Jerry Cotton 3202 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3202 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Das New York Police Department ersuchte das FBI um Hilfe. Eine Frau Ende achtzig war kaltblütig in ihrer Wohnung ermordet worden. Sie war bereits das zweite Opfer innerhalb von zwei Wochen, bei dem der Täter einen Lorbeerkranz zurückgelassen hatte. Deshalb gingen die Kollegen vom NYPD von einem Serienmörder aus. Phil und ich begannen, zu ermitteln, zusammen mit unseren beiden neuen Kollegen Dr. Iris McLane und Dr. Ben Bruckner. Die alte Lady hatte weder Angehörige oder Freunde noch Feinde gehabt und seit dem Tod ihres Mannes sehr zurückgezogen gelebt. Doch ihren Nachbarn war kurz vor dem schrecklichen Mord eine junge Frau aufgefallen, die zu Besuch gewesen war - die "Besucherin" ...

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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Besucherin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Mask of Murder II«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6507-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Besucherin

Beim Geräusch der Türklingel sah Ada Friedman überrascht von ihrem Kreuzworträtsel auf. Besuch? Um diese Zeit? Schwerfällig erhob sie sich von ihrem Küchenstuhl, trat in den Flur und sah durch den Spion. Draußen stand eine junge Frau. Sie trug eine Sonnenbrille. Ada legte die Kette vor und öffnete die Tür.

»Mrs. Friedman?«, fragte die Besucherin.

»Ja, bitte?«

»Miss Jones von der Lottogesellschaft. Ich bringe Ihren Gewinn.«

»Ich weiß nichts von einem Lottogewinn«, wunderte sich die alte Lady.

»Hat man Sie denn nicht benachrichtigt?«

Ada Friedman schüttelte den Kopf.

»Sie haben zweitausend Dollar gewonnen. Ich habe das Geld hier in dieser Tasche, Sie müssen nur eine Quittung unterschreiben.«

Die Besucherin hob zur Bekräftigung ihre Handtasche. Ada Friedman zögerte einen Moment. Doch die Frau sah vertrauenserweckend aus, und das Geld konnte sie gut gebrauchen. Schließlich nahm sie die Kette ab und öffnete die Tür.

»Na gut. Kommen Sie herein.«

Phil und ich saßen auf einer Parkbank im Columbus Park. Im Sonnenschein genehmigten wir uns Cheeseburger zum Mittagessen und sahen ein paar baumlangen Kerlen beim Basketballtraining zu. Ein hagerer Typ mit riesigem Afro schlängelte sich behände durch die gegnerische Abwehr, dribbelte, nahm Anlauf, sprang und versenkte den Ball lässig im Korb. Die Mannschaft applaudierte und gab High five.

Phils Handy klingelte. Er wischte sich die Finger an einer Serviette sauber und nahm ab. Ein paar »Hms« und »Okays« später steckte er das Mobiltelefon wieder weg.

»Iss auf Partner, der Chef will uns sehen.«

»So eilig?«, fragte ich.

»Helen rückt nicht mit der Sprache raus. Aber es klingt ernst.«

Eine Viertelstunde später saßen wir in Mr. Highs Büro im dreiundzwanzigsten Stock des Javits Building am Besprechungstisch mit den ledergepolsterten Stühlen und harrten der Dinge, die da kommen würden.

Unser Chef betrat das Büro. »Tut mir leid, Gentlemen, dass ich Ihre wohlverdiente Mittagspause unterbrechen muss.« Er legte einen Gegenstand auf den Tisch, der hier deplatziert wirkte. Es handelte sich um einen Lorbeerkranz in einem transparenten Asservatenbeutel.

»Heil Cäsar!«, verlautbarte Phil.

Mr. High nahm uns gegenüber Platz. Er deutete auf Phils Mundwinkel. Phil wischte mit ertappter Miene einen Rest Ketchup aus dem Gesicht.

»Wir hatten gerade einen Anruf von Detective Sergeant Ramirez aus Brooklyn. Das NYPD ersucht das FBI um Hilfe.«

»Etwa der Mob?«, wollte ich wissen.

Mr. High schüttelte den Kopf. »Diesmal nicht. Sie haben ein Tötungsdelikt, das zweite innerhalb von zwei Wochen. Beide Male hat der Täter einen Lorbeerkranz am Tatort hinterlassen.«

»Darf ich?«, fragte ich und deutete auf das Beweisstück.

Der Chef nickte. Ich nahm den Beutel zur Hand und betrachtete den Inhalt. Lorbeerkränze wie diesen hatte ich schon in Sandalenfilmen gesehen. Wurden nicht siegreiche Häupter bei den Olympischen Spielen damit gekrönt? Ich reichte das Beweisstück an Phil weiter, der es ebenfalls in Augenschein nahm.

»Der Mörder ist immer der Gärtner, heißt es doch«, sagte ich.

»Wohl eher kein Gärtner, aber ein Serientäter, wie es sich darstellt«, antwortete Mr. High.

»Serienkiller hatten wir schon länger nicht mehr«, kommentierte Phil.

»Die kommen in Wirklichkeit auch viel seltener vor als im Fernsehen«, erwiderte ich.

»Sie beide nehmen umgehend mit Detective Sergeant Ramirez Kontakt auf. Die Homicide Squad und die CSI-Leute sind augenblicklich am Tatort. T.A.C.T.I.C.S. leitet federführend die Ermittlungen. Serientäter fallen in unsere Domäne, und die Kollegen vom NYPD sind froh, wenn wir unsere Ressourcen einbringen. Ziehen Sie Steve, Zeerookah, Joe und Les hinzu, wenn nötig. Und sorgen Sie bitte dafür, dass kein weiterer Lorbeerkranz neben einer Leiche auftaucht. Ich erwarte einen ersten Bericht morgen Mittag.«

Die Fahrt in die Hancock Street in Upper Brooklyn dauerte eine halbe Stunde. Phil schnappte sich das Tablet von der Mittelkonsole und warf einen Blick ins NCIC 2000. Die Schrauber im Keller des Javits Building hatten ganze Arbeit geleistet. Mein neuer Jaguar F-Type war nicht nur ein rotglänzendes 380 PS starkes Schmuckstück, sondern auch mit dem letzten Schrei der Technik ausgerüstet. Phils Recherchen brachten jedoch zunächst nur Informationen zum ersten Fall zutage. Unser Tatort war noch gar nicht erfasst, so frisch war die Angelegenheit.

Ich stellte den Wagen ein paar Schritte entfernt ab. In zweiter Reihe und mit Warnblinker, denn in diesem Teil der Stadt einen Parkplatz zu ergattern, war ungefähr so wahrscheinlich, wie ein Sieg der Kansas City Royals in der World Series.

Die Wohnung lag im Hinterhaus eines Hinterhauses. Als wir die Perlenkette der Innenhöfe durchquert hatten, stießen wir auf einen kompakten Kerl mit unverkennbar hispanischen Genen und einer glänzenden Marke am Gürtel. Er saß auf einem zerschlissenen Bürostuhl, den jemand vermutlich für die Müllabfuhr rausgestellt hatte, rauchte eine Zigarette und telefonierte dabei. Bei unserem Anblick sprang er sofort auf.

»Sie sind sicher die Agents vom FBI«, krähte er. »Ich bin Detective Sergeant Rick Ramirez.«

Wir stellten uns einander vor.

»Sollen wir gleich reingehen?«, schlug Phil vor.

Ramirez nickte, trat die Zigarette aus und ging vor. Der Tatort lag im vierten Stock, das Treppenhaus war schmal und dunkel, und die Treppe ächzte Furcht einflößend bei jedem Schritt. Überall standen Türen halb offen, und die Nachbarn glotzten neugierig heraus. Kaum eines der Gesichter war weiß. Ein Baby schrie, und seine Mutter beruhigte es mit einem spanischen Wiegenlied.

Die Wohnungstür am Tatort stand offen, innen war alles hell erleuchtet. Wir sahen ein gutes Dutzend Männer in Schutzkleidung herumwuseln.

»Die Fingerabdruckleute sind gerade gegangen, jetzt hat das DNA-Team übernommen«, erklärte Ramirez.

»Was wissen wir über das Opfer?«, erkundigte ich mich.

»Eine gewisse Ada Friedman, siebenundachtzig Jahre alt, Jüdin. Hat die Barbarei der Nazis in Deutschland knapp überlebt und emigrierte nach dem großen Krieg in die Staaten. Lebte seit über fünfzig Jahren in dieser Wohnung. Seit ihr Mann vor einem Jahr starb, verbrachte sie ihren Lebensabend ziemlich zurückgezogen, wie die Nachbarn berichten.«

Ich deutete nach drinnen. »Sollen wir?«

Ramirez zog aus einer Plastikwanne, die neben der Tür stand, zwei Paar Überschuhe und reichte sie uns. Phil und ich stiegen in den Kontaminationsschutz und folgten Ramirez in das winzige Wohnzimmer am Ende des Flurs. In dem Apartment herrschte konzentrierte Stille. Nur das Rascheln der Overalls war zu vernehmen und das Klicken der Kamera, mit der der Polizeifotograf die Szenerie dokumentierte.

Ada Friedman saß auf einer verschlissenen Couch. Ihr Kinn war auf die Brust gesunken, die Hände im Schoß verschränkt, neben ihr ein halb ausgefülltes Kreuzworträtsel. Es gab keinerlei sichtbare Anzeichen einer Gewalttat. Die Frau sah aus, als mache sie ein Nickerchen, nachdem sie zehn Minuten lang über »eine Bundesbehörde mit drei Buchstaben« gegrübelt hatte. Lediglich der Lorbeerkranz, der auf ihr schütteres weißes Haar drapiert war, wirkte fehl am Platz.

»Wenn die Dekoration nicht wäre, würde man denken, die Frau sei einen gnadenvollen Tod gestorben«, sagte Phil.

»Kreuzworträtsel sind ja auch sterbenslangweilig«, meinte Ramirez.

»Das erste Opfer sah ganz ähnlich aus, Detective?«, fragte ich.

»Ich selbst war nicht am Tatort, aber ich habe Bilder gesehen, und das Szenario war ziemlich identisch.«

Phil, der sich die Bilder auf der Herfahrt angesehen hatte, bestätigte das.

»Und dass sich diese Leute selbst den Kranz aufgesetzt haben, steht außer Frage?«, wollte ich wissen.

»Der Bericht aus der Gerichtsmedizin für das erste Opfer spricht von einem Tötungsdelikt. Und bei den Ähnlichkeiten gehen wir vom selben Täter aus. Darum haben wir ja auch das FBI dazu geholt.«

»Gibt es schon irgendetwas Verwertbares?«

Ramirez schüttelte bedauernd den Kopf. »Wir stehen noch ganz am Anfang, Special Agent Cotton.«

»Na gut«, sagte Phil. »Können Sie dafür sorgen, dass alle Untersuchungsergebnisse an uns weitergeleitet werden?«

»Natürlich, Special Agent Decker. Ich gebe zu, ich bin echt froh, diese Sache an euch Jungs abgeben zu können. Mein Schreibtisch biegt sich schon vor Akten.«

»Schön, wenn wir helfen können«, gab ich knapp zurück, denn langweilig war uns an der Federal Plaza meistens auch nicht gerade.

»Entschuldigung, Gentlemen?«, vernahm ich eine leise Stimme hinter mir. Ich drehte mich um.

Der Mitarbeiter der Gerichtsmedizin steckte in einem babyblauen Overall. Ein schmaler Typ mit weichen Gesichtszügen und dünnem Haar.

»Mark Harris vom Office of Chief Medical Examiner. Können wir Mrs. Friedman mitnehmen?«

Ich sah zu Ramirez. Der schüttelte den Kopf.

»Wir sind noch nicht fertig. Eine halbe Stunde wird es dauern, vielleicht auch länger.«

Harris nickte. »Kein Problem. Mrs. Friedman wird uns wohl nicht weglaufen«, entgegnete er lächelnd.

Die Leute von der Gerichtsmedizin waren für ihren trockenen Humor bekannt, und Harris machte da keine Ausnahme.

»Ich warte unten im Hof. Schreien sie einfach runter, wenn wir kommen sollen«, beschied er uns. Im nächsten Augenblick war er durch die Wohnungstür nach draußen verschwunden.

Ich wandte mich wieder an Ramirez. »Der Kollege von der Homicide Squad, der den ersten Toten bearbeitet hat, kennen Sie den?«

»Stan Bishop. Unsere Schreibtische stehen einander gegenüber. Ich gebe Ihnen seine Nummer. Ein echter NYPD-Haudegen.«

Bishop war unsere erste Anlaufstelle. Aber erst stand uns noch die Ochsentour durch das Mietshaus bevor.

Dieses Mietshaus mitten in Brooklyn war ein Kosmos für sich und ein Spiegel der amerikanischen Gesellschaft. Einer solchen Mischung begegnete man an vielen Stellen in New York. Hier wohnten junge Latinos Tür an Tür mit chinesischen Rentnern und alleinerziehende schwarze Mütter mit russischen Großfamilien. Gelegentlich schaute eine Streife vorbei, und die Officers mussten einen Streit schlichten, aber im Großen und Ganzen lebte man hier friedlich nebeneinander. Wer noch nicht begriffen hatte, dass Amerika ein Einwanderungsland war, wurde in diesem Hinterhaus in der Hancock Street eines Besseren belehrt.

Aber die Menschen hatten mehr als genug mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen, darum hatte von den Nachbarn, die wir bislang befragt hatten, niemand etwas Ungewöhnliches beobachtet.

Unser letztes Interview an diesem Nachmittag führte uns ins Erdgeschoss. Auf das Läuten öffnete ein älterer Schwarzer mit scharf geschnittenem Gesicht, Oberlippenbart und ergrauten Rastalocken. Er trug eine Sonnenbrille, und ich glaube, ich war noch nie jemandem begegnet, der auf den Punkt mehr Coolness ausstrahlte. Außerdem kam mir der Kerl bekannt vor.

»Sitzen Sie nicht manchmal im Smalls Jazz Club am Piano?«, fragte ich ihn.

Sein breites Grinsen ließ eine Zahnreihe aufblitzen, die so weiß war, wie eine Line reinstes Kokain.

»In der Tat. Dienstags üblicherweise. Und Sie sind?«

»Special Agent Cotton vom FBI. Das hier ist mein Partner Special Agent Decker.«

»Ein Special Agent, der im Smalls Jazz hört, ist mir immer willkommen«, erwiderte er lachend. »Wobei einer mit Ihrem Namen ja wohl eher im Cotton Club verkehren sollte«, amüsierte er sich.

»Sie haben das mit Mrs. Friedman mitbekommen?«, kam ich wieder auf den Ernst der Lage zu sprechen.

»Kommen Sie erst mal in die gute Stube, Gentlemen«, bat er uns herein und marschierte voraus. Phil und ich folgten ihm.

Seine Wohnung war ein Mekka für Jazzliebhaber. Rechts und links im Flur reichten Regale bis an die Decke, vollgestopft mit Vinyl von Labels wie Blue Note, Atlantic und Verve. Oder sie beherbergten Fachliteratur zu Legenden, darunter Thelonious Monk oder Oscar Peterson.

Charles Eggers, als solcher stellte er sich uns vor, führte uns in eine winzige Küche. Die Wohnung war klein und aufgeräumt. Durch die Tür blickte man in ein Wohnzimmer, dessen einziges Möbelstück ein Bösendorfer Flügel zu sein schien.

»Das mit Ada ist wirklich eine Katastrophe. Sie hat den Holocaust überlebt, und dann so was«, sinnierte er kopfschüttelnd.

»Was meinen Sie denn mit ›so was‹?«, hakte ich nach.

»Ada ist doch wohl umgebracht worden«, antwortete Eggers.

»Und woher wissen Sie das so genau?«, fragte Phil.

»Sonst würde wohl nicht das FBI unsere ganze Bude auf den Kopf stellen«, spekulierte unser Gesprächspartner.

»Sie und Mrs. Friedman kannten sich näher?«, erkundigte sich mein Partner.

»Nicht wirklich. Wie man seine Nachbarn eben so kennt. Früher haben wir gelegentlich ein Schwätzchen im Gang gehalten. Aber seit ihr Mann an einem Schlaganfall gestorben ist, lebte Ada ziemlich zurückgezogen.«

»Ist in den letzten Tagen etwas Besonderes vorgefallen?«, wollte ich wissen.

Eggers legte den Kopf schräg. »Wissen Sie, da gab es schon eine Sache. Gestern Vormittag war ich zufällig oben im vierten Stock, weil ich bei Adas Nachbarin die Blumen gieße, die auf Geschäftsreise ist. Und während ich die Pflanze neben der Wohnungstür wässere, bemerke ich eine junge Lady, die bei Ada klingelt.« Er verstummte, als müsse er über dieses Ereignis nachdenken.

»Und das ist so ungewöhnlich, dass Ihnen diese Besucherin im Gedächtnis haften geblieben ist?«, fragte ich neugierig.

»O ja, das ist es. Ich glaube, seit Ada allein lebt, habe ich noch nie Besuch bei ihr gesehen.«

»Wissen Sie, was die Frau von Mrs. Friedman wollte?«, fragte Phil. »Haben Sie sie das Gespräch mitgehört?«

Eggers schüttelte den Kopf. »Ich habe nur mitbekommen, dass Ada sie reingelassen hat. Dann ist die Tür zugegangen, und ich habe mich wieder mit den Grünpflanzen beschäftigt.«

»Wann war das ungefähr?«

»Am späten Nachmittag, Special Agent Cotton. So gegen fünf.«

»Wissen Sie auch, wann die Frau wieder gegangen ist?«, fragte ich.

Das konnte uns Eggers leider nicht sagen.

»Können Sie die Frau beschreiben?«, ließ ich nicht locker. »Größe, Alter, Aussehen, Kleidung, Haarfarbe?«

»Schwer zu sagen, sie trug eine Sonnenbrille und ein Kopftuch. Sie war so etwa fünf Fuß zehn groß. Ende zwanzig, würde ich meinen.«

»Würden Sie sich zutrauen, einem Phantombildexperten vom FBI eine Beschreibung zu geben, sodass er ein Bild von ihr anfertigen kann?«

»Könnte ich probieren. Aber ich muss heute um sechs im Klub sein. Die Session beginnt um neun, und wir müssen noch etwas üben.«

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. »Jemand kann Sie vom Javits Building direkt in den Klub fahren«, bot ich an.

Eggers wand sich. »Ich weiß nicht, ob ich in einem Bullenwagen – sorry, in einem Polizeiauto – vor dem Smalls abgesetzt werden will.«

»Wir haben schicke Zivilfahrzeuge. Ganz ohne Aufschrift und Blaulicht«, erwiderte ich. »Und vielleicht komme ich später noch vorbei und gebe Ihnen ein Bier aus.«

Gegen eine Einladung zu einem Getränk hatte Eggers nichts einzuwenden, wie er mit einem Grinsen signalisierte. Ich zückte mein Handy, um Zeerookah anzurufen. Er und Mr. Eggers würden sich glänzend verstehen.

Obwohl hinter den Hochhäusern im 78. Precinct bereits die Sonne unterging, saß Detective Sergeant Stan Bishop noch an seinem Schreibtisch. Bei der Arbeitslast des NYPD hätte mich alles andere auch gewundert. Bishop, ein bulliger Typ mit Halbglatze, wusste Bescheid, dass wir kommen, Ramirez hatte uns angekündigt. Aus einem Automaten im Gang zog er für uns drei einen Kaffee, der träge wie Melasse im Plastikbecher schwappte, aber immerhin trinkbar roch.

Bishop reckte den Hals, sah den Gang hinunter und schüttelte den Kopf. »Der Besprechungsraum ist leider besetzt. Aber ich habe einen schönen großen Schreibtisch.«

Wir machten es uns so gut wie möglich an seinem Arbeitsplatz gemütlich. Bishop händigte mir einen Schuhkarton aus. Auf den Deckel hatte jemand mit fast unleserlicher Schrift Lennard Lake gekritzelt.

»Da drin sind ein paar Sachen, die wir am ersten Tatort bei Mister Lake sichergestellt haben. Das meiste sind Fotos und Briefe. Der Mann war neunundsiebzig. Wir hatten uns damals auf eine Beziehungstat im Homosexuellenmilieu eingeschossen, aber das hat sich nicht bestätigt. Eigentlich wollte ich das Zeug längst zurückgebracht haben, aber Sie wissen ja, wie das ist. Nun wo Sie den Fall übernehmen, darf ich Sie bitten, mir das abzunehmen? Vielleicht wollen Sie noch mal einen Blick drauf werfen, oder Sie sehen etwas, das ich übersehen habe.«

Ich nahm den Karton mit Lakes Habseligkeiten entgegen. »Was können Sie uns denn erzählen, was wir nicht im NCIC nachlesen können?«

Bishop kratzte sich am Kopf. »Gute Frage«, antwortete er. »Vermutlich nicht viel. Lakes langjähriger Lebensgefährte starb vor einem halben Jahr an den Folgen von Aids, seitdem lebte das Opfer allein.«

Phil und ich tauschten einen aufmerksamen Blick.

»Da hätten wir immerhin eine Gemeinsamkeit zwischen den Opfern«, stellte ich fest.

»Beide hatten kurz vorher ihre Partner verloren«, ergänzte Phil mit einem Nicken.

»Gab es Unregelmäßigkeiten beim Tod von Mister Lakes Partner?«, wollte ich von Bishop wissen.

»Da bin ich, ehrlich gesagt, überfragt. Moment …« Bishop hieb kraftvoll auf seine Tastatur ein, schließlich berichtete er kopfschüttelnd: »Wir haben es nicht gesondert untersucht, deshalb gehe ich davon aus, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Ich kann mich allerdings noch mal schlaumachen, wenn Sie das wollen.«

Sein Gesichtsausdruck verriet deutlich, was er davon hielt, seine knappe Zeit damit zu vertun, nun wo wir den Fall übernahmen.

Im Geiste machte ich mir eine Notiz, dass wir diesen Fakt trotzdem noch einmal genauer betrachten sollten. Und weil Phil im selben Moment auf sein Handy eintippte, war ich mir sicher, dass er die gleiche Idee hatte.

»Lassen Sie gut sein, wir finden es selbst heraus. Wie weit sind Sie mit den Ermittlungen gekommen?«, fragte ich.

Bishops nächste Worte klangen fast wie eine Entschuldigung. »Leider nicht besonders weit. Wir haben natürlich alle Spuren abgeklopft, DNA-Abgleiche gemacht, die Telefon- und die Zahlungsdaten routinemäßig überprüft, Nachbarn, Freunde und Verwandte interviewt – von denen es übrigens kaum welche gibt –, aber eine heiße Spur tauchte nicht auf. Und dann ist ja schon der zweite Mord passiert.«

»Gab es in dem Haus oder in der Umgebung Überwachungskameras?«, erkundigte ich mich, die Besucherin von Ada Friedman im Sinn.

»Leider nicht«, bedauerte Bishop.