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Blutfehde in Harlem
Andrew Giambelluca aus der Giambelluca-Familie erstach Marc Zorzetti, einen der Söhne der Zorzetti-Familie, nachts vor einem Klub. Damit schien ein Bandenkrieg der beiden rivalisierenden Mafiafamilien von Harlem, zwischen denen seit Jahren Waffenstillstand geherrscht hatte, unausweichlich. Doch wir vom FBI kamen schnell darauf, dass hinter dem Anschlag mehr steckte als eine Blutfehde innerhalb des Mobs. Und mein Partner und ich gerieten mitten ins Kreuzfeuer!
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Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Blutfehde in Harlem
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: (Film) »Harlem Action – Eine schwarze Komödie«/ddp-images
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7652-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Blutfehde in Harlem
»Die Kleine hat wohl einen Dachschaden. Davon abgesehen: Was hast du hier überhaupt zu suchen? Die 135th Street gehört zu unserem Revier!«, fauchte Marc Zorzetti sein Gegenüber an und zeigte auf eine junge Frau, die ein paar Yards entfernt stand.
»Gehört sie nicht!«, widersprach Andrew Giambelluca und versetzte ihm einen heftigen Stoß vor die Brust. »Davon abgesehen: So redet niemand über meine Lady. Und wenn du nicht schnell das Weite suchst, wirst du dir wünschen, nie hier gewesen zu sein, du dreckiges Stück Abschaum!«
Zorzetti, der mit dem Hinterkopf gegen die Ziegelsteinmauer in der Seitengasse neben dem Green Hornet Club geknallt war, spürte den Schmerz des Aufpralls und erkannte, dass sein Widersacher ihm an Stärke überlegen war. Also zog er sein Messer, um seine Chancen zu erhöhen. Mit einer schnellen Bewegung verpasste er Andrew Giambelluca einen Schnitt im Bauchbereich, allerdings keinen tiefen.
»Verfluchtes Zorzetti-Schwein!«, schrie Giambelluca schmerzerfüllt auf und zog ebenfalls sein Messer.
Er wehrte einen weiteren Angriff ab und stach dann blitzschnell zu. Mehrere Male. Marc Zorzetti sagte kein Wort mehr und brach zusammen.
»Da hast du, was du verdienst!«, keuchte Andrew Giambelluca, putzte das Blut mit einem Taschentuch von der Klinge seines Messers und steckte es weg. »Ich hoffe, du verrottest hier!«
Als mein Handy klingelte, fuhr ich sofort hoch und nahm es in die Hand. Um mich herum war es dunkel. Ich befand mich im Schlafzimmer meines Apartments.
Der Anruf kam von Mr. High. Um 2:12 Uhr. Mitten in der Nacht.
»Sir?«, meldete ich mich.
»Guten Morgen, Jerry«, vernahm ich seine vertraute Stimme. »Es gab einen Zwischenfall in Harlem. Ein Mitglied der Zorzetti-Familie ist getötet worden, habe die Nachricht gerade erhalten. Das könnte Ärger geben. Können Sie sich die Sache zusammen mit Phil ansehen?«
Ich nickte, obwohl er das natürlich nicht sehen konnte. »Natürlich, Sir. Ich mache mich gleich auf den Weg. Haben Sie Phil schon informiert?«
»Nein, noch nicht.«
»Dann übernehme ich das«, bot ich an.
»Gut, ich schicke Ihnen die Infos zu. Geben Sie mir bitte Bescheid, sobald Sie Genaueres wissen. Die Uhrzeit spielt keine Rolle.«
Er verabschiedete sich und beendete das Gespräch.
Ich rief umgehend Phil an.
»Was zum Teufel ist denn jetzt schon wieder los?«, hörte ich seine verschlafene Stimme. »Kann das nicht bis zum Sonnenaufgang warten?«
»Ein totes Mafiamitglied in Harlem«, fasste ich es zusammen. »Mister High möchte, dass wir uns die Sache anschauen.«
»In Harlem, sagst du? Holst du mich ab?«
»Bin quasi schon auf dem Weg«, erwiderte ich. »Ein paar Minuten hast du noch. Ich mach mich schnell fertig und bin gleich aus der Tür.«
»Okay. Bis gleich!«
Nachdenklich legte ich das Handy zur Seite und stand auf. Die Zorzettis. Eine der vielen Mafiafamilien, die in den letzten Jahren in New York an Boden gewonnen hatten. Bisher hatten die Zorzettis sich relativ ruhig verhalten, doch der Tod eines Familienmitglieds würde das möglicherweise ändern.
Ich ging unter die Dusche und ließ meinen Körper abwechselnd mit heißem und kaltem Wasser berieseln – eine bewährte Methode, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Dann trocknete ich mich ab und zog mich an. Hunger hatte ich nicht, ein Glas klares Wasser reichte mir. Mein Körper hatte so früh ohnehin nicht mit Essen gerechnet. Bis zur Frühstückszeit waren es noch ein paar Stunden.
Mit gewohnter Handbewegung nahm ich meine Waffe, steckte sie in den Gürtelholster und war bereit.
Der Verkehr auf den Straßen hielt sich in Grenzen. Um die Zeit waren fast nur Taxis und Nachtschwärmer unterwegs, natürlich auch ein paar Streifenwagen.
Phil wartete am üblichen Treffpunkt, unweit seines Apartments, auf mich.
»Wieder mal ein Nachteinsatz«, war das Erste, was er sagte, nachdem er eingestiegen war.
»Dann schnall dich an, wir wollen ja mit gutem Beispiel vorangehen.«
Nicht, dass Phil das sonst vergaß. Ich wollte ihn nur ein wenig aufziehen.
»Erledigt. Dann mal los, Bleifuß!«
»Wenn du meinst«, erwiderte ich und trat aufs Gaspedal. Der Motor heulte auf, und der Jaguar machte einen Satz nach vorne.
Es war angenehm, die Kraft des Motors zu spüren. Allerdings konnte ich den Wagen in der Stadt nicht ausfahren. Also musste ich den Fuß schon nach wenigen Sekunden wieder zurücknehmen.
Wir fuhren am Central Park vorbei in Richtung Norden. Harlem war früher keine allzu gute Wohngegend gewesen, in den letzten Jahren hatte sich das allerdings geändert. Immer mehr wohlhabende Menschen hatten Harlem für sich entdeckt, wodurch die Mieten gestiegen waren und sich die Bevölkerungsstruktur wieder einmal verändert hatte.
Unser Ziel war die 135th Street, die die Grenze zwischen den Gebieten zweier alter Mafiafamilien bildete. Im Norden herrschte der Zorzetti-Clan. Die Vorfahren der jetzigen Mitglieder waren Anfang des 20. Jahrhunderts aus Süditalien eingereist.
Ihre unmittelbaren Rivalen, die Giambellucas, stammten, soweit ich mich erinnern konnte, aus Sizilien, auf jeden Fall nicht vom Festland. Ihr Revier war das südliche Harlem. Ich wusste das von diversen Briefings, die wir im Field Office erhalten hatten. Aktiv geworden waren Phil und ich bezüglich der beiden Familien bisher nicht, denn sie hatten sich relativ ruhig verhalten. Bis zur heutigen Nacht.
Als wir unser Ziel erreicht hatten, sahen wir, dass eine Seitenstraße rechts vom Green Hornet Club von der Polizei abgesperrt worden war. Ich parkte den Wagen einen halben Block entfernt. Vor der Absperrung trieben sich einige Reporter und ein paar Gestalten, die ich nicht direkt zuordnen konnte, herum. Vor dem Eingang des Clubs warteten gut ein Dutzend junger Männer und Frauen darauf, vom Türsteher eingelassen zu werden. Bei den winterlichen Temperaturen war es sicher kein Vergnügen, dort zu stehen.
»Noch ganz schön was los für die Uhrzeit«, bemerkte Phil.
»Samstagabend eben«, kommentierte ich knapp und ging auf die Absperrung zu.
»Kann ich Ihnen helfen?« Ein Cop – schwarz, Mitte dreißig, kräftige Figur – kam auf uns zu.
»Können Sie.« Phil hielt seine Dienstmarke hoch. »Wo ist das Opfer?«
Der Cop deutete in die Gasse. »Da hinten, wo die Kollegen Strahler aufgebaut haben, um den Tatort besser absuchen zu können.«
»Danke«, sagte Phil und ging los.
Ich folgte ihm.
Die Gasse war schätzungsweise sechs Yards breit, auf beiden Seiten befanden sich mehrstöckige Backsteingebäude. Als wir die großen Mülltonnen hinter uns gelassen hatten, sahen wir die Leiche des jungen Mannes. Ein paar Mitarbeiter der Crime Scene Unit untersuchten den Bereich.
In der rechten Ecke stand ein Mann – unschwer zu erkennen, dass es sich um einen Cop handelte. Da er keine Uniform trug, wahrscheinlich ein Detective. Wir wandten uns an ihn.
»Was können Sie uns sagen?«, fragte Phil, nachdem wir uns kurz begrüßt hatten.
»Der Typ dort, der in seinem eigenen Blut schwimmt, ist Marc Zorzetti – das steht zumindest auf seinem Führerschein. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass er es nicht ist. Hat mehrere Stichwunden, wahrscheinlich wurden größere Blutgefäße getroffen. Entsprechend wird er innerhalb von Minuten verblutet sein. Er hat wohl versucht, jemanden anzurufen, auf jeden Fall lag sein Smartphone neben ihm. Blutverschmiert. Die blöden Touchscreens funktionieren nicht, wenn man feuchte Finger hat. So viel zum Segen der Technik. Ich weiß nicht, ob er noch leben würde, wenn er eines der alten Handys mit Tasten gehabt hätte, aber seine Chance, nicht draufzugehen, wäre auf jeden Fall größer gewesen.«
Der Anblick der Leiche war schrecklich. Ich war so etwas gewohnt, hatte eine gewisse Resistenz entwickelt, schön fand ich es trotzdem nicht. Bei all dem Blut konnte man nicht genau erkennen, wo sich die Wunden befanden. Was mir aber auffiel, war, dass neben dem Smartphone ein Klappmesser lag.
»Schöne neue Welt«, bemerkte Phil und nickte. »Nicht alles, was neu ist, muss unbedingt besser sein. Aber egal: Ist das die Tatwaffe?«
»Möglich, wobei wir eher annehmen, dass das Messer dem Opfer gehört hat. Wir überprüfen das natürlich, aber wer wäre denn so dumm, die Tatwaffe zurückzulassen? Außerdem sind die Initialen des Opfers auf dem Griff eingraviert.«
»Die Einzelheiten finden wir ja im Bericht«, sagte Phil. »Nächste Frage: Was wissen Sie über den Täter?«
»Nicht viel«, kam die Antwort. »Einige Leute glauben, gesehen zu haben, wie sich das Opfer mit jemandem gestritten hat, einem anderen jungen Mann. Ging wohl um eine Frau. Eine genaue Beschreibung konnte oder wollte keiner abgeben. Auch nicht das Go-go-Girl, das ihn gefunden hat. Wenn Sie wissen wollen, was ich denke: Es ist die zweite Option. Wer auch immer dem armen Kerl das angetan hat, die Leute haben eine Heidenangst, ihn gesehen zu haben.«
»Sie meinen, es war jemand von der Mafia?«, fragte Phil.
Der Detective nickte. »Entweder das oder ein anderer finsterer Typ.«
»Haben Sie schon mit allen gesprochen, die die beiden Streithähne gesehen haben könnten? Auch mit dem Türsteher des Clubs?«, wollte ich wissen.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, mit dem noch nicht, aber der läuft ja nicht weg. Soll ich ihn mir vornehmen? Oder übernehmen Sie das?«
»Das machen wir schon«, antwortete Phil. »Der Club ist doch bestimmt videoüberwacht. Haben Sie die Aufzeichnungen schon sichergestellt?«
Wieder schüttelte der Detective den Kopf. »Dazu bin ich noch nicht gekommen. Wobei hier in der Gasse keine Kameras installiert sind, das habe ich überprüft. Wenn Zorzetti hier erstochen wurde, wonach es aussieht, haben wir das sicher nicht auf Video.«
»Es sei denn, irgendjemand hat es mit seinem Handy festgehalten«, wandte Phil ein.
»Das habe ich selbstverständlich ebenfalls überprüft. Von denen, die ich befragt habe, haben das alle verneint.«
»Dann kümmern wir uns um den Türsteher und die Videoaufzeichnungen des Clubs«, sagte ich.
»Und um das Go-go-Girl«, fügte Phil hinzu.
»Geht klar«, stimmte der Detective zu. »Ich schaue mich in der unmittelbaren Umgebung um. Vielleicht gibt es irgendwo eine Kamera, die etwas von Interesse aufgezeichnet hat.«
»Wie sieht es mit der genauen Tatzeit aus?«, wollte Phil wissen.
»Die Kollegen meinen, um ein Uhr herum, vielleicht eine halbe Stunde früher oder später.«
»Immerhin ein kleines Zeitfenster«, sagte ich.
Wir sprachen zuerst mit der jungen Frau, die das Opfer gefunden hatte. Sie war Anfang zwanzig, trug einen enganliegenden, figurbetonten Lederjumpsuit, hatte blondierte Haare und war stark geschminkt. Der Anblick des Toten hatte sie offenbar ziemlich mitgenommen. Ihre Wangen waren nass von Tränen und verlaufenem Kajal, außerdem zitterte sie am ganzen Körper.
»Möchten Sie sich nicht etwas überziehen?«, fragte Phil, als wir sie in der Nähe der Gasse befragten.
Sie schüttelte den Kopf. »Geht schon. Haben Sie eine Zigarette?«
»Leider nicht«, antwortete Phil. Ich schüttelte ebenfalls den Kopf.
»Ich auch nicht, habe eigentlich aufgehört. Aber wenn man so etwas erlebt … Fuck!« Sie lehnte sich gegen die Hauswand und schlang die Arme um sich.
»Wann genau haben Sie ihn gefunden?«, begann ich.
»Um kurz vor zwei. Ich hatte gerade Pause, wollte frische Luft schnappen und bin nach draußen gegangen. Es war kühl, frisch. Bei der stickigen Atmosphäre da drinnen brauche ich das manchmal. Da habe ich ihn liegen sehen. Reglos. Tot. Echt der Horror!« Sie sah aus, als müsste sie sich gleich übergeben.
»War sonst noch jemand in der Nähe?«, versuchte ich ihre Gedanken schnell in eine andere Richtung zu lenken.
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nein, niemand. Das habe ich doch schon Ihrem Kollegen gesagt. Sonst war da nichts und niemand, nur er. Mann, hoffentlich kriege ich das Bild schnell wieder aus meinem Kopf. Sind wir bald fertig? Ich brauch einen Drink.«
»Einen Moment noch.« Ich überlegte kurz. »Hatten Sie den Mann, Marc Zorzetti, vorher schon gesehen? Heute Abend, meine ich.«
»Kann sein. Ja, ich glaube schon. Er war allein, soweit ich das sagen kann. Kommt eigentlich jeden Samstag in den Club. Recht spendabel. Mit ihm gesprochen habe ich nicht. Dazu habe ich nicht viel Gelegenheit, wenn ich oben im Käfig bin.«
»Im Käfig?«, hakte Phil nach.
»Ja, wir haben zwei Käfige, in denen die Tänzerinnen arbeiten.«
»Soll Sie jemand nach Hause bringen?«, bot ich an.
»Nein, besser nicht. Ich bin im Moment lieber unter Menschen. Wenn ich allein bin, wird es bestimmt schlimmer.«
Außerdem war sie hier an der Quelle, was Drinks betraf, ergänzte ich in Gedanken. Ihr Verlangen nach Alkohol war offensichtlich.
Ich riet ihr, es nicht zu übertreiben, dann bedankten wir uns und gingen zum Türsteher, einem breitschultrigen Bodybuilder mit kahl geschorenem Kopf. Trotz der niedrigen Temperaturen trug er ein schwarzes T-Shirt, das seine muskulösen Oberarme gut zur Geltung brachte.
»Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen«, sagte Phil, nachdem er seine Marke gezeigt hatte. Die Wartenden, die zuvor gemurrt hatten, als Phil und ich an ihnen vorbei direkt zum Eingang gegangen waren, spitzten neugierig die Ohren. »Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«
»Es geht um den … Zwischenfall dort, nicht wahr?« Er warf einen vielsagenden Blick zur Seitengasse. Seine Diskretion in allen Ehren, aber ich ging davon aus, dass jeder in der näheren Umgebung bereits von dem Mord gehört hatte. Dennoch nickte ich einfach.
Der Türsteher sagte einem Kollegen Bescheid und ging mit uns ein paar Schritte, sodass uns niemand zuhören konnte.
»Sie kennen den Mann, der getötet wurde?«, wollte ich wissen.
»Sicher.« Er nickte. »Marc Zorzetti war Stammgast. Hatte Geld, Verbindungen …«
»… zur Mafia«, vollendete ich seinen Satz. »Das wussten Sie doch, nicht wahr?«
Nach kurzem Zögern nickte er. »Das ist etwas, was man weiß und worüber man nicht spricht. Als Türsteher habe ich es mit allen möglichen Typen zu tun. Neben den normalen Gästen kommen auch Dealer, Zuhälter, Talentscouts und Schutzgelderpresser vorbei und wollen ihr Stück vom Kuchen. Das Green Hornet läuft gut, ist im Moment wirklich angesagt. Mein Job ist es unter anderem, diese Typen draußen zu halten.«
»Und was ist mit der Mafia?«, fragte Phil.
Wieder ein Zögern. »Da kann man allein nicht viel ausrichten«, antwortete er dann achselzuckend. »Ich selbst hatte aber nie Probleme, die 135th Street ist quasi neutrale Zone. Soweit ich weiß, haben weder die Giambellucas noch die Zorzettis jemals Anspruch auf die Gegend erhoben oder Schutzgeld für den Club verlangt. Der Tod des Kerls könnte das alles ändern. Dumme Sache. Ich weiß nicht, welcher Idiot sich mit ihm eingelassen hat, aber das wird böses Blut geben. Bleibt nur zu hoffen, dass der Club da nicht mit reingezogen wird.«
Ich nickte verstehend. »Sie haben nicht gesehen, mit wem sich Zorzetti gestritten hat?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Und ganz ehrlich: Selbst wenn ich was gesehen hätte, würde ich nichts sagen. Ich hänge an meinem Leben und an meinem Körper. Habe viel Arbeit in mich investiert und keine Lust, meine Gesundheit zu riskieren.«
»Kann ich verstehen«, sagte ich laut, und während ich so tat, als würde ich was auf meinem Smartphone notieren, flüsterte ich: »Aber unter uns, ganz inoffiziell: Mit wem hat er sich gestritten?«
Er überlegte einen Moment. »Dazu kann ich nur Folgendes sagen, und das wirklich inoffiziell: Nach Marc Zorzetti hat Andrew Giambelluca den Club verlassen«, antwortete er dann, ebenfalls im Flüsterton. »Wenn Sie sich die Überwachungsvideos ansehen, werden Sie das ohnehin herausfinden. Und bitte: Lassen Sie mich da raus.«
»Geht klar«, versicherte ich ihm, steckte mein Smartphone weg und sagte, wieder in normaler Lautstärke: »Was wir noch bräuchten, sind die Aufzeichnungen der Überwachungskameras.«
»Benötigen Sie dazu nicht einen Durchsuchungsbefehl?«, wandte er ein.
»Es geht hier um Mord«, sagte ich ernst. »Glauben Sie, dass wir Probleme hätten, einen zu bekommen, wenn wir ihn bräuchten? Davon abgesehen: Es wäre sicher im Sinne des Clubs, wenn Sie kooperieren.«
Er zuckte mit den Schultern. »Reden Sie mit Mac, dem Inhaber. Der kann Ihnen weiterhelfen.«
Ich erkundigte mich, wo wir diesen Herrn finden würden, woraufhin der Türsteher anbot, uns zu ihm zu bringen. Da wir momentan keine weiteren Fragen an ihn hatten, nahmen wir das Angebot umgehend an.
Schon im Eingangsbereich der Disco wehten uns mannigfaltige Gerüche entgegen. Als wir uns der Tanzfläche näherten, wurde daraus eine Mischung aus Schweiß, verschiedenen Parfüms und Aftershaves. Die Klimaanlage schien es nicht zu schaffen, all der menschlichen Ausdünstungen und künstlichen Stoffe Herr zu werden.
Es war relativ dunkel … und voll. Dicht gedrängt standen mehrere Hundert Menschen herum und versuchten sich trotz der lauten Musik zu unterhalten. Viele tanzten im Rhythmus der Beats.
Der Türsteher navigierte uns zielsicher durch die Menschenmasse, bis zu einer Treppe, die nach oben führte. Dort durchquerten wir eine VIP-Lounge und kamen vor einer Stahltür zum Stehen.
Er hielt sein Gesicht vor eine Kamera, und kurz darauf öffnete sich die mehrfach verriegelte Tür. Dahinter befand sich ein recht wohnlich eingerichtetes Büro. Der Schreibtisch und die Aktenschränke sahen nach Arbeit aus, die beiden Sofas eher nach Vergnügen. Ich unterließ es, mir vorzustellen, was hier abgehen mochte. Solange es legal blieb, konnte schließlich jeder auf die Art Spaß haben, die ihm gefiel.