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Unbekannte drangen in das Haus der berühmten Schauspielerin Naomi Summers im Künstlerviertel Williamsburg ein. Sie töteten Naomi und ihre beiden Freundinnen auf bestialische Art und Weise mit unzähligen Messerstichen. An den Wänden hinterließen die Mörder ein mit Blut geschriebenes Wort: "unfortunate" - unselig. Die Täter hatten also eine Mission. Phil und ich mussten schnell handeln, denn es war nur eine Frage der Zeit, bis sie erneut zuschlugen!
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Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Der Mörder-Maniac von New York
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: (Film) »The Loft«/ddp-images
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7600-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Mörder-Maniac von New York
»Ihr könnt das Töten nicht töten! Deshalb muss Blut fließen! Die Unseligen sollen sterben!«
Das hatte der Preacher ihnen gepredigt, bevor sie in die eisige Winternacht aufbrachen, um den Tod dorthin zu bringen, wo man ihn am allerwenigsten erwartete: mitten ins Herz einer der exklusivsten Wohngegenden Manhattans – nach Sutton Place.
Die drei schwarz gekleideten Männer und die beiden Frauen, die allesamt dünne Lederhandschuhe trugen, parkten den unauffälligen alten Chevrolet an einer unbeleuchteten Straßenecke. Dann gingen sie schnell hinüber zur Rückseite des mondänen zweistöckigen Stadthauses. Dort zogen sie sich die mitgeführten Latex-Tiermasken über die Köpfe.
Der Mann mit der Affenmaske erklomm einen etwa sechs Fuß hohen Zaunpfosten aus spanischem Rohr. Mit einer Bolzenschere durchtrennte er den Draht der Alarmanlage und kletterte wieder hinunter. Das Gebäude war mit einem völlig veralteten System gesichert. Danach schnitt er ein Loch in den Drahtzaun, der das Haus umgab, sodass sich die fünf Gestalten hindurchzwängen konnten. Im Schnee bedeckten Innenhof zückten sie ihre langen Messer.
Das Schlachtfest konnte beginnen!
Sämtliche Lichter der Außenbeleuchtung waren ausgeschaltet. Die Eindringlinge huschten am Swimmingpool vorbei zum Hintereingang, verharrten dort neben einem frisch gestrichenen Fenster. Ein kurzer Blick hinein zeigte ihnen ein unmöbliertes, aber renoviertes Kinderzimmer mit blauen Tapeten. Offensichtlich erwartete die Hausherrin, von der sie wussten, dass sie schwanger war, einen Jungen.
Der Mann mit der Affenmaske holte sein Einbruchbesteck hervor. Nicht einmal eine halbe Minute später sprang die rückwärtige Tür auf. Während sich vier Eindringlinge durch den Spalt zwängten, blieb die Frau mit der Eselsmaske zurück. Im Schatten der Bäume lief sie den elliptisch angelegten Seitenweg hinunter, um von dort aus den Vordereingang und die Straße im Auge zu behalten. Allerdings gab es um diese Zeit wenig Verkehr und fast keine Fußgänger.
Die anderen Einbrecher gingen im hinteren Teil des Hauses am Kinderzimmer vorbei, das nach frischer Farbe roch. Dann betraten sie die riesige Edelstahlküche, in deren Mitte sich eine Steininsel mit Arbeitsplatten erhob. Von dort gelangten sie in die weit ausladende, schwach beleuchtete Eingangshalle.
Niemand war zu sehen. Allerdings schienen die Bewohner noch nicht zu Bett gegangen zu sein, denn weiter hinten drang aus einem Raum leise Jazzmusik.
Die Eindringlinge schlichen in die Richtung. Unbemerkt warf der Mann mit der Affenmaske einen schnellen Blick in das Wohnzimmer. In einer Ecke stand ein Stützflügel mit einem Notenständer daneben. Darüber hingen Stereoboxen aus dunklem Holz, aus denen lässiger Smooth Jazz erklang. Im breiten steinernen Kamin an der Westwand knisterten Holzscheite im flackernden Feuer. Davor waren auf einem cremefarbenen Teppich drei Polstersessel platziert, ein halbkreisförmiger marmorner Beistelltisch und eine dreisitzige Couch.
Darauf lag, auf Kissen gestützt, eine attraktive schwangere Frau Anfang dreißig. Das lange blonde Haar fiel ihr weit über die Schultern, berührte den gewölbten Bauch. Bekleidet war sie mit einem blumengemusterten BH, der ihre vollen Brüste nur teilweise bedeckte, und mit einem dazu passenden Höschen.
Die Maskierten wussten, dass sie die bekannte Schauspielerin Naomi Summers vor sich hatten.
Auf dem Sofa saßen zwei weitere Frauen. Alexis Conway und Marylin Walsh, die besten Freundinnen von Naomi. Zusammen tauchten sie in jedem Klatschblatt auf. Auch sie waren halbnackt und trugen lediglich Unterwäsche, als sei es ihnen durch die Hitze des Feuers zu heiß geworden. Doch das schien nicht allein der Grund für ihre Freizügigkeit zu sein. Denn vor ihnen auf dem Marmortisch standen halbvolle Gläser mit Lippenstiftabdrücken am Rand und zwei leere Champagnerflaschen.
Ein Blick in die stumpfen Augen von Alexis und Marylin zeigte, dass sie eifrig dem Schampus gefrönt hatten.
Keine von ihnen sprach ein Wort, sondern lauschten den Klängen aus den Boxen über ihnen. Naomi Summers döste.
Das änderte sich jedoch schlagartig, als die Einbrecher ins Wohnzimmer eindrangen und ihre Messer hoben. Der Kerl mit der Affenmaske hielt eine Pistole in der Faust.
Jäh wurde die Schauspielerin aus ihrem Dämmerzustand gerissen und schreckte auf. Ihre Freundinnen waren dagegen zu berauscht vom Alkohol, um mitzubekommen, in welcher Gefahr sie plötzlich schwebten.
»Wer … wer sind … Sie?« Naomis Flüstern war erfüllt von Panik. Ruckartig setzte sie sich auf und hielt sich den gewölbten Bauch, um das Leben, das in ihr heranreifte, zu beschützen.
»Halt die Klappe, Schätzchen!« Die Augen hinter den Sehschlitzen des Mannes mit der Affenmaske funkelten mörderisch.
»Wollen Sie … Geld …?« Naomis Stimme kippte fast.
Die Frau mit der Schweinemaske lief zu Alexis Conway und hielt ihr die Klinge ihres Messers an die Kehle. »Du sollst dein verfluchtes Maul halten, sonst schlitze ich die Unselige auf!«
Doch die Schauspielerin war viel zu aufgewühlt, um zu schweigen. Vielleicht glaubte sie auch daran, dass nichts Schlimmes passieren würde, solange sie redete. Doch gleich darauf erlebte sie, dass das ein fataler Trugschluss war! Denn die Frau mit der Schweinemaske machte ihre Drohung wahr. Bevor Alexis Conway überhaupt verstand, dass sie sterben würde, war sie bereits tot. Mit aufgeschlitzter Kehle fiel sie vornüber. Das Blut, das aus der klaffenden Wunde herausspritzte, besudelte den hellen Teppich.
Naomi schrie wie von Sinnen und starrte wie hypnotisiert auf die tote Freundin zu ihren Füßen. In ihren geweiteten Augen stand das blanke Entsetzen.
In diesem Moment erwachte Marylin Walsh. Obwohl sie zuerst nicht begriff, was geschehen war, schien sie doch die veränderte Atmosphäre im Raum wahrzunehmen.
Der Mann mit der Affenmaske trat an sie heran und hielt ihr die Mündung seiner Pistole an den Kopf.
»Bitte … bitte nicht!« Naomis Worte überschlugen sich beinahe.
Als Marylin ihrem Peiniger die Waffe aus der Hand schlagen wollte, drückte der eiskalt ab. Die Kugel zertrümmerte der jungen Frau den Schädel.
Naomi schraubte sich blitzartig von der Couch hoch. Doch bevor sie vollends auf den Füßen stand, waren die Eindringlinge bei ihr. Der Stahl der Messerklingen reflektierte im Deckenlicht. Und während die Maskierten immer und immer wieder auf die Schauspielerin einstachen, skandierten sie: »Unfortunate!«
Es gibt schreckliche Dinge im Leben, die will man einfach nicht sehen. Und doch müssen sich das diejenigen, die beruflich damit zu tun haben, trotzdem immer wieder aufs Neue antun. Dazu gehörten auch Phil und ich.
Als wir an diesem eisig kalten Wintermorgen im Stadthaus der Summers in Sutton Place standen, war das Wohnzimmer in der Nacht zu einem Tatort geworden – zu einem der grauenvollsten, den wir je gesehen hatten.
Die Haushälterin, die in der Frühe bei den Summers ihren Dienst begann, hatte wie gewohnt durch die Hintertür in das Gebäude eintreten wollen. Als sie allerdings das aufgebrochene Schloss und das Loch im Zaun entdeckt hatte, alarmierte sie sofort die Polizei. Wenig später war klar, warum Mrs. Summers die Tür nicht mehr hatte öffnen können.
Die attraktive junge Frau, die in Dutzenden Filmen mitgespielt hatte und auch international sehr populär war, war regelrecht niedergemetzelt worden. Mit zahlreichen Messerstichen übersät kauerte sie seltsam verdreht auf der dreisitzigen Couch. Der Stoff war blutgetränkt. Ich konnte kaum hinsehen, weil sie schwanger war. Welcher Teufel war zu so etwas fähig!
Neben ihr lagen, das wussten wir inzwischen, ihre Freundinnen Alexis Conway und Marylin Walsh. Die gebrochenen Augen der drei ermordeten Frauen starrten ins Leere. Um das Grauen noch zu steigern, war auf der weißen Wand neben dem Stützflügel in dicken Buchstaben das Wort Unfortunate – unselig – geschrieben worden. Und zwar mit Blut!
Der Hausherr Chester Summers, ein erfolgreicher Regisseur, war in der Tatnacht nicht in New York gewesen. Er weilte seit zwei Tagen anlässlich einer Preisverleihung in Los Angeles.
Phil war genauso bleich wie ich. Auch die Kollegen der Crime Scene Unit waren ungewohnt still oder unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Captain Ethan Armstrong von der Mordkommission des NYPD-Reviers Midtown North beneidete uns bestimmt nicht, dass wir die Ermittlungen in diesem Fall übernahmen. Denn Naomi Summers’ Freundinnen stammten aus anderen Bundesstaaten, Miss Conway aus Texas und Miss Walsh aus Utah.
Armstrong, ein Mann so groß und breit wie ein Footballspieler, dessen Hautfarbe an glänzendes Ebenholz erinnerte, trat zu uns. »So etwas schon mal gesehen?«
Phil und ich schüttelten synchron die Köpfe.
»Ein wahres Gemetzel«, fuhr der Captain fort. Bei jedem Wort entblößte er strahlend weiße Zähne. »Vier Personen sind in das Haus eingedrungen. Das konnten wir anhand der Schuhabdrücke im Schnee, vor der Hintertür und anhand von Schmutzspuren im Inneren eindeutig rekonstruieren. Drei Männer und eine Frau.« Armstrong trat von einem Fuß auf den anderen. »Eine weitere ist offensichtlich den Seitenweg hinuntergegangen, um von dort aus den Vordereingang und die Seitenstraße zu beobachten.«
»Wird das Anwesen nicht durch eine Alarmanlage gesichert?«, wollte Phil wissen.
Der farbige Riese vor uns nickte bedächtig, erklärte uns jedoch, dass es sich um ein völlig veraltetes Alarmsystem handelte. Ein einfacher Bolzenschneider hatte genügt, um es außer Betrieb zu setzen. Die Summers hatten wohl geglaubt, ein solches würde für diese Gegend ausreichen. Schließlich war Sutton Place ein Nobelviertel und nicht etwa die South Bronx.
»Konnten Sie feststellen, ob die Täter nach irgendetwas gesucht haben?«
Armstrong schüttelte den Kopf. »Bargeld in Höhe von zwanzigtausend Dollar, die wir in einer Schatulle im Schlafzimmer sichergestellt haben, sind nicht entwendet worden. Auch ein Tresor im Untergeschoss blieb unangetastet. Also kein Raubmord.«
Phil und ich schwiegen und hingen unseren eigenen düsteren Gedanken nach. Für mich war das keine zufällige Einzeltat, sondern es stand zu befürchten, dass weitere Morde folgten. Schließlich wollten die Täter mit der hinterlassenen Nachricht etwas Bestimmtes bewirken.
Dr. Matt O’Hara, der Medical Examiner, trat zu uns. »Ich möchte Sie kurz über das Ergebnis meiner ersten Inaugenscheinnahme der Leichen informieren«, begann er ohne Umschweife. Mit dem feuerroten Haar, dem sommersprossigen Gesicht und den grünen Augen sah man dem Doc die irische Abstammung schon von Weitem an. »Zuerst zum Champagner.« Er deutete auf den Marmortisch mit den Gläsern und den Flaschen. »Meiner Einschätzung nach hat Mrs. Summers keinen Alkohol konsumiert. Anders bei Miss Conway und Miss Walsh. Aber Genaueres dazu kann ich erst nach der Obduktion sagen.«
Wir nickten.
O’Hara machte eine kleine Pause, als müsste er sich erst sammeln, bevor er zum Wesentlichen kam. »Naomi Summers wurde durch sechzehn Messerstiche in Brust und Rücken tödlich verletzt. Sechs Stiche trafen Herz, Lunge und Leber und lösten starke innere Blutungen aus, die lebensgefährlich waren. Die Wunden an der Oberfläche sind bis zu anderthalb Zoll breit und reichen sehr tief. Ich gehe davon aus, dass die Tatwaffen doppelschneidig waren.« Wieder stockte der Coroner. »Mrs. Summers war etwa im sechsten Monat schwanger.«
Einen Moment herrschte tiefes Schweigen. Die Stille wurde nur von der Geschäftigkeit der Kollegen von der Spurensicherung unterbrochen.
»Und die beiden anderen Mordopfer?«, fragte ich schließlich. Die Worte kratzten in meiner Kehle, sodass meine Stimme heiser klang.
O’Hara holte tief Luft. »Alexis Conway wurde mit einer der bereits beschriebenen Tatwaffen mit einem Halsschnitt getötet. Rein technisch gesehen ähnlich wie bei einer Schächtung. Durch den Schnitt wurden vermutlich beide Hauptschlagadern durchtrennt. Der Tod trat durch den raschen Blutaustritt, also durch Verbluten, und durch die Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff ein. Marylin Walsh hingegen wurde durch einen Nahschuss in den Kopf ermordet. Die relativ kleine Wunde mit den eingerissenen Hauträndern am Eintrittspunkt des Projektils und die große, unregelmäßige Wunde an der Austrittseite bezeugen das. Die Kugel traf aller Wahrscheinlichkeit nach die tiefen Hirnstrukturen, etwa das Zwischenhirn oder den Hirnstamm, was zum sofortigen Atem- und Kreislaufstillstand führte. Das ist meine erste Einschätzung, Agents.«
Die Ballistiker würden uns nach Abschluss ihrer Untersuchungen Auskunft darüber geben, mit welcher Waffe Marylin Walsh erschossen worden war.
Mein Blick schweifte hinüber zur Wand neben dem Flügel mit der darauf geschriebenen Botschaft. Ich brauchte meine Frage nicht zu stellen, denn der Doc schien meine Gedanken zu erraten.
»Nach der ersten Analyse im Labor kann ich Ihnen sagen, wessen Blut, das ist«, meinte er und sah zu der toten Schwangeren hinüber.
»Jesus Maria!«, entfuhr es Captain Armstrong. Und auch mir lief ein eisiger Schauder über den Rücken.
Die Luft brannte. Die Emotionen hatten sich so hochgeschaukelt, dass ein Funke zu genügen schien, um sie zur Explosion zu bringen. Davon jedenfalls war Mike Brunner überzeugt, als er gerade seiner Tochter Lynette zum wiederholten Mal klarmachte, dass sie unter keinen Umständen an der Party teilnehmen durfte. Nicht solange sie noch zu Hause wohnte. Nicht solange er und seine Frau Catherine das verhindern konnten.
»Aber wieso nicht, Dad? Ich bin achtzehn!«, entgegnete das hübsche Mädchen, das sein aschblondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Die himmelblauen Augen in dem schmalen, blassen Gesicht funkelten zornig. Es saß mit seinen Eltern am Abendtisch im Apartment eines Mehrfamilienhauses in Brooklyn. Der Himmel vor den Fenstern war pechschwarz. Stunden zuvor hatte es noch geschneit. Wieder einmal ein frostiger Abend im Big Apple.
»Du weißt, dass es eine Drogenparty ist«, sagte Mike Brunner mit unversöhnlicher Stimme. Er war ein knorriger, glatzköpfiger Mann. So kahl, als hätte man ihm für eine bevorstehende OP den ganzen Kopf rasiert. Die kleinen dunklen Augen musterten seine Tochter durch eine goldgerahmte Brille, die auf der schmalen Nase saß. Das hervorstechendste Merkmal in seinem Gesicht war jedoch der dünne, silbern schimmernde Bart, der den dünnlippigen Mund umschloss.
»Das kannst du doch nicht wissen, Dad! Für dich sind alle Feiern, zu denen ich gehen will, gleich Drogenpartys.« Lynettes Zorn ebbte nicht ab.
Behutsam legte ihre Mutter die Hand auf die ihre. Die junge Frau zog sie schnell zurück, als würde sie sich davor ekeln.
»Dad hat recht«, stimmte Catherine Brunner ihrem Mann zu. Mit ihrem altmodischen Kurzhaarschnitt sah sie aus, als wäre sie einer Sitcom aus den 1970er-Jahren entsprungen. Sie war Anfang fünfzig, klein und rund. Die hellen Augen in dem feisten Gesicht strahlten normalerweise Gutmütigkeit aus, hatten sich jedoch nach Lynettes Reaktion auf ihre Berührung verfinstert.
»Natürlich haltet ihr immer zusammen«, schrie das Mädchen und verlor völlig die Beherrschung. »Aber ich werde zu der Party gehen, ob es euch passt oder nicht!«
»Und wenn nicht?«, gab Mike Brunner genauso laut zurück.
Lynette knallte die Gabel auf den Teller. »Dann haue ich einfach ab!«
Ihre Mutter lachte hysterisch auf. »So wie schon einmal?«
Das Mädchen nickte so heftig, dass der Zopf am Hinterkopf hin und her flog. »Genau, Mum!«
Brunners Gesicht lief rot an, betrachtete er den Zwist doch als persönlichen Affront gegen seine Erziehungsmethoden. »Du weißt aber auch, dass du am nächsten Tag wieder zurückgekommen bist«, schnappte er mühsam beherrscht. »Es ist nicht einfach da draußen ohne ausreichend Geld und ein Dach über dem Kopf. Schließlich schwimmst du als Collegestudentin mit dem Taschengeld, das du dir nebenher als Kellnerin verdienst, nicht gerade im Reichtum.«
»Ich werde heute auf die Party gehen, ob es euch passt oder nicht«, gab Lynette bekannt, um die Diskussion zu beenden.
Mike Brunner hieb mit der Faust wuchtig auf den Tisch. Das Geschirr klapperte. »Das wirst du nicht, verdammt noch mal!«
Lynette sprang so schnell vom Tisch auf, dass der Stuhl hinter ihr fast umkippte. Wortlos rauschte sie an ihren Eltern vorbei und verzog sich in ihr Zimmer. Hinter sich schloss sie die Tür ab und legte sich auf das breite Bett. Noch immer von Wut erfüllt starrte sie zur Decke. Die Worte ihrer Eltern hallten in ihren Ohren nach.
Nie und nimmer würde sie sich die Party verbieten lassen! Schließlich war sie nach dem Gesetz volljährig. Einige ihrer Freundinnen fuhren sogar Auto, weil sie bereits mit sechzehn den Führerschein gemacht hatten. Das kam für sie jedoch nicht infrage, weil nicht nur ihr, sondern auch ihren Eltern das Geld dazu fehlte. Aber wenn sie solche Vergnügungen schon nicht haben konnte, dann wenigstens eine Feier mit coolen Leuten. Natürlich wurden bei diesen Partys immer auch Drogen konsumiert, aber das war ihr herzlich egal.
Lynette wartete, bis ihre Eltern ins Bett gegangen waren. Sie nahmen wohl nicht an, dass sie ihre Drohung, auszubüchsen, letztlich doch wahr machen würde. Aber da sollten sie sich täuschen.
Das blonde Mädchen holte einen pinkfarbenen Rucksack aus dem Kleiderschrank, packte Unterwäsche, einen dicken Pullover und Jeans sowie eine schwarze Strumpfhose, ein Minikleid und Highheels für die Party ein. Dann warf es Winterklamotten über, zog die dicksohligen Stiefel an und plünderte die Taschengeldkasse. Neunzig Dollar, die mussten reichen.
Als Lynette in den Korridor trat, hörte sie das Schnarchduett ihrer Eltern aus dem Schlafzimmer. Die beiden würden erst am nächsten Morgen mitbekommen, dass ihre Tochter die Biege gemacht hatte.