte dumpf im Leerlauf, die Scheibenwischer schwappten die Wassermassen zur Seite. Belinda erkannte einen metallischen Gegenstand, der sich über die Kante des Fensters schob und in ihre Richtung zeigte.
Wahllos feuerte der Schütze eine Salve ab, traf geparkte Autos. Schreie mischten sich unter das Rattern des Gewehrs. Scheiben barsten, Blech kreischte. Dann spürte Belinda einen brennenden Schmerz, der ihren Körper durchlief. Das Letzte, was sie hörte, war das Aufheulen des Motors.
Mit unsanften Schlingerbewegungen näherte sich die Boeing der Landebahn. Immer wieder wurde die schwere Maschine von Seitenwinden gebeutelt und taumelte beängstigend in der Luft. Die Lichtlanzen der Scheinwerfer durchschnitten das im Dämmerlicht daliegende Landefeld. Das Fahrwerk war jetzt ausgefahren, der Pilot hatte die Landung eingeleitet. Er kämpfte sich durch das Unwetter über Galveston Island. Sekundenlang schien das Flugzeug still auf dem Fleck zu schweben. Erneut traf ein Windstoß die Boeing.
»Heiliger Strohsack«, entfuhr es Phil, der neben mir an der großen Panoramascheibe des Airports stand. »Wenn das so weitergeht, kommen wir hier nie weg.«
Mit einem stummen Nicken stimmte ich meinem Partner zu. Der Wetterbericht ließ Schlimmes ahnen. Über dem Golf von Mexiko braute sich ein schwerer Sturm zusammen, der in den nächsten Stunden Alabama, Louisiana und Texas erreichen sollte. So, wie es aussah, würde der angekündigte Hurrikan eine Spur der Verwüstung hinterlassen.
Der Starkregen und eine amtliche Sturmwarnung brachten schon jetzt den Flugplan durcheinander. Die Highways in nördlicher Richtung waren ebenfalls verstopft. Wer konnte, flüchtete vor dem Sturm.
Nach einem Einsatz in Pasadena wollten Phil und ich die Heimreise nach Washington antreten. Es war zu befürchten, dass der Flug wegen des herrschenden Unwetters storniert wurde.
Wir hofften, dass der kleine Airport den Flugbetrieb nicht ganz einstellte. Eine unschöne Vorstellung.
Der Pilot hatte die Boeing inzwischen auf die Landebahn gebracht. Ein Ruck ging durch das Flugzeug, dann schlingerte die schwere Maschine wie ein betrunkener Vogel über das Rollfeld.
»Wenn ich mir das so ansehe, bin ich nicht scharf darauf, da gleich einzusteigen«, bemerkte Phil. Er blickte mich besorgt an, als wir uns im Terminal zum Abflugschalter begaben.
»Wir sollten zusehen, dass wir so schnell wie möglich nach Hause kommen«, erwiderte ich, während ich durch die Regenmassen, die an die Scheiben der Halle prasselten, hinausblickte. Obwohl es gerade einmal später Nachmittag war, konnte man die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Die Palmen am Rand des Flughafens bogen sich im Sturm. »Ich fürchte, dass unser Flieger gleich keine Startgenehmigung bekommt, und dann sitzen wir hier fest, Partner.«
»Bloß nicht.« Phil machte eine säuerliche Miene, während er das Smartphone hervorzog, um den Boardingpass aufzurufen.
Bevor ich es ihm nachtun konnte, klingelte mein Handy. »Das Netz funktioniert immerhin noch«, brummte ich und nahm das Gespräch an. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Mr High. Er wusste, dass wir in wenigen Minuten in den Flieger nach Washington steigen würden.
»Ich fürchte, Ihre Heimreise muss warten«, bedauerte der Assistant Director der Field Operation Section East und kam gleich auf den Grund seines Anrufs zu sprechen. »Vor einer Stunde hat es einen Amoklauf in Houston gegeben. Neun Tote und fast zwanzig Verletzte sind zu beklagen, der Täter ist auf der Flucht.«
Ich warf Phil einen Seitenblick zu und überschlug unsere Entfernung zum Tatort. Unter normalen Umständen wäre Houston eine knappe Autostunde von Galveston entfernt gewesen. Bei diesem Wetter würde uns eine Weltreise bevorstehen.
»Die Kollegen im Field Office sind bereits im Einsatz, nun möchte ich, dass Sie die Ermittlungen vor Ort leiten«, hörte ich Mr Highs sonore Stimme.
»Sir, sicherlich haben Sie mitbekommen, dass dem Süden der USA ein Weltuntergang bevorsteht«, erwiderte ich. »Die nationale Wetterbehörde rechnet mit einem Hurrikan.«
»Deshalb ist es so wichtig, dass der Täter schnell gefasst wird«, bekräftigte Mr High. »Und weil jede Stunde zählt, habe ich bereits einen Wagen losgeschickt. Special Agent Zack Dillis vom Field Office in Houston müsste jeden Moment bei Ihnen eintreffen. Er wird Sie nach Houston bringen und Sie unterstützen.« Ich hörte ihn leise lachen. »Ich liege doch richtig, dass Sie gerade in Galveston am Flughafen sind, oder?«
»Korrekt, Sir.« Ich widersprach nicht. »Dann werden wir sehen, was wir tun können. Sicher gibt es schon Infos für uns.«
»Ja. Die Kollegen berichten von erschwerten Bedingungen bei der Tatortarbeit – der Sturm scheint Texas momentan fest im Griff zu haben.«
»Wohl wahr«, sagte ich und nickte. »Wie und wo hat sich der Amoklauf ereignet?«
»Ersten Augenzeugenberichten zufolge fuhr ein heller SUV auf den Parkplatz eines Shoppingcenters. Der Fahrer des Lieferwagens eröffnete aus dem Auto heraus das Feuer auf die Passanten und entkam unerkannt.«
»Zum SUV gibt es keine Informationen, nehme ich an.«
»Bedauerlicherweise nicht, Jerry.«
»Dann suchen wir die Stecknadel im Heuhaufen.«
»Vielleicht können Sie die Aufnahmen der Videoüberwachung auswerten, sollten die Kollegen im Field Office noch nicht darauf gekommen sein.«
»So schlau werden sie gewesen sein«, vermutete ich.
»Wie dem auch sei, Special Agent in Charge Wheaton erwartet Sie bereits.«
»Gut.« Ich musste nicht lange überlegen. Mit SAC Terence Wheaton hatten wir in der Vergangenheit schon ein paarmal zusammengearbeitet. Er war ein besonnener Mann, ein Stratege der alten Schule. Ich mochte ihn.
»Und nun wünsche ich Ihnen viel Erfolg«, riss mich die sonore Stimme von Mr High aus den Gedanken. »Halten Sie mich auf dem Laufenden, Jerry.«
»Sicher.« Ich unterbrach die Verbindung und blickte in das neugierige Gesicht meines Partners.
»Und?«, fragte Phil. »Arbeit?«
»Ja.« Mit wenigen Worten berichtete ich ihm, was ich von unserem Chef erfahren hatte. Viel Informationen waren es zugegebenermaßen nicht. »Dann bleibt uns der Rückflug erspart, bei diesem Wetter sicher kein Vergnügen, im Flugzeug zu sitzen.«
»Na toll«, maulte Phil. »Die Suche nach einem weißen SUV dürfte bei diesem Sauwetter ganz schön mühselig sein.«
»Du sagst es.«
Wir begaben uns zum Ausgang des kleinen Airports. Der Wind hatte an Stärke zugenommen und zerrte mit aller Macht an der Wellblechverkleidung der Fassade. Sie klapperte beängstigend. Die Laternenmasten vor dem Eingang bogen sich durch, als seien es Streichhölzer. Da es kein Vordach für die ankommenden Fluggäste gab, standen wir sofort im Freien. Wir waren auf der Stelle nass bis auf die Knochen. Phil fluchte über den Regen und schlug den Kragen seines Mantels hoch.
Als ein schwerer Geländewagen in zweiter Reihe neben den Taxis hielt, hob ich den Arm. Der Fahrer blinkte und ließ den Motor laufen.
»Das da dürfte unser Taxi sein«, rief ich gegen das Brausen des Sturms an.
Phil folgte mir zu dem schwarzen Chevrolet Tahoe. Die Scheiben waren getönt, der Mann hinter dem Steuer nur schemenhaft zu erkennen.
Ich öffnete die Beifahrertür. Auf dem Fahrersitz hockte ein Hüne mit kantigem Schädel und kurz geschorenem Haar. Trotz des miesen Wetters trug er eine Sonnenbrille.
»Special Agent Dillis?«, fragte ich.
Er nickte und bleckte die Zähne. »Inspektor Decker?«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf und deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Das da ist Inspektor Decker, ich bin Inspektor Cotton.«
»Wie schön.« Dillis machte eine einladende Geste. »Steigen Sie ein.«
Ich ließ mich nicht zweimal bitten und nahm auf dem Beifahrersitz Platz, während es sich Phil im Fond des Chevy Tahoe gemütlich machte.
Die Scheibenwischer hatten ihre Not, mit den Wassermassen fertigzuwerden. Immer wieder wurde der schwere Geländewagen von Sturmböen gebeutelt. Auf der Brücke, die Galveston Island mit dem Festland verband, wurde der Wagen mehrmals aus der Spur geweht.
»Verdammter Sturm«, zischte Dillis, während er das Lenkrad fester umklammerte. Weiß traten die Knöchel unter der Haut hervor. Ein Truck, den er überholen wollte, schlingerte, als wäre er ein Spielzeugauto. Dillis gab den Versuch auf. Langsam fuhr er hinter dem Sattelzug her. Diffus schimmerten die gelben Umrandungsleuchten des Trailers durch die Gischt, die von den großen Reifen aufgewirbelt wurde. Wir konnten fast nichts erkennen. Erst als wir das Festland erreicht hatten und sich Agent Dillis auf der Interstate 47 eingeordnet hatte, entspannten sich seine Gesichtszüge. Er überholte den Truck und trat das Gaspedal durch.
»Sind Sie gebrieft worden?«, fragte er und warf mir einen knappen Seitenblick zu.
»Ansatzweise.« Ich berichtete ihm, was wir von Mr High erfahren hatten.
»Neun Tote, ja, verdammt.« Agent Dillis nickte mit grimmiger Miene. »Zeugen haben einen weißen SUV mit dunklen Scheiben und markanten Streifen auf den Seiten gesehen, aus dem geschossen wurde.«
»Der Wagen ist nicht näher identifiziert?«, wollte ich wissen.
»Leider nein.« Dillis schüttelte den Kopf.
»Läuft die Tatortarbeit noch?«, meldete sich Phil von der Rückbank.
Der Special Agent nickte. »Bei dem Dreckswetter gestaltet sich die Spurensuche natürlich schwierig. Beweisstücke werden im wahrsten Sinne des Wortes vom Winde verweht, der Regen spült alle verwertbaren Spuren weg, bevor die Kollegen sie sichern können.«
»Wir würden uns gern am Tatort umsehen«, bemerkte ich nach einem Blick zu Phil, der offenbar ähnlich dachte. Wenn wir uns des Falls annahmen, war es nicht falsch, sich zunächst vor Ort einen Überblick zu verschaffen.
»Wenn es sein muss.« Dillis zuckte mit den Schultern.
»Ich fürchte, ja.« Es wunderte mich ein wenig, dass es dem Special Agent offenbar nicht recht war, wenn wir uns am Ort des Geschehens umschauten.
»Von mir aus, fahren wir zum Tatort.«
Für den Rest des Wegs hüllte sich unser Kollege in Schweigen. Nach einer guten Stunde erreichten wir den Parkplatz des River Oak Shopping Center. Inzwischen hatte sich Finsternis über der Stadt ausgebreitet, es wirkte, als sei es tiefe Nacht. Der Wind trieb schwere Wolken über den Himmel.
Die Techniker der Crime Lab Division hatten leistungsstarke Scheinwerfer aufgestellt, die auch die letzte Dunkelheit vertrieben und die Szenerie mit ihrem gleißenden Licht in eine bizarre Kulisse verwandelten. Die bunten Neonreklamen an der Fassade des Einkaufszentrums waren ausgeschaltet. Streifenwagen des Houston Police Department standen an den Zufahrten zum Gelände, Cops hielten allzu neugierige Besucher davon ab, sich dem Schauplatz des Amoklaufs zu nähern. Eine Handvoll Fotografen der örtlichen Presse versuchte, trotz des Wetters brauchbare Aufnahmen zu machen.
Der Attentäter hatte eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Überall sahen wir Scherben und mit Einschusslöchern verunstaltete Autos. Das Schlimmste aber waren die Leichen, die man in Zinksärge gelegt hatte. Neun Särge zählte ich. Der Sturm peitschte den Regen übers Gelände. Der Parkplatz war durch einen Bestand an alten Palmen von der Straße abgegrenzt. Der Wind verfing sich in den Palmwedeln und bog die Bäume.
»Da wären wir«, riss uns Special Agent Dillis’ Stimme aus den Gedanken. »Und Sie wollen wirklich da raus?«
»Haben wir eine Wahl?«, antwortete ich mit einer Gegenfrage und stieß den Wagenschlag auf. Der Regen peitschte mir ins Gesicht.
»Ich fürchte, nein.« Dillis schüttelte den Kopf. »Den Leiter des Field Office finden Sie in dem Sprinter da hinten.« Er deutete durch die Windschutzscheibe nach vorne. Offensichtlich hatte er nicht vor, auszusteigen. Ich folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger. Am Rand des Geschehens parkte ein dunkler Kastenwagen mit getönten Scheiben. »Das ist unsere mobile Einsatzzentrale.«
»Na, dann wollen wir mal«, rief ich Phil zu und duckte mich unter dem Regen.
Im Laufschritt erreichten wir den schwarzen Sprinter.
Die Seitentür öffnete sich mit einem Rattern, wir enterten den Wagen.
»Inspektor Cotton, Inspektor Decker, schön, dass Sie kommen konnten.« SAC Wheaton erhob sich von seinem Platz und schüttelte uns die Hände. Dann stellte er uns die anderen beiden Männer vor. »Das ist Robert Ferguson, Chief des Houston Police Department«, sagte er und klopfte einem drahtigen Endfünfziger mit kurzem silbernem Haar auf die Schulter. »Und Evan Brown, der diensthabende Coroner.« Wheaton zeigte auf einen dunkelhäutigen Hünen, dessen Alter ich schwer schätzen konnte.
Brown nickte uns zu.
Der Regen trommelte unablässig auf das Blechdach und ließ mich frösteln. Phil und ich setzten uns zu den Männern und informierten uns über den Stand der Ermittlungen.
»Die Videoüberwachung liefert wegen des Starkregens nur sehr schlechte Bilder, auf denen fast nichts zu erkennen ist«, bedauerte Ferguson. »Ich habe die Festplatten bereits in die IT bringen lassen, die Auswertung läuft.«
»Gibt es schon Hinweise auf den Täter oder seine Waffe?«, schaltete sich Phil ein.
»Zum Täter nicht«, sagte Wheaton. »Aber die gefundenen Patronenhülsen geben uns einen ersten Aufschluss über die Tatwaffe.« Der SAC blickte uns ernst an. »Womöglich schoss der Attentäter mit einem Sturmgewehr der Marke Bushmaster.«
»Herzlichen Glückwunsch«, kam es über Phils Lippen. »Davon sind mindestens fünftausend registrierte Exemplare im Umlauf. Wenn ich mich nicht irre, handelt es sich um eine Waffe, die auch bei der Army verwendet wird.«
»Also haben wir es mit einem Soldaten zu tun?«, fragte Ferguson.
»Oder mit einem Täter, der dem Militär auf eine uns unbekannte Art nahesteht«, äußerte Phil und wandte sich an den SAC. »Weiß man schon Näheres zur Munition? Ich möchte so schnell wie möglich die Ergebnisse der ballistischen Untersuchung haben.«
»Sagt Ihnen die Bezeichnung Saustopper etwas?«, kam es von Wheaton.
Ich nickte. Diese Art der Munition wurde meines Wissens nach ausschließlich in Gewehren der Marke Bushmaster verwendet. Fragend hob ich eine Augenbraue.
Wheaton wischte auf dem Display eines Tablet herum. »Die Patronen der Marke Remington sind sehr markant und kommen fast ausschließlich in der Bushmaster zum Einsatz. Näheres finden Sie in einem ersten Bericht unserer Ballistiker.«
Damit hatte sich meine Vermutung bestätigt.
»Wir sollten das Scientific Research Team ins Boot holen«, schlug Phil vor.
Ich nickte zustimmend und beobachtete meinen Partner, wie er das Handy hervorholte, um die Kollegen in Quantico in Kenntnis zu setzen.
Während Phil telefonierte, wandte ich mich an den Chief des Houston Police Department. »Gibt es unter den Verletzten Personen, die vernehmungsfähig sind?«
Ferguson nickte. »Meine Leute stecken gerade in den Befragungen.«
»Ist das nicht Sache des FBI?«, fragte ich an Wheaton gewandt.
»Normalerweise schon.« Der SAC gab mir recht. »Bei der Anzahl der Menschen, die in den Zwischenfall verwickelt waren, sind wir für jede Hilfe dankbar.« Ein wenig klang es wie eine Entschuldigung.
Ich hatte keine Einwände gegen seinen Entschluss, Wheatons Agents durch Officers des HPD helfen zu lassen. Bei dem drohenden Tropensturm war jede Unterstützung willkommen, wahrscheinlich bekamen die Einsatzkräfte in den nächsten Stunden mit der Evakuierung von Houston alle Hände voll zu tun.
»Unsere Special Agents sind derzeit im Houston Methodist Hospital, um die Verletzten zu befragen«, informierte uns der SAC.
»Gibt es schon Ergebnisse?«, erkundigte ich mich.
Der Leiter des Field Office nickte. »Eine Kassiererin berichtet von einem Streit, zu dem es kurz vor dem Amoklauf im Supermarkt des Shoppingcenters gekommen ist.«
Ich richtete den Blick durch die dunklen Scheiben nach draußen. Dort erblickte ich die Werbetafel eines King-Shopper-Supermarkts. »Steht die Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem Anschlag?«
Ferguson wiegte den Kopf. »Das überprüfen wir gerade. Zeugenaussagen zufolge kam es zu einem Streit um die letzten Pakete Babynahrung.«
»Um … Babynahrung?« Phil runzelte die Stirn. »Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass es neun Tote gibt, weil dem Supermarkt die Babynahrung ausgegangen ist?«
»Nach dem letzten Wetterbericht setzten die Hamsterkäufe ein«, erläuterte Ferguson. »Wenn uns der Sturm so trifft, wie es die Meteorologen prognostizieren, ist Houston mehrere Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten.« Der Polizeichef zuckte mit den Schultern. »Da liegen die Nerven der Bevölkerung blank, hier und da brennen einigen Zeitgenossen die Sicherungen durch. Die Lage eskaliert.«
»Man kann wohl nichts ausschließen«, stimmte ihm mein Partner zu.
»Diese Auseinandersetzung«, ergriff ich wieder das Wort, »verlief die verbal, oder kam es zu Handgreiflichkeiten?«
»Wie eine Verkäuferin des Supermarkts aussagte, gab es eine Rangelei zwischen den beiden Kundinnen«, antwortete der Chief. »Die Frauen sind nach einem lautstarken Streit aufeinander losgegangen.«
»Wie ging der Clinch aus?«, fragte Phil. »Und wer ist das Opfer?«
»Belinda Scott, dreiundzwanzig Jahre alt, alleinerziehende Mutter.« Der Coroner blätterte in seinen Unterlagen. »Sie gewann den Kampf um die Babynahrung für ihr Kind, verlor aber wenige Minuten später ihr Leben bei dem Attentat.«
»Wie dramatisch«, fand Phil.
Ich wandte mich an Wheaton. »Sie haben einen Background-Check bei der anderen Frau durchgeführt, nehme ich an.«
Der SAC nickte. »Lisa Douglas, neunzehn Jahre. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen und lebt mit Logan Cooper, ihrem Freund, zusammen. Der Lebensgefährte ist kein unbeschriebenes Blatt. Er ist in der letzten Zeit mehrfach wegen Drogenhandel und unerlaubtem Waffenbesitz aufgefallen.«
Wir horchten auf.
»Dann dürfte er in unseren Datenbanken auftauchen«, vermutete Phil. Als ich ihn mit ernster Miene ansah, fuhr er fort. »Wir sollten ihm auf den Zahn fühlen.«
Wheaton räusperte sich. »Sie denken, er hat Belinda Scott und all die anderen Opfer auf dem Gewissen, weil seine Freundin die letzte Babynahrung ergattern wollte?« Spott lag in seiner Stimme.
»Wir dürfen nichts außer Acht lassen«, erwiderte ich sachlich. Logan Cooper interessierte mich. »Haben Sie einen Wagen für uns?«