Jerry Cotton 3195 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3195 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Seit Langem schon waren Phil und ich einer hochkriminellen Organisation auf der Spur - der CITU, die ihren Sitz auf der honduranischen Insel Untaba hatte. Endlich standen wir kurz davor, den Kopf der Bande hochzunehmen und die gesamte Organisation endgültig zu zerschlagen. Dazu hatten wir den Mann nach Washington gelockt. Doch nachdem wir ihn festgenommen hatten, eröffnete er uns seelenruhig, er habe mehrere Bomben in der Stadt platziert. Und bevor wir irgendetwas dagegen unternehmen konnten, ging bereits die erste Bombe hoch!

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EPUB

Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Ein bombensicherer Coup

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Double Team«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6500-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ein bombensicherer Coup

6:05 Uhr, Adams Morgan, Washington

Police Officer J. P. Everett gähnte. Noch lag Dunkelheit über Washington, und in der 18th Street NW herrschte Stille. In Kürze würde sich das ändern, wenn das Straßenfest begann.

Der Officer streckte sich. Ein langer Tag lag vor ihm. Ein lauter, hektischer und chaotischer Tag. Everett hasste solche Tage.

Ein Pick-up bog in die 18th Ave ein und kam vor dem Streifenwagen zum Stehen.

»He«, rief Everett dem Mann zu, der aus dem Auto stieg. »Hier können Sie nicht stehen bleiben. Hier ist heute Parkverbot wegen des AdMo Fests.«

Der Kerl drehte sich um, und der Officer traute seinen Augen nicht. Der Lauf einer Pistole war auf ihn gerichtet!

Verdammte Scheiße, dachte er, als ein Knall die Nacht zerriss. Verwundert blickte Everett auf das Blut, das plötzlich aus seinem Körper quoll. Dann erst spürte er den Schmerz, und die Beine gaben unter ihm nach.

6:07 Uhr, Adams Morgan Neighborhood, Washington

In der Belmont Road erwachte Old Tremblehand von einem Knall, der die Nacht zerriss. Fluchend und schwerfällig erhob er sich hinter dem Busch, in dessen Schutz er geschlafen hatte. Es war noch dunkel, und die Welt drehte sich in seinem Kopf. Das war freilich nichts Neues für ihn, denn nach über zwanzig Jahren auf der Straße, die meisten davon im Vollrausch, hatte er sich den Namen Old Tremblehand, alte Zitterhand, redlich verdient. Seinen echten, den Geburtsnamen, hatte der Obdachlose längst vergessen.

Unmutig warf er einen Blick zum Himmel. Seine innere Uhr, die im Gegensatz zu allen anderen Sinnen erstaunlich gut funktionierte, sagte ihm, dass der Morgen bald grauen würde.

Old Tremblehand war müde. Verdammt müde. Am Abend zuvor hatte er in einem Mülleimer eine halb volle Flasche Bourbon gefunden. Seinen Rausch hatte er noch lange nicht ausgeschlafen. Aber hinter dem Busch konnte er nicht bleiben. Am zweiten Wochenende im September, am Adams Morgan Day, war in diesem Quartier rund um die 18th Street die Hölle los. Buden, Bühnen mit Livemusik, jede Menge Menschen. In drei, vier Stunden öffneten die ersten Verkaufsstände. Später am Tag würde sich auch Old Tremblehand unter das Partyvolk mischen, aber vorher musste er einen Schlafplatz finden, von dem ihn niemand verjagte.

Langsam schlurfte der Obdachlose hinüber zur 18th Street, wo die Buden und Bühnen im Mondlicht auf das große Ereignis warteten.

Plötzlich hörte er ein leises Husten. Er verbarg sich in einem Hauseingang, denn auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnte er einen Streifenwagen erkennen. Ein Cop war nun wirklich der Letzte, dem er begegnen wollte.

Vor dem Streifenwagen stand ein Pick-up, an dem sich gerade ein Kerl zu schaffen machte. Verwundert kratzte sich der Obdachlose das stoppelige Kinn. Was trieb der Typ da? Er zerrte etwas Großes, Schweres zum Wagen, öffnete die Tür und bugsierte seine Last unter großer Anstrengung hinein. Zwei lange, schlaffe Gliedmaßen hingen heraus. Großer Gott, die sahen ja aus wie menschliche Beine! Verlud der Kerl etwa eine Leiche?

Der Knall, der ihn geweckt hatte, fiel Old Tremblehand wieder ein. Ein Schuss?

Gut möglich. Aber der Obdachlose war es nicht gewohnt, sich auf seine Sinne zu verlassen, die ihm allzu häufig einen Streich spielten. Vielleicht hatte er den Knall nur geträumt.

Old Tremblehand wartete, bis der Kerl endlich fertig war, die Tür des Pick-up wieder verschloss, sich verstohlen umsah und Richtung Champlain Street verschwand.

Als die Luft rein war, schlich der Obdachlose hinüber zu dem Wagen und warf einen Blick hinein. Unter dem Beifahrersitz erkannte er einen Koffer. Hinter den Sitzen lag das unförmige Etwas auf dem Boden. Der Typ hatte eine schmutzige Decke darüber geworfen.

Es konnte nahezu alles sein: ein toter Mensch, ein totes Tier oder einfach nur ein Haufen Klamotten. Old Tremblehand zuckte mit den Schultern. Was ging es ihn an? Er war müde, verdammt müde.

Ein zufriedenes Grinsen breitete sich mit einem Mal auf seinem Gesicht aus. Die Fahrerkabine des Pick-up interessierte ihn nicht. Wohl aber die Ladefläche. Dort konnte man sich wunderbar ausstrecken und vor den Blicken der Vorbeigehenden verbergen. Ausschlafen, bevor der Rummel losging. Immer vorausgesetzt, der Typ kam nicht allzu früh zurück.

Umständlich kletterte der Obdachlose über die Ladeklappe, machte es sich gemütlich und verfiel fast augenblicklich in Tiefschlaf. An den Koffer und das unförmige Etwas verschwendete er keinen Gedanken mehr.

***

6:10 Uhr, Downtown Washington

Fiona Wakefield steckte den Schlüssel ins Schloss des Postboteneingangs, drehte ihn zweimal, öffnete die Tür und schaltete die Alarmanlage aus. Das musste schnell gehen, sonst gab es einen Heidenlärm, und der Sicherheitsdienst stand auf der Matte. Einmal war ihr das passiert, und es hatte endlos gedauert, bis alle Formalitäten wegen des falschen Alarms erledigt gewesen waren.

Die Postbotin seufzte. Sie mochte ihren Job, aber sie hasste es, am Wochenende zu arbeiten. An der zweiten Tür ließ sie ihre biometrischen Daten scannen, gab dem Automaten ihren Fingerabdruck und betrat endlich die Postzentrale.

Alle Briefe und Pakete waren schon nach Bestimmungsorten vorsortiert. Das meiste ging nach West Virginia. Die Kurierfahrerin verlud die größeren Sendungen in Kisten und die kleinen in eine Umhängetasche, die sie quer über der Schulter trug. Dann schleppte sie alles hinaus zu ihrem Ram ProMaster Cargo Van und verstaute es im Laderaum.

Die erste Tour startete immer so früh, später würde sie zurückkommen und weitere Eilpost abholen. An diesem Tag hatte sie jedoch noch einen Spezialauftrag zu erledigen.

»Nur ein kleiner Gefallen«, hatte Mr Right sie lächelnd gebeten und ihr die Autoschlüssel in die Hand gedrückt. Dann hatte er ihr genau erklärt, wohin sie den Wagen fahren und wie lange er dort parken sollte.

Die Kurierfahrerin startete ihren Transporter, schwenkte in den morgendlichen Verkehr ein, fuhr aber nur wenige Häuserblocks weiter in eine Tiefgarage. Dort ließ sie den Ram ProMaster stehen und fand den anderen Wagen, der ihrem Kurierfahrzeug täuschend ähnlich sah. Der Schlüssel von Mr Right passte. Fiona Wakefield ließ den Motor an und fuhr den Wagen zum vereinbarten Ort.

Einen Moment lang fragte sie sich, ob das alles seine Richtigkeit hatte. Vielleicht hatte Mr Right den Wagen gestohlen und wollte ihn deshalb über das Wochenende an einem sicheren Ort wissen?

Der Gedanke sollte sie eigentlich erschrecken, doch zu ihrer eigenen Verwunderung war das Gegenteil der Fall. Fiona Wakefield verspürte ein angenehmes Prickeln im Bauch. Ja, ihr Mr Right war ein verwegener Typ, ihm war alles zuzutrauen! Er brachte Farbe in ihren grauen Alltag.

Während sie das Garagentor verschloss und zu Fuß zu ihrem Kurierwagen in der Tiefgarage zurücklief, malte sie sich das nächste Treffen mit ihm aus. Was er alles mit ihr anstellen würde. Ganz sicher würde er ihr sein schönstes Lächeln schenken. Und nicht nur das.

***

6:15 Uhr, Hotel Blue Peafowl, Downtown Washington

Als die Tür des Hotelzimmers hinter ihrem Gatten ins Schloss fiel, öffnete Renee Sheppard die Augen. Vor einer halben Stunde hatte sein Wecker geklingelt, seither war auch sie wach. Aber sie hatte sich schlafend gestellt, um nicht mit ihm reden zu müssen. James war aufgestanden, hatte geduscht, sich rasiert, den guten Anzug übergestreift. Als er sie zum Abschied sanft auf die Stirn küsste, hätte sie sich beinahe verraten.

Renee seufzte. Ihr Mann war seit seiner Wahl zum Gouverneur von Kentucky so liebevoll zu ihr, wie zuvor lange nicht. Sie erlebten einen zweiten Honeymoon, und im Bett spielten sich Dinge ab, von denen Renee früher nicht einmal geträumt hatte. Sie sollte eigentlich seine glückliche First Lady sein. Stattdessen nagte der Kummer an ihr. Irgendetwas stimmte nicht mit James. Sie sah es an seiner gerunzelten Stirn, wenn er sich unbeobachtet fühlte. An den Sorgenfalten, die sich immer tiefer in sein Gesicht fraßen. Er nahm ab, aß nur noch das Nötigste.

Es kränkte Renee, dass James nicht mit ihr über seine Probleme sprach. Einmal hatte sie ihn direkt danach gefragt, aber er war ihr nur ausgewichen.

Was war los mit ihm? Was bedrückte den Gouverneur von Kentucky? Auch sein früher Aufbruch an diesem Morgen war rätselhaft. Im Hotel Blue Peafowl fand an diesem Wochenende das Herbstmeeting der NGA, der National Governors Association, statt. Sheppard war zum ersten Mal dabei. Einmal im Jahr trafen sich alle Gouverneure der fünfzig Bundesstaaten sowie der fünf US-Außengebiete, um wichtige überstaatliche Angelegenheiten zu besprechen. Die NGA war ein wichtiges Organ, wenn es darum ging, dem Präsidenten Empfehlungen und Anträge zu unterbreiten. Einstimmige Petitionen aller Gouverneure konnte selbst der Erste Mann im Staat nicht ignorieren.

James Sheppard war es gelungen, einen wichtigen Tagesordnungspunkt auf dem Meeting durchzusetzen, der ihm persönlich am Herzen lag: die Unabhängigkeitsbestrebungen von Untaba. Die kleine Karibikinsel, schon heute als Steuerparadies bekannt, wollte sich von der honduranischen Knechtschaft befreien, wie es Ricardo Castello, Großgrundbesitzer und selbst ernannter künftiger Staatschef, ausdrückte. Zu diesem Zweck hatte er eine Partei gegründet, die er CITU getauft hatte, Cooperatión Independiente Territorial Untaba.

Für eine glückende Unabhängigkeitserklärung war es allerdings unabdingbar, dass andere Staaten Untaba anerkannten. Am besten natürlich die USA.

Und das war der Haken bei der Sache, wie Renee Sheppard von ihrem Mann wusste. Honduras war einer der engsten lateinamerikanischen Verbündeten der USA, weshalb die US-amerikanische Regierung vor diktatorischen Tendenzen des Präsidenten Isidor Flores beide Augen verschloss. Eine offizielle Anerkennung des unabhängigen Untaba konnte das empfindliche Gleichgewicht nachhaltig stören.

Renee Sheppard verstand nicht viel von Politik. Das überließ sie lieber ihrem Mann, und sie beschränkte sich darauf, ihm den Rücken freizuhalten. James hatte die Untaba-Angelegenheit zu seiner eigenen gemacht. Weil er Ricardo Castello schätzte. Lagen darin seine Sorgen begründet?

Aber warum? Alles lief gut. Wenn sich die NGA mehrheitlich für die Anerkennung der Insel aussprach, musste der Präsident darauf reagieren. James war es nicht nur gelungen, einige andere Gouverneure von der Sache zu überzeugen, er hatte sogar den Außenminister zu einer Teilnahme am Herbstmeeting der NGA überreden können. Ein unabhängiges Untaba versprach für die USA Handels- und Steuervorteile, zumal Castello im Gegensatz zu Präsident Flores kein Despot war, sondern ein Großgrundbesitzer vom alten Schlag, einer, der sich um sein Volk kümmerte und es nicht nur ausbeutete.

Renee hatte Ricardo Castello vor einiger Zeit bei einem Besuch auf der Insel selbst kennengelernt. Ein reizender Mann. Und auch mit seiner Gattin Cristina hatte sie sich hervorragend verstanden. Ihre beiden Töchter Caitlin und Meghan hatten sich auf Anhieb mit der fünfzehnjährigen Niambi Castello angefreundet.

Ein Lächeln huschte über Renees Gesicht. Ricardo würde heute persönlich auf dem Meeting der NGA sprechen und sein Anliegen vorbringen. James hatte das arrangiert, und Renee freute sich auf das Wiedersehen. Wenn sich die Konferenz nicht allzu lange hinzog, war vielleicht sogar ein gemeinsames Abendessen mit dem frisch gebackenen Staatschef drin.

Sie sah das leere Bett neben sich, und der Kummer kehrte zurück. James hatte Geheimnisse vor ihr, das war offensichtlich. Warum war er so früh aus dem Hotelzimmer geschlichen? Das Meeting begann erst um zehn Uhr. Wo trieb er sich also herum? Was hatte er vor?

Renee schaltete die Nachttischlampe an und schaute sich im Zimmer um. Hatte James wenigstens eine Nachricht hinterlassen? Ihr Blick fiel auf einen der Sessel, und da lag seine Brieftasche. Er musste sie vergessen haben.

Die Gouverneursgattin stieg aus dem Bett und nahm das große Portemonnaie in die Hand. Ob etwas Wichtiges darin steckte?

Sie pfiff durch die Zähne. Viertausend Dollar! Ziemlich viel für einen gewöhnlichen Tag. Überhaupt war James immer recht gut bei Kasse, machte ihr teure Geschenke und lud sie zu luxuriösen Wochenendtrips ein. Nicht, dass Renee etwas dagegen gehabt hätte. Aber manchmal fragte sie sich schon, woher er das ganze Geld nahm.

In einem kleinen versteckten Nebenfach des Portemonnaies fand sie eine zerknautschte Visitenkarte. Inspektor Jerry Cotton stand darauf. FBI.

FBI? Renee Sheppard runzelte die Stirn und fühlte sich unbehaglicher denn je. Was hatte ihr Gatte mit dem FBI zu tun?

***

5:15 Uhr, Hacienda Castello, Untaba

»Du bist gemein!« Niambi Castello zog eine Schnute und warf trotzig ihr seidiges dunkles Haar zurück. Verstohlen streckte sie ihrem Vater die Zunge raus.

Cristina Castello sah es. »Du benimmst dich wie ein kleines Kind«, schalt sie. »Wenn uns dein Vater nicht in Washington dabeihaben will, wird er gute Gründe dafür haben.«

»Aber ich würde so gern Meg und Caitlin wiedersehen«, begehrte das Mädchen auf. »Sie dürfen doch auch mit ihrem Vater zu dem Meeting reisen. Warum ich nicht?«

»Weil ich es nicht will, mein Engel.« Ricardo Castello betrachtete seine Tochter ernst. Er liebte sie, schätzte ihre Intelligenz und auch die Leidenschaft, mit der sie sich in Dinge stürzte, die sie mochte. In diesen Punkten glich sie ihm sehr. Aber sie musste lernen, ihre Impulsivität zu zügeln.

»Ich wäre dir überhaupt nicht im Weg«, versuchte es Niambi weiter. »Ich könnte mit Meg und Caitlin und Mrs Sheppard shoppen gehen. Ich war noch nie in Washington. Ich möchte das Weiße Haus sehen! Das Kapitol!«

Castello lächelte. »Das alles läuft uns nicht davon, Darling. Sobald ich mit meinen schwierigen Staatsangelegenheiten fertig bin, sobald Untaba unabhängig ist, werde ich mit dir in die USA reisen und dir alles zeigen. Das verspreche ich dir.«

»Das kann ja noch ewig dauern. Ich will aber heute mitkommen! Bitte, Pa. Ich werde auch den ganzen Flug über schweigen und dich nicht bei den Vorbereitungen für deine Rede stören.«

»Darum geht es nicht, Niambi. Ich muss heute alle meine Sinne beieinanderhaben. Es ist vielleicht der wichtigste Tag in der Geschichte Untabas. Wenn sich die NGA mehrheitlich für die CITU ausspricht, komme ich heute Nacht als künftiger Staatschef zurück. Du wirst doch sicher verstehen, dass ich dafür einen völlig freien Kopf brauche. Wenn ich dich mitnähme, wäre ein Teil meiner Gedanken immer bei dir. So ist das bei Vätern, die ihre Töchter lieben.«

»Aber ich wäre doch bei den Sheppards gut aufgehoben.«

»Schluss jetzt«, schaltete sich Cristina Castello ein. »Du tust, was dein Vater sagt. Er hat heute wirklich Besseres zu tun, als sich mit dir zu streiten.«

»Aber …«

Ricardo Castello warf seiner Tochter einen warnenden Blick zu, und sie verstummte.

»Das ist gemein«, murmelte sie noch einmal, aber so leise, dass es niemand verstehen konnte.

»Geh auf dein Zimmer!«, befahl ihre Mutter. Kurz überlegte sie, ob sie das trotzige Mädchen einsperren sollte, aber Niambi war immerhin fünfzehn Jahre alt und fast erwachsen.

Als die Tochter mit finsterem Gesichtsausdruck den Raum verlassen hatte, fiel Cristina ihrem Mann in die Arme. »Pass gut auf dich auf, Ricardo«, sagte sie. »Kann wirklich nichts schiefgehen?«

»Nein, meine Taube. Ich habe vorgesorgt. Das Ganze ist ein bombensicherer Coup.« Er lachte leise und drückte Cristina fest an sich.

Dann machte er sich auf den Weg zu dem Privatjet, der ihn nach Washington bringen sollte.

***

6:45 Uhr, Hotel Blue Peafowl, Downtown Washington

Die Sonne ging gerade erst auf, als ich bei dem jungen Mann in der Hotelbar drei Kaffee bestellte. Er lächelte beflissen und brachte die Tassen trotz der frühen Uhrzeit an unseren Tisch.

Gouverneur Sheppard rückte seine Krawatte zurecht. Er wirkte nervös. »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, wiederholte er. »Glauben Sie mir etwa nicht?«

»Doch, natürlich«, beschwichtigte Phil. »Aber wir wollen alles noch einmal durchgehen, damit uns keine Fehler unterlaufen.«

Sheppard nickte und verschüttete beim Trinken seinen Kaffee. Die braune Brühe tropfte auf seine teure Anzugshose und hinterließ einen hässlichen Fleck.

»Meistens hatte ich mit Juan Contarras zu tun«, erklärte der Gouverneur. »Zumindest, wenn es um CITU-Angelegenheiten ging. Um die schmutzigen CITU-Angelegenheiten.«

Das war uns nicht neu. Lange Zeit hatten auch wir geglaubt, der Anwalt Juan Contarras sei der Kopf jener kriminellen Organisation, die sich hinter dem Namen der Unabhängigkeitspartei von Untaba verbarg. Auch Adolfo Alvarado, einen honduranischen Politiker, der lukrativen Nebengeschäften nicht abgeneigt gewesen war, hatten wir lange im Verdacht gehabt.

»Contarras hat mich erpresst!« Sheppards Stimme klang weinerlich.

Ich ließ ihn reden, obwohl wir diesen Teil der Geschichte bereits zur Genüge kannten.

»Hat mich zu einer dieser berüchtigten Bunga-Bunga-Partys im Landhaus des Immobilienhais Bob Evans eingeladen. Und ich Idiot bin hingegangen, weil ich neugierig war. Und weil ich dachte, ich schau mir das Ganze einfach mal an. Aber, diese Teresa … Sie glauben gar nicht, Inspektor Cotton, wie sehr ich diesen Ausrutscher mittlerweile bereue! Und das nicht nur wegen des verdammten Videos, das Contarras drehen ließ, um mich unter Druck zu setzen. Sie erzählen Renee wirklich nichts davon?«1)

»Nicht, wenn Sie weiter mit uns kooperieren, Mister Sheppard.« Ich wurde nun doch ungeduldig und hatte keine Lust mehr, mir die Selbstvorwürfe des Gouverneurs anzuhören.

»Das Geld der CITU haben Sie aber ganz gerne genommen«, schaltete sich Phil ein. Er mochte James Sheppard nicht und machte keinen Hehl daraus.

»Mir blieb gar nichts anderes übrig«, begehrte der Gouverneur auf. »Ich musste das Spiel mitspielen, auf Gedeih und Verderb!«

»Sie sind ein armer Bursche«, bedauerte ihn Phil, und ich konnte den beißenden Unterton hören. »Und wann wurde Ihnen klar, dass es in der Hierarchie über Juan Contarras noch jemanden geben musste?«

»Der Verdacht kam mir zum ersten Mal, als sich Contarras am Telefon nur noch mit Mister Virrey, Vizekönig, ansprechen ließ. Aber dann verwarf ich den Gedanken wieder, hielt das Ganze nur für einen Trick des Anwalts. Gewissheit über die wahre Struktur der CITU erhielt ich erst, nachdem Contarras tot war, Opfer dieses wüsten Bandenkriegs in Boston.«