Jerry Cotton 3206 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3206 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In New York brannte ein Bus, vollbesetzt mit Menschen. Sie starben qualvoll in der tödlichen Glut eines Flammenwerfers. Unter den Opfern befand sich auch ein Special Agent des FBI. Auf der fieberhaften Suche nach den Terroristen führten die Spuren Phil und mich zunächst zur Cosa Nostra. Doch schon bald zeigte sich, dass die wahren Hintermänner aus einer Stadt in China kamen, die den ganzen Big Apple in ihre Gewalt bringen wollten!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2018

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Stadt am Abgrund

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Detroit«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6511-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Stadt am Abgrund

Nach fast dreißig Jahren hatte es Jim North gelernt, seinen Job zu hassen. So lange nämlich steuerte er den weißen Bus mit dem blauen Streifen bereits durch die Straßen der nächtlichen Bronx. Ein mühseliger und nervenaufreibender Job. Besonders dann, wenn zwielichtiges Gesindel zustieg. Typen, die auf Streit aus waren oder so besoffen waren, dass sie alles vollkotzten.

Gott sei Dank saßen jetzt nur friedliche Leute hinter Jim. Schweigsame Männer und eine Gruppe wohlerzogener Jugendlicher, die sich leise unterhielt. Unter ihnen ein Paar, eng umschlungen.

Die Uhr im Armaturenbrett zeigte an, dass es kurz nach Mitternacht war. Jim North hatte noch sechs Stunden vor sich. Er seufzte resigniert und ließ den Bus vor einem alten Schulgebäude ausrollen. Die Haltestelle war nur spärlich beleuchtet. Eine alte Frau mit einer Tragetasche wartete dort.

Die Türen öffneten sich fauchend. Jim blickte desinteressiert zu der Frau hinüber, die sich mühsam auf die unterste Stufe hievte. Sie hob ihr Gesicht zu ihm und wollte etwas sagen.

In diesem Augenblick fegte eine gelb züngelnde Feuerlohe heran, und die Frau ging in Flammen auf.

Ihre gellenden Schreie mischten sich mit dem rhythmischen Hacken vollautomatischer Waffen.

Nacht. Eine von vielen ähnlichen Straßen in der Bronx. Eng. Tiefe Dunkelheit, zerfasert von unzähligen Lichtern. Auf beiden Seiten sechsstöckige Häuser mit rostigen Feuertreppen vor den ausgebleichten Fassaden. Viele leere Fensterhöhlen, in den Untergeschossen billige Läden mit schmuddeligen Schaufenstern. Hier war es heute Nacht geschehen und würde sich dauerhaft in das Gedächtnis der Stadt einschreiben. Ein Albtraum hatte die Baker Street herausgehoben aus der Masse der gewöhnlichen Orte.

Jetzt, nachdem es endlich gelungen war, das Feuer zu löschen und der Bus fast vollständig ausgebrannt war, setzte heftiger Regen ein. Wo zuvor in der kalten, klaren Nachtluft alle Details der Szenerie mit brutaler Deutlichkeit ins Auge gedrungen waren, zerflossen plötzlich die Konturen. Der grelle Aufriss der Scheinwerfer, die auf den skelettierten Bus gerichtet waren, schien auf den Wassermassen zu schwimmen.

Phil und ich standen etwas abseits und beobachteten, wie sich die Menge der Schaulustigen langsam auflöste, die sich vor der Absperrung gedrängt hatte. Einige Presseleute trieben sich immer noch herum, um Passanten und Anwohnern bedeutungslose Kommentare zu entlocken. Das Team des Fire Department traf Vorbereitungen zum Abzug. Die Beamten der Spurensicherung hatten die Arbeit aufgenommen. Für sie würde es eine lange Nacht werden.

Phil und ich waren nur wenig später als die Mordkommission am Tatort eingetroffen. Was daran lag, dass deren Leiter, Captain Jack Harrison, umgehend Mr. High hatte informieren lassen. Der Grund: Einer der zwanzig verkohlten und von MP-Salven durchlöcherten Leichen hatte man einen eisernen Nagel durch die Brust getrieben. Er fixierte ein Pappschild, auf das mit rotem Filzstift die Worte Special Agent Pantu gekritzelt waren. Offensichtlich eine Verhöhnung. Pantu war das chinesische Wort für Verräter. Und ebenso offensichtlich eine Botschaft: Wir sind mächtig. Unsere Macht reicht bis in die Reihen des FBI.

Undeutlich durch den auf die Straße prasselnden Regen hörte ich, wie der Captain seinen Leuten in barschem Ton Kommandos erteilte. Kurz darauf trat er auf Phil und mich zu. Er war ein großer Mann mit kurz geschorenen eisgrauen Haaren. Der beständige Wasserguss schien sein unbewegtes, kantiges Gesicht auszuspülen wie einen Stein. An seiner rechten Hand zerrte er ein etwa zwölfjähriges Mädchen mit rot überschminkten Lippen hinter sich her.

Harrison streckte die Linke aus. Auf der Handfläche schimmerte das Metall einer FBI-Dienstmarke. »Der Typ war wohl tatsächlich einer Ihrer Kollegen. Von dem Ausweis sind leider nur Reste übrig.«

Ich nahm die Marke an mich. »Wer ist das Mädchen?«

»Ihr Name ist Liza Pearl«, antwortete Harrison.

Liza trug ausgetretene hochhackige Schuhe, durchlöcherte Jeans und eine zarte, halb durchsichtige Bluse. Die dünnen, sehnigen Arme waren unbedeckt und wiesen einige stümperhaften Tätowierungen auf. Lizas aufgerissene Augen, der keuchende Atem und der verzerrte Mund verrieten, dass sie unter Schock stand.

»Sie hat alles gesehen. Hat sie jedenfalls behauptet. Aber danach war kein Wort mehr aus ihr herauszubekommen.« Harrisons Stimme verriet keinerlei Mitgefühl. »Ich denke, wir sollten sie uns mal in Ruhe vorknöpfen.«

Ich blickte Phil fragend an.

»Die Kleine braucht Hilfe«, sagte mein Partner. Ihm gefiel Harrisons rüde Art ebenso wenig wie mir.

»Wissen Sie, was ich glaube?« Harrison spuckte in den Regen. »Sie ist ’ne Nutte. Man muss sich wegen ihr nicht sorgen.«

»Das müssen Sie auch nicht«, entgegnete Phil. »Mein Partner und ich kümmern uns um sie.«

»Moment mal, das hier ist auch mein Fall. Wir quetschen sie gemeinsam aus, ist das klar?«

»Wo wohnst du?«, fragte ich Liza, ohne auf den Captain einzugehen. Ich konnte sehen, wie ihr Arm zitterte, als sie stumm die Straße hinunter zeigte. »Bei deinen Eltern?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Wieso nicht?«

Sie antwortete nicht.

»Was soll der Scheiß?«, erregte sich Harrison. »Warum packen Sie sie mit Samthandschuhen an?«

»Sie ist noch ein halbes Kind«, sagte Phil.

»Interessiert mich nicht. Sie wollte abhauen. Außerdem ist sie ist voll auf Droge. Gucken Sie sich die Pupillen an!«

»Kann schon sein. Auf jeden Fall braucht sie Hilfe«, beharrte mein Freund.

»Die braucht ganz was anderes«, erwiderte Harrison kalt.

Liza riss sich von Harrison los und stellte sich zwischen Phil und mich.

»Ich will mal was klarstellen, Captain«, sagte ich. »Das hier ist vor allem ein FBI-Fall. Mein Partner und ich nehmen diese Zeugin jetzt mit. Falls Liza eine Aussage macht, werden wir Sie davon unterrichten.«

Er fixierte mich wütend, erwiderte jedoch nichts. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte zurück zum Bus.

Liza löste sich von Phil und mir und machte Anstalten, sich zu verdrücken.

»Geht leider nicht«, sagte Phil freundlich. »Wir müssen uns noch mit dir unterhalten.«

Sie zögerte einen Augenblick, dann senkte sie den Kopf und verschränkte die dünnen, bleichen Arme vor der Brust. Sie würde mitkommen. Aber nicht einmal sie selbst wusste wahrscheinlich, ob sie je darüber reden würde, was sie gesehen hatte.

Was für eine Nacht!

Yü Han atmete tief durch.

Aus unsichtbaren Lautsprechern perlte leiser chinesischer Gesang, der die Schönheit des Mondes rühmte. Bis auf den Schimmer einiger Kerzen war der weitflächige, schwülstig eingerichtete Raum mit den grünen Seidentapeten völlig abgedunkelt. Yü Han stand in Gedanken versunken an dem gebogenen Panoramafenster, von dem aus man einen Großteil von Manhattan überblicken konnte. Er legte seufzend die Stirn gegen das Glas, betört vom Funkeln der tausend Lichter, die zu ihm emporblinkten.

Er hörte nicht, dass die Tür hinter ihm geöffnet wurde. Erst als er die Stimme seines Bruders vernahm, wandte er sich um.

»Alles ist gut gelaufen«, sagte Yü Ming. »Shen Zhou hat ganze Arbeit geleistet.«

»Ich weiß, er hat mich bereits verständigt.«

»Also gut, lass uns darauf anstoßen, Bruder!« Er gab ein kleines, fast unsichtbares Zeichen mit der Hand, und eine zierliche, hochgewachsene Chinesin trippelte auf Schlangenleder-Stilettos herein. Auf einem silbernen Tablett trug sie einen Kübel mit Champagner und zwei Gläser. Sie stellte das Tablett auf dem Mahagonitisch in der Mitte des Raums ab und huschte schweigend hinaus, ohne einen der beiden Männer anzusehen. Hätte sie es getan, hätte Ming sie geschlagen. Hart, mehrfach, mit der flachen Hand ins Gesicht. Eine vergleichsweise milde Strafe.

Han beobachtete, wie sein Bruder zum Tisch ging und Champagner in die Gläser füllte. Eine Geste, die eine große Ehre bedeutete. Ming war der Drachenkopf der Triade. Über ihm gab es nur noch Gott. Doch welcher Gott? Es gab keinen, dachte Han. Also war, logische Folge, sein Bruder Ming Gott.

Ming stand jetzt da, lächelte Han an, ohne dass sich der Ausdruck in seinen tief liegenden Augen veränderte. Die Pupillen unter den leicht gesenkten Lidern wirkten wie kleine, harte Kohlestücke.

Die Zeit schien einzufrieren. Für Han dehnten sich einige Sekunden zu einer gefühlten Ewigkeit. Han wusste, dass er in seinen Spiegel blickte. Diese undurchschaubare Maske, das war er selbst. Er und sein Bruder waren eineiige Zwillinge. Nichts unterschied sie äußerlich voneinander. Nicht einmal die Kleidung. Sie präsentierten sich beide stets in sündhaft teuren, maßgeschneiderten blauen Anzügen. Wer sie nicht kannte, musste denken, dass sie in den Dingern auch zu Bett gingen. Han mochte diese Kleidung nicht. Aber irgendetwas zwang ihn, immer wieder hineinzusteigen und sich damit ununterscheidbar zu machen. Manchmal schien es ihm, als sei er nichts anderes als diese elende blaue Hülle.

Andererseits war da seine geradezu halluzinatorische Fähigkeit, sich die wildesten und unbegreiflichsten Dinge auszumalen. Sie war sein zweites, eigentliches Ich.

»Hey, was starrst du mich so an, Bruder?« Ming ging auf Han zu und drückte ihm eines der Gläser in die Hand. »Du solltest dich freuen. Unsere Operation war ein voller Erfolg. Morgen wird alle Welt von den Toten im Bus erfahren.«

Sie stießen miteinander an und leerten die Gläser in einem einzigen Zug.

»Ich möchte etwas mit dir besprechen«, sagte Yü Ming.

Sein Bruder blickte ihn verständnislos an. Er spürte jetzt immer stärker die negativen Wirkungen des Opiums, das er vor drei Stunden geraucht hatte. Hautjucken und eine körperliche Müdigkeit, die mit höchster geistiger Angespanntheit verbunden war. In diesem Zustand kam es ihm so vor, als schössen radioaktive Blitze durch sein Hirn, die eine Schockwelle von Bildern und Gedanken auslösten.

»Ich weiß nicht«, sagte er mit belegter Stimme, »ob das der richtige Augenblick ist.«

»Was meinst du damit?«

»Mein Kopf, Bruder Ming. Neue Visionen bedrängen mich.«

Ming antwortete nicht. Er ging zum Tisch zurück, stellte beide Gläser auf die hochglanzpolierte, mit Intarsien versehene Platte. Dann blieb er abwartend stehen.

Han glaubte die Geringschätzung zu spüren, die sein Bruder jetzt empfinden musste.

»Du willst reden?«, fragte Ming schließlich. »Also schön, rede!«

Han erkannte die Falle. Aber ein unüberwindlicher Zwang, sich mitzuteilen, kam über ihn.

»Ich träume von Strömen von Blut!« Er schaute fiebernd auf die Stadt hinunter, die sie sich durch Entsetzen und Furcht gefügig machen wollten. »Von einem ganzen Meer, das sich speist aus dem Blut der Toten. Und darin treiben all die, die wir noch hineinstoßen werden. Ihre Schreie mischen sich mit den Klagerufen der Möwen. Sie betteln vergeblich um ihr Leben. Denn sie werden ertränkt im Blut derer, die vor ihnen den Tod fanden.«

»Du spinnst«, sagte Yü Ming abfällig. »Es wird immer schlimmer mit dir. Du solltest weniger träumen. Deine Fantastereien könnten gefährlich für uns werden.«

»Ich bin ein Dichter«, sagte Han. »Dichter träumen. Aber das wirst du nie verstehen.«

»Unfug, du bist ein Geschäftsmann, und ein sehr guter. Nur deshalb hast du den zweithöchsten Rang in der Triade inne. Deshalb gebührt dir der Titel Weißer Papierfächer. Aber das genügt dir nicht. Du möchtest unbedingt als Künstler gefeiert werden. Und das Opium hilft dir, daran zu glauben.«

»Was ist daran so schlimm? Ja, ich denke mir Dinge aus, auf die kein anderer kommt. Ist das nicht gut für uns? Profitieren wir nicht alle davon?«

Er hielt inne, begierig auf eine Antwort. Doch Ming zeigte keinerlei Reaktion.

»Du bist unser Führer«, fuhr Han eifernd fort, »weil du die Kraft hast, jedem Menschen deinen Willen aufzuzwingen. Unsere Soldaten folgen bedingungslos deinen Befehlen. Niemand würde es wagen, sich dir zu widersetzen. Aber ohne meine Visionen gäbe es nichts, worauf sich deine Befehle beziehen könnten. Xue Bao, der blutige Sturm, ist meinem Gehirn entsprungen. Ich liebe dich, Bruder Ming, aber vergiss das nicht!«

Yü Ming zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Liebe ist nichts, Bruder Han, nur eine Illusion für Schwächlinge. Wir sind Brüder, gleichen Bluts, geboren zur selben Stunde. Das Schicksal will, dass wir Seite an Seite gehen. Dass wir gemeinsam über unsere Feinde triumphieren.« Er ging zur Tür und wandte sich dort noch einmal um. »Du hast gute Ideen, Bruder Han, aber sie kommen aus einer dunklen Quelle.«

»Was soll das heißen?«

»Unsere Mutter, Han. Du hast viel von ihr. Es ist nicht gut, wenn zu viel von einer Frau in einem Mann steckt.«

Han schüttelte heftig den Kopf, um die Verwirrung loszuwerden, die Mings Worte ausgelöst hatten. Es war, als blicke er in einen dunklen Schlund. Er musste zurückkehren in die Wirklichkeit. Etwas sagen, das greifbar war.

»Worüber wolltest du mit mir reden, Bruder Ming?«

»Vergiss es«, beschied ihn Ming knapp. »Warten wir, bis du wieder bei Verstand bist!« Er ging hinaus und schloss die Tür geräuschlos.

Han starrte ihm länger nach und versuchte, die Panik zu unterdrücken, die in ihm hochstieg. Er wusste, er würde die nächsten zehn Stunden keinen Schlaf finden.

Verfluchtes Opium!

Gegen sechs Uhr morgens telefonierten Phil und ich aus unserem Büro noch einmal mit Captain Harrison. Wir wollten wissen, ob es schon Ergebnisse der Spurensicherung gab.

Übellaunig informierte er uns, dass am kleinen Finger der linken Hand des Toten mit dem Pappschild ein schmaler goldener Ring entdeckt worden war. Es gab jedoch keine Gravur, die einen Hinweis auf die Identität des Opfers hätte liefern können. Außerdem erwähnte Harrison zwei Anwohner, die Schreie und das Rattern der MPs gehört hatten. Aus Angst, in irgendwas reingezogen zu werden, hatten sie sich nicht getraut, einen Blick aus dem Fenster ihres Schlafzimmers zu riskieren. Ansonsten war niemand gefunden worden, der sich zu den Vorfällen äußern wollte.

Eine halbe Stunde später saßen Phil und ich bei Mr. High im Büro. Ein Umstand, der verriet, dass der Chef höchst beunruhigt war.

Erst einmal berichteten wir ihm unsere allgemeinen Eindrücke vom Tatort.

Dann kam der Assistant Director in Charge auf den Toten mit dem Ring zu sprechen. »Können Sie bestätigen, dass es sich bei ihm um einen Special Agent handelt?«

»Zumindest«, antwortete ich, »wurde eine Dienstmarke gefunden. Allerdings keine Waffe. Die ganze Leiche ist verkohlt. Ob die Obduktion erfolgreich sein wird, erscheint auch fraglich. Das Gesicht ist zerstört, ebenso die Fingerkuppen.«

»Ich finde es merkwürdig«, sagte Phil, »dass die Täter einerseits auf die Identität eines Opfers hinweisen und andererseits alle Merkmale dieses Menschen auslöschen.«

»Womöglich«, erwiderte Mr. High, »geht es den Tätern darum, besondere Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich habe die Zeit nach dem Anruf von Harrison genutzt, um mir einige Gedanken zu machen. Zwei Vorfälle in anderen Bundesstaaten könnten mit dem Attentat auf den Bus in Verbindung stehen.«

Wir beugten uns gespannt nach vorne.

»Vor zwei Monaten wurde in Atlantic City ein Casino von maskierten Gangstern mit Maschinenpistolen überfallen. Es gab dreißig Tote. Unter ihnen einer der beiden Senatoren von New Jersey. In New Heaven drang vor einer Woche ein Maskierter mit einem Flammenwerfer in eine Kirche ein. Niemand war da außer dem Priester, der Vorbereitungen für eine Messe traf. Der Täter wurde beim Hinausgehen von einem alten Mann beobachtet. Kurz darauf loderten Flammen auf und dichte Rauchwolken stiegen zum Himmel. Die Kirche war nicht mehr zu retten. Die verkohlte Leiche des Priesters lag auf dem Altar.«

»Mein Gott!«, entfuhr es mir.

»Ja, Jerry. Der Priester war bekannt dafür, sich für die Opfer von Verbrechen zu engagieren. In beiden Fällen wurde mit äußerster Brutalität vorgegangen. Das Motiv für den Überfall auf das Casino könnten Rivalitäten zwischen Schutzgelderpressern sein. Für das Attentat auf die Kirche aber fehlt jede Begründung. Jetzt ging bei uns ein Bus in Flammen auf. Außerdem wurde auf die Opfer geschossen.«

»Ich nehme an«, warf Phil ein, »dass die Täter mit den Schüssen den Weg freimachen sollten für den Einsatz des Flammenwerfers.«

»Vermutlich, ja. Nehmen wir an, es handelte sich in allen drei Fällen um dieselben Täter. Dann sind sie womöglich dabei, ihre Methode weiterzuentwickeln.«

»Aber was ist ihr Ziel?«, fragte ich.

»Unruhe zu verbreiten, Panik. Dazu würde passen, dass sie mit Symbolen arbeiten.«

»Ich kann noch nicht ganz folgen«, räumte Phil ein.

Mr. High nickte verständnisvoll. »Na ja, man muss schon ein bisschen um die Ecke denken, um daraufzukommen. Beginnen wir mit dem Casino, einem Ort, der dem Vergnügen dient. Dann die Kirche, ein religiöses Zentrum. Und jetzt hier in der Bronx ein öffentliches Verkehrsmittel.«

»Donnerwetter«, sagte ich, »das ist einleuchtend. Und jedes Mal war unter den Opfern eine Person von öffentlichem Interesse.«

»Zudem kommt mit dem Senator die Politik ins Spiel. Und die Botschaft auf dem Pappschild zielt auf unsere Behörde.« Mr. High lehnte sich über den Schreibtisch und verschränkte die Hände ineinander. Er wirkte besorgt und zugleich entschieden.

»Was denken Sie darüber?«, wollte ich wissen.

»Nun, wir müssen damit rechnen, dass wir es mit einer neuen Form des Verbrechens zu tun haben. Mit Tätern, die sich der Strategie von Terroristen bedienen. Aber was ist ihr Ziel? Und wer sind sie? Das müssen wir ganz schnell herausfinden. Ich fürchte, diese Kerle können jeden Augenblick wieder zuschlagen. Womöglich haben sie weitreichende Pläne. Wir müssen sie mit aller Härte bekämpfen!«

Wir schwiegen eine Weile nachdenklich. Helen kam herein und servierte Kaffee. Obwohl ihr die angespannte Stimmung im Raum nicht entging, zeigte sie ein fröhliches Lächeln. Als sie wieder verschwand, hatte ich einige Punkte in meinem Kopf sortiert.

»Der Ring des Toten mit dem Pappschild könnte uns helfen, das Opfer zu identifizieren. Noch heute Morgen sollten alle unserer Agents kontaktiert werden. Falls einer von ihnen nicht erreichbar ist, könnte es sich um unseren Mann handeln. Der nächste Schritt wäre, ein Familienmitglied aufzusuchen und den Ring vorzuzeigen.«

»Gute Idee, Jerry«, bestätigte Mr. High. »Ich werde das veranlassen.«

»Außerdem«, fuhr ich fort, »gibt es eine Zeugin, die uns womöglich weiterhelfen kann. Bisher war sie leider sehr verstockt.« Ich berichtete ihm von Liza Pearl. »Phil und ich haben sie im Street Kids