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Innerhalb der Black-Dragon-Triade gab es einen tödlichen Rivalenkampf unter zwei Brüdern, aus dem Micky Chan, genannt Red Head, als Sieger hervorging. Der Mann hatte erhebliche psychische Probleme. Und seine erste Amtshandlung als neuer Bandenchef bestand darin, Phil und mich auf die Todesliste zu setzen. Doch in dieser Auseinandersetzung um Leben und Tod gab es noch einen dritten, nicht minder gefährlichen Mitspieler ...
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Der Triaden-King von Chinatown
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: track5/iStockphoto
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6508-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Triaden-King von Chinatown
Langsam und beinahe lautlos rollte die weiße Stretchlimousine durch die verwaiste Tiefgarage. Ich prüfte kurz den Sitz meiner Dienstwaffe. Der fabrikneue Protzwagen stoppte drei Yards von uns entfernt. Ein elegant gekleideter Asiate stieg aus. Maßanzug. Gucci-Schuhe. Ray-Ban-Sonnenbrille. Hier unten, dachte ich. Angeber.
»Mister Anjing?«, fragte ich.
Der Chinese drehte sich gelassen um und musterte meinen Partner und mich abschätzig. »Und wer sind Sie?«
»FBI.« Wir wiesen uns aus und nannten unsere Namen.
Robert Anjing, ein wichtiges Mitglied der Triaden-Gang Black Dragon, blieb übertrieben entspannt und setzte ein provokantes Ihr-könnt-mich-mal-Lächeln auf. »Hab ich was verbrochen?«
»Haben Sie?«, fragte Phil zurück.
Uns war bekannt, dass das Sündenregister des Chinesen so lang war wie ein Giraffenhals. Knisternde Spannung lag von der ersten Sekunde an in der Luft.
Wir wussten, dass Anjing extrem gefährlich war, deshalb ließen wir ihn keine Sekunde aus den Augen. Er nahm die Sonnenbrille so lässig ab, als würden wir ihn entsetzlich langweilen. Es gab so gut wie nichts, was dieser Mann noch nicht auf dem Kerbholz hatte. Er war mit Sicherheit bewaffnet, und es hätte ihm garantiert nichts ausgemacht, meinen Partner und mich eiskalt über den Haufen zu schießen.
Ehe ich ihm den Haftbefehl zeigen konnte, der in meiner Tasche knisterte, quietschten hinter uns Autoreifen. Und dann ging alles sehr schnell …
Ein schwarzer Maserati Ghibli hielt mit quietschenden Reifen – und Ärger sprang aus dem Fahrzeug: Luther Mulan, ein ebensolcher Übelfinger wie Robert Anjing. Auch er stand auf einer sehr hohen Sprosse der Triaden-Gang.
Er kam mit forschen Schritten näher. »Was ist hier los?«, wollte er wissen.
»Feds«, informierte ihn Anjing.
»Wir wollen keinen Ärger«, sagte Mulan.
»Sieht so aus, als hättet ihr ihn schon«, gab Phil trocken zurück.
Mulan glaubte ihm nicht. Er griff zur Waffe, war gewohnt, alles, was ihm sauer aufstieß, auf diese altbewährte Weise zu regeln. Bisher hatte das auch immer geklappt. Diesmal nicht. Mein Fußtritt traf seine Brust.
Er flog zurück und drückte mehrmals unkontrolliert ab. Im Vertrauen darauf, dass irgendeine Kugel schon treffen würde. Während Phil zurückschoss, wirbelte ich herum und verfolgte Robert Anjing, der sich mit fliegenden Beinen aus dem Staub zu machen versuchte.
Der Bursche war beinahe so schnell wie Usain Bolt in seiner besten Zeit, aber er hatte Pech. Die Tür, durch die er entwischen wollte, war abgeschlossen.
Anjing prallte in vollem Lauf dagegen, stöhnte schmerzlich auf und machte den gleichen Fehler wie Mulan. Hass und Trotz loderten in seinen Augen, als er seine Kanone herausriss und auf mich richtete.
Es war immer das Gleiche mit diesen krankhaft unvernünftigen Typen. Sie wollten es jedes Mal wissen, setzten stets alles auf eine Karte, und wir waren gezwungen, sie nicht gewinnen zu lassen, um am Leben zu bleiben.
Unsere Waffen krachten gleichzeitig. Meine vielleicht um eine kaum messbare Zeitspanne früher. Anjing jaulte auf, wurde kurz zum Kreisel und knallte dann wuchtig auf den dreckigen Betonboden. Ich stellte blitzschnell meinen Fuß auf das Handgelenk des Chinesen. Er war gezwungen, zähneknirschend die Finger zu öffnen und mir seinen Revolver zu überlassen.
Ich schob das Ding in meinen Gürtel, klopfte den Mann nach weiteren Waffen ab und fand einen Schlagring, eine Stahlrute und ein Springmesser. Nachdem ich ihm das gesamte Nahkampfarsenal abgenommen hatte, drehte ich ihn auf den Bauch und verpasste ihm Handschellen.
Er protestierte lauthals, bezeichnete sich als anständigen, ehrbaren Amerikaner, der pünktlich seine Steuern zahle, eine weiße Weste und sich noch nie auch nur das Geringste zuschulden kommen lassen habe.
»Wer’s glaubt, wird selig«, brummte ich, zeigte ihm den Haftbefehl und las ihm seine Rechte vor. Dann befahl ich ihm, aufzustehen.
»Ich kann nicht«, behauptete er. »Ich bin verletzt.«
»Ist bloß ein Kratzer«, gab ich gelassen zurück. Meine Kugel hatte lediglich seine linke Schulter gestreift. Er hatte im Laufe seiner kriminellen Laufbahn vielen Menschen sehr viel mehr wehgetan. Ich zerrte ihn hoch und stellte ihn auf die Beine.
»Scheiß G-man«, zischte er.
Da ich von ihm ohnehin nicht geliebt werden wollte, störte mich seine Äußerung nicht. Ich gab ihm einen Stoß. »Vorwärts! Mal sehen, wie es deinem schießwütigen Kumpel geht.«
Robert Anjing ging widerwillig vor mir her.
Phil war im Begriff, Luther Mulan einen Druckverband anzulegen. »Steckschuss«, informierte er mich. »Rechter Oberschenkel.«
Ich sah Mulan vorwurfsvoll an. »Das hätte nicht sein müssen.«
»Leck mich!«
Ich nickte unbeeindruckt. »Einer von der ganz harten Sorte, wie?«
»Ihr habt uns überfallen.«
Ich verzog das Gesicht, als hätte ich in eine unreife Zitrone gebissen, und winkte ab. »Jaja, schon gut.«
Wir sorgten dafür, dass die beiden Triaden-Gangster, die es bei den Black Dragons zu einigem Ansehen gebracht hatten, abgeholt wurden, und es erfüllte uns mit einiger Genugtuung, dem China-Mob, der auf illegales Glücksspiel, Drogen und Erpressung spezialisiert war, einen herben Verlust beschert zu haben.
John D. High, unser Chef, war beeindruckt, als er hörte, dass wir nicht nur Robert Anjing, sondern auch Luther Mulan aus dem Verkehr gezogen hatten.
Das war zwar nicht geplant gewesen, aber wenn einer sich erdreistet, seine Waffe auf einen FBI Agent zu richten, ist er auf jeden Fall dran und muss für eine vom Ankläger geforderte und vom Richter großzügig festgesetzte Zeit gesiebte Luft atmen.
»Anjings und Mulans Ausfall wird die Black Dragons schwächen«, sagte Mr. High.
»Das kann uns nur recht sein«, erwiderte Phil. »Die Asiaten-Gang wurde in letzter Zeit ohnedies schon zu mächtig.«
Die Organisation wurde seit Jahren von David Chan, einem achtunddreißigjährigen Chinesen, der in Hongkong geboren und aufgewachsen war, erfolgreich geleitet.
Anjing und Mulan waren für ihn zwei wichtige Stützen gewesen. Nun musste er auf sie verzichten. Dass ihm das nicht schmeckte, war klar, aber wir rechneten nicht damit, dass er uns dafür zur Rechenschaft ziehen würde, weil er ein besonnener Mann war, der – bei aller Macht, die ihm zur Verfügung stand – seine Grenzen kannte und diese niemals überschritt.
Völlig anders gestrickt war sein zehn Jahre jüngerer Bruder Micky, der wegen seiner rot gefärbten Haare Red Head genannt wurde.
Es war kein Geheimnis, dass er erhebliche psychische Probleme hatte. Micky Red Head Chan war jähzornig, aufbrausend und extrem aggressiv.
Solange er seine Medikamente nahm und regelmäßig zur Psychotherapie ging, hielten sich seine Gefühlsausbrüche gerade noch in erträglichen Grenzen. Wenn er sie abgesetzt hätte, wäre er zum gefährlichen Pulverfass geworden. Man konnte nur hoffen, dass es nie dazu kam.
»Es wird vermutlich nicht lange dauern, bis David Chan für Robert Anjing und Luther Mulan Ersatz findet«, fuhr Mr. High fort. »Es gibt bestimmt genug Leute, die auf die frei gewordenen Plätze scharf sind.«
»Aber eine Weile wird nicht alles so rund laufen, wie der Triaden-King es gerne hätte, und das wird ihn zwingen, in Zukunft etwas kürzer zu treten«, meinte ich.
»Mit anderen Worten«, ergänzte Phil, »Chinatowns Verbrechensrate wird vorübergehend sinken.« Er rieb sich die Hände. »Ich finde, das sind gar nicht mal so schlechte Aussichten.«
Orson Lian hatte es in Hongkong zu Reichtum und Ansehen gebracht. Durch die einstige Ankündigung der Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China hatte sich Lian veranlasst gesehen, sich und sein Vermögen rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Gute Freunde hatten es ihm ermöglicht, in New Yorks Chinatown Fuß zu fassen, und seitdem lebte und wirkte er hier recht gewinnbringend – mit dem Sanctus der chinesischen Mafia.
Selbstverständlich kostete ihn das eine hübsche Stange Geld, doch das musste er in Kauf nehmen, wenn er seine einträglichen Geschäfte weiter ungestört abwickeln wollte. Da der Mob die Forderungen im vergangenen Jahr aber gleich zweimal – einmal im Frühjahr und einmal im Herbst – empfindlich angehoben hatte, hatte es Orson Lian gewagt, dies öffentlich zu kritisieren und als reichlich überzogen anzuprangern.
Bislang ohne Konsequenzen, weil er das verlangte Geld, trotz Murrens, stets pünktlich abgeliefert hatte. Aber er stand seitdem auf Micky Chans schwarzer Liste, und das sollte er an diesem Tag schmerzhaft zu spüren bekommen.
Red Head erschien mit zwei finsteren Begleitern in Lians feudalem Büro.
»Sie leben auf sehr großem Fuß«, stellte der Bruder des Triaden-Kings fest. Es klang beinahe wie ein Vorwurf. An den Wänden hingen antike Masken, teure Gemälde und kostbare Teppiche. Alles Originale, keine Kopien.
»Ein erfolgreicher Mann muss zeigen, was er hat«, rechtfertigte sich Lian. »Sonst traut man ihm nichts zu.« Der kleine, schwammige Asiate wusste, dass Micky Chan gefährlich und unberechenbar war.
Er fürchtete ihn aus diesem Grund auch und fragte sich insgeheim, weshalb er ihn aufgesucht hatte. Er war mit keiner Zahlung im Rückstand. Was wollte der Bursche mit den auffallend roten Haaren also von ihm?
»Ihre Geschäfte laufen gut, wie ich höre«, sagte Chan.
»Sie könnten noch besser laufen, aber ich will mich nicht beklagen.«
Chan grinste. »Ein cleverer Geschäftsmann wird immer jammern. Selbst wenn es ihm noch so gut geht. Damit kein Neid aufkommt.«
Red Heads Begleiter waren stumm wie Fische. Sie standen mit unbewegten Mienen statuenhaft hinter ihrem Boss, hielten ihre Hände, wie schützend, vor ihre Kronjuwelen und warteten gelassen auf einen Befehl. Schweiß glänzte auf Lians Oberlippe.
Chan zeigte darauf. »Warum sind Sie nervös? Haben Sie ein schlechtes Gewissen?«
»Das muss ich nicht haben«, antwortete Lian heiser. »Sie und Ihr Bruder haben keinen Grund, mit mir unzufrieden zu sein.«
»Mein Bruder weiß nichts von diesem Besuch. Ich bin gewissermaßen in eigener Sache hier.«
Orson Lian war um Entspannung bemüht. »Darf ich Ihnen irgendetwas anbieten?«
»Nein.«
»Darf ich erfahren, was Sie zu mir führt?«
»Ihre Äußerung, die Forderungen der Black Dragons wären unverschämt hoch.«
»Das habe ich nie gesagt.«
»Vielleicht haben Sie es ein wenig anders formuliert, aber sinngemäß kommt es hin.« Micky Chans Lippen wurden schmal. »Mann, wir halten schützend die Hand über Sie. Sie könnten ohne uns nicht so ungehindert schalten und walten, wie Sie es tun. Wir haben Ausgaben, müssen für Sie Tag für Tag Wege ebnen, Konkurrenten in die Schranken weisen und wichtige Leute schmieren. Jeder hält die Hand auf. Wir leben in einer Welt voller Habsucht und Gier. Woher soll das Geld kommen, wenn nicht von denen, für die wir uns im Hintergrund permanent den Arsch aufreißen?«
Orson Lian schluckte trocken. Er wagte, nichts zu erwidern. Eiskalt kroch ihm die Angst in sämtliche Glieder. Seine Nerven vibrierten, denn ihm war bekannt: Wenn Red Head ausrastete, blieb kein Auge trocken.
Der Mann war unberechenbar und brutal. Die Situation, die jetzt schon recht unerfreulich war, konnte jederzeit kippen und noch viel unangenehmer werden.
»Sie sind der Auffassung, wir würden für das Geld, das wir von Ihnen bekommen, nicht genug leisten, und das finde ich in höchstem Maße undankbar«, sagte Micky Chan grimmig. »Mein harmoniesüchtiger Bruder ist zu weich und viel zu duldsam. Er mag Ihnen Ihre unangebrachte öffentliche Kritik nachsehen. Ich bin da, wie allgemein bekannt ist, weit weniger tolerant. Meiner Ansicht nach gehört Ihr respektloses Verhalten bestraft.«
Orson Lian überlegte fieberhaft, was er gegen die gefährliche Bedrohung, die sich von Minute zu Minute mehr aufbaute, tun konnte.
Red Heads Statuen regten sich nach wie vor nicht. Aber Micky Chan brauchte nur ein Wort zu sagen, dann kam mit Sicherheit sofort gefährlich viel Leben in die bösen Figuren.
Der Bruder des Triaden-Kings musterte sein Gegenüber voller Verachtung. »Sie riechen ganz entsetzlich nach Schweiß, Lian«, stellte er angewidert fest. »Haben Sie heute Morgen nicht geduscht und frische Unterwäsche angezogen?« Er rümpfte abgestoßen die Nase. »Machen wir es kurz. Sie werden von nun an Bußgeld bezahlen. Nicht an die Black Dragons und nicht an meinen Bruder, sondern an mich. Zehn Riesen. Monat für Monat. Haben wir uns verstanden?«
Der schwammige Geschäftsmann nickte niedergeschmettert und verkniff sich jedes Widerwort.
Doch das reichte Red Head nicht. Er legte die Hand hinter sein linkes Ohr. »Ich höre nichts. Ich habe gefragt, ob wir uns verstanden haben.«
»Ja«, kam es dumpf aus Lians zugeschnürter Kehle.
»Gut«, sagte Chan. »Und damit Sie’s nicht vergessen, werde ich es Ihnen sicherheitshalber einbläuen.« Er wandte sich an seine Begleiter. »Haltet ihn fest.«
Lian riss entsetzt die Augen auf. »Nein! Bitte nicht! Ich habe doch schon zugestimmt und werde mich ganz sicher an die Abmachung halten. Das … das ist nicht nötig.«
»Mag sein, dass es nicht nötig ist«, gab Red Head gemein grinsend zu. »Aber wo bleibt dann mein Spaß?«
Seine Männer packten Orson Lian, der schon vor dem ersten Schlag verzweifelt schrie. Das war natürlich Musik in Chans Ohren, und da er gerne mehr davon hören wollte, begann er, den Wehrlosen gnadenlos zu verdreschen.
Er hämmerte dem Geschäftsmann mit harten Schlägen die Luft aus dem Leib, traf auch schon mal unterhalb der Gürtellinie und verschonte Lians Kopf ebenfalls nicht. Er sorgte für zwei stark blutende Augenbrauen-Cuts, eine geschwollene Nase und aufgeplatzte Lippen.
Rosiger Speichel tropfte auf den teuren handgeknüpften Seidenteppich. Lians Geist versank in einem trüben, schmerzvollen Nebel.
Wenn er nicht festgehalten worden wäre, wäre er zusammengesackt. Als sich Red Head genug an ihm ausgetobt hatte, ließ er schwer keuchend von ihm ab.
Er grinste seine Handlanger an. »Hin und wieder muss man was für seine Fitness tun. Wer rastet, der rostet. Ihr könnt ihn loslassen.«
Das taten sie, und der schwer gezeichnete Geschäftsmann fiel röchelnd nach vorn.
Micky Chan nickte ohne Mitleid. »So schnell kann man auf die Schnauze fallen«, sagte er zynisch und verabschiedete sich von Orson Lian mit einem »herzhaften« Fußtritt.
Dann verließ er mit seinen Getreuen das Büro. Es gefiel ihm, auf diese brutale Weise Macht auszuüben. Das erfüllte ihn immer wieder mit ungeheurer Genugtuung.
Luther Mulan lag noch im Krankenhaus, aber Robert Anjing stand uns zur Verfügung, und mit dem unterhielten wir uns in einem Raum mit kahlen Wänden.
Zwei Videokameras waren auf ihn gerichtet. Alles, was wir mit ihm redeten, wurde in Wort und Bild aufgezeichnet, das war ihm bekannt, und deshalb schwieg er ziemlich beharrlich. Er saß mit asiatischem Pokerface vor uns und gab sich den Anschein, als wären wir Luft für ihn.
Wir versuchten, ihn mit den üblichen Tricks zu knacken, drohten ihm, malten ihm seinen Zuchthausaufenthalt in den hässlichsten Farben aus, köderten ihn mit vertretbaren Versprechungen, stellten ihm ein Licht am Ende des Tunnels in Aussicht.
Er lehnte sich zurück und sah uns genervt an. »Wie lange wollt ihr das sinnlose Spiel noch fortsetzen, Leute?«
Phil zuckte mit den Schultern. »O, wir haben Zeit.«
»Habt ihr’s immer noch nicht gecheckt? Ich verrate euch nicht einmal, wie spät es ist. Also, was wollt ihr von mir?«
Phil richtete seinen Zeigefinger grimmig auf den Chinesen. »Du hast auf meinen Partner geschossen.«
»Ist er verletzt? Nein. Ich habe ihn nicht getroffen.«
»Aber du wolltest ihn treffen.«
»Ich habe mich bedroht gefühlt«, verteidigte sich der Chinese. »Das, was in der Garage abging, war für mich Stress pur, Mann. Versteht ihr das denn nicht? In einer solchen Situation ist man nicht immer Herr seiner Sinne. Da kann es schon mal zu ’ner geistigen Fehlleistung kommen.«
»Komm schon«, schaltete ich mich ein. »Gib uns ein bisschen was, damit wir einen Grund haben, deinen Richter etwas milder zu stimmen.«
»Ich weiß nichts, hab noch nie was gewusst und werde nie was wissen.«
»Du bist ein ranghohes Mitglied der Black Dragons«, sagte ich.
»Willst du uns weismachen, die Organisation wird von Hohlköpfen geleitet?«, fragte mein Partner.
»Black Dragons?«, fragte Anjing. »Nie gehört. Ist das ein Karnevalsverein?«
»Du fährst einen Superschlitten«, meinte Phil.
»Das war ein Schnäppchen«, behauptete er. »Notverkauf von ’ner Frau, die über Nacht zur Witwe geworden war und dringend Geld brauchte.«
»Wann und wo erwartet David Chan die nächste Drogenlieferung?«, fragte ich.
Anjing sah mich verwundert an. »Ihr habt vielleicht Fragen. Woher soll ich das denn wissen? Mister Chan ist ein ehrenwerter Mann. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der auch nur im Entferntesten was mit Drogen zu tun hat. Mich würde ehrlich interessieren, wer euch mit solchen Fake News verarscht.« Er schüttelte den Kopf. »Und ihr seid so naiv, das auch noch zu glauben. Wenn’s nicht so traurig wäre, würde ich mich darüber krummlachen.«
»Du hast Angst vor Changs Rache, befürchtest, dass er dich im Knast ermorden lässt, wenn du redest«, versetzte Phil.
»Ich habe vor niemandem Angst«, stellte der Triaden-Gangster gereizt klar. Furcht und Feigheit passten in seinen Augen nicht zu seinem Image. »Und jetzt würde ich schrecklich gern mit meinem Anwalt telefonieren.«
»Wie ist sein Name?«, wollte mein Partner wissen.
»Mortimer Woo.«
Wir kannten Woo. Immer wenn ein Black-Dragon-Mitglied in Schwierigkeiten war, tanzte er an und packte seine zwielichtigen Zaubertricks aus.
Der Mann war für seine Klienten so etwas wie ein genialer Entfesselungskünstler. Man munkelte ironisch, er wäre bei David Copperfield in die Lehre gegangen.
»Er wird nichts für dich tun können«, war Phil überzeugt.
Robert Anjing schmunzelte. »Ich möchte auch bloß ein wenig mit ihm plaudern.«