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Emma Snow, eine junge, aufstrebende Rechtsanwältin, wurde brutal vergewaltigt. Sie gab an, dass der Täter kein Geringerer sei als Benjamin Birnbaum, neuer Senator von Kentucky und seines Zeichens Waffenhändler. Obwohl der Politiker beteuerte, der Frau noch nie im Leben begegnet zu sein, fanden sich eindeutige Beweise für seine Täterschaft. Phil und ich untersuchten den Fall, denn die Spur führte uns wieder einmal zur CITU, einer gefährlichen Verbrecherorganisation, der wir bereits seit Monaten auf der Spur waren!
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
An den Hebeln der Macht
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: (Film) »Misconduct«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6497-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
An den Hebeln der Macht
Hopkinsville, Kentucky
Police Officer Phillip Court langweilte sich. Er schob Nachtdienst in der Main Police Station an der 101 North Main Street. Die Nacht war ruhig. So kreisten seine Gedanken um die Teilnahme an Coffee with a Cop in zwei Tagen. Er freute sich, auch einmal für das monatliche Treffen mit Bürgern ausgewählt worden zu sein.
Ein Auto hielt vor dem Department. Eine Frau stieg aus und taumelte auf den Haupteingang zu. Court kniff die Augen zusammen. Gleich darauf klingelte es.
»Bitte öffnen Sie. Ich bin gerade … vergewaltigt worden«, krächzte die Frau. Wenig später saß sie auf einem Stuhl.
Court kümmerte sich fürsorglich um sie, denn ihr Körper wies Spuren von Gewaltanwendung auf.
»Wer hat Ihnen das angetan?«, fragte er.
Sie schaute blicklos an ihm vorbei. »Senator Birnbaum«, murmelte sie. »In seinem Haus …«
O shit, dachte der Officer geschockt, bitte nicht …
Washington D. C.
Phil betrat mein Büro mit zwei Bechern Kaffee in den Händen.
»Sag mal, hast du einen Umweg über Kalifornien gemacht?«, fragte ich ungnädig. »Es kann doch nicht stundenlang dauern, zwei Becher Kaffee aus dem Automaten zu ziehen.«
»Sorry«, erwiderte Phil und streckte mir einen Becher hin. »Ruby und Daisy sind mir über den Weg gelaufen und haben mich aufgehalten. Ich musste Daisy ein wenig trösten. Sie hat mal wieder Liebeskummer.«
»Du hast sie getröstet? Hier im Büro?«, fragte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Genüsslich nippte ich am Kaffee. Mein Grinsen gefror. »Der ist ja schon fast kalt.«
»Du weißt doch, wenn du hier was Warmes willst, musst du ein Bier bestellen.« Phil grinste zurück und trank einen Schluck aus seinem Becher. Er schmatzte kurz. »Du hast recht, Jerry. Kalt wie eine Leiche in der Tiefkühltruhe. Vielleicht habe ich Daisy tatsächlich ein wenig zu lange getröstet. Andererseits ist richtiges Trösten eine extrem schwierige Angelegenheit, das geht nicht in ein paar Sekunden.«
Ich starrte meinen Partner misstrauisch an. »Sag mal, du willst dich doch nicht etwa auf die Profilerstelle bewerben, die das New York Police Department ausgeschrieben hat? So wie du daherredest …«
Phils Gesichtsausdruck wurde plötzlich wehmütig. »Natürlich nicht. Versteh mich jetzt nicht falsch, der Job hier ist toll. Aber manchmal habe ich Heimweh nach dem Big Apple und dem Field Office dort. Ich bin mit Leib und Seele New Yorker. Geht es dir nicht auch so?«
Ich nickte. »Doch, manchmal schon.«
»Ja.« Unbewusst trank Phil in einem Zug den halben Becher leer. »Ich glaube, wenn mir Director Fuller dort einen Job anbieten würde, würde ich glatt zurückgehen. Natürlich nur, wenn du mitgehst. Ohne dein hässliches Gesicht würde mir was fehlen.«
Ich lächelte ihn spöttisch an. »Träumen darf man immer, Miss Beauty. Aber das Kapitel New York ist abgeschlossen. Im Field Office sind keine Jobs mehr für uns frei. Die Realität heißt FBI Headquarters an der Pennsylvania Avenue in Washington.«
Phil seufzte, trank den Kaffee leer und warf den Becher mit einer eleganten Armbewegung in den Mülleimer. »Danke fürs Gespräch. Dann gehe ich mal wieder in mein eigenes Reich.«
Während unserer Unterhaltung hatte ich immer wieder mit kurzen Blicken den Bildschirm gemustert, um die eingehenden E-Mails zu checken. Gerade ploppte wieder eine im Postfach auf. Ich stutzte.
»Warte mal kurz«, sagte ich und spürte ein leichtes Ziehen im Magen. »Mai-Lin schickt mir gerade etwas. Eine große Mail, sechzehn Megabytes. Und noch eine, achtzehn Megabytes.«
»Der USB-Stick?«, fragte Phil aufgeregt, trug einen Stuhl aus der Sitzecke um meinen Schreibtisch herum und setzte sich neben mich.1)
»Daran habe ich auch gerade gedacht«, murmelte ich. »Ah, da ist auch schon Nummer drei. Nur noch neun Megabytes. Schauen wir mal.« Ich öffnete die erste Mail.
»Hallo, Jerry, Phil«, las ich laut. »Es hat etwas gedauert, aber nun ist es mir doch gelungen, den USB-Stick zu knacken und die darauf enthaltenen Dateien lesbar zu machen. Ha!«, rief ich. »Etwas gedauert, ist gut. Das waren gut und gerne drei Wochen. Aber weiter im Text: Der Stick selbst war nicht einmal besonders hochwertig verschlüsselt. Trotzdem war das richtig Arbeit. Ich habe mir erlaubt, Ihnen die einzelnen Dateien schon vorsortiert zu schicken. Im Groben habe ich drei Kategorien gefunden: Unterlagen zu den ›El Dorado Papers‹, Gedächtnisprotokolle und eine Art Erpresserliste, so möchte ich es mal nennen, mit Anmerkungen und Fotos. Damit sollten Sie der CITU den ersten wirklich schweren Schlag versetzen können. Viele Grüße, Mai-Lin.«
Ich war plötzlich aufgeregt wie ein Bluthund auf der Spur.
Seit vielen Monaten schlugen wir uns mit einer Verbrecherorganisation herum, die den Namen der untabischen Freiheitspartei Cooperatión Independiente Territorial Untaba, kurz CITU genannt, missbrauchte und ebenfalls unter diesem Namen operierte. Drogen- und Waffenhandel, Mord, Erpressung, Diffamierung, das Portfolio der CITU war breit aufgestellt. Ein Anwalt namens Juan Contarras, der die honduranische und die US-Staatsbürgerschaft besaß und ein guter Freund des CITU-Gründers Ricardo Castello war, schien hinter Castellos Rücken die Fäden in der Verbrecherorganisation zu ziehen. Auch eine Anwältin namens Joanna Maddison hatte eine größere Rolle innerhalb der Organisation gespielt, war aber zum Sicherheitsrisiko mutiert und während einer Pressekonferenz, bei der sie mich und Phil des angeblichen Steuerbetrugs bezichtigen wollte, von Ex-Detective Liam Gillespie, einem Hitman der CITU, beseitigt worden, damit wir sie nicht mehr verhören konnten.
Gleich nach dem Mord hatte der Killer mit zwei Helfern die Kanzlei Maddison & Maddison in Nashville überfallen, um den Firmenrechner der Anwältin zu stehlen, damit wir nicht an die Firmendaten kamen. Das war ihm gelungen. Was das der CITU letztlich nutzte, wussten wir nicht. Immerhin war uns während der Pressekonferenz ein USB-Stick in die Hände gefallen, der außerordentlich brisantes Material zu enthalten schien, die sogenannten El Dorado Papers.
Mit ihren Worten bestätigte Dr. Mai-Lin Cha von unserem Scientific Research Team in Quantico diese Annahme nun.
Wir informierten Mr High. Der Assistant Director stellte uns von den Fällen frei, an denen wir gerade arbeiteten. Wir sollten uns ausschließlich um die Sichtung der Papiere kümmern und ihn umgehend informieren, sobald wir uns einen groben Überblick verschafft hatten. Mithilfe von jeder Menge – diesmal heißem – Kaffee und Burgern wühlten wir uns den ganzen Tag lang durch die Papierstapel, denn wir hatten die El Dorado Papers ausgedruckt, um sie besser zuordnen zu können.
Der Inhalt der El Dorado Papers war tatsächlich höchst brisant. Vor uns breitete sich ganz allmählich ein Geflecht von hundertdreiundzwanzig Briefkastenfirmen mit fantasievollen Namen aus, die über drei Adressen in der untabischen Hauptstadt Leona verteilt waren. Über diese von Joanna Maddison gegründeten Scheinfirmen hatten insgesamt hundertzweiundfünfzig US-amerikanische Unternehmen und Privatpersonen riesige Summen bei der Banco Castello de Untaba angelegt. Es handelte sich um über drei Milliarden US-Dollar.
»Hm«, machte Phil und kratzte mit den Nägeln auf einem Blatt herum. »Der Staat Honduras ist meines Wissens kein Steuerparadies. Wie kann es dann sein, dass die Banco Castello de Untaba mit absoluter Steuerfreiheit wirbt? Mit diesem anscheinend offiziellen Schreiben hat Joanna Maddison mögliche Anleger geködert. Es muss aber gefälscht sein, denn auf Honduras gibt es keine Steuerfreiheit.«
Ich nickte. »Das müssen wir abklären. Ich rufe im Außenministerium an.«
Kurze Zeit später hatte ich Scott Coleman, den zuständigen Sekretär für Honduras, am Apparat. Wir hatten neulich schon einmal das Vergnügen gehabt. Ich stellte auf Lautsprecher und konfrontierte ihn mit meinem Anliegen und Phils Erkenntnis.
»Inspektor Decker hat natürlich recht«, antwortete Coleman umgehend. »Die Republik Honduras zählt nicht zu den Steuerparadiesen. Die Insel Untaba, die zu Honduras gehört, bildet neuerdings jedoch eine Ausnahme.«
»Ja?«, fragte ich gespannt.
»So ist es, Inspektor Cotton. Sie wissen ja, dass Ricardo Castello der heimliche Herrscher von Untaba und deren Wohltäter ist. Über seine neu gegründete CITU-Partei, in der er Gleichgesinnte sammelt, will er sich vom honduranischen Staat unabhängig machen …«
»Das weiß ich, ja.«
»… weil er glaubt, dass er nur so die wirtschaftliche Prosperität Untabas, die weit über der allgemeinen Honduras’ liegt, aufrechterhalten kann«, fuhr der Sekretär ungerührt fort. »Wie es aussieht, hat Castello einen goldrichtigen Gedanken gehabt. Immer mehr reiche und vor allem einflussreiche Leute bekennen sich offen zu seiner Partei, darunter auch hochrangige US-amerikanische Politiker wie der Gouverneur von Kentucky …«
»James Sheppard.«
»So heißt der Mann, Inspektor, ja.«
Ich konnte Coleman förmlich grinsen sehen.
»Castellos Taktik hat jetzt einen ersten Wirkungstreffer erzielt«, fuhr er fort. »Mister Castello ist ja nicht irgendwer, sondern der Vorsitzende des honduranischen Nationalkongresses und einer der einflussreichsten Männer des Landes. Um ihn zu besänftigen und zum Einlenken zu bewegen, hat ihm der honduranische Präsident Isidor Flores vor zwei Monaten die geforderte Steuerhoheit über die Insel Untaba erteilt. Um ausländische Investoren auf die Insel zu locken, hat Castello die absolute Steuerfreiheit für sie ausgerufen.«
»Ich glaub’s nicht«, murmelte Phil. »Warum ist das bisher nicht öffentlich geworden?«
»Weil das Teil des Deals zwischen Flores und Castello ist«, antwortete Coleman. »Der Präsident will natürlich nicht, dass diese selbst eingeleitete Teilentmachtung öffentlich wird. Deswegen darf Castello nicht offiziell um ausländische Investoren werben, sondern nur unter der Hand.«
»Das ist verrückt«, erwiderte ich. »Auf Dauer lässt sich das doch niemals geheim halten.«
»Da bin ich ganz bei Ihnen, Inspektor Cotton. Wir glauben, dass Präsident Flores auf Zeit spielt. Der Mann führt sein Land gerade in eine Militärdiktatur, lässt es im Chaos versinken und geht über Leichen. Honduras hat inzwischen eine der höchsten Mordraten weltweit. Flores ist absolut skrupellos. Gut möglich, dass er versuchen wird, Castello jetzt doch eliminieren zu lassen.«
»Sicherlich hat Juan Contarras von dieser Lex Castello erfahren«, sagte ich.
»Der Anwalt?«, kam es zurück. »Davon ist auszugehen. Schließlich vertritt Contarras Castello nicht nur anwaltlich, die beiden sind sogar gute Freunde.«
»Eben«, knurrte ich. »Und so hat Contarras die Lex Castello blitzschnell auf seine Weise genutzt, um US-amerikanische Anleger über von Joanna Maddison gegründeten Briefkastenfirmen ins neue Steuerparadies zu locken.«
»Tatsächlich? Ist das so? Davon haben wir keinerlei Kenntnis.«
»Aber wir, Mister Secretary. Danke für die Aufklärung. Sie haben uns sehr geholfen.« Ich drückte das Gespräch weg.
»Jetzt werden wir in jedem einzelnen Fall überprüfen müssen, ob die Briefkastenfirmen illegal sind. Das wird eine Sisyphusarbeit«, knurrte Phil. »Aber ich setze schon jetzt tausend Dollar, dass kein Cent der auf Untaba deponierten Gelder in den USA versteuert wurde. Und weitere tausend Dollar darauf, dass keiner der Anleger seinen Erstwohnsitz in Honduras hat. Dann handelt es sich in jedem Fall um Steuerhinterziehung.«
»Genau«, erwiderte ich langsam. »Jeder muss sein Geld dort versteuern, wo er seinen Erstwohnsitz hat. Da, schau mal, aus diesen Kontoauszügen wird deutlich ersichtlich, wie fleißig Joanna Maddison große Summen hin und her verschoben hat. Ich denke, wir sollten die Namen der Anleger mit unseren Suchlisten und Dossiers abgleichen.«
Phil lächelte breit. »Du nimmst mir die Worte aus dem Mund, Jerry.«
Nach gut einer Stunde hatten wir die Ergebnisse vorliegen. Nicht weniger als siebzehn Anleger und sieben Firmen standen im Verdacht, mit kriminellen Institutionen zu kooperieren oder selbst der Mafia anzugehören.
»Die werden durchdrehen, wenn sie so viel Geld verlieren«, sagte Phil und biss in einen Burger. »Wir werden nämlich jeden Cent beschlagnahmen, der illegal dort liegt. Möglicherweise droht der CITU jetzt auch von dieser Seite Ungemach. Von der Konkurrenz, meine ich.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das glaube ich kaum. Jetzt wette ich tausend Dollar, dass die Anleger nur Joanna Maddison kannten und nicht wussten, für wen sie wirklich arbeitete.«
»Auch wieder wahr.«
»Auf jeden Fall müssen wir bei den Mafia-Verdächtigen davon ausgehen, dass es sich um Summen aus illegalen Geschäften handelt, die auf den untabischen Offshore-Konten gewaschen werden sollten. Diese Geldflüsse werden wir zuerst überprüfen …«
»… lassen«, ergänzte Phil. »Dazu brauchen wir die Hilfe unserer Spezialisten, das schaffen wir niemals allein.«
»Sicher.«
Wir setzten unsere Arbeit fort. Beim nächsten Stapel handelte es sich um Gedächtnisprotokolle von Gesprächen, die Joanna Maddison mit einem C. oder »El Virrey«, zumeist mit V abgekürzt, geführt hatte.
»Ob C. Contarras ist?«, mutmaßte ich. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, schließlich wussten wir inzwischen, dass die Anwältin tatsächlich von Contarras für die CITU rekrutiert worden war. Und dass Contarras als »hohes Tier« bei der CITU agierte. Aber wie hoch?
»Hm«, murmelte Phil nachdenklich. »Innerhalb der CITU hatte Joanna Maddison den Rang einer Condesa, einer Gräfin, inne. Es gibt auch Barone, aber die sind, nach allem, was wir wissen, den Grafen untergeordnet. Bisher haben wir von keinem Rang erfahren, der über den Grafen steht.«
»El Virrey, der Vize«, gab ich gedehnt zurück. »Wer immer das sein mag. Wenn wir davon ausgehen, dass Joanna Maddison ihre Gesprächspartner immer mit demselben Buchstaben abgekürzt hat, so wie es die allermeisten Leute tun würden, kann es sich bei C. und dem Vize nicht um ein- und dieselbe Person handeln. Dann dürfte Contarras entweder zwischen der Grafenebene und dem Vize angeordnet sein. Oder …«
»… er steht über dem Vize und ist tatsächlich der Chef der CITU, was wir ja ohnehin schon die ganze Zeit vermuten«, führte Phil meinen Gedanken fort. »Checken wir mal, was Joanna Maddison mit den beiden alles beredet hat.«
»Unglaublich«, stieß ich nach einer Weile hervor. »Schau mal da. Hier haben sie minutiös ausgetüftelt, wie sie uns beide mit dem angeblichen Steuerbetrug drankriegen. Alle möglichen Varianten hat die Anwältin notiert, sie muss ein überragendes Gedächtnis gehabt haben.«
Phil stieß die Luft aus den aufgeblasenen Wangen. »Das ist der letzte Beweis für unsere Unschuld. Schwarz auf Weiß. Jetzt bleibt nicht mehr das kleinste Bisschen an uns hängen. Du siehst mich gerade extrem erleichtert.«
In anderen Gesprächen, allesamt mit C. geführt, wurden die Namen hochrangiger US-Politiker diskutiert, die man mit etwas Schmiergeld leicht dazu bringen konnte, sich für die Unabhängigkeit Untabas einzusetzen. Aus irgendeinem Grund, den wir noch nicht kannten, war es auch Contarras wichtig, dass sich US-amerikanische Politiker öffentlich für die politische CITU stark machten. Auch über diejenigen wurde gesprochen, die man unbedingt als Unterstützer haben wollte, die jedoch erpresst werden mussten. Außerdem wurden erste Erpressungsstrategien diskutiert. Wir konnten es kaum glauben, welche Schätze uns hier in die Hände gefallen waren. Anscheinend war es der CITU wichtig, auch Leland Bird, den Gouverneur von Illinois, in die Reihe der Unterstützer einzugliedern. Das wünschte »El Rey« ausdrücklich.
»Der König?«, fragte Phil verblüfft. »Mensch, Jerry, wenn Contarras vom König redet, dann steht er wohl doch nicht ganz oben.«
»Ja. Aber bisher ist es nur eine Annahme, dass C. Contarras ist«, gab ich zu bedenken. »Was ist denn das? Wow. Schau mal. C. redet davon, dass man Bird mit der Callgirl-Methode überreden könne, was ja auch bei Sheppard schon hervorragend funktioniert habe.«
»Sie haben den Gouverneur von Kentucky also wegen einer Callgirl-Affäre in der Hand. Dieses Schwein«, stieß Phil hervor. »Wenn Sheppard öffentlich einen auf Familienmensch macht, könnte man es ihm fast glauben.«
Wir fanden Querverweise auf weitere Protokolle, die aber nicht auf dem Stick gespeichert waren. Deswegen war schon bald offensichtlich, dass dieser Datenträger höchstens einen Teil der Maddison’schen Unterlagen enthielt. Laut Aussage von Joanna Maddisons Sekretärin hatte ihre Chefin zusätzlich ein Notebook besessen, das Gillespie nicht in die Hände gefallen, aber trotzdem ebenfalls verschwunden war. Trotz intensiver Suche hatten wir es bisher nicht finden können. Wenn es die CITU allerdings an sich gebracht hatte, war es für uns verloren. Das war bisher aber reine Spekulation.
Joanna Maddisons Ehemann Graham hatte sich die letzten sechs Wochen in Europa aufgehalten, ihn hatten wir also auch nicht befragen können. Vor zwei Tagen war Maddison allerdings wieder eingereist, wie wir nach einem Hinweis der Homeland Security erfahren hatten. Das Gespräch mit ihm würden wir demnächst nachholen.
»Ich denke, dass Joanna Maddison die Finanzchefin der CITU gewesen ist«, resümierte Phil spätabends, während er sich streckte und ausgiebig gähnte. »Und nicht nur das. Aufgrund dieser Protokolle dürfen wir außerdem annehmen, dass sie eine enge Vertraute von C. und dem Vize war. Möglicherweise war sie mit beiden im Bett. Laut ihrer Sekretärin war Joanna Maddison ein Luder, das ständig Liebhaber hatte.«
»Das allein reicht nicht, um sich das Vertrauen von Gangsterbossen zu erschleichen.«
Phil lächelte schief. »Aber es hilft. Du hast recht. Sie war außerdem intelligent und äußerst gefährlich. Ich glaube, dass C. und dem Vize die Existenz dieser Gedächtnisprotokolle alles andere als angenehm wären, wenn sie davon wüssten. Joanna Maddison hat sie sicher nicht nur als Gedächtnisstütze angefertigt.«
»Du meinst, sie wollte die Bosse irgendwann erpressen?«, fragte ich.
»Wäre doch möglich, oder? Zumindest wollte sie sich absichern. Genützt hat es ihr trotzdem nichts.«
»Umso wichtiger wäre es für uns«, erwiderte ich, »auch noch den Rest der Unterlagen in die Hände zu bekommen. Wir müssen unbedingt das Notebook von Joanna Maddison finden. Ich bin sicher, dass sie dort drauf sind.«
»Ja. Aber nicht mehr heute. Lass uns Schluss machen, Jerry. Ich bin hundemüde.«
***
Hopkinsville, Kentucky
Polizeichef Hank Pinner stieg gerade unter die Bettdecke, als sein Diensthandy klingelte. Er angelte es vom Nachttisch und schaute auf das Display. »Das Department«, sagte er. »Riecht nach Arbeit.«