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Jerry Cotton 3216 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Der Tote im Pool

Ein hochrangiges Mitglied der New Yorker Mafiafamilie Bonaventura wurde in Miami tot in einem Pool aufgefunden. Der Mann hatte eine Kopfverletzung und schien ertrunken zu sein. Phil und ich setzten uns in den Flieger nach Florida, um herauszufinden, ob der Mafioso einen Unfall erlitten hatte oder ob er ermordet worden war. Und ehe wir uns versahen, trat plötzlich ein Gegner auf den Plan, mit dem wir nicht gerechnet hatten und der mit allen Wassern gewaschen war!

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EPUB

Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Tote im Pool

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Vince Vaughn and Ritchie Coster«/ddp-images

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7603-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Tote im Pool

Der Mann im Pool war tot. Davon war Anjelica Towns überzeugt.

Bereits seit einer gefühlten Ewigkeit betrachte sie, wie er reglos im Wasser trieb. Gesicht nach unten, die Arme ausgebreitet, das weiße Hemd aufgebläht von der Luft, die sich darin gefangen hatte, die dunklen Hosenbeine, hin und her schaukelnd wie Algen in einer sanften Dünung.

So lange konnte niemand die Luft anhalten. Unmöglich.

Mit einem zitternden Atemzug löste sie sich aus der Starre und wandte sich beinahe widerwillig der Badeliege zu, auf die sie ihre Handtasche hatte fallen lassen. Wie in Trance bewegte sie sich auf die Tasche zu, kramte darin herum, bis sie ihr Smartphone gefunden hatte, und wählte die Nummer des Notrufs.

Als sie ihn beendet hatte, ließ sie sich auf den Liegestuhl sinken. Unfähig, ihre Augen von dem Toten abzuwenden, hockte sie am Rand des Pools und wartete auf das Eintreffen der Beamten des Miami Police Department.

Der Himmel war wolkenverhangen und grau, als ich Phil am Montagmorgen an unserer gewohnten Ecke aufsammelte. Wie es aussah, würden wir auch in dieser Woche nicht mehr Sonne zu sehen bekommen als in der vergangenen.

Wie man sich doch irren konnte.

Eine knappe Stunde später nämlich ließ uns Mr. High zu sich rufen und änderte damit alles, was ich für die kommenden Arbeitstage erwartet hatte. Als verliefe in unserem Job jemals etwas so, wie man es erwartete. Aber das war ja genau das, was ihn so interessant machte.

»Sie fliegen nach Miami«, verkündete unser Chef, nachdem Phil und ich sein Büro betreten hatten.

»Nach Miami?«, fragte ich erstaunt.

»Nicht dass wir etwas dagegen haben«, warf Phil schnell ein. Er versetzte mir einen leichten Stoß.

»Keinesfalls«, beeilte ich mich, seine Aussage zu bestätigen. »Aber warum?«

»Joe Spataro«, erwiderte unser Chef.

Phil legte die Stirn in Falten. »Der aus dem mittleren Management der Bonaventura-Familie?«

»Eher gehobenes mittleres Management«, präzisierte ich, und mein Partner nickte zustimmend.

Mr. High lächelte. »Ich sehe, Sie beide haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«

Wie hätte es auch anders sein können? Seit wir in der Task Force T.A.C.T.I.C.S. des FBI waren und es fast rund um die Uhr mit dem Organisierten Verbrechen in New York zu tun hatten, waren unsere Nasen gefühlt die Hälfte der Zeit in irgendwelchen Akten vergraben. Dank derer bekamen wir zwangsläufig einen sehr guten Einblick in die Führungsstrukturen der hiesigen Mafiafamilien.

Und dabei kam man an Joe Spataro kaum vorbei. Vor einigen Jahren war er noch ein kleines Rädchen im Uhrwerk der Bonaventuras gewesen. Jemand, der sich hauptsächlich als Mann fürs Grobe betätigte. Ein Vollstrecker und nicht einer der zimperlichsten, wenn man ihm auch nie etwas nachweisen konnte. Vor etwa sieben Jahren dann hatte sein Aufstieg in der Familie begonnen. Beinahe über Nacht fand er seinen Weg von der Straße und den Hinterhöfen ins Management. Zweifellos kam ihm dabei die harte Schule zugute, durch die er bis dahin gegangen war.

Nun war er einer der Vertrauten des alten Michele Bonaventura und seiner beiden Söhne, die an der Spitze des Clans standen. Beziehungsweise war er das nicht mehr, wie wir im nächsten Moment herausfanden.

»Spataro ist gestern ertrunken in einem Pool in Florida aufgetaucht.« Mr. High räusperte sich, als ihm der Doppelsinn seiner Worte aufging, fuhr dann aber unbeirrt fort. »In einer Villa in Coconut Grove. Das Miami Police Department hat das dortige FBI informiert, als klar war, bei wem es sich um den Ertrunkenen handelte. Und die Kollegen aus Miami haben mich heute früh angerufen, da Spataro aus New York stammte.«

»Und nun«, sagte ich, »sollen wir nach Miami fliegen, um herauszufinden, was es mit seinem Tod auf sich hat.«

Mr. High nickte.

»Ist bereits abschließend geklärt, ob es sich um einen Unfall handelte oder um Mord?«

Mr. High verneinte. »Aber genau das interessiert uns natürlich brennend, Jerry, wie selbstverständlich alle Entwicklungen, die eine der größten Mafiafamilien New Yorks betreffen.«

Phil schaute nachdenklich drein. »Wenn es Mord war, könnte das im schlimmsten Fall der Startschuss zu einem Revierkampf unter verschiedenen Familien sein. Immerhin war das ja nicht nur irgendein kleines Licht, das dort unten in Florida ausgelöscht wurde.«

»Es könnte so ziemlich alles bedeuten«, erwiderte unser Chef. »Und genau darum ist sein Tod von solchem Interesse.«

»Ist bekannt, was Spataro in Miami vorhatte?«, fragte ich.

Mr. High zuckte mit den Schultern. »Sie wissen so viel wie ich. Deshalb möchte ich ja auch, dass Sie runterfliegen, um sich mit dem dortigen FBI kurzuschließen, das die Ermittlungen vor Ort übernommen hat.«

Phil wandte sich mir zu. »Dann sollten wir wohl am besten schnell unsere Koffer packen.«

Bereits am Nachmittag setzte uns ein Flieger in Miami ab. Wir schälten uns aus unseren Sitzen in der Business Class und folgten dem Agent des Miami Field Office, der uns erwartete und vom Flughafen in die Stadt fuhr, wo wir von Dan Whiteman, dem Leiter der Dienststelle, in Empfang genommen wurden.

Nach einer kurzen Begrüßung führte uns Whiteman in einen kleinen Konferenzraum. Phil schloss sein Notebook an und machte sich Notizen, während wir uns von SAC Whiteman auf den neuesten Stand in Sachen Spataro bringen ließen.

»Wir wissen immer noch nichts Genaues über den Tod des Mannes, da die Obduktion noch aussteht. Wir haben allerdings ein wenig Druck gemacht, und die Leute von der Gerichtsmedizin haben uns zugesichert, dass sie sich Spataro heute oder spätestens Morgen ansehen werden«, begann er seinen Bericht. »Bisher können wir Folgendes sagen: Spataro hatte eine äußerliche Kopfverletzung, und auf einem Tisch neben dem Pool befand sich Blut, ebenso auf den Platten zwischen Tisch und Pool. Daher vermuten wir, dass sich Spataro bei einem Sturz den Kopf angeschlagen hat und dann in den Pool gefallen ist. Ob er ertrunken ist oder bereits an dem Sturz starb, werden wir sehen, wenn die Gerichtsmedizin mit ihm durch ist.«

»Gab es außer der Kopfverletzung Anzeichen weiterer Gewalteinwirkung?«, fragte ich. »Oder Hinweise, die auf einen Kampf hindeuten? Immerhin ist es möglich, dass Spataro nicht ganz freiwillig gestürzt und im Pool gelandet ist.«

Whiteman schüttelte den Kopf. »Wir haben natürlich nach Kampfspuren gesucht, insbesondere nachdem wir herausgefunden hatten, um wen es sich bei dem Toten handelt. Bei seinem ›beruflichen‹ Hintergrund lag es schließlich auf der Hand, dass jemand bei seinem Ableben nachgeholfen haben könnte. Aber es gab nichts, was darauf hinweist, dass er sich die Verletzung im Verlauf eines Kampfes zugezogen hat.« Er hob die Schultern. »Wir müssen wohl einfach ein bisschen Geduld haben und auf die Ergebnisse der Obduktion warten.« Whiteman schwieg eine Weile, dann schob er hinterher: »Auf jeden Fall ist das Ganze äußerst mysteriös. Denn neben allen anderen unbeantworteten Fragen bleibt noch eine weitere offen: Was hatte der Mafioso Spataro aus New York in einer Villa in Coconut Grove zu suchen, die zwar möbliert, aber unbewohnt ist und vermietet werden sollte?«

»Wie bitte?« Phils Blick zuckte vom Bildschirm hoch zu Whiteman, der uns ansah wie ein Zauberer, der gerade ein Kaninchen aus dem Hut gezogen hatte.

Der SAC lächelte dünn. »Interessant, nicht wahr?«

Das war es in der Tat. Offensichtlich hatte auch Mr. High nichts von diesen Umständen gewusst, sonst hätte er das uns gegenüber erwähnt. Und er wäre noch erpichter darauf gewesen, mehr über Spataros Tod zu erfahren, als er es ohnehin schon war. Weshalb Phil und ich auch unverzüglich zur Villa aufbrachen, um uns ein klares Bild vom Ort des Geschehens zu machen. SAC Whiteman begleitete uns. Mit einem kleinen Taschenmesser brach er das Siegel an der Haustür auf und führte uns in die Eingangshalle.

Der marmorne Boden vertrieb die draußen herrschende Hitze und schenkte Phil und mir in unserer dickeren, dem New Yorker Wetter angepassten Kleidung eine willkommene Abkühlung.

Phil fuhr sich mit dem Zeigefinger unter den Kragen seines Hemdes, während er die abstrakten Gemälde betrachtete, die die Wände schmückten. Am uns entgegengesetzten Ende der Halle wand sich eine breite Treppe in den ersten Stock hinauf.

»Haben Sie sich oben umgesehen?«, wandte ich mich an Whiteman.

Der nickte. »Was Spuren angeht, ist die Villa beinahe unauffällig. Sie wirkt, als würde sie nur darauf warten, interessierten Mietern vorgeführt zu werden. Nun ja, nicht ganz. In Flur und Wohnzimmer konnten wir minimale Rückstände von Straßenstaub und Ähnlichem isolieren, die jemand von draußen hereingetragen haben muss. Ob die von Spataro herrühren oder nicht, wird gerade im Labor anhand der Reste unter seinen Schuhen überprüft, soweit diese nach dem Bad im Pool noch vorhanden sind. Ansonsten …« Whiteman zuckte mit den Schultern.

»Konnte Spataro auf anderem Weg zum Pool gelangen als über die Villa?«, erkundigte ich mich.

»Es gibt ein Tor zum Garten, durch das die Gärtner auf das Anwesen kommen, doch das war verschlossen. Außerdem existiert eine kleine Anlegestelle zur Biscayne Bay, aber auch dort gibt es ein Tor, das den direkten Zugang zum Grundstück verwehrt.«

»Es war ebenfalls verschlossen, nehme ich an«, mutmaßte Phil.

»Ja.«

»Und die Villa?«, fragte ich.

»Die war auch abgeschlossen, als die Maklerin erschien, kurz bevor sie Spataro fand.«

Ich schwieg einen Moment, dann meinte ich: »Am bestens sehen wir uns den Fundort der Leiche an, bevor wir weiter im Nebel stochern.«

Whiteman ging voraus und führte uns zum Pool. Er lag zwischen der Terrasse und dem weitläufigen Rasen. Dahinter glitzerte das Wasser der Biscayne Bay. Wir nahmen die zwei Stufen, die zum Poolbereich hinunterführten, vorbei an einem Liegestuhl, ein paar schmiedeeisernen Poolstühlen und einem ebensolchen kleinen Tisch. An der Kante der Tischplatte war noch getrocknetes Blut zu erkennen. Ein paar Fliegen surrten munter darum herum. Ich verscheuchte sie mit einer Handbewegung.

Phil, der seinen Blick über die Szene hatte wandern lassen, sagte: »So wie der Tisch im Verhältnis zum Pool steht, wäre es durchaus möglich, dass Spataro gestürzt ist, sich den Kopf angeschlagen hat und dann ins Wasser gefallen ist.«

Ich nickte zustimmend. Dieser Gedanke war mir auch sofort gekommen. Aber ob das Mögliche auch eine Tatsache war, blieb abzuwarten.

Eine Weile standen wir neben dem Pool und ließen die Szene auf uns wirken. Keiner von uns dreien sagte ein Wort. Außer dem Blut am Tisch und den vereinzelten Tropfen auf den Bodenplatten, wies hier vor Ort nichts darauf hin, dass Spataro eines anderen als eines natürlichen Todes gestorben war.

»Gibt es in oder an der Villa Sicherheitskameras, die uns vielleicht weiterhelfen könnten?«, brach ich schließlich das Schweigen. Ich deutete auf die Umgebung. »Das ist ja bei solchen Objekten durchaus üblich. Und wenn sie, wie dieses hier, leer stehen, wäre es doch noch wahrscheinlicher, dass der Besitzer sie gegen einen möglichen Einbruch schützt.«

Whiteman stimmte mir zwar zu, fuhr dann aber fort: »Sicherheitskameras gibt es keine, nicht einmal eine Alarmanlage. Die alte ist vor ein paar Tagen ausgefallen und konnte nicht mehr repariert werden. Und die neue sollte, nach Auskunft des Maklerbüros, erst in etwa einer Woche eingebaut werden, da die Firma, die die Alarmanlagen installiert, ausgebucht ist. Da es in der letzten Zeit in der Gegend allerdings keinerlei Einbrüche gegeben hat, ist man davon ausgegangen, dass es mit dem Einbau nicht auf ein oder zwei Tage ankäme.«

»So kann man sich täuschen«, sagte Phil. »Wie steht es mit Sicherheitskameras in den anderen Villen? Oder eventuellen Zeugen?«

»Haben wir alles bereits überprüft. Niemand hat etwas beobachtet, und die Sicherheitskameras der umliegenden Villen waren nicht so ausgerichtet, dass man erkennen könnte, was sich auf diesem Grundstück abspielt.«

»Haben Sie das Grundstück selbst nach etwaigen weiteren Spuren abgesucht?«, fragte ich.

»Nur die beiden alternativen Zugänge, die ich eben erwähnt habe, und die daraus resultierenden logischen Wege zum Pool«, erwiderte Whiteman. »Außerdem wurden die Terrassentür und die beiden Tore zum Grundstück auf Fingerabdrücke hin untersucht. Das Ergebnis zeigte nichts Ungewöhnliches. Allerdings auch keine Abdrücke von Spataro.« Er deutete auf das riesige Grundstück. »Zu mehr hatten wir bisher keine Zeit und, in Ermangelung eines eindeutigen Hinweises auf Fremdeinwirkung, auch keine Veranlassung.«

Sah man einmal von Spataros Zugehörigkeit zur Mafia ab, war Whitemans Antwort unter den gegebenen Umständen durchaus verständlich.

»Also haben wir nichts«, fasste ich zusammen.

Whiteman schüttelte den Kopf. »Bisher? Leider nein.«

Ich nickte resigniert. Wenn sich Hinweise über die näheren Umstände von Spataros Tod und die Frage, ob dabei nachgeholfen worden war, ergäben, würden wir diese also vermutlich nur über das Labor und die Gerichtsmedizin erhalten und dann weitere Schritte einleiten.

Bis es so weit war, brauchten wir lediglich Geduld.

Ich warf Phil einen Blick zu und grinste innerlich. Mein Partner wirkte zwar wie die personifizierte Ruhe, doch ich kannte ihn lange genug, um zu wissen, es war ihm alles andere als recht, dass wir für den Moment nur herumsitzen und warten konnten. Wenn ich ehrlich war, ging es mir nicht wesentlich anders.

Zumindest wollte ich mich aber beschäftigen, während wir warteten.

»Wie heißt die Maklerin, die Spataro gefunden hat?«, erkundigte ich mich daher bei Whiteman.

»Anjelica Towns.«

»Ist sie bei der Arbeit, oder hat man sie wegen des Schrecks von gestern freigestellt?«

»Keine Ahnung«, gab unser Kollege zurück und griff nach seinem Handy. »Aber das lässt sich ja feststellen.«

Anjelica Towns war, wie uns SAC Whiteman mitteilte, im Büro. Also setzten wir uns in den Dienstwagen und machten uns auf den Weg ans andere Ende von Coconut Grove. Die Maklerfirma Elgar & Simms befand sich in einem zweistöckigen Gebäude im spanischen Haciendastil, der sich nicht nur in Kalifornien, sondern auch in Florida großer Beliebtheit erfreute.

Mr. Elgar, Anjelica Towns’ Chef, führte uns in ein Besucherzimmer im Erdgeschoss und bat uns, Platz zu nehmen, während er Ms. Towns holen ging. Eine Designercouch aus Chrom und Leder sowie zwei dazu passende Sessel und ein ebenfalls passender niedriger Tisch verliehen dem Raum eine Mischung aus Gemütlichkeit und Sachlichkeit. Der ideale Ort, um erfolgreiche Verkaufsgespräche zu führen.

Es klopfte, dann betrat eine junge Frau den Raum und stellte ein Tablett mit Kaffee und Wasser auf dem Tischchen zwischen uns ab. Wortlos und ein wenig schüchtern – wahrscheinlich hatte sie es noch nie mit dem FBI zu tun gehabt – nickte sie uns zu und verschwand wieder.

Als sich die Tür das nächste Mal öffnete, erschien Anjelica Towns. Unter dem Arm trug sie einen Papphefter.

Aus irgendeinem Grund, der vermutlich auf reinem Klischeedenken beruhte, hatte ich eine Frau mittleren Alters erwartet, konservativ gekleidet, mit Fönfrisur und auf dem Gesicht festgespachteltem Lächeln. Doch Anjelica Towns war völlig anders. Konservativ war ihr Hosenanzug zwar, musste es bei ihrem Job wahrscheinlich auch sein, aber ansonsten passte sie nicht im Geringsten in das Bild, das ich vor meinem inneren Auge gesehen hatte.

Sie war etwa Mitte dreißig, schlank, hatte dunkles Haar und einen für das sonnige Florida überraschend hellen Teint. Ihre Augen waren blaugrau wie das Meer an einem stürmischen Tag und ihr breiter Mund wie gemacht für ein Lächeln. In diesem Augenblick blickte sie jedoch ausnehmend ernst drein.

»Miss Towns?«, fragte ich.

»Ja.«

Und da war es, das Lächeln. Wie ein Schatten huschte es über ihre Lippen, erleuchtete jedoch für einen kurzen Moment das Zimmer. Dann war es auch schon wieder verschwunden.

»Nehmen Sie doch bitte Platz«, bat ich.

Während sie der Einladung nachkam, stellten Phil und ich uns als Special Agents des FBI aus New York vor. »SAC Whiteman vom Miami Field Office kennen Sie ja bereits.«

Wieder ein kurzes Lächeln, begleitet von einem leichten Nicken. »Wir hatten gestern das zweifelhafte Vergnügen …«

»Glauben Sie mir, Ma’am, andere Umstände wären mir auch lieber gewesen.«

»Mit diesem Wunsch stehen Sie nicht allein da, Special Agent in Charge Whiteman.« Elegant schlug sie die Beine übereinander und wandte sich mir zu. »Aber wie kommt es, dass zwei Special Agents aus New York Fragen zu einer Leiche in Coconut Grove haben?«

»Das liegt am beruflichen Hintergrund des Mannes, den Sie gefunden haben«, antwortete ich.

Mit knappen Worten setzte ich Anjelica Towns über Spataros Zugehörigkeit zur New Yorker Mafia ins Bild und über den Umstand, dass sein mysteriöser Tod aus diesem Grund ein gewisses Interesse bei den Strafverfolgungsbehörden hervorrief.

»Das ist wohl nicht ganz überraschend«, sagte sie.

»So kann man es auch ausdrücken«, meinte Phil.

»Würden Sie uns bitte noch einmal schildern, wie und wann sie den Toten gefunden haben?«, bat ich. »Ich weiß, dass Sie das schon zu Protokoll gegeben haben, aber ein Bericht aus erster Hand eignet sich doch wesentlich besser, um sich ein vernünftiges Bild zu machen.«

Anjelica Towns nickte verstehend. »Ich war gestern Morgen um neun Uhr mit einem Ehepaar verabredet, dass daran interessiert ist, die Villa für ein halbes Jahr zu mieten. Der Eigentümer ist nur noch selten hier, hängt aber sehr an Villa und Grundstück, sodass er es vorzieht, sie kurzfristig zu vermieten, bis ihm seine Geschäfte erlauben, sich wieder endgültig in Coconut Grove niederzulassen.«

»Was sind das für Geschäfte?«, erkundigte sich Phil.

Ich wusste genau, was er dachte. Die Beschreibung des Besitzers konnte auch auf einen Mafioso zutreffen, der nur darauf wartete, dass er sich aufs Altenteil begeben konnte.

Anjelica Towns verstand die Bedeutung hinter Phils Worten wohl ebenfalls. »Mister Wilcox arbeitet in der Computerbranche und verbringt einen Großteil seiner Zeit in Kalifornien. Aber ursprünglich stammt er von hier und hat auch vor, zurückzukehren, sobald er sich aus seinen Geschäften zurückzieht.«