Jerry Cotton 3212 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3212 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Davide Santoro, Underboss des Santoro-Clans, der den Norden Brooklyns beherrschte, wurde mit seinen drei Bodyguards und fünf weiteren Begleitern während eines Spiels der Yankees in seiner Loge erschossen. Phil und ich ermittelten schnell, dass die Palumbo Boys, ein Mafiaclan aus New Jersey, nach Brooklyn hineindrängte, um die Santoros zu vernichten. Wir mussten schnell handeln, da uns ein Mafiakrieg bevorstand. Denn Davide war der älteste Sohn des Big Boss Gionata Santoro, der bittere Rache schwor!

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Bis in alle Ewigkeit

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Zeit der Trauer«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7504-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Bis in alle Ewigkeit

Yankee Stadium, Bronx

Nach dem achten Inning lagen die New York Yankees gegen den Erzrivalen aus Boston mit 9:11 im Rückstand, als Boone den Ball voll traf. In weitem Bogen flog er Richtung Zuschauerränge, während Boone den Schläger wegwarf und provozierend langsam zum Homerun startete.

»Yeah!«, schrie Davide Santoro begeistert, sprang aus seinem Sessel hoch und ballte die Hand zur Faust. Auch seine Gäste jubelten.

Ein Explosionsknall ertönte. Santoro fuhr herum und griff nach seiner Pistole, genauso wie seine drei Leibwächter. Die Tür flog auf. Zwei Männer in Batman-Masken stürmten herein, die MPs im Anschlag. Ohne zu zögern, schossen sie los. Santoro sah seine Leibwächter tanzen und fallen, dem Geschäftspartner neben ihm wurde der halbe Schädel weggerissen. Santoro sah die Feuerblumen und spürte dumpfe Schläge auf der Brust. Ungläubig starrte er auf das viele Blut an seiner Hand. Dann brach er stöhnend zusammen.

Ich lag auf der Couch und schaute Baseball.

»Mein Gott, Boone, du musst einfach nur mal den Ball treffen, das kann doch nicht so schwer sein«, rief ich genervt, als der Wurf des Bostoner Pitchers durch die Strike Zone flog und vom Catcher sicher gefangen wurde. Meine Yankees lagen gegen den größten Rivalen, die Red Sox, mit 9:11 im Rückstand. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Aber Jay Boone würde das Blatt wohl auch nicht wenden können. Dementsprechend war meine Laune. Nervös nahm ich die Bierbüchse vom Tisch, trank sie leer, zerdrückte sie und schleuderte sie mit einem Knurren durchs Zimmer.

Der Wurf kam. Boone zog durch. Und traf den Ball optimal. Er flog in hohem Bogen in die Zuschauerränge.

»Boone, du Baseballgott!«, rief ich begeistert, als er den Schläger fallen ließ und zum Homerun lostrabte. Doch plötzlich entstand Unruhe auf den Tribünen. Die Kommentatoren meldeten sich mit aufgeregten Stimmen. Es habe eine Explosion im Bereich der Luxuslogen gegeben, auch Schüsse seien gefallen.

Es durchzuckte mich heiß und kalt. Verflucht, dachte ich entsetzt, während ich gebannt auf den Bildschirm starrte. Die Kameras hielten auf die Haupttribüne, wo Panik ausgebrochen war. Jeder war aufgesprungen! Ich sah in weit aufgerissene Augen. Die Leute drängten alle auf einmal durch die engen Sitzreihen. Einige wurden über die Sitzkanten gedrückt und fielen.

»O mein Gott! Ich höre weitere Schüsse!«, schrie ein Reporter, während die Security verzweifelt versuchte, die Flüchtenden unter Kontrolle zu bekommen. Vergeblich. Sie wurden in die Durchgänge gedrängt und höchstwahrscheinlich überrannt.

Ein Terroranschlag?

Höchstwahrscheinlich. Ich rief Phil an. Er meldete sich verschlafen, hatte von dem Drama noch nichts mitbekommen. Sofort war er hellwach.

»Wenn’s ein Terroranschlag ist, fällt das in unsere Zuständigkeit«, sagte er. »Wir fahren auf alle Fälle hin. Holst du mich ab?«

»Klar.« In Windeseile zog ich mich an, steckte meine Waffe ein und fuhr mit dem Aufzug in die Tiefgarage. Dort enterte ich den Jaguar. Mit eingeschaltetem Frontblitzer und Sirene fuhr ich durch die Upper Westside.

Phil wartete bereits auf mich und sprang in den Wagen. Ich jagte die Amsterdam Avenue in nördlicher Richtung hoch. Immer wieder zog ich mit gewagten Manövern an Autos vorbei, die nicht rechtzeitig Platz machten, während wir gespannt die Nachrichten hörten. Anscheinend hatte die Security die Lage tatsächlich unter Kontrolle bekommen und hielt die Menschen im Stadion zurück, bis Entwarnung gegeben werden konnte. Es war von weiteren Schüssen die Rede, die höchstwahrscheinlich aus automatischen Gewehren oder Maschinenpistolen kamen. Explosionen schien es hingegen keine mehr gegeben zu haben. Auf Höhe von Sugar Hill überquerte ich den Harlem River auf der Macomb’s Dam Bridge und fuhr direkt auf das Yankee Stadium zu. Schon von der Brücke aus sahen wir den Widerschein der zahlreichen zuckenden Warnlichter.

Unsere Dienstmarken brachten uns durch den Polizeikordon, der bereits das Stadion abriegelte. Die Kollegen vom NYPD hatten wirklich rasch reagiert. Wir tauchten in die umlaufende Mall ein, wo sich verängstigte Menschen drängten, die zum Teil von Sicherheitskräften beruhigt wurden. Der Einsatzleiter, ein Captain namens Meyers, begrüßte uns mit bleichem Gesicht.

»Wenn meine ersten Informationen stimmen, handelt es sich hier nicht um einen Terroranschlag«, sagte er und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Möglicherweise ist ein Mafiaboss aus Brooklyn umgenietet worden. Und alle, die bei ihm in der Loge waren. Kein schöner Anblick, wenn Sie mich fragen, Agents.«

»Wie heißt der Mafiaboss?«, fragte Phil.

»Davide Santoro. Der hatte die Loge wohl schon seit einigen Jahren gemietet und war auch heute Abend anwesend. So viel haben wir schon mal rausgekriegt. Wird aber noch etwas dauern, bis wir ihn identifizieren können, wenn Sie mich fragen. Davide scheint der Unterboss des Santoro-Clans gewesen zu sein, die Nummer zwei nach seinem Alten, Gionata Santoro.« Er schüttelte den Kopf und spuckte aus. »Gionata, was für’n komischer Name, oder nicht? So möchte doch keiner heißen, wenn Sie mich fragen.«

»Was ist mit dem Killer?«, wollte ich wissen.

»Scheinen mindestens zwei gewesen zu sein. Leider entkommen. Sie haben sich den Weg freigeschossen, weswegen wir noch mehr Tote haben als die Herrschaften in der Loge. Die Typen haben ein verfluchtes Massaker angerichtet, wenn Sie mich fragen. Aber die Fahndung läuft bereits.«

»Gibt es Zeugen? Täterbeschreibungen?«

»Weder noch, Agent Cotton.«

Der Captain führte uns in den Logenbereich. Santoro hatte eine Luxury Suite gemietet gehabt. Ein Tatortteam des NYPD war bereits an der Arbeit, die Leichen lagen aber noch da. Die Killer hatten tatsächlich ein Massaker angerichtet, nachdem sie sich den Weg in die abgeschlossene Loge freigesprengt hatten. Ich war viel gewohnt. Trotzdem drehte sich mir fast der Magen um.

»Mann, Mann«, murmelte Phil, dem es nicht besser erging.

Fünf Leichen lagen in einem Meer von Blut auf dem Boden, zwei Frauen hatte es auf der breiten Couch erwischt. Eine war umgekippt und lag zusammengekrümmt auf der Seite, die andere saß noch da. Ihr Kopf war zur Hälfte weggeschossen. Zwei weitere Tote lagen vor dem Büfett, einer im Durchgang zum Toilettenbereich. Auch die Wände waren blutbesudelt. Das getrocknete Blut bildete teilweise bizarre Muster.

Zwei Stunden später hatte die Task Force T.A.C.T.I.C.S. den Fall ganz offiziell. Und damit wir. Denn der erste Verdacht hatte sich bestätigt. Einer der zehn Toten in der Loge war tatsächlich Davide Santoro, der mutmaßliche Unterboss des Santoro-Clans, der den Norden Brooklyns beherrschte.

Steve Dillaggio hatte uns mit einigen Informationen versorgt. Dazu gehörte auch das Gerücht, dass die sogenannten Palumbo Boys, ein Mafiaclan aus New Jersey, gerade versuchte, seinen Einflussbereich auf Nord-Brooklyn auszudehnen. Dafür gab es Hinweise, mehr aber auch nicht. Der Süden Brooklyns gehörte dagegen der russischen Mafia, die selbst in Gangsterkreisen als äußerst brutal und rücksichtslos galt. Allerdings war nicht bekannt, dass sich die Russen neue Gebiete erschließen wollten.

Hatten wir es also mit einem Anschlag der Palumbo Boys zu tun? War das die offizielle Kriegserklärung an den Santoro-Clan gewesen? Wenn ja, konnten wir uns in den nächsten Wochen und Monaten auf einen Mafiakrieg einstellen. Das bereitete mir jetzt schon Magendrücken.

In dieser schrecklichen Nacht passierte nichts mehr, die Zuschauer wurden geordnet aus dem Stadion geleitet.

Es stellte sich schnell heraus, dass zwei Mitarbeiter der Securityfirma Sec-D fehlten, die ihren Sitz in Harlem hatte und für die Yankees arbeitete. Nick Drexel, Inhaber der Sec-D, hatte die beiden Männer erst vor einem halben Jahr eingestellt. Ihre Führerscheine waren in Chicago und Boston gestohlen worden und gehörten zwei unbescholtenen Männern. Drexel musste eingestehen, dass die Sicherheitsüberprüfungen maximal halbherzig stattgefunden hatten. Ich tippte aber eher darauf: gar nicht. Das war im harten Securitygeschäft, wo nur schlecht bezahlt wurde und die Firmen über jeden Mitarbeiter froh waren, allerdings gang und gäbe.

»Die Jungs haben einen guten Eindruck gemacht, konnten schießen und kämpfen«, sagte er und zuckte mit den Schultern. »Und einen Vollbart kann man sich im Laufe der Zeit ja schon mal stehen lassen, oder? Ist ja nichts Verwerfliches dran, im Gegenteil, zumindest was unser Geschäft hier anbelangt, da wirken die Mitarbeiter gleich respekteinflößender. Also, was ich sagen will, soweit ich das überprüfen konnte, waren die IDs in Ordnung, keine Vorstrafen, und in ihre Köpfe kann ich nun mal nicht reinschauen.«

Auf den Überwachungsvideos des Stadions waren zwei Männer mit Batman-Masken zu sehen. Sie trugen Jacken von Sec-D. Die Maschinenpistolen der Marke Beretta M12 mit Doppelgriff und Vierzig-Patronen-Stangenmagazin hielten sie schussbereit vor sich. Mit raschen Schritten gingen sie durch den Gang hinter den Logen. Er war mit blauem Teppich ausgelegt, an den Wänden hingen die überdimensionalen Fotos verdienter Yankees-Spieler. Einer der Killer öffnete die Jacke und holte eine Sprengladung aus der Innentasche. Dann drehte er sich kurz um, machte ein Victoryzeichen in die Kamera und brachte die Sprengladung an der Tür an. Sie schien Magnethaftung zu besitzen. Gleich darauf war ein greller Blitz zu sehen. Der Mann mit der Sprengladung wuchtete die Tür mit dem Fuß auf, die Killer drangen in die Loge ein. Nach genau dreiunddreißig Sekunden kamen sie wieder heraus und rannten den Gang zurück. Zum Glück waren sie auf niemanden gestoßen, sonst hätte es noch mehr Tote gegeben.

Auf weiteren Überwachungsvideos konnten wir die Killer bisher nicht identifizieren, sie mussten sich in den Katakomben umgezogen haben. Allerdings arbeiteten unsere Spezialisten noch daran. Das Fluchtauto hatten wir möglicherweise sichergestellt. Etwa eine Stunde nach der Tat war ein altes Oldsmobile auf einem Hinterhof mitten in der Bronx in Flammen aufgegangen. Nichts Ungewöhnliches eigentlich – wenn nicht ganz in der Nähe eine Batman-Maske gefunden worden wäre, die die Killer möglicherweise auf der Flucht verloren hatten. Fingerabdrücke gab es nicht darauf. Aber den Aufkleber eines Shops in Union City in New Jersey! Ein deutlicher Hinweis auf die Palumbo Boys!

Green-Wood Cemetery, Greenwood Heights, Brooklyn

Wo bist du, Hase?, tippte Ruth White in den WhatsApp-Chat. Dann wandte sie sich lächelnd an die zwanzig Tourteilnehmer, die erwartungsvoll vor dem dunkelgrünen Oldiebus mit der goldenen Aufschrift Green-Wood standen.

»Steigen Sie bitte ein, Ladys und Gentlemen, und machen Sie es sich in aller Ruhe bequem. Wir starten in«, sie blickte auf ihre Armbanduhr, »zwei Minuten.«

Die Gäste stiegen in den Bus, während ihr Smartphone mit einem ploppenden Geräusch den Eingang einer WhatsApp-Nachricht anzeigte.

Bin gerade bei Minerva an der Border Avenue, Rasen mähen, las sie. Das wird noch eine Weile dauern, danach müssen wir uns um ein Hornissennest an der Dell Ave kümmern. Hast du eine Tour?

Ja, die Verbrechertour, schrieb sie zurück. Da kommen wir bei dir vorbei, dann sehen wir uns kurz. Mach dich bemerkbar, wenn du den Bus siehst, okay?

Einige Krähen kreisten schreiend über dem Bus, zwei ließen sich sogar direkt davor nieder. Zwei Fahrgäste stiegen wieder aus und fotografierten die Tiere.

Ich werde winken. Ganz besonders heftig, denn ich liebe dich über alles, Darling, antwortete er. Willst du mich nicht doch heiraten? Ich meine, wir könnten ja heute Abend drüber reden.

Die Friedhofsführerin starrte auf die roten Herz-Emojis. Ich sagte dir doch schon, dass das nicht möglich ist … Sie tippte diese Nachricht noch, obwohl die angekündigten zwei Minuten bereits überschritten waren. Lass es einfach, wie es ist, okay?

Dann stieg sie in den Bus und klemmte sich hinters Steuer. »Ladys und Gentlemen, willkommen zur anderthalbstündigen Verbrechertour über den Green-Wood-Friedhof. Ich bin Ihr Tourguide Ruth.« Langsam fuhr sie über den Friedhof, vorbei am mächtigen Eingangstor und die Battle Avenue hinauf. Sie machte den Job als Tourguide nun schon seit über zehn Jahren und kannte den Friedhof wie ihre Westentasche.

Ruth White erzählte Geschichten der New Yorker Mafia, die in den Dreißigerjahren auf dem Höhepunkt ihrer Macht gewesen war, von legendären Mobstern wie Lucky Luciano und Al Capone, von Killern wie Umberto Anastasio, Joseph und Albert Gallo und William Poole alias Bill the Butcher, einem der legendären Bandenführer des neunzehnten Jahrhunderts. Tatsächlich tauchte ihr Hase bei der Minerva-Statue auf, groß, sehnig, muskulös, gut aussehend, mit nacktem Oberkörper. Wie versprochen winkte er. Sie winkte zurück.

»Ist das auch ein Gangster?«, fragte eine Frau.

»Natürlich, die feiern hier alle drei Tage Auferstehung«, gab ihr Mann giftig zurück.

Ruth White lächelte in sich hinein. Der Bus passierte einige Mausoleen, die in einem Waldhain standen. Auf der Wiese daneben waren drei Männer damit beschäftigt, Stühle von einem Pick-up abzuladen und sie um ein kleines, mit Metallrohren gesäumtes Podest herum aufzustellen.

»Sie alle werden sicher von dem fürchterlichen Mordanschlag gehört haben, der vor anderthalb Wochen im Yankee Stadium stattgefunden hat«, meinte Ruth White. »Einer der Toten, Davide Santoro, der die Loge im Stadion gemietet hatte, wird morgen hier beigesetzt, in der Gruft mit den Türmchen, die Sie zu Ihrer Linken im Wald sehen. Die Arbeiter bereiten gerade die Beisetzung vor.«

»Santoro, was!«, sagte laut ein älterer Mann, der in der zweiten Reihe hinter Ruth saß. Er hatte eine deutlich jüngere asiatische Frau dabei. »Dann könnt ihr die Santoro-Gruft ja künftig in eure Verbrechertour mit aufnehmen. Oder fahren wir hier vorbei, weil sie schon dabei ist?«

Die Friedhofsführerin schaute irritiert in den Spiegel. »Ich verstehe Sie nicht ganz, Sir …«, sprach sie ins Mikro, weil ohnehin der ganze Bus die Worte mitbekommen hatte.

»Was daran haben Sie nicht verstanden?«, ereiferte sich der Fahrgast. »Bei den Santoros handelt es sich um eine Verbrecherorganisation der übelsten Sorte. Mafia, nichts anderes. Die haben meinen Bruder mit einem üblen Trick über den Tisch gezogen und in den Ruin getrieben, verstehen Sie? Ihm haben in Dyker Heights zwei Wohnblocks gehört. Die wollten die Santoros haben, weil sie dort ein Einkaufszentrum errichten wollten. Aber mein Bruder hat nicht verkauft. Da ist plötzlich ein gefälschter Schuldschein aufgetaucht, mit der Unterschrift meines Bruders, auf denen er die Wohnblocks an einen Typen verpfändet hat, den er gar nicht kannte. Angeblich hat er mit dem gewettet. Ein Gericht sprach dem Typen mit dem Schuldschein die Wohnblocks zu, weil keine Fälschung nachgewiesen werden konnte. Aber mein Bruder hat nicht aufgegeben …«

»Sir, bitte …«

Der Mann ließ sich nicht irritieren, er war zu sehr in Rage. »… und einen Privatdetektiv beauftragt, weil er sicher war, dass dieser Dreckskerl zu den Santoros gehört. Kurze Zeit später hat man meinen Bruder dann erhängt gefunden. Selbstmord, hieß es. Aber mein Bruder hätte niemals Selbstmord begangen.«

»Sir, bitte, jetzt reicht es«, wurde Ruth nun energisch. »Das ist eine sehr bedauerliche Geschichte, aber ich glaube nicht, dass sie hierher gehört. Können wir uns darauf verständigen? Ich würde Sie nur ungern aus dem Bus werfen.«

»Ja, schon gut, aber das sind trotzdem Verbrecher«, erwiderte er, während die Asiatin nun seine Hand nahm und streichelte.

»Davon weiß ich nichts, Sir. Ich bin nur ein Tourguide.«

Ruth White hatte das Santoro-Mausoleum längst hinter sich gelassen. Die Tour beinhaltete mehrere Stopps, bei denen die Gäste aussteigen konnten. Der letzte war im südöstlichen Teil des Friedhofs. Hier gab es ein größeres zusammenhängendes Waldstück, in dem Tausende von Krähen nisteten.

»Und hier sehen Sie ein ganz besonderes Highlight, Ladys und Gentlemen. Die Krähen von Green-Wood. Sie sind seit vielen Jahren das Wahrzeichen des Friedhofs. Wenn sie alle zusammen aufsteigen, verdunkeln sie förmlich den Himmel. Und wenn einige von ihnen eine Beerdigung begleiten, dann wird innerhalb von Wochenfrist einer der Trauergäste dem Toten in die Ewigkeit folgen, sagt man.«

Ruth White beendete die Tour am Valley Water, dem idyllischen kleinen Teich neben der Friedhofskapelle, und wurde mit viel Beifall bedacht. Anschließend begleitete sie noch die historische Tour, dann hatte sie Feierabend und fuhr mit der Subway nach Midwood, wo sie im sechsten Stock einer Mietskaserne wohnte. Sie fühlte sich schmutzig, wartete mit dem Duschen aber, bis ihr Hase kam. Sie war geradezu verrückt nach ihm. So ging das Liebesspiel schon unter der Dusche los. Und endete im Bett. Irgendwann lagen sie schwer keuchend nebeneinander. Schließlich zogen sie sich an und gingen in ein nahegelegenes Burgerrestaurant zum Essen.

»Wir sollten wirklich heiraten, Darling«, begann er unvermittelt. »Ich wollte dir nur sagen, wenn es wegen deiner Krankheit ist, das macht mir nichts aus …«

»Es ist nicht deswegen«, unterbrach sie ihn brüsk. »Mein Glaube verbietet es mir, dich zu heiraten. So, jetzt ist es raus. Eigentlich wollte ich es dir ja nicht sagen.«

Er schaute sie verblüfft an und sog am Strohhalm, der in einem halbleeren Becher mit Limonade steckte. »Religion? Was ist denn das für ein Scheiß? Ich kenne keine Religion, die Heiraten verbietet. Das musst du mir mal genauer erzählen.«

Sie lächelte. »Vielleicht irgendwann mal. Aber wir können doch auch so viel miteinander unternehmen, ohne verheiratet zu sein. Zum Beispiel heute Abend.«

Er grinste breit. »Ich glaube, dass wird spaßig werden.«

Green-Wood Cemetery, Greenwood Heights, Brooklyn

Henry Launitz hatte viel zu tun. Da sich die Aufträge stapelten, legte der Steinmetz und Restaurator sogar Nachtschichten ein. Spätestens morgen musste er mit dem Mausoleum der Mathisens fertig werden. Schludern durfte er dabei aber nicht. Die Restauration der vier großen Engelsfiguren war so lukrativ, dass die Mathisens erstklassige Arbeit erwarten durften.

Dreieinhalb der streng blickenden Engel, die im Scheinwerferlicht noch unheimlicher wirkten als am Tag, waren bereits fertig. Launitz gähnte und sah auf die Uhr. Beinahe Mitternacht. Zeit, um Schluss zu machen. Zufrieden nickte er. Es war gut gelaufen heute. Den restlichen Engel, der mit dem Schwert auf ihn zeigte, würde er morgen problemlos hinbekommen. Launitz schaltete den Scheinwerfer aus, rollte die Kabel auf und stellte dann die Lichtquelle mitsamt seinem Werkzeug ins Mausoleum, für das er den Schlüssel erhalten hatte.