Jerry Cotton 3194 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3194 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

In einer Drogenhöhle in Jackson, Mississippi trafen sich regelmäßig Drogendealer und Fixer. Eines Nachts raste ein SUV mit maskierten Männer heran. Sie stürmten das Gebäude, eröffneten das Feuer und töteten alle Anwesenden, darunter Geoffrey Sheridan, den Sohn eines republikanischen Politikers. Zurück blieb die mit Graffiti gesprühte Botschaft Fuego nutrido - Trommelfeuer. Wir fragten uns, ob Sheridan drogenabhängig gewesen war oder gedealt hatte. Vielleicht war er aber auch nur ein Kollateralschaden eines Bandenkriegs. Doch bevor wir Klarheit bekamen, gerieten wir selbst massiv unter Beschuss ...

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Seitenzahl: 138

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Inhalt

Cover

Impressum

Ruhe sanft im Trommelfeuer

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Postal«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6499-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ruhe sanft im Trommelfeuer

Mit kreischenden Bremsen kamen die beiden schwarzen Geländelimousinen vor der schäbigen Shisha-Bar zum Stehen. Acht maskierte Männer mit Sturmgewehren sprangen aus den SUVs und stürmten in das Gebäude. Wortlos nahmen sie die Anwesenden ins Visier.

Die Kordit geschwängerte Luft vibrierte von den Feuerstößen und den gellenden Schreien der Dealer, Fixer und Junkies. In Todesangst versuchten diejenigen, die noch nicht so high waren, unter Tische und Bänke zu kriechen. Doch der bleierne Tod fand auch sie. Das Massaker dauerte keine zwei Minuten. Dann kehrte Stille ein.

Die Maskierten sahen sich um, um sich zu vergewissern, dass sie auch alle erledigt hatten. In stummem Einverständnis nickten sie sich gegenseitig zu. Einer holte aus seiner dunklen Jacke eine Spraydose hervor und sprühte einen Schriftzug auf den blinden Spiegel hinter der Theke. Anschließend verschwanden die Männer mit ihren SUVs genauso schnell, wie sie gekommen waren. Neben dem Tod und dem Blut blieb noch ein Graffiti zurück: Fuego Nutrido!

Eigentlich war es ein guter Morgen. Die Spätsommersonne, die von einem stahlblauen Himmel über Washington lachte, schickte ihre ersten Strahlen in unsere Büros. Die Luft, die durch das gekippte Fenster hereinwehte, war frisch und klar und die Temperaturen angenehm. Der Kaffee aus Dorothys Espressomaschine schmeckte wie immer ausgezeichnet. Selbst der Papierkram hielt sich in Grenzen, sodass ich weitgehend Ruhe vor der Buchhaltung hatte. Ich konnte also nicht klagen – bis Phil und ich in Mr Highs Büro beordert wurden. Kaum hatten wir uns dort an den Konferenztisch gesetzt, als unser Chef auch schon begann.

»Vor knapp einer Stunde habe ich einen Anruf aus Jackson, Mississippi erhalten. SAC Brandon vom dortigen Field Office hat um Amtshilfe ersucht.«

Ich wechselte einen schnellen Blick mit Phil. Wir kannten Peter Brandon, hatten wir doch schon öfters mit ihm zusammengearbeitet.

»Am gestrigen Abend gegen neun Uhr wurde in Jackson eine Shisha-Bar überfallen. Eigentlich eine Drogenhöhle, in der sich stadtbekannte Dealer, Junkies und Fixer treffen«, fuhr der Assistant Director fort. »Die Täter gingen nicht nur äußerst brutal, sondern auch mit militärischer Präzision vor. Innerhalb kürzester Zeit töteten sie ein Dutzend wehrlose Menschen. Dafür benutzten sie, wie die Ballistiker inzwischen feststellten, AK-zwölf-Kalaschnikow-Sturmgewehre. Es muss sich um mindestens acht Schützen gehandelt haben.«

Um seinen Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen, legte der Chef Fotos vom Tatort auf den Tisch. Das Innere der Shisha-Bar glich einem Schlachtfeld. Überall lagen Leichen in ihrem eigenen Blut. Die Einrichtungsgegenstände waren von den abgefeuerten Projektilen durchlöchert und zersiebt. Wer immer dieses Massaker auch angerichtet hatte, machte sich eines Massenmords schuldig!

»Gibt es irgendeinen Hinweis auf die Identität der Täter?«, wollte ich wissen.

Mr High schüttelte den Kopf. »Weder DNA-Spuren noch Fingerabdrücke, Haare, Fasern oder anderes Spurenmaterial. Außerdem gibt es weder vor noch in der Bar Überwachungskameras. Ohnehin liegt das Gebäude in einem Problemviertel der Stadt etwas abseits. Die Täter sind vermutlich mit zwei Fahrzeugen vor die Bar gefahren, um nach dem Überfall schnell wieder zu verschwinden.«

»Wie sieht es mit eventuellen Augenzeugen in unmittelbarer Umgebung der Bar aus?«, fragte Phil.

»Ebenfalls Fehlanzeige«, entgegnete der AD.

Phil und ich starrten immer noch fassungslos auf die Fotos. Sie zeigten nicht nur einen Tatort, sondern auch das unsagbar Böse, Sadistische, zu dem Menschen tatsächlich fähig waren.

»Der einzige Hinweis auf ein mögliches Motiv ist der hier.« Mr High legte eine weitere Aufnahme vor uns hin. Diese zeigte ein auf den Spiegel hinter dem Bartresen gesprühtes Graffiti: Fuego Nutrido!

»Was heißt das?« Gespannt sahen wir unseren Chef an.

»Das kann Ihnen bestimmt Brandon erklären, Jerry, sobald Sie in Jackson eingetroffen sind. Der SAC hat nicht nur wegen des äußerst brutalen Vorgehens der Täter und der Befürchtung, dass es zu weiteren Anschlägen kommen könnte, um Unterstützung gebeten.« Mr High machte eine kurze Pause. »Doch da wäre noch etwas.«

Wie bei einem Kartenspiel legte der Chef ein weiteres Foto auf den Tisch. Ein Mann in mittleren Jahren mit dichtem schwarzen Haar, dunklen Augen und einem schmalen, blassen Gesicht blickte uns an.

»Das ist Geoffrey Sheridan«, erklärte Mr High. »PR-Agent und Sohn von Conrad Sheridan, einem republikanischen Politiker, der in Mississippi für den Sitz des Gouverneurs kandidiert. Er war ebenfalls in der Shisha-Bar.« Das letzte Foto folgte. Darauf war ein mit Kugeln durchsiebter Toter zu sehen, dessen entstelltes Gesicht nur noch entfernt Ähnlichkeit mit dem Politikersohn hatte. »Geoffrey Sheridan wurde ebenfalls erschossen. Warum und weshalb er sich überhaupt an diesem verruchten Ort aufgehalten hat, ist unklar. Sie sehen also, dass das Massaker durchaus auch eine politische Komponente hat.«

»Ist Geoffrey Sheridan vielleicht selbst drogenabhängig gewesen?« Mein Partner konnte den Blick von dem Bild nicht lösen. »Das würde erklären, weshalb er sich dort hinbegeben hat.«

»Das erfahren Sie, sobald die Obduktionsergebnisse vorliegen, Phil. Sie werden noch heute nach Jackson fliegen, um Brandon und sein Team zu unterstützen. Das ist alles.«

Damit war die Unterredung beendet – und wir um einen neuen Fall reicher. Noch konnten wir nicht ahnen, dass er uns in die dunkelsten Abgründe der menschlichen Seele führen würde.

***

Das war tatsächlich viel Holz, eigentlich ein ganzer Wald, durch den sich unsere Kollegen vom zuständigen Field Office durchschlagen mussten. Sicher machte der republikanische Politiker bereits mächtig Druck auf die Ermittler, den Tod seines Sohns möglichst schnell aufzuklären. Darüber unterhielt ich mich mit Phil während des knapp zweistündigen Direktflugs von Washington nach Jackson, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Mississippi.

Wenig später saßen wir im Field Office am Echelon Parkway Special Agent in Charge Peter Brandon gegenüber. Der mittelgroße, glatzköpfige Farbige war sichtlich erleichtert, uns zu sehen.

Obwohl die Agents auf Hochtouren ermittelten, gab es noch keine weiteren Neuigkeiten. Auch die Obduktionsergebnisse ließen auf sich warten. Die Gerichtsmediziner waren völlig überlastet. Kein Wunder bei der hohen Anzahl der Toten.

»Was wissen Sie über Geoffrey Sheridan?« Phil sah Brandon interessiert an.

»Sheridan führte ein ganz normales Leben, war verheiratet, jedoch kinderlos und in einer PR-Agentur in Jackson angestellt. Er ist weder vorbestraft noch anderweitig in Erscheinung getreten. Strafrechtlich also ein völlig unbeschriebenes Blatt.«

»Hatte er je etwas mit Drogen zu tun?«, hakte ich nach.

Der SAC schüttelte den Kopf. »Offiziell jedenfalls nicht. Selbst wenn er suchtabhängig gewesen sein sollte, was uns die Obduktionsergebnisse verraten werden, wäre es äußerst ungewöhnlich für einen Mann mit tadellosem Ruf, diese Drogenhöhle aufzusuchen.«

»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, warf ich ein. »Vielleicht war Sheridan kein Junkie, sondern ein Dealer.«

Brandon blickte mich fest an. »Möglich ist alles.«

»Oder der Politikersohn wurde das Opfer eines Bandenkriegs«, gab Phil zu bedenken. »Eine Art Kollateralschaden.«

»Der Gedanke liegt zwar nahe, aber wir schließen ihn vorerst aus, Inspektor Decker.« Der SAC sah uns abwechselnd an. »Der illegale Drogenhandel hier in Jackson ist zwischen verschiedenen Kartellen aufgeteilt. Diese versorgen die Szene mit Heroin, Meskalin, Kokain, LSD, Ecstasy, Opium und Steroide bis weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus. Der Stoff stammt überwiegend aus Kolumbien, Venezuela, Mexiko und aus der Karibik. Allerdings gehört nach unseren Erkenntnissen keines der Opfer einem dieser Kartelle an. Deshalb kann sehr wahrscheinlich ein irgendwie gearteter Rachefeldzug ausgeschlossen werden.«

»Meinen Sie, dass es sich dann um Zufallsopfer handelt?« Phil rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum.

»Auch das wissen wir noch nicht. Vielleicht richtete sich der Anschlag auch gegen Dealer und Junkies allgemein.«

Ich räusperte mich. »Und was hat es mit diesem Graffiti, das in der Bar an die Wand gesprüht wurde, auf sich? Damit wollten die Täter irgendetwas bezwecken.«

Brandon nickte. »Inzwischen haben wir herausgefunden, was Fuego Nutrido heißt. Das ist Spanisch und bedeutet so viel wie Trommelfeuer.«

»Trommelfeuer?«, wiederholte ich laut. »Eine Gangbezeichnung oder etwas Ähnliches?«

Der SAC zuckte mit den Schultern. »Weder bei uns, der DEA noch im Raubdezernat oder der Drogenfahndung vom Police Department in Jackson ist eine Bande mit diesem Namen bekannt. Auch bundesweit nicht. Dahingehend tappen wir ebenfalls noch im Dunkeln.«

»Wir würden uns gerne mal den Tatort aus der Nähe ansehen«, meinte ich.

»Natürlich, Inspektor Cotton. Agent Tom Melville wird Sie begleiten.«

Brandon stand auf, öffnete die Bürotür und rief einen breitschultrigen, blonden Kollegen mit einem freundlichen, sommersprossigen Jungengesicht herein. Minuten später saßen wir in seinem Dienstwagen, einem Ford Interceptor Stealth, der uns in die verrufenen Winkel der Stadt brachte.

Unterwegs erklärte uns der Agent, dass der Baumwollstaat nach wie vor zu den ärmsten der USA zählte. Nicht nur die Arbeitslosenquote war höher als im Landesdurchschnitt, sondern auch die Armutsrate. Zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten trugen auch die jährlich wiederkehrenden Naturkatastrophen bei.

Das Übel des Rassismus war längst noch nicht ausgerottet, und der Ku-Klux-Klan erfreute sich weiter regen Zulaufs. Das Verhältnis zwischen der weißen Mehrheits- und der schwarzen Minderheitsbevölkerung war oft durch Misstrauen und Argwohn getrübt. Dennoch hatte es so ein Massaker wie in der Shisha-Bar zuvor noch nie gegeben.

Bei den Stadtverantwortlichen lagen deshalb die Nerven blank. Ihre Angst, dass sich die sozialen und ethnischen Spannungen dadurch noch verschärften, war groß und sicher nicht unberechtigt. Schon jetzt bestand die Gefahr, dass dieser Vorfall die Gemüter in der Stadt weiter spaltete. Denn acht der zwölf Opfer waren Farbige. Wiederum andere Stimmen sprachen bereits von einer Todesschwadron, die endlich mit den verdammten Junkies aufräumte.

Die Shisha-Bar lag in einem gottverlassenen, heruntergekommenen Viertel. Bei den Gebäuden mit den schäbigen Fassaden rings herum handelte es sich um leer stehende, zumeist halb zerfallene Lagerhallen. Der gesprungene Zement der Gehsteige war mit Unrat übersät.

Direkt vor der Drogenhöhle standen nach wie vor Fahrzeuge der CSI. Phil und ich gingen hinein, begleitet von Agent Melville, der uns die Kollegen von der Spurensicherung vorstellte. Dann ging er wieder nach draußen, um eine zu rauchen.

In der Bar sah es schlimm aus. Die Einrichtung war ziemlich schlicht. Der gelbliche Linoleumboden war voller schwarzer Flecken von ausgedrückten und zertretenen Joint- oder Zigarettenkippen und nun auch rot vom Blut, das hier vergossen worden war. Der metallische Geruch überlagerte immer noch alles andere. Er nahm mir fast den Atem. Tische und Stühle stammten garantiert aus den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Weiter hinten stand ein Pooltisch. Eine Dartscheibe hing an einer Wand, an der der Verputz herunterbröckelte.

Überall starrten uns Einschusslöcher entgegen. Es wirkte so, als hätte in dem rechteckigen, lang gezogenen Raum ein Bleigewitter getobt.

Bis auf die Tatsache, dass die Leichen längst in die Gerichtsmedizin gebracht worden waren, sah alles aus wie auf den Tatortfotos.

»Haben Sie schon gezählt, wie viele Projektile abgefeuert wurden?«, fragte ich einen der Experten der forensischen Ballistik.

Der Mann schüttelte den Kopf. »Noch haben wir nicht alle sichergestellt, Inspektor Cotton.«

»Und wo lag die Leiche von Mister Sheridan?«, wollte Phil wissen.

Der Kollege zeigte uns die Stelle. Offenbar war der Politikersohn auf einer Zweiercouch, die seitlich des Bartresens stand, vom Kugelhagel überrascht worden.

Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten mit den Spurensicherungsexperten, dann verließen wir die Bar. Es war eine wahre Wohltat, als wir wieder ins grelle Sonnenlicht hinaustraten. Gierig saugte ich die frische Spätsommerluft in meine Lungen. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass der Blutgeruch in meinen Haaren und auf der Kleidung haften blieb.

»Haben Sie genug gesehen?«, erkundigte sich Agent Melville, in dessen Mundwinkel eine Kippe klebte.

Ich nickte. »Das haben wir.«

***

Pinky Chicken war high bis in die Haarspitzen. »Heilige Mutter Gottes, ich glaube, ich bin Jesus!«, brabbelte er fast unverständlich zu dem Rastatypen, einem Farbigen, so dünn wie ein Bleistift, mit einer runzeligen, faltigen Mumienhaut, der neben ihm im kurz geschnittenen Gras des Livingston Park saß.

Statt einer Antwort grinste dieser genauso dämlich, weil er ebenfalls stoned war.

Die glasigen Augen der beiden Junkies folgten den Besuchern des Zoologischen Gartens, der gleich neben dem Park lag. Vor allem gafften sie den mit Miniröcken oder Hotpants bekleideten jungen Frauen hinterher, die mit ihren Kindern hineingingen.

»Wäre mal wieder Zeit für ’ne Alte«, krächzte der Rastamann und leckte sich mit der Zunge über die aufgeworfenen Lippen.

Pinky Chicken, der in der Szene so hieß, weil er bekannt dafür war, Brathähnchen nur halbgar zu essen, kicherte. »Yeah, das kannst du laut sagen.« Sein Blick wanderte zu der nur wenige Yards von ihm entfernten Baumgruppe, in deren Schatten ein halbes Dutzend anderer Junkies Lager bezogen hatte. Zwei von ihnen setzten sich gerade eine Nadel.

Der Rastamann seufzte auf. So schlecht war ihr Leben eigentlich gar nicht. Gewiss mussten sie sich immer wieder Kohle für den nächsten Schuss besorgen. Aber war das erst mal geschafft, dann konnten sie sich hier ins Gras legen und den jungen Sexbomben hinterherglotzen, wie sie mit ihren Titten und Ärschen wackelten. Es gab bestimmt Schlimmeres.

Pinky Chicken kicherte erneut. Der Rastamann an seiner Seite schwebte inzwischen im Drogenrausch in einer anderen Welt.

So gut es ihm unter den flatternden Augenlidern möglich war, konzentrierte sich Pinky Chicken auf eine große, schlanke Blondine, die gerade auf Highheels an ihrer Wiese vorbeistöckelte. Dabei würdigte sie die Junkies keines Blickes, sondern beschleunigte ihren Gang.

»Bist wohl zu fein für uns«, rief ihr der Farbige mit wachsendem Zorn hinterher.

Schwankend kam Pinky Chicken in die Höhe und vollführte mit Hüfte und Becken anzügliche Bewegungen in ihre Richtung. »Brauchst vielleicht so was, Baby?« Er wollte der eingebildeten Tussi noch etwas Unflätiges hinterherrufen. Doch die Worte blieben ihm im Hals stecken.

Denn plötzlich rasten zwei schwarze SUVs mit so hoher Geschwindigkeit um die Ecke des Parks, dass es für einen Moment so aussah, als würden die Fahrer die Kontrolle verlieren. Kurz bevor die Wagen in Höhe der Junkies waren, glitten auf der rechten Seite Beifahrer- und Mittelfenster hinunter. Gewehrläufe erschienen, auf denen die Sonnenstrahlen reflektierten. Dahinter mit Skimasken verdeckte Gesichter.

Abrupt verringerten die Geländewagen die Geschwindigkeit, um den Schützen das Zielen zu erleichtern.

Irgendwo in Pinky Chickens benebelten Gehirnwindungen schrillten die Alarmglocken. Dennoch war er viel zu träge, um in dieser Todesgefahr das Richtige zu tun.

Als die Sturmgewehre losdonnerten, versank die Welt um ihn herum in Blei und Blut.

Unter den Feuerstößen wurden die Junkies an der Baumgruppe gegenüber wie Puppen hin- und hergeworfen. Von Kugeln durchsiebt brachen sie auf dem Gras zusammen. Der Kopf des Rastamanns neben Pinky Chicken zersprang wie eine reife Melone. Er kam nicht einmal mehr zum Schreien.

Pinky Chicken versuchte, klar zu denken. Aber der Stoff in seinem Blutkreislauf verhinderte dies. In seinem Inneren zog sich alles zusammen. Nackte Todesangst schnürte ihm die Kehle zu. Aus den Augenwinkeln sah er wie in Zeitlupe, wie die Mündungen der Gewehre, die aus den SUVs herausragten, nun ihn ins Visier nahmen.

Er wollte weg! Einfach nur weg, um sein armseliges Leben rennen, doch die dünnen, ausgemergelten Beine gaben unter ihm nach. Noch mitten im Fallen wurde er vom Kugelhagel getroffen.

Jähe Dunkelheit sprang Pinky Chicken an, zerrte ihn hinab in einen bodenlosen Abgrund. Tiefer und endgültiger als jeder Drogenrausch.

***

Wir kamen kaum zum Durchatmen. Phil und ich wollten zu Geoffrey Sheridans Frau Angela aufbrechen, als uns der SAC auf dem Korridor des Field Office zurückhielt.

»Gerade wurde ich vom Police Department über eine Schießerei in der Nähe des Zoologischen Gartens informiert«, sagte er mit ernster Miene. »Aus zwei SUVs wurde auf eine Gruppe von Junkies gefeuert. Acht von ihnen sind tot.«

Phil, Agent Melville und ich machten uns sofort mit dem Dienstwagen auf den Weg zum Livingstone Park Drive. Der Tatort war mit Absperrbändern weiträumig abgeriegelt. Dünne Decken verbargen die Leichen vor den Blicken der Schaulustigen. Die Spurensicherung war bereits vor Ort, ebenso der Coroner. Wir kannten einige der Kollegen, die Spuren mit Fotos sicherten, die Körperpositionen der Toten aufzeichneten und Hülsen und Geschosse sicherstellten, bereits aus der Shisha-Bar. Der ein oder andere nickte uns stumm zu, um sich gleich darauf wieder seiner Arbeit zu widmen. Das FBI hatte die Ermittlungen übernommen, weil sie ganz offensichtlich im Zusammenhang mit dem Massaker in der Bar standen.

Der Leiter der Mordkommission war Detective Bernie Redcliff, ein baumlanger, vierschrötiger Mann mit militärisch kurzem Haarschnitt und Pockennarbengesicht.

Eine junge blonde Frau fiel mir auf, die weinend auf dem Beifahrersitz eines Streifenwagens saß. Ich sprach einen Cop auf sie an. Er erklärte, dass sie eine Augenzeugin sei. Ich ging zu ihr hinüber, zeigte ihr meinen Dienstausweis und fragte sie, ob sie ein paar Fragen beantworten könne.