Jerry Cotton 3183 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3183 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Mitten in der Nacht wurde am Strand von Roatán, einer entlegenen honduranischen Karibikinsel, illegal Sand abgetragen. Der US-amerikanische Enthüllungsjournalist Richard Paul filmte mit dem Handy, wie dabei ein Junge kaltblütig ermordet wurde. Kurze Zeit später entdeckten die Arbeiter den Reporter und machten auch mit ihm kurzen Prozess. Doch bevor Paul starb, gelang es ihm, das brisante Video zweimal zu versenden: an seine Frau Beatrice in Florida - und an mich. Und schon kurz nachdem Phil und ich die Ermittlungen aufgenommen hatten, mussten wir der Liste der Toten weitere Namen hinzufügen ...

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EPUB

Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Blutiger Sand

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Tödliche Gelüste«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6488-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Blutiger Sand

Langsam, aber unerbittlich fraß sich die große Maschine über den Strand. Das Gebläse verursachte ohrenbetäubenden Lärm, der schwere Truck hinterließ eine Spur der Zerstörung. Wo der Saugbagger bereits durchgepflügt war, schimmerte kahle, unheimliche Wüstenlandschaft im fahlen Licht des Vollmonds.

Richard Paul kauerte reglos hinter einem Felsen und filmte die gespenstische Szene mit dem Handy. Er war sich mit jeder Faser seines Körpers der Gefahr bewusst, in der er schwebte.

Dann kam der Junge. Er hieß Pepe, war zwölf und nicht ganz richtig im Kopf. Immer trieb er sich zur falschen Zeit am falschen Ort herum. So wie jetzt.

»Verschwinde«, flüsterte Paul. »Renn weg, solange du noch kannst!«

Doch der Junge hörte ihn nicht. Fröhlich winkend tanzte er vor dem Bagger herum und lachte immer noch, als ihn die Maschine überrollte wie einen lästigen Straßenköter.

Am ganzen Leib zitternd ließ Richard Paul das Handy sinken, mit dem er den Mord aufgenommen hatte. Sein Atem ging stoßweise, seine unsicheren Finger suchten auf dem Touchscreen den Aus-Button. Ihm wurde übel, und er musste mehrmals hart schlucken, um sich nicht zu übergeben.

Verdammt, wer tat so etwas? Paul wusste, dass die Männer, denen er auf der Spur war, skrupellos waren. Aber einen zurückgebliebenen, im Grunde harmlosen Jungen zu töten, war mehr als skrupellos. Es war abgrundtief böse.

Fieberhaft überlegte Paul. Sollte er seine Sachen packen, das Material schnellstmöglich der Polizei übergeben, die Verantwortung den Behörden überlassen? Der Fall war zu groß geworden für einen Einzelkämpfer wie ihn.

Doch hatte er schon genug zusammengetragen? Konnte die Polizei mit den spärlichen Informationen, die er besaß, überhaupt etwas anfangen? Es war ihm bisher nicht gelungen, zum Kopf der Organisation vorzudringen. Er bewegte sich an den Rändern, sammelte den blutigen Auswurf, wusste aber nicht, wer hinter allem steckte. Ein, zwei Nächte noch, dachte er. Er brauchte einen Namen, sonst war alles zwecklos gewesen.

Plötzlich wurde ihm bewusst, wie still es geworden war. Die Bagger ruhten, das Gebläse hatte man abgeschaltet. Die Maschinen standen wie Relikte eines alten Kriegs am felsigen Strand, das Wasser plätscherte leise gegen das Ufer.

Als er den Blick hob, setzte Pauls Herzschlag für Sekundenbruchteile aus. Ein heller Lichtschein bohrte sich in den Nachthimmel. Ein Lichtschein, der von seinem eigenen Handy ausging! Offenbar hatte er statt des Aus-Buttons die Taschenlampenfunktion erwischt. Verfluchte Scheiße!

Ein Blick auf die Arbeiter am Strand versetzte Paul in höchste Alarmbereitschaft. Sie blickten zu dem Felsen herüber, hinter dem er sich verschanzt hatte. Einer der Aufseher, sie nannten ihn El Paje, setzte sich gerade in Bewegung. In seiner Hand glänzte der stählerne Lauf eines Revolvers.

Hektisch tastete Paul nach seiner eigenen Waffe, einer Beretta 92, und fand sie in seiner Ledertasche. Er nahm sie in die Hand, doch er entsicherte sie nicht, tastete stattdessen nach seinem Handy und schaltete die elende Taschenlampe aus.

Noch konnte die Flucht gelingen! Er konnte durch ein dunkles Dschungelstück hindurch ins Hinterland gelangen und sich zu seinem gemieteten Land Rover durchschlagen, der vor jener heruntergekommenen Absteige für Rucksacktouristen stand, in der er sich einquartiert hatte. Wenn er den Wagen erreichte, war er gerettet. Sein Vorsprung mochte groß genug sein, und wenn er das Mondlicht mied, bot er El Paje keine Zielscheibe. Heikel war nur das erste Stück, hinüber in den Dschungel. Hier gab es keinerlei Deckung.

Paul lief in Zickzacklinien. Er hatte das trainiert, oftmals, für Fälle wie diesen. Aber noch nie hatte er es anwenden müssen. Sein Puls trommelte gegen die Schläfen, das Blut raste wie ein Wildbach durch seine Adern.

Fast war es geschafft! Rechts und links von ihm schlugen die Kugeln von El Paje in den Boden, doch Paul beachtete sie nicht, rannte weiter, schnell und wendig.

Der Wald war bereits zum Greifen nah, als ihn ein jäher Schmerz von den Beinen riss. Eine Kugel hatte seine Ferse getroffen. Während er zusammenbrach, spürte er, dass der ganze linke Fuß zertrümmert war. An Laufen war nicht mehr zu denken.

Paul kroch auf allen vieren in den Dschungel, robbte tiefer ins Gebüsch und blieb liegen, als er eine schützende Senke erreichte. Er war nicht dumm. Er hatte gewusst, in welche Gefahr er sich begab, und nun wusste er, dass er das Spiel verloren hatte. Es war nur noch eine Frage von Minuten, bis El Paje seiner Blutspur bis zu seinem Versteck folgen würde. Ihm blieb nicht viel Zeit für das, was er noch tun musste.

Paul fischte das Handy aus der Hosentasche und versendete das Video mit der Ermordung des Jungen an zwei E-Mail-Adressen. Dann legte er sich flach auf den Boden und erwartete die kalte Waffe von El Paje, die ihn niederstrecken würde.

***

»Wer bist du, Hombre?«, fragte El Paje kurze Zeit später den Leichnam des Fremden. Seine Stimme troff vor Sarkasmus. Er versetzte dem Toten einen Fußtritt. »Willst du mir nicht antworten, Bastardo?«

Er lachte meckernd wie eine Ziege und beugte sich zu dem leblosen Körper hinunter. In der Umhängetasche des Mannes fand er ein Asthmaspray, einen Schlüssel mit klobigem Anhänger, auf dem die Nummer 18 prangte, und eine Beretta. Keine Papiere, kein Geld, auch nicht in den Hosentaschen.

El Paje steckte alles wieder zurück, hob nur das Handy auf, das neben dem Fremden lag. »Du hast telefoniert, Hombre?« Er beugte sich tief über die gebrochenen Augen des Toten. »Du glaubst wohl, nur weil du tot bist, musst du mir keine Auskunft mehr geben?« El Pajes Lachen hallte durch den nächtlichen Dschungel.

Das Handy war nicht einmal passwortgeschützt. Mühelos gelang es El Paje, die Liste der ausgehenden Anrufe abzufragen.

Nichts. Nicht in den vergangenen vierundzwanzig Stunden. Davor mehrmals eine Nummer in den USA. Man würde sie überprüfen müssen.

Anders sah die Sache bei den ausgehenden E-Mails aus. Da hatte sich in den letzten fünf Minuten etwas getan. Eine Mail an zwei Adressaten, mit Anhang.

El Paje öffnete den Film, den der Tote verschickt hatte, und pfiff durch die Zähne. Er sah sich selbst neben einem der Saugbagger stehen, verschwommen zwar und sehr dunkel, aber mit ein wenig Fantasie doch erkennbar. Und er sah, wie die Maschine den schwachsinnigen Jungen überfuhr. Die Bildqualität war miserabel, doch mit moderner Technik konnte man den Film sicherlich verbessern.

Zornig trat El Paje noch einmal nach der Leiche. Sein erster Impuls war es, das Telefon zu zerstören, so lange darauf herumzutrampeln, bis nur Einzelteile übrigblieben. Das wäre allerdings unklug gewesen. Erst musste er herausfinden, an wen der tote Hombre den Film geschickt hatte.

Die erste Adressatin war jene Beatrice, mit der der Fremde auch regelmäßig telefoniert hatte. Der zweite Empfänger kam ebenfalls aus den USA. Es war ein Mann namens Cotton. Jerry Cotton.

Zähneknirschend steckte El Paje das Handy in seine Tasche. Er würde die Daten an El Barón weiterleiten müssen. Das würde Ärger geben. Hatte aber auch sein Gutes, denn dann war er die Sache los. Dann musste sich der Barón um alles kümmern, und der wurde mit Sicherheit besser für solche Aufgaben bezahlt.

»Hältst dich wohl für besonders schlau, Hombre!«, sagte er zum Abschied zu dem Toten. »Da hast du aber Pech gehabt, Yankee. El Paje ist nämlich noch schlauer.«

Er stapfte zurück zum Strand, wo die Arbeiter rauchend herumstanden und auf seine Anweisungen warteten.

»Versenkt ihn im Meer«, befahl er. »Zusammen mit dem schwachsinnigen Jungen, der uns vor den Bagger gelaufen ist. Und sorgt dafür, dass beide nie wiederauftauchen.«

***

Ich war zum ersten Mal bei Special Agent Marina A. Mayo zu Hause. Sie hatte Spaghetti Napoli gekocht, die besten, die ich jemals gegessen hatte. Bis zu diesem Abend war mir gar nicht klar gewesen, dass es da Unterschiede gab. Ich hatte Spaghetti einfach für lang gezogene Nudeln gehalten, und eine Sauce à la Napoli variierte höchstens im Schärfegrad. Aber was Marina auf den Tisch gezaubert hatte, war mehr als nur ein Abendessen, es war ein Gedicht. Ich verputzte zwei große Portionen und hätte auch noch eine dritte vertragen, wollte aber nicht gierig wirken.

»Schmeckt’s?«, fragte sie völlig unnötigerweise, denn das merkte wohl auch ein Blinder.

»Wenn’s beim FBI mal nicht mehr läuft«, sagte ich mit vollem Mund, »kannst du jederzeit ein Restaurant eröffnen.«

»Blödsinn«, lachte Marina. »Ich habe italienische Wurzeln. Da ist das nichts Besonderes.«

Ihre italienische Wurzel schlummerte ein Stockwerk über uns den Schlaf der Gerechten. Marina A. Mayo hatte sich wegen ihrer pflegebedürftigen Mutter von Detroit nach Washington versetzen lassen. Auch wenn die bettlägerige Lady rund um die Uhr von einer Krankenschwester betreut wurde, konnte Marina ihr hier, in ihrer großzügigen Wohnung, näher sein.

Ich mochte die Kollegin, die ich bei einem Date, das Phil mir eingebrockt hatte, im Fogo de Chão näher kennengelernt hatte. Sie war witzig und klug, Eigenschaften, die ich bei Frauen besonders schätzte. Außerdem sah sie verdammt gut aus. Und jetzt konnte sie auch noch kochen!

»Ich musste mich ja endlich für das sündhaft teure Essen im Fogo revanchieren«, erklärte sie.

Später machten wir es uns im Wohnzimmer gemütlich. Marina bot mir einen Whisky an, den ich dankend ablehnte, weil ich mit dem Jaguar gekommen war.

»Seid ihr immer noch an dieser Honduras-Sache dran?«, fragte sie, und ihre Augen blitzen neugierig. »An dieser unbekannten Organisation, von der du mir erzählt hast?«1)

»Das ist ja nur ein Verdacht von Phil und mir«, erwiderte ich vorsichtig. »Wir überprüfen diesen windigen Anwalt Juan Contarras, der offenbar nicht nur die Unabhängigkeitsbestrebungen der Insel Untaba unterstützt, sondern sich auch darauf versteht, seine Position für einträgliche Geschäfte zu nutzen. Wenn er überall seine Finger im Spiel hat, wo wir es vermuten, kann er unmöglich allein arbeiten. Dann braucht er eine Menge Leute, die die schmutzige Arbeit für ihn erledigen.«

»Ich habt aber noch nichts Konkretes gegen ihn in der Hand, oder?« Marina hatte sich festgebissen. Sie liebte ihre Arbeit, war stets mit Leib und Seele dabei, und einen echten Feierabend kannte sie nicht. Das gefiel mir. Mit Sicherheit würde sie beim FBI Karriere machen.

»Nein«, gab ich zu. »Das ist eben unser Problem. Contarras wickelt seine kriminellen Geschäfte zumindest zum Teil in unserem Land ab, aber gleichzeitig betreibt er eine Anwaltskanzlei auf Untaba. Er wurde in einem Flugzeug der American Airlines geboren und besitzt deshalb sowohl die honduranische als auch die US-Staatsbürgerschaft. Wir kommen ohne hieb- und stichfeste Beweise nicht an ihn ran. Wir können nicht mal sein Telefon abhören.« Ich seufzte.

Der Fall hatte mir tatsächlich schon die ein oder andere schlaflose Nacht beschert. Wir waren uns sicher, dass es diese unbekannte Organisation gab, doch wir kannten weder ihren Namen noch ihre innere Struktur, wussten nicht, wie sie funktionierte. Und da wir in unseren Möglichkeiten eingeschränkt waren, weil sich das politische Verhältnis zu Honduras heikel gestaltete, kamen wir einfach nicht weiter.

»Ich könnte einen Kaffee vertragen«, verkündete ich, um das Gespräch wieder in andere Bahnen zu lenken. Schließlich hatte ich Marinas Einladung nicht angenommen, um den ganzen Abend über einen ungelösten Fall zu reden.

Sie stand auf und verschwand in der Küche. Ich hörte sie gerade an der Kaffeemaschine herumhantieren, als ein leiser Sound ankündigte, dass mein Smartphone eine Nachricht empfangen hatte.

Phil, dachte ich und musste unwillkürlich lächeln. Mein Partner befand sich im Urlaub auf Bali, und obwohl er sich dort angeblich prächtig amüsierte, meldete er sich jeden Abend und fragte nach Neuigkeiten.

Ich fischte das Handy aus der Tasche. Die Nachricht kam jedoch nicht von Phil. Es war eine E-Mail mit einem angehängten Video. Text gab es keinen, nur diesen Anhang. Ich öffnete ihn und beugte mich übers Display. Der Film musste bei Nacht aufgenommen worden sein, die Qualität war äußerst schlecht. Nur schemenhaft konnte ich einige große Fahrzeuge erkennen, Baufahrzeuge vermutlich, die sich langsam vorwärtsbewegten. Ein Bagger, der am Boden etwas aufsaugte. Es war nicht zu erkennen, was es war.

Fast zehn Minuten dauerte der Film, aber es geschah nichts weiter. Einmal sah ich einen Mann neben dem Bagger stehen, ab und zu bewegten sich Schatten, Menschen vielleicht, die auf der Nachtbaustelle herumliefen. Irgendwann schwenkte die Kamera nach oben in den Himmel, ein voller Mond erschien, dann endete die Aufnahme.

Marina war schweigend zurückgekehrt und hatte eine Tasse dampfenden Kaffee vor mir abgestellt. »Etwas Wichtiges?«, fragte sie, als sie sah, dass ich das Handy beiseitelegte.

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht recht. Wahrscheinlich nicht. Ein Film, auf dem außer ein paar schemenhaften Trucks nicht viel zu sehen ist.«

»Wer hat ihn dir geschickt?«

»Ein Journalist. Richard Paul. Ich habe vor einiger Zeit mal mit ihm zusammengearbeitet. Ein netter Kerl, ich mochte ihn. Ein wenig altmodisch in seinen Arbeitsmethoden, aber trotzdem effektiv. Ein Enthüllungsjournalist der alten Schule. Und ein Einzelkämpfer, der seine Recherchen allein abwickelt. Damals ging es um eine Bande, die im großen Stil Schwarzarbeiter einschleuste und dann wie Sklaven hielt.« Ich stockte. »Sieht so aus, als wäre Paul gerade an etwas Ähnlichem dran.«

Marina nickte. »Aber irgendetwas stört dich?«, hakte sie nach.

»Nur so ein Gefühl. Ich habe lange nichts von Paul gehört. Warum schickt er mir mitten in der Nacht einen Film, auf dem nichts zu sehen ist?«

»Vielleicht bist du rein zufällig in die Adressliste gerutscht. Hat er die Mail nur an dich versendet?«

Ich überprüfte es und stellte fest, dass es tatsächlich einen zweiten Empfänger gab. Marina hatte sicherlich recht. Trotzdem wählte ich die Nummer des Journalisten.

Er ging nicht ran. Das hatte aber nicht viel zu bedeuten, denn wenn Paul gerade an einer heißen Sache arbeitete, hatte er sein Mobiltelefon mit Sicherheit auf lautlos gestellt. Am nächsten Morgen würde ich ihn erreichen.

»Ein sehr gemütliches Sofa ist das«, wechselte ich erneut das Thema. »Ich glaube nicht, dass dein Sessel ähnlich bequem ist.«

Marina blinzelte mir zu und verstand. »Ich teste es mal«, sagte sie und rückte zu mir herüber. Ich mochte ihre Nähe und legte den Arm um ihre Schultern.

Den Rest des Abends sprachen wir nicht mehr über die Arbeit. Und als ich aufbrach, küsste ich sie.

***

Ernesto Moralez, den seine Freunde und Feinde El Palo, den Knüppel, nannten, war von Frauen umringt. Eine saß auf seinem rechten Knie, die andere auf dem linken, und eine dritte machte sich dazwischen zu schaffen. Alle drei waren so gut wie nackt.

El Palo seufzte genießerisch und schloss die Augen. Er hatte das unverschämte Glück, dass seine persönlichen Vorlieben gleichzeitig sein Job waren. Schließlich musste ein guter Verkäufer seine Ware testen, bevor er sie auf den Markt warf.

Als sein Mobiltelefon klingelte, nicht das übliche, sondern das spezielle, war er drauf und dran, es zu ignorieren. Aber dann versetzte er den Ladys einen wütenden Schlag, fegte sie wie Ungeziefer von seinem Schoß und zog die Hose wieder hoch. Jeder Job hatte auch seine unangenehmen Seiten. Dieses spezielle Handy war eine davon. Nur ganz wenige besaßen die Nummer.

»Mister …«, begann er, als er das Gespräch annahm, doch er wurde sofort unterbrochen.

»Still!«, sagte die Stimme aus dem Apparat. »Keine Namen mehr am Telefon. Verstanden?«

»Si, Señor Virrey. Besser so?«

Der Mann am anderen Ende der Leitung ging nicht auf den Spott in Moralez’ Stimme ein. »Das Video, das Sie mir geschickt haben, woher stammt es?«

»Von dem Barón, dem ich unser Strand-Geschäft delegiert habe.«

»Sie kümmern sich nicht selbst darum?«

»Wie sollte ich?«, antwortete Moralez. »Ich habe mit den Drogengeschäften in Boston und den Bordellen schon mehr als genug zu tun!«

»Schon gut, Conde«, beruhigte ihn der Mann am Telefon. »Was ist schiefgelaufen?«

»Es hat Ärger gegeben, sagt der Barón. Ein neugieriger Yankee ist aufgetaucht und hat seine Nase zu tief in den Sand gesteckt. Sie ruht jetzt am Meeresgrund, die Nase, meine ich. Mitsamt dem Rest von dem Kerl.«

»Und das Video?«, wollte der Anrufer wissen.

»Mit der Handykamera aufgenommen. Er hat es an die beiden Personen verschickt, die ich Ihnen genannt habe.«

»Verdammter Mist.«

El Palo runzelte die Stirn. Er hatte den Mann am Handy noch nie fluchen hören. Die Sache war wohl ernster als geahnt.

»Hat mein Barón Scheiße gebaut?«, fragte er vorsichtig.

»Vielleicht. Wo befindet sich das Handy jetzt?«

»Bei einem der Pajes, die für den Barón arbeiten.«

»Es muss sofort zerstört werden! Komplett. Am besten, er fährt ein paarmal mit einem seiner Bagger darüber. Haben Sie mich verstanden, Conde?«

»Einwandfrei, Señor Virrey.«

»Gut. Wenn Ihre Barónes und die Pajes nicht ordentlich arbeiten, mache ich Sie dafür verantwortlich, das sollte Ihnen immer bewusst sein.«

»Selbstverständlich, Señor Virrey.« El Palo versuchte, entspannt zu klingen. Doch kaum hatte sein Gesprächspartner aufgelegt, pfefferte er das spezielle Handy laut schimpfend in die Ecke und hoffte, es würde dabei kaputtgehen. Doch es tat ihm nicht den Gefallen.

***

Der zweite Mann, der einen Anruf von Señor Virrey erhielt, lag in der Badewanne, als sein spezielles Handy klingelte. Im Hintergrund lief Gershwin.

»Ah! Mister …«, nahm der Mann in der Wanne das Gespräch an, wurde aber unterbrochen.

»Ab sofort keine Namen mehr am Telefon, Mister Zero. Verstanden?«

»Aye, aye, Mister Virrey. Was gibt’s? Einen Notfall?«

Der Wecker am Wannenrand zeigte halb zwei Uhr morgens. Mr Zero liebte die Nacht. Er ließ lange, anstrengende Tage gerne mit einem späten Bad ausklingen.

»Ich habe eine Namensliste für Sie. Wollen Sie mitschreiben?«

Der Mann in der Wanne lachte leise. »Ich bitte Sie, Mister Virrey! Ich bin Profi. Wozu habe ich einen Kopf zwischen den Schultern?«