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Eine Gruppe von Bankräubern überfiel eine kleine Bank in Poughkeepsie, State New York. Dabei wurde ein Wachmann tödlich getroffen, sein Kollege schwer verletzt. Die Obduktion des getöteten Wachmanns förderte eine faustdicke Überraschung zutage: Der Mann war nicht derjenige gewesen, für den er sich zu Lebzeiten ausgegeben hatte. Denn er gehörte zu einer der Mafiafamilien, die den Big Apple in Atem hielt. Als wir die Ermittlungen aufnahmen, stolperten wir sofort über die nächste Leiche und erkannten, dass hinter dem Bankraub viel mehr steckte als ein schiefgelaufener Überfall ...
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Poughkeepsie sehen und sterben
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: (Film) »The Vault«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6509-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Poughkeepsie sehen und sterben
»Das ist nicht euer Ernst!«, stieß der Wachmann ungläubig hervor, als eine der vermummten Gestalten eine Waffe auf ihn richtete.
Sein Protest wurde durch eine Kugel beendet, die seinen Brustkorb durchschlug und ihn mitten ins Herz traf. Er war tot, bevor sein massiger Körper auf dem Boden aufschlug.
Der zweite Wachmann schloss zitternd die Augen, weil ihm klar war, welches Schicksal ihn erwartete. Auch er brach einen kurzen Augenblick später getroffen zusammen.
Jetzt hatten die Bankräuber freie Bahn.
Zwei Tage später beobachteten Phil und ich das Geschehen auf einem Monitor in Mr. Highs Büro. Wir sahen fünf Personen, die die beiden Wachmänner niederschossen und sich dann daran machten, den Tresorraum auszurauben. Sie gingen koordiniert vor, hatten das nötige Spezialwerkzeug dabei und räumten fast alle Schließfächer leer, ehe sie die Bank verließen und mit ihrer Beute verschwanden.
Nachdem das Video beendet war, schaute uns Mr. High schweigend an.
»Gut vorbereitete Bande«, bemerkte Phil. »Zielorientiert und effizient. Haben alles unter Kontrolle. Und sind eiskalt in ihrer Vorgehensweise. Sie haben keine Rücksicht auf die Wachmänner genommen.«
Ich nickte zustimmend. »Was ist mit den beiden? Haben sie überlebt?«
»Der erste Schuss war tödlich«, antwortete Mr. High mit ernster Miene. »Der zweite hat lebenswichtige Organe knapp verfehlt, sodass der Mann gerettet werden konnte. Es stand allerdings auf Messers Schneide. Die Ärzte haben ihn mehrere Stunden lang operiert.«
»Schlimme Sache«, sagte ich.
Phil zog die Augenbrauen zusammen. »Wir sollten die Kerle schnappen, bevor sie wieder zuschlagen. Warum werden wir erst jetzt darauf angesetzt, wenn der Überfall doch schon vorgestern stattgefunden hat?«
Genau die gleiche Frage hatte ich mir auch gestellt. Anhand des Timecodes auf dem Bildschirmrand war zu erkennen, wann die Aufzeichnung entstanden war.
»Eigentlich hatten sich die Kollegen der Poughkeepsie Police um die Sache gekümmert«, erwiderte Mr. High. »Und sie würden es weiterhin tun, wäre da nicht ein Umstand, der uns auf den Plan gerufen hat.«
Er hielt kurz inne. Ich sah, wie sich Phil leicht nach vorne beugte und am liebsten nachgefragt hätte, was unser Chef meinte.
Mr. High tippte etwas auf der Tastatur seines Computers und deutete dann auf den Monitor. »Das ist der Obduktionsbericht des getöteten Wachmanns. Die Kugel hat ihn ins Herz getroffen, er war sofort tot. Ein gezielter Schuss mit der Absicht, ihn zu töten, würde ich sagen. Das ist aber nicht der Grund, warum ich Ihnen den Fall übertragen werde.«
Ich war gespannt, was nun folgen würde.
»Laut seiner Ausweispapiere und dem, was die Bank über ihn weiß, handelt es sich bei dem Mann um einen gewissen George Rowe. Der bei der Obduktion durchgeführte DNA-Test hat jedoch ergeben, dass er für uns kein Unbekannter ist und tatsächlich anders heißt, nämlich Gabriel Rubio. Und da wird es interessant. Rubios Name taucht nämlich in Verbindung mit der DiBrazzi-Familie auf.«
Ich pfiff durch die Zähne und warf einen Blick auf den Monitor, wo ein Foto des Mannes zu sehen war.
Er kam mir nicht bekannt vor. Das war bei der Vielzahl an Mitgliedern der Familien nicht verwunderlich. Vor allem nicht, da Phil und ich mehrere Jahre nicht in New York gearbeitet hatten.
»In der Tat«, fügte mein Partner hinzu. »Das könnte ein interessanter Fall sein. Wenn sich ein Mafiamitglied unter falschem Namen bei einer Bank beschäftigen lässt, bedeutet das nichts Gutes. Wer weiß, in was für dunkle Machenschaften die Ehrenwerte Gesellschaft dort verstrickt ist.«
Mr. High nickte. »Das war auch mein Gedankengang. Ihre Aufgabe sollte klar sein: Untersuchen Sie den Banküberfall, identifizieren und fassen Sie die Täter. Und finden Sie heraus, was die Mafia mit der Angelegenheit zu tun hat.«
»Das werden wir«, versprach Phil. »Ganz abgesehen von dem, was die Mistkerle gestohlen haben, haben sie einen Mord begangen. Und schwere Körperverletzung. Auch wenn es sich bei einem der Opfer um ein Mafiamitglied handeln sollte, schmälert das in keiner Weise ihre Schuld.«
»Apropos Mafia«, überlegte ich laut. »Wir sollten schnell arbeiten. Wenn die DiBrazzis von der Geschichte erfahren, was wahrscheinlich schon passiert sein wird, werden sie sich sicher nicht heraushalten.«
Phils Miene verfinsterte sich. »Das ist wahr. Wobei wir keine Ahnung haben, inwiefern sie darin verwickelt sind.«
»Finden wir es heraus«, sagte ich und stand auf. »Bis Poughkeepsie sind es, wenn ich mich nicht irre, weniger als hundert Meilen.«
Mr. High nickte zustimmend. Phil und ich verließen sein Büro.
»Ein neuer Auftrag?«, fragte Helen freundlich und drehte sich auf ihrem Bürostuhl in unsere Richtung.
»So ist es«, bestätigte mein Freund. »Allerdings … eine kleine Stärkung wäre sicher nicht schlecht.«
Helen wusste genau, was Phil meinte. Und natürlich hatte sie den Kaffee bereits fertig. Wir genehmigten uns jeder eine Tasse, dann machten wir uns endgültig auf den Weg.
Als wir in den Jaguar gestiegen waren und die 380-PS-Maschine des F-Type aufheulte, machte sich Phil daran, die Fallakte zu sichten, während ich mich ums Fahren kümmerte.
Ich konnte sehen, wie seine Augen über den Monitor wanderten, auf dem er die bisherigen Ermittlungsergebnisse aufgerufen hatte.
»Und?«, fragte ich, als er innehielt.
»Sauber geplanter Bankraub. Es war kein Zufall, dass die Bande dort zugeschlagen hat. Sie kannten die Bank, da bin ich mir sicher. Sie haben genau das getan, was nötig war, um alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, an die Beute zu gelangen und wieder zu verschwinden.«
»Ein Insider-Job?«, war meine nächste Frage.
»Gut möglich. Entweder das oder sie haben die Bank vorher ausgekundschaftet. Wir sollten jemanden darauf ansetzen, sich die Überwachungsvideos der letzten Wochen anzusehen. Vielleicht finden sich Übereinstimmungen mit einem der Bankräuber.«
Phil holte sein Handy hervor und koordinierte das mit Mr. High, der dafür einen Analysten beauftragte. Das sparte uns Zeit.
Ich blickte auf die Straße und fragte mich: Wer waren die Täter? Warum waren sie so brutal vorgegangen? Und was, zum Teufel, hatte die Mafia damit zu tun?
Wir erreichten Poughkeepsie eine gute Stunde später. Eigentlich wurden unter dem Namen zwei separate Städte zusammengefasst, nämlich Town of Poughkeepsie und City of Poughkeepsie. Von all jenen, die nicht dort leben, wurden diese beiden Städte aber gewöhnlich als ein einziger Ort betrachtet.
Ich parkte den Jaguar nicht weit entfernt von unserem Ziel, der Bank, die überfallen worden war. Sie war nach wie vor für den Publikumsverkehr geschlossen. Vor Ort erwartete uns ein hagerer Mann Mitte vierzig in der Uniform der örtlichen Polizei.
»Sie müssen die beiden Gentlemen vom FBI sein, die man mir angekündigt hat«, sagte er freundlich und schüttelte uns die Hände. »Julian Hackford. Ich leite die Untersuchungen des Bankraubs – oder habe das zumindest getan, bis man die Sache an Sie übertragen hat.«
Wir stellten uns kurz vor.
»Ich hoffe, Sie haben keine Probleme damit«, sagte ich.
Er winkte ab. »Nein, absolut nicht. Banküberfälle sind wirklich nicht mein Spezialgebiet. Muss es auch nicht werden. Ich gebe solche Fälle gerne an jemanden mit mehr Erfahrung ab. Die haben Sie doch, Erfahrung, meine ich?«
Ich nickte. »Kann man sagen.«
Er musterte Phil und mich einen Moment lang skeptisch, dann hellte sich seine Miene auf. »Gut, dann zeige ich Ihnen, was wir wissen, wenn Ihnen das recht ist.«
»Bitte«, stimmte ich zu.
Er führte uns in das Bankgebäude und gab uns eine genau Beschreibung der Vorgehensweise der Täter. Auf dem Boden waren noch Rückstände von Blut zu sehen.
»Dort hat es die beiden Wachmänner erwischt«, bemerkte er und runzelte die Stirn. »Der eine hat Familie und Kinder. Ich hoffe, er wird wieder. Der andere … Sie wissen wahrscheinlich besser als ich, was mit dem ist.«
Phil nickte. »Was wissen Sie über die Beute? Die im Bericht enthaltene Liste scheint nicht vollständig zu sein.«
»Ist sie auch nicht«, gab Hackford zu. »Die Täter hatten es vor allem auf die Schließfächer abgesehen. Wir sind jetzt zusammen mit der Versicherungsgesellschaft und der Bank dabei, herauszufinden, was sich darin befunden hat. In dem Bericht sind nur die ersten Ergebnisse aufgeführt. Könnte noch eine Weile dauern, das alles in Erfahrung zu bringen.«
»Wir hätten gerne eine Liste aller Schließfachmieter«, bat Phil.
»Die hat mir der Bankdirektor gestern bereits zur Verfügung gestellt. Sie können eine Kopie haben. Brauchen Sie sonst noch etwas?«
»Alles, was nicht im Bericht stand«, erwiderte Phil. »Und wir würden gerne mit dem Bankdirektor sprechen. Er kann uns vielleicht etwas über George Rowe alias Gabriel Rubio sagen.«
Hackford zuckte mit den Schultern. »Kein Problem, ich kann ihn zum Polizeirevier kommen lassen, wenn Sie das möchten. Allerdings denke ich nicht, dass Ihnen das helfen wird. Ich habe bereits mit dem Mann gesprochen. Er wusste nicht besonders viel über seinen Angestellten.«
Phil schaute ihn an. »Es kann nicht schaden, noch einmal mit ihm zu reden. Es ist nicht nötig, dass er zum Revier kommt. Sagten Sie nicht, dass er dabei ist, die Schließfachmieter zu kontaktieren?«
Hackford nickte. »Ja. Allerdings habe ich keine Ahnung, wo genau er steckt. Ich habe die Bank schließen lassen. Und nachdem ich informiert wurde, dass Sie übernehmen, wollte ich warten, bis Sie den Tatort freigeben. Aus diesem Grund ist er nicht hier. Wahrscheinlich arbeitet er von zu Hause aus. Ich rufe ihn an.«
Er holte sein Handy hervor und erreichte den Direktor, Percival Somerset. Wir vereinbarten einen Termin in seinem Haus.
»Sie haben ihm doch nichts davon erzählt, dass George Rowe nicht George Rowe ist, oder?«, wollte Phil nach dem Telefonat wissen.
»Nein, natürlich nicht«, versicherte Hackford.
Anschließend setzten wir die Besichtigung des Tatorts fort. Die Schließfächer waren mit einer speziellen Kreissäge geöffnet worden. Am Boden des Tresorraums befanden sich Eisenspäne. Darin waren ein paar Fußspuren zu erkennen. Darüber hinaus lagen überall Metallschubladen aus den Fächern und deren Inhalt herum.
»Sie können sich frei bewegen, eine Crime Scene Unit hat bereits alle Spuren sichergestellt«, erklärte Hackford. »Die haben ihren Bericht allerdings noch nicht fertiggestellt. Das sollte aber im Laufe des Tages so weit sein.«
Wir schauten uns weiter um.
»Ist es wahr, dass die Täter die Bankangestellten nicht aufgefordert haben, das in den Kassen befindliche Geld herauszugeben?«, wollte Phil wissen.
Hackford nickte. »So ist es. Sie haben ebenfalls niemanden aufgefordert, den anderen Tresor zu öffnen, in dem sich eine Menge Bargeld befunden hat. Vielleicht wussten sie, dass er durch ein Zeitschloss gesichert ist. In den Tresor mit den Schließfächern zu kommen, war einfacher. Wobei es natürlich mehr Arbeit gemacht haben muss, die ganzen Schließfächer zu öffnen. Die Kerle sind systematisch vorgegangen. Während zwei von ihnen die Leute in der Bank in Schach gehalten haben, haben die anderen drei die Schließfächer durchsucht und alles von Wert mitgenommen.«
»Ich werde den Eindruck nicht los, dass sie etwas Bestimmtes gesucht haben«, meinte Phil in meine Richtung.
»Gut möglich«, erwiderte ich.
»Ich hoffe, Sie erwischen die Kerle«, sagte Hackford, als wir uns verabschiedeten. »Es ist nicht gut, wenn sich herumspricht, dass man hier einfach so in eine Bank spazieren, jemanden erschießen und mit der Beute entkommen kann.«
»Das hoffen wir auch«, sagte ich. »Wir geben Ihnen Bescheid, sobald wir etwas in Erfahrung gebracht haben.«
Percival Somerset wohnte nördlich von Poughkeepsie, in einem stattlichen Anwesen. Ich parkte den Jaguar direkt vor dem Grundstück.
»Schöne Hütte«, bemerkte Phil, als wir ausgestiegen waren. »Hat sicher ein paar Millionen gekostet. Als Bankier scheint man nicht schlecht zu verdienen.«
»Wenn es dir darum geht, Hausbesitzer zu werden, dann hast du dir den falschen Job ausgesucht«, kommentierte ich.
»Haus? Das ist eher eine Villa!«
Ich grinste. »Hattest du das Gebäude nicht als Hütte bezeichnet?«
Er verzog das Gesicht, entgegnete aber nichts.
Wir gingen durch den weitläufigen Vorgarten, dessen gepflegter Rasen auf einen Gärtner schließen ließ, auf das modern aussehende Haus zu. Die Frontseite war rund fünfundzwanzig Yards breit und damit größer als alle anderen Häuser in der Gegend. Der Bankdirektor liebte es wohl, seinen Wohlstand zur Schau zu stellen. Darauf deutete auch der silbergraue Mercedes vor der Doppelgarage hin.
Nachdem wir geklingelt hatten, öffnete eine gut aussehende Frau Mitte dreißig die Tür. Es war aufgrund ihrer Kleidung und des sorgfältig aufgetragenen Make-ups nicht schwer zu erkennen, dass sie viel Wert auf ihre äußerte Erscheinung legte.
»Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie mit einer unangenehm hohen Stimme, von der mich auch ihr Lächeln nicht ablenkte.
»Wir möchten gerne mit Mister Somerset reden«, antwortete ich und zeigte meine Marke.
»FBI?«, fragte sie, und ihre Miene verfinsterte sich einen kurzen Augenblick lang, bevor ihre freundliche Fassade zurückgewann. »Aber natürlich. Percival ist in seinem Büro. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Sie brachte uns zum Büro ihres Mannes, das etwa doppelt so groß wie das Wohnzimmer meines Apartments in New York war. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er sich all das mit dem Gehalt eines Bankdirektors leisten konnte oder ob er vielleicht eine Geldspritze nötig gehabt hatte. Auf jeden Fall stand er auf meiner Liste von Verdächtigen.
»Hallo, Sie müssen die Gentlemen vom FBI sein, die mir angekündigt worden sind«, sagte Somerset, erhob sich von seinem Bürostuhl, ging um die weißgraue Marmorplatte seines Schreibtischs herum auf uns zu und reichte uns die Hand.
Er war Ende vierzig, hatte schütteres Haar und trug eine kantige Designerbrille, die meiner Meinung nach nicht zu seinem rundlichen Gesicht passte. Seine Kleidung war modern, vom Körperbau her tippte ich darauf, dass er sportlich aktiv war.
»Ganz genau. Mit wem haben Sie bisher hauptsächlich zu tun gehabt?«, erwiderte Phil lächelnd, nachdem wir die Begrüßung hinter uns gebracht hatten.
»Detective Hackford. Oder ist er Chief? Keine Ahnung, ich kenne mich mit solchen Sachen nicht aus. Wie soll ich Sie nennen? Special Agent?«
»Agent reicht«, antwortete Phil. »Mit dem Kollegen haben wir gerade geredet. Er hatte Sie bereits wegen des Bankraubs befragt, das steht auch im Bericht. Wie bei einer solchen Angelegenheit üblich, würden wir uns gerne persönlich ein wenig mit Ihnen unterhalten. Das ist Ihnen doch recht, oder?« Seine Freundlichkeit war überzeugend, auch wenn mir bewusst war, dass er Somerset testete.
»Klar, wieso nicht?«, erwiderte der Direktor mit einem Anflug von Nervosität. »Ich bin genauso an der Aufklärung der Sache interessiert wie die Polizei und natürlich auch das FBI!«
»Das ist gut. Wie aus dem Bericht hervorgeht, waren Sie nicht in der Bank, als der Überfall stattfand. Ist das richtig?«
Somerset nickte. »Ja, so ist es, Agent Decker. Es war kurz vor Feierabend, als die Männer zugeschlagen haben. Ich hatte etwas zu besorgen und bin früher gefahren.«
»Nicht auszudenken, was sie dir hätten antun können, wenn du dort gewesen wärst«, kommentierte seine Frau besorgt.
»So brutal, wie die Täter vorgegangen sind, haben Sie enormes Glück gehabt«, bemerkte ich.
Somerset holte tief Luft. »Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Ganz ehrlich, ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich hatte gerade ein paar Einkäufe erledigt und war auf dem Weg zum Fitnessstudio, als ich einen Anruf erhielt und über die Ereignisse informiert wurde. Daraufhin bin ich natürlich sofort zurück zur Bank gefahren. Die Polizei war bereits vor Ort. Das war wahrscheinlich der schlimmste Tag meines Lebens.«
»Das kann ich mir vorstellen«, meinte Phil. »Wir gehen davon aus, dass sich die Täter in der Bank gut auskannten. Ist Ihnen in den letzten Wochen etwas aufgefallen? Neue Kunden? Oder irgendwelche Personen, die Ihnen verdächtig vorkamen?«
Somerset wirkte nachdenklich. »Gute Frage. Verdächtig? Dazu fällt mir leider nichts ein. Alles lief wie sonst, keine Probleme mit Kunden, nichts dergleichen.«
»Und was ist mit George Rowe?«, hakte ich nach. »Kannten Sie ihn gut?«
»Gut ist vielleicht übertrieben, aber natürlich kannte ich ihn. Ich habe ihn eingestellt. Sein Vorgänger hatte einen Unfall gehabt, und Mister Rowe hatte sich beworben. Hat keine großen Bedingungen gestellt, die Unterlagen waren in Ordnung, und er hat seinen Job immer gut gemacht. Wenn ich damals gewusst hätte, was ihm passieren würde … Aber das weiß man natürlich vorher nie. Der arme Mann. Zum Glück hatte er keine Familie.«
Ich musterte ihn genau. Nichts wies darauf hin, dass Somerset etwas von der wahren Identität des Wachmanns wusste. Aber war das tatsächlich der Fall? Es konnte nicht schaden, nachzubohren. »Ist Ihnen an Rowes Verhalten etwas aufgefallen? In der letzten Zeit, meine ich.«
Er schaute mich überrascht an und schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Wieso? Wollen Sie etwa andeuten, dass er etwas mit dem Überfall zu tun hatte? Wenn ja, dann wusste ich nichts davon. Seine Papiere waren einwandfrei. Und es gab nichts, was mich so etwas hätte vermuten lassen.«